Urteil des Gerichtes
Entscheidungsvorblatt
Aktenzeichen: LVG 1/00 | Entscheidungsart: Urteil | Entscheidung vom: 29.08.2000 |
Verfahrensart | Beschwerdeverfahren | |
entscheidungserhebliche Vorschriften |
LSA-VAbstG § 7 LSA-VAbstG § 9 LSA-VAbstG § 11 LSA-VAbstG § 30 LSA-VAbstG § 32 LSA-VerfGG § 33 Abs 2 LSA-VerfGG § 36 Abs 3 LSA-VerfGG § 38 S 1 LSA-VerfGG § 52 LSA-Verf Art. 75 Nr 1 LSA-Verf Art. 75 Nr 2 LSA-Verf Art. 75 Nr 8 LSA-Verf Art. 77 Abs 2 LSA-Verf Art. 80 Abs 1 LSA-Verf Art. 81 LSA-Verf Art. 82 LSA-LdTgGO VwGO § 40 Abs 1 VwGO § 91 Abs 2 |
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Schlagworte | Beschwerde - Volksabstimmungsgesetz - Antragsänderung - Zulässigkeit - Behandlung, parlamentarische - Volksinitiative - Gesetzesvorschlag - Landtag, Präsident - Landtag - Antragsgegner - Zuständigkeit - Befugnis - Entscheidung - Organstreitigkeit - Rechtsverletzung - Recht, eigenes - Frist - Volksbegehren - Volksabstimmung - Gesetz, Inhalt - Gesetz, Autor - Gesetz, Beschluss | |
Stichworte | Urteil | |
Leitsatz | 1. Gegenstand von "Beschwerdeverfahren" nach § 30 Abs. 1, 3 des Volksabstimmungsgesetzes (LSA-VAbstG) können nur "Annahme-Entscheidungen" nach §§ 7 oder 11 LSA-VAbstG sein. 2. § 52 des Landesverfassungsgerichtsgesetzes (LSA-VerfGG) erfasst im Übrigen alle nach Art. 75 Nr. 2 der Landesverfassung (LSA-Verf) statthaften Verfahren. 3. Außerhalb des § 30 LSA-VAbstG ist das Verfahren nach § 52 LSA-LVerfGG innerhalb von sechs Monaten einzuleiten. Die Frist beginnt mit der Bekanntgabe der Maßnahme zu laufen, welche den Beschwerdeführer erstmals beschwert. 4. Weder aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 LSA-Verf selbst noch aus § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG folgt, dass über den Wortlaut des Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf hinaus auch die Volksinitiative, welche einen Gesetzentwurf vorlegt, bereits dadurch ein förmliches Gesetzgebungsverfahren einleiten kann. Die "Befassung" mit dem Gesetzentwurf einer Volksinitiative kann nur dann mit einem Gesetzesbeschluss oder mit einer förmlichen Ablehnung enden, wenn der dem Landtag vorgelegte Entwurf zuvor durch einen nach Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf Initiativberechtigten eingebracht worden war. | |
Fundstellen | LVerfGE 11, 462 | |
Sonstiges | Gesetzgebung | |
Zitiervorschlag |
VerfGSA, Urteil vom
29.08.2000 - LVG 1/00 -, www.verfassungsgericht-sachsen-anhalt.de |

Urteil
in dem Beschwerdeverfahrenverfahren
LVG 1/00
Antragsteller: Vertrauenspersonen der Volksinitiative
Antragsgegner zu 1: Präsident des Landtags
Antragsgegner zu 2: Landtag von Sachsen-Anhalt
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Tenor:
Die Beschwerde wird verworfen.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Das Land hat die den Beschwerdeführern entstandenen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.
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(Die grauen Ziffern über den Absätzen sind durchlaufende Absatznummern [Randnummern].)
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Tatbestand:
{RN:1}
1.-->Die Beschwerdeführer sind als vier Eltern und als eine Erzieherin Vertrauenspersonen der »Volksinitiative "Für die Zukunft unserer Kinder"«, die sich bildete, nachdem der Landtag am 18. Februar 1999 beschlossen hatte, die Bedingungen für die Kinderbetreuung durch Novellierung des entsprechenden Gesetzes mit Wirkung zum 1. August 1999 zu verändern. Die Volksinitiative sah in der Novellierung eine erhebliche Verschlechterung für die betreuenden Einrichtungen.
{RN:2}
Durch den aus drei Paragraphen bestehenden Gesetzentwurf vom 13. März 1999 sollte der Landtag angehalten werden, den bisherigen Betreuungsstand aufrecht zu erhalten:
§ 1
Das Gesetz zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen ... bleibt in der Fassung des Gesetzes vom 17. Dezember 1996 ... über den 31. Juli 1999 hinaus in Kraft.
§ 2
Das Gesetz zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen vom 26. Juni 1991 ... in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen gemäß Beschluss des Landtages vom 18. Februar 1999 wird aufgehoben.
§ 3
Dieses Gesetz tritt am Tag seiner Verkündung in Kraft.
Die erforderliche Zahl der Unterschriften wurde erreicht. Der Beschwerdegegner zu 1 stellte deshalb die Zulässigkeit der Initiative fest und machte dieses Ergebnis sowie das Anliegen der Volksinitiative im Ministerialblatt bekannt (Bek. v. 25.05.1999 - LSA-MBl 886). Wegen der Einzelheiten wird auf den Gesetzentwurf mit Begründung als Anlage zur Unterrichtung des Beschwerdegegners zu 1 in der Landtagsdrucksache 3/1650 (vom 26.05.1999) Bezug genommen.
{RN:3}
2.-->Die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt bestimmt über einen Volksinitiativ-Gesetzes-Entwurf u. a.:
Artikel 80
Volksinitiative
{BS:}
(1) Bürger haben das Recht, den Landtag mit bestimmten Gegenständen der politischen Willensbildung zu befassen, die das Land Sachsen-Anhalt betreffen. Eine Volksinitiative kann auch einen mit Gründen versehenen Gesetzentwurf zum Inhalt haben.
(2) Eine Volksinitiative muss von mindestens 35.000 Wahlberechtigten unterzeichnet sein. Ihre Vertreter haben das Recht, angehört zu werden.
(3) Das Nähere regelt ein Gesetz.
{BE:}
Artikel 77
Beschluss der Gesetze
{BS:}
(1) Die Gesetze werden vom Landtag beschlossen, soweit nicht das Volk unmittelbar durch Volksentscheid handelt.
(2) Gesetzentwürfe können von der Landesregierung, aus der Mitte des Landtages oder durch Volksbegehren eingebracht werden.
(3) Der Landtag behandelt Gesetzesentwürfe in mindestens zwei Beratungen, zwischen denen mindestens zwei Tage liegen müssen.
{BE:}
{RN:4}
Das Ausführungsgesetz zu Art. 80 Abs. 3 (und zu Art. 81 Abs. 6) der Landesverfassung (Volksabstimmungsgesetz vom 9.8.1995 [LSA-GVBl., S. 232] - LSA-VAbstG -) bestimmt u. a.:
§ 9 Behandlung angenommener Volksinitiativen
(1) Angenommene Volksinitiativen, die keinen Gesetzentwurf zum Gegenstand haben, sind vom Landtag innerhalb von vier Monaten ... abschließend zu behandeln.
(2) Angenommene Volksinitiativen nach Absatz 1 werden an den Petitionsausschuss überwiesen. Dieser hört die Vertrauensperson ... an und kann Empfehlungen der für den Gegenstand der Volksinitiative sachlich zuständigen Ausschüsse des Landtages sowie Gutachten ... einholen. Der Petitionsausschuss schließt seine Beratungen mit einer Beschlussempfehlung. Im Anschluss findet eine Aussprache ... im Landtag statt, bei der eine Vertrauensperson das Recht auf Anhörung hat.
(3) Angenommene Volksinitiativen, die einen Gesetzentwurf zum Gegenstand haben, sind vom Landtag innerhalb von sechs Monaten entsprechend den Bestimmungen der Geschäftsordnung zu Gesetzentwürfen abschließend zu behandeln. Der Landtag hört die Vertrauensperson in seiner ersten Beratung an.
(4), (5) ...
§ 30 Rechtsschutz
(1) Gegen die Entscheidungen ... des Präsidenten des Landtages ... auf Grund dieses Gesetzes können die Vertrauenspersonen, ... Beschwerde beim Landesverfassungsgericht erheben. ...
(2) Die Beschwerde muss innerhalb eines Monats nach der Zustellung der Entscheidung an die Beschwerdeführer oder der öffentlichen Bekanntmachung ... erhoben werden.
(3) Eine der Beschwerde stattgebende Entscheidung ... tritt hinsichtlich der auf Grund dieses Gesetzes zu wahrenden Fristen an die Stelle der mit der Beschwerde angegriffenen Entscheidung.
(4) Für das Verfahren gelten im übrigen die allgemeinen Verfahrensvorschriften und § 52 des Landesverfassungsgerichtsgesetzes. § 36 Abs. 1 und 2, §§ 37 und 38 des Landesverfassungsgerichtsgesetzes gelten sinngemäß.
{RN:5}
Die Geschäftsordnung des Landtages von Sachsen-Anhalt - LdTgGO - (i. d. F. v. 21.07.1994 [Bek. v. 18.19.1994 - LSA-MBl 2753], geändert durch Beschlüsse vom 22.07.1994, 29.04.1995 und vom 04.05.1995 [unveröffentlicht]) verlangt für "Vorlagen" (auch von Volkinitiativen) nach § 18 Abs. 1 (Nr. 2) LdTgGO die Verteilung an die Mitglieder des Landtags als Drucksachen. Das sog. "Initiativrecht" billigt § 23 Abs. 1 LdTgGO ausdrücklich neben der Landesregierung, einer Fraktion und einer Mehrzahl von (acht) Abgeordneten nur einem Volksbegehren, nicht auch einer Volksinitiative zu. Für die Behandlung von Gesetzentwürfen ist eine erste Beratung vorgesehen, die mit einer Überweisung an Ausschüsse enden kann (§ 28 LdTgGO); der Ausschuss legt dem Plenum eine Beschlussempfehlung vor (§ 29 Abs. 1 LdTgGO), die Grundlage der zweiten Beratung wird (§ 31 LdTgGO); sie kann mit dem Gesetzesbeschluss oder mit einer erneuten Überweisung an Ausschüsse enden (§ 33 LdTgGO).
{RN:6}
3.-->Der Beschwerdegegner zu 1 "unterrichtete" die Mitglieder des Landtags durch die Drucksache Nr. 3/1650 am 16. Mai 1999 über den Gesetzentwurf und dessen Begründung.
In der (22.) Landtagssitzung vom 17. Juni 1999 fand eine so bezeichnete "Erste Beratung" zum Gegenstand »Parlamentarische Behandlung der Volksinitiative "Für die Zukunft unserer Kinder"« statt, an welcher die Beschwerdeführer teilnahmen und in welcher außer der Ministerin und den Fraktionssprechern auch ein Beschwerdeführer (Schulze) Rederecht erhielt. Vor Eintritt in die Aussprache verlangte der Abg. Dr. Bergner (CDU) die korrekte Bezeichnung des Gegenstands mit "Gesetzentwurf"; dem widersprach der Abg. Dr. Fikentscher (SPD), weil der Verfassung gegenüber dem (Volksabstimmungs-)Gesetz der Vorrang eingeräumt werden müsse. Die Abg. Dr. Sitte (PDS) vertrat die Ansicht, das Gesetz widerspreche der Verfassung nicht. Den Änderungsantrag des Abg. Dr. Bergner lehnte die Mehrheit ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stenographischen Berichte zu dieser Sitzung verwiesen (LT-StenBer 3/22 v. 17.06.1999, TOP 1 [S. 1411 ff, 1413-1417]). Im Folgenden verfuhr der Landtag entsprechend einem Vorschlag des Ältestenrats (a. a. O., S. 1413). Die Behandlung des "Gesetzentwurfs" blieb streitig (BeschwF. Schulze [a. a. O., S. 1416 f; Abg. Dr. Bergner, CDU [a. a. O.; S. 1425 f]; Abg. Remmers, CDU [a. a. O., S. 1437]). Der Landtag verwies den "Gesetzentwurf" schließlich mit Mehrheit an die Ausschüsse für Gleichstellung, Kinder, Jugend und Sport (federführend) sowie für Inneres (a. a. O., S. 1438).
{RN:7}
Der federführende Ausschuss beriet in einer Sondersitzung vom 14. Juli 1999 über das weitere Verfahren; die Standpunkte der Fraktionen wurden erneut kontrovers diskutiert. Den Antrag der CDU-Fraktion, den Initiativ-Entwurf förmlich als Gesetzentwurf nach § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG zu behandeln, lehnte der Ausschuss mehrheitlich ab; beschlossen wurde der SPD-Antrag, eine Anhörung zu allen mit der Novellierung des Kinderbetreuungsrechts zusammenhängenden Fragen durchzuführen.
An der auf den 24. September 1999 festgesetzten Anhörung nahmen u. a. auch die Beschwerdeführer teil. In einer weiteren Sitzung vom 15. Oktober 1999 wurden Möglichkeiten diskutiert, mit dem Anliegen der Volksinitiative umzugehen; in der Sitzung vom 5. November 1999 wurden ein vorgelegter Bericht bei einer Enthaltung einstimmig sowie gegen zwei mit acht Stimmen eine Beschlussempfehlung gebilligt, nachdem die CDU-Fraktion nochmals Einwendungen gegen das eingeschlagene Verfahren erhoben hatte.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Bericht über das Verfahren (Anlage zu LT-Drs. 3/2433 v. 07.12.1999) Bezug genommen.
{RN:8}
Der federführende Ausschuss legte die Beschlussempfehlung mit Anlage vor (LT-Drs. 3/2433 v. 07.12.1999), die am 19. November 1999 (mit sieben gegen eine Stimme[n] bei einer Enthaltung) beschlossen worden war, nachdem zuvor der Finanzausschuss und der Ausschuss für Inneres dem Entwurf jeweils mehrheitlich zugestimmt hatten.
{RN:9}
In der Plenarsitzung vom 17. Dezember 1999 erstattete die Abg. Dr. Weiher (PDS) innerhalb einer so bezeichneten "Zweiten Beratung" Bericht; einer der Beschwerdeführer (Schulze) erhielt die Gelegenheit, das Wort zu ergreifen. Er machte geltend, es sei immer noch ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren notwendig, und bat um die Rückverweisung in den Ausschuss. Dem schlossen sich der Abg. Dr. Bergner (CDU) für seine und die Abg. Wiechmann (DVU) für ihre Fraktion an.
Die Überweisungsanträge lehnte das Plenum mit Mehrheit ab. Den schriftlichen Geschäftsordnungsantrag (LT-Drs. 3/2491) der CDU lehnte das Plenum gegen die Stimmen der CDU und der DVU bei drei Stimmenthaltungen (PDS) ab.
Die Vorlage des federführenden Ausschusses (LT-Drs. 3/2433) billigte das Plenum bei einigen Stimmenthaltungen; an dieser Abstimmung nahmen die CDU- und die DVU-Abgeordneten nicht teil.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift (LT-StenBer 3/32 v. 17.12.1999, zu TOP 13 [S. 2162 ff, 2166 f, 2170 f, 2172 f, 2174, 2176]) Bezug genommen.
{RN:10}
Das Ergebnis (LT-Drs. 3/32/2433 v. 17.12.1999) machte der Beschwerdegegner zu 1 bekannt (Bek. v. 22.12.1999 - LSA-MBl Nr. 4 v. 26.01.2000 [Jhrg. 2000, S. 67]) und teilte es den Beschwerdeführern am 22. Dezember 1999 mit.
{RN:11}
4.-->Die Beschwerdeführer haben am 21. Januar 2000 einen Antrag auf Entscheidung nach § 30 LSA-VAbstG gestellt, auf den wegen der Einzelheiten - insbesondere wegen der Bezeichnung des Gegners - Bezug genommen wird. Die Beschwerdeführer haben am 15. Juni 2000 - auf den Schriftsatz vom selben Tag wird gleichfalls verwiesen - prozessuale Ansprüche ausdrücklich auch gegen den Landtag selbst erhoben.
{RN:12}
Die Beschwerdeführer machen geltend: Die Beschwerdegegner seien zunächst nach § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG verfahren und hätten eine Anhörung durch das Plenum und nicht durch den Petitionsausschuss vorgenommen, wie das nach § 9 Abs. 2 LSA-VAbstG für die Fälle einer Volksinitiative ohne Gesetzentwurf vorgesehen sei. An den Petitionsausschuss sei auch nicht verwiesen worden, nachdem Einwendungen gegen die Gültigkeit des § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG erhoben worden seien. Der Landtag habe die Entschließung angenommen, ohne noch eine dritte Lesung durchzuführen, wie das nach §§ 33 ff LdTgGO insbesondere dann vorgesehen sei, wenn keine Schlussabstimmung über einen Gesetzentwurf stattgefunden habe. Der Beschwerdeführer zu 1 sei nach § 72 Abs. 1 LdTgGO für die Formulierung der Fragen verantwortlich. In zumindest entsprechender Anwendung des § 30 Abs. 1 LSA-VAbstG sei er zu veranlassen, den Entwurf der Volksinitiative nochmals wie einen Gesetzentwurf "auf den Weg zu bringen".
{RN:13}
Jedenfalls müsse festgestellt werden, dass der bisherige Ablauf rechtswidrig sei; daran bestehe auch ein Interesse, weil für die Volksinitiative völlig unklar sei, ob sie auf diesem Weg dem Landtag einen Gesetzentwurf unterbreiten könne. Das gelte auch für denkbare Anliegen anderer Initiativen.
{RN:14}
Das vom Landtag eingeschlagene Verfahren verstoße gegen Art. 80 Abs. 1, 3; 2 Abs. 1 der Landesverfassung. Es bestehe kein Widerspruch zu Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf; denn die Befugnisse der dort Genannten blieben unberührt. Der Unterschied zwischen einem durch Volksbegehren und einem durch eine Volksinitiative eingebrachten Gesetzentwurf sei dem Gesetzgeber des Ausführungsgesetzes durchaus bewusst gewesen; er sehe deshalb für den Entwurf der Volksinitiative eine entsprechende Anwendung des für die Gesetzgebung geltenden Verfahrens vor. Dies habe die Behandlung nicht durch den Petitionsausschuss, sondern durch Fachausschüsse sowie eine zweite und notfalls dritte Lesung im Plenum zur Folge. Dabei sei der Landtag keinesfalls an den Wortlaut der Initiative gebunden, sondern inhaltlich völlig frei. Unabhängig von der Frage des Initiativrechts habe der Landtag aber die verfassungsrechtliche Pflicht, sich mit dem Inhalt des von der Volksinitiative vorgelegten Gesetzentwurfs zu "befassen"; es handele sich um keine bloße "Petition". Das Staatsvolk könne einen Gegenstand auf die Tagesordnung des Landtags setzen, wie das sonst nur den Abgeordneten zustehe. Der Entwurf sei aber von Anfang an nicht ernsthaft beraten worden; auch in den Ausschussberatungen habe es keine Sachanträge gegeben, sondern es seien nur Verfahrensfragen besprochen worden. Das Plenum habe jedenfalls bei der Schlussabstimmung über Annahme, Änderung oder Ablehnung des Gesetzentwurfs selbst entscheiden müssen. Die Verweisung des § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG auf die Geschäftsordnung ändere die sich aus dieser ergebenden Pflichten nicht, sondern habe die Gesetzesinitiative gerade im Gegenteil aufwerten sollen. Da die Beratungen gezielt am Regelungsbegehren der "Volksinitiative" vorbei geführt worden seien, könne auch nicht davon ausgegangen werden, der Landtag habe das Anliegen inhaltlich abgelehnt.
{RN:15}
Es sei zu vermuten, dass die Landtagsmehrheit ausschließlich aus politischen Gründen von der rechtlich geschuldeten Behandlung abgewichen sei. Wenn verfassungsrechtliche Bedenken beständen, habe der Landtag das Gesetz förmlich zu ändern und könne sich nicht von dessen Beachtung freizeichnen.
{RN:16}
Die Beschwerdeführer regen an, die Kosten mit Rücksicht auf ihre finanzielle Lage sowie auf die grundsätzliche Bedeutung des Verfahrens auch dann zu erstatten, wenn die Beschwerde nicht zum Erfolg führe.
{RN:17}
Die Beschwerdeführer beantragen, festzustellen,
1. dass der Landtag die Rechte der Antragsteller aus Art. 80 Abs. 1 und 3 der Landesverfassung (LSA-Verf) in Verbindung mit § 9 Abs. 3 des Volksabstimmungsgesetzes (LSA-VAbstG) vom 09.08.1995 (LSA-GVBl., S. 232) und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 2 Abs. 1 LSA-Verf) dadurch verletzt hat, dass er es unterlassen hat, zum Gegenstand der Volksinitiative (LT-Drs.. 3/1650) zu beraten und Beschluss zu fassen,
2. dass der Präsident des Landtags die Rechte der Antragsteller aus Art. 80 Abs. 1 und 3 LSA-Verf in Verbindung mit § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 2 Abs. 1 LSA-Verf) dadurch verletzt hat, dass er es unterlassen hat, den Gegenstand der Volksinitiative zur Beratung und Abstimmung (Beschlussfassung) zu stellen und dass er mit dem an die Vertrauenspersonen gerichteten Schreiben vom 22. Dezember 1999 den Abschluss der Befassung des Landtages mit der Volksinitiative festgelegt und eine abermalige Zuleitung der Vorlage der Volksinitiative an den Landtag unterlassen hat,
3. dass § 9 Abs. 3 des LSA-VAbstG mit Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf vereinbar ist,
hilfsweise,
den Präsidenten des Landtages zu verpflichten, die angenommene Volksinitiative, die einen Gesetzentwurf zum Gegenstand hat, abermals dem Landtag zur Behandlung entsprechend den §§ 23 ff der Geschäftsordnung des Landtags vorzulegen,
und ganz hilfsweise,
festzustellen, dass die Behandlung durch den Landtag von Sachsen-Anhalt und seinen Präsidenten mit Artikel 80 LSA-Verf in Verbindung mit § 9 Absatz 3 des LSA-VAbstG sowie mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 2 Abs. 1 LSA-Verf) unvereinbar und daher rechtswidrig ist.
{RN:18}
Die Beschwerdegegner beantragen, die Anträge zu verwerfen.
{RN:19}
Der Beschwerdegegner zu 1 hat der Antragsänderung nicht zugestimmt.
{RN:20}
Die Beschwerdegegner entgegnen: Die Beschwerde sei weder mit ihrem Haupt- noch mit ihrem Hilfsantrag zulässig. Sie könne nach § 30 LSA-VAbstG nur gegen positive Entscheidungen des Landtagspräsidenten gerichtet werden und diesen zu keiner Handlung verpflichten. Die parlamentarische Behandlung des Anliegens sei zudem Sache des Landtags, dessen Verfahren der Präsident lediglich vorbereiten und leiten, aber nicht sachlich beanstanden könne. Für eine "entsprechende" Anwendung des § 30 Abs. 1 LSA-VAbstG sei kein Raum, weil es schon an einer Regelungslücke fehle.
Ein Organstreit unmittelbar nach § 52 LSA-VerfGG sei gegen den Beschwerdegegner zu 1 unzulässig, weil dieser an die Entscheidung des Landtages gebunden sei und deshalb nicht verpflichtet werden könne, etwas rechtlich Unzulässiges zu tun.
Die Beschwerde gegen den Beschwerdegegner zu 2 sei unzulässig, weil für sie die Frist bereits bei Antragstellung versäumt gewesen sei; denn die gerügte unrichtige Behandlung sei schon in der ersten Plenarsitzung am 17. Juni 1999 beschlossen worden.
{RN:21}
Abgesehen davon habe das eingeschlagene Verfahren der Landesverfassung entsprochen. Es sei auch bei verfassungskonformer Auslegung des Volksabstimmungsgesetzes mit diesem vereinbar gewesen. Das "Befassen" mit einem Gesetzentwurf verlange einen Beschluss zur Sache nur, wenn dieser beantragt werde; einen solchen Antrag könnten nur die zu einer Gesetzesinitiative Berechtigten stellen.
{RN:22}
5.-->Die Landesregierung hat sich nicht geäußert.
{RN:23}
6.-->Nach Abschluss der mündlichen Verhandlung haben die Beschwerdeführer aus Anlass der dortigen Erörterungen ihre Rechtsausführungen präzisiert und ergänzt; darauf wird Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
{RN:24}
Das Landesverfassungsgericht entscheidet, ohne nochmals in die mündliche Verhandlung einzutreten; denn die Ausführungen der Beschwerdeführer nach Schluss der mündlichen Verhandlung enthalten keine neuen tatsächlichen Gesichtspunkte, zu welchen sich die Beschwerdegegner nicht hätten äußern können, und die Rechtsausführungen geben dem Verfahren keine Wendung zu Lasten der Beschwerdegegner, welche diese angesichts des bisher geführten Rechtsgesprächs überraschen müsste.
{RN:25}
Die (ursprüngliche, allein gegen den Präsidenten des Landtags gerichtete) Beschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen (1.). Die Erweiterung der Beschwerde ist als Antragsänderung nicht sachdienlich (2.).
{RN:26}
1.-->Der (mit dem ursprünglichen Begehren) als "Beschwerde" zu behandelnde "Antrag auf Entscheidung" (1.1) ist nicht nach § 30 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren bei Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Volksabstimmungsgesetz) - LSA-VAbstG - vom 09.08.1995 (LSA-GVBl., S. 232) zulässig (1.2). Er erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des § 52 des Gesetzes über das Landesverfassungsgericht - LSA-VerfGG - vom 23.08.1993 (LSA-GVBl., S. 441), geändert durch Gesetze vom 14.06.1994 (LSA-GVBl., S. 700) und vom 22.10.1996 (LSA-GVBl., S. 332) (1.3) oder sonstiger Regelungen über statthafte Anträge (1.4).
{RN:27}
1.1-->Der ursprünglich gestellte Antrag ist als "Beschwerde" i. S. des § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG zu verstehen; denn er ist als "Antrag auf Entscheidung" (nach dieser Bestimmung) überschrieben, knüpft verfahrensrechtlich an die Mitteilung des Beschwerdegegners zu 1 nach dem Volksabstimmungsgesetz an und begründet einen im Wesentlichen aus dem Volksabstimmungsgesetz (§ 9 Abs. 3 LSA-VAbstG [mit Verweisung auf die Geschäftsordnung]) hergeleiteten Anspruch, den Beschwerdegegner zu 1 zu verpflichten, ein Verhalten zu korrigieren, durch das sich die Volksinitiative benachteiligt sieht. Anhaltspunkte dafür, dass von vornherein umfassend ein von § 30 LSA-VAbstG unabhängiges Verfahren nach § 52 LSA-VerfGG, eine Verfassungsbeschwerde oder eine Organstreitigkeit beabsichtigt war, enthält das anfängliche Begehren formell nicht. Das hindert das Landesverfassungsgericht zwar nicht, auch den späteren Vortrag einzubeziehen und umfassend zu prüfen, ob das Begehren (§ 88 VwGO i. V. m. § 33 Abs. 2 LSA-VerfGG) nach anderen Bestimmungen Erfolg haben kann und deshalb umgedeutet werden muss; da dies aber ausscheidet, wird formell an der Bezeichnung des ursprünglichen Gegenstands ("Beschwerde") festgehalten.
{RN:28}
Das mit dem bestimmenden Schriftsatz vom 20. Januar 2000 zur Prüfung gestellte Begehren wird durch die dort mit Haupt- und Hilfsantrag bezeichneten Anträge näher bestimmt und ist durch den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hauptantrag Nr. 2 präzisiert worden.
{RN:29}
1.2-->Das Begehren, der Beschwerdegegner zu 1 möge das Anliegen der Volksinitiative abermals dem Landtag zur richtigen Behandlung vorlegen, betrifft keine Entscheidung i. S. des § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG.
Wie bereits der hier verwendete Gesetzesbegriff "Beschwerde" deutlich macht, kann nur eine bereits getroffene Entscheidung des Landtagspräsidenten zur Prüfung gestellt werden. Das bestätigt sich durch die Regelungen der Absätze 1 und 3 dieser Bestimmung; denn die nach Absatz 1 zu erhebende Rüge ist als "Beanstandung" zu verstehen und führt, wenn sie erfolgreich ist, dazu, dass die Entscheidung durch das Landesverfassungsgericht ersetzt wird (Absatz 3). Damit ist nicht zugleich auch eine "Untätigkeitsklage" (entsprechend § 75 VwGO) verbunden; denn § 30 Abs. 3 LSA-VAbstG unterscheidet sich gerade beim gerichtlichen Ausspruch von der Verpflichtungsklage des Verwaltungsprozesses (§ 113 Abs. 5 VwGO [keine originäre Regelung bereits durch das Gericht, sondern nur eine Verpflichtung der Behörde zur Regelung]). Nach dem Wortlaut des § 30 Abs. 1 Satz 1 VAbstG kommt dem Gericht aber nicht die Befugnis zu, den Landtagspräsidenten anzuhalten, eine Entscheidung überhaupt erst zu treffen.
{RN:30}
Der Hauptantrag der Beschwerdeführer aus dem ursprünglichen Schriftsatz vom 20. Januar 2000 geht selbst nicht davon aus, dass - wie das eigentlich durch § 30 Abs. 3 LSA-VAbstG vorgegeben ist - das Landesverfassungsgericht befugt sein könnte, unmittelbar an Stelle des Beschwerdegegners zu 1 eine weitere parlamentarische Beratung zu "verfügen", sondern beschränkt sich auf eine Verpflichtung, die allerdings mit dem System des § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG nicht zu vereinbaren ist.
{RN:31}
Das Begehren, eine neue parlamentarische Beratung einzuleiten, verlangt außerdem keine Entscheidung auf Grund des Volksabstimmungsgesetzes, wie es der Wortlaut des § 30 Abs. 1 Satz 1 LSA-VAbstG fordert, sondern bezieht sich allein auf die Geschäftsordnung des Landtages von Sachsen-Anhalt - LdTgGO - (i. d. F. v. 21.07.1994 [Bek. v. 18.10.1994 - LSA-MBl 2753], geändert durch Beschlüsse vom 22.07.1994, 29.04.1995 und vom 04.05.1995 [unveröffentlicht]). Die Entscheidung, eine neue Beratung einzuleiten, wird auch nicht deshalb zu einer Maßnahme auf Grund des Volksabstimmungsgesetzes, weil § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG auf die Geschäftsordnung verweist; denn dem stehen die unterschiedlichen Regelungen in einerseits § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG und andererseits § 30 Abs. 1 LSA-VAbstG entgegen: Adressat der Handlungsanweisung nach § 9 Abs. 3 Satz 1 LSA-VAbstG, die Volksinitiative entsprechend den Bestimmungen zu Gesetzentwürfen zu behandeln, ist nicht der Präsident, sondern allein der Landtag; nicht dessen, sondern nur des Präsidenten Handlungen sind aber "beschwerdefähig" (§ 30 Abs. 1 Satz 1 LSA-VAbstG).
{RN:32}
Wortlaut und Sinn des § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG zwingen deshalb zu der Auslegung, dass nur die Annahme-"Entscheidungen" der gerichtlichen Kontrolle unterliegen sollen, die im Fall der Volksinitiative nach § 7 LSA-VAbstG der Landtagspräsident und im Fall des Volksbegehrens nach § 11 Abs. 1 LSA-VAbstG die Landesregierung trifft. Dies wird durch Art. 81 Abs. 2 LSA-Verf für das Volksbegehren bestätigt; hier gibt die Verfassung selbst vor, dass die Landesregierung über die Annahme befindet und dass diese Entscheidung vom Landesverfassungsgericht überprüft werden kann. Die Regelung des Volksabstimmungsgesetzes für die Fälle des Art. 80 LSA-Verf, die im § 30 LSA-VAbstG mit der Kontrollanordnung für Art. 81 Abs. 2 LSA-Verf in derselben Bestimmung verbunden worden ist, geht schon deshalb von derselben Systematik aus.
{RN:33}
§ 30 Abs. 1 LSA-VAbstG muss nicht mit Rücksicht auf § 9 Abs. 3 Satz 1 LSA-VAbstG oder auf Art. 80 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt - LSA-Verf - vom 16.07.1992 (LSA-GVBl., S. 600) erweiternd dahin ausgelegt werden, dass der Präsident für das Verfahren vor dem Landtag gleichsam "verantwortlich" gemacht werden kann; denn das würde seiner Stellung innerhalb des Parlaments nicht gerecht:
Durch die Geschäftsordnung, auf die § 9 Abs. 3 Satz 1 LSA-VAbstG verweist, erlangt der Präsident keine Rechte, die ihn ermächtigen könnten, verbindlich für und gegen das Plenum eigenständig Entscheidungen zu treffen. Soweit ihm die Geschäftsordnung besondere Befugnisse zuweist (§ 5 LdTgGO), liegen sie in der Außenvertretung, in der Geschäftsführung, der Verhandlungsleitung, im Hausrecht und in der Verwaltung. Bezogen auf die Sitzungstätigkeit des Landtags hat dessen Präsident mit seiner Verwaltung (§§ 5 Abs. 3; 8 Abs. 1 LdTgGO) die Aufgabe, Sitzungen des Landtags lediglich vorzubereiten.
{RN:34}
Auch soweit der Präsident Sitzungen leitet (§ 5 Abs. 1 LdTgGO), bleibt die eigentliche Entscheidung eine solche des Plenums. Die Befugnisse gehen über die Einberufung (§ 55 Abs. 1 LdTgGO), die Erstellung der Tagesordnung (§ 55 Abs. 3 LdTgGO) und die rein verfahrensbezogene Leitung (§§ 58 ff LdTgGO) nicht hinaus. Selbst über Zeit, Ort und Tagesordnung bestimmt letztlich das Plenum (§ 55 Abs. 2 LdTgGO). Diese Kompetenzabgrenzungen halten sich im Rahmen der durch die Verfassung selbst vorgegebenen Zuständigkeiten des Landtagspräsidenten (vgl. für den Gegenstand der oben genannten Geschäftsordnungsregelungen: Art. 45 Abs. 1; 49 LSA-Verf).
{RN:35}
§ 30 LSA-VAbstG muss auch nicht über seinen Wortlaut und Regelungsgehalt hinaus entsprechend auf Verfahrensgegenstände angewendet werden, die mit einer Volksinitiative zusammenhängen und eine Entscheidung des Landtags oder seines Präsidenten betreffen; denn unabhängig davon, ob die von den Beschwerdeführern gesehene "Lücke" im Rechtsschutz in Wahrheit bereits über Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf und § 52 LSA-VerfGG "geschlossen" ist, wäre ein Verfassungsverstoß nicht zu erkennen, falls bestimmte Handlungen nicht verfassungsgerichtlich überprüft werden dürften.
{RN:36}
Art. 75 LSA-Verf geht nämlich von keinem umfassenden Rechtsschutz aus, sondern bezeichnet die Gegenstände, welche einer verfassungsrechtlichen Kontrolle unterliegen, abschließend. Soweit Art. 75 Nr. 8 LSA-Verf als "Öffnungsklausel" dem Landesgesetzgeber gestattet, den Katalog durch einfaches Gesetz zu erweitern - wie dies durch § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG für das bei der Volksinitiative i. S. des Art. 80 LSA-Verf einzuhaltende Verfahren geschehen ist -, wird vorausgesetzt, dass die dadurch entstandene neue Gesamtregelung wiederum abschließend ist. Dies entspricht den Grundsätzen des Bundesrechts zur Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts, dessen Rechtsprechung deshalb übertragbar ist (BVerfG, Urt. v. 30.7.1952 - 1 BvF 1/52 -, BVerfGE 1, 396 [408/409]: keine Befugnis des Verfassungsgerichts, sich als Hüter der Verfassung über die gesetzliche Regelung hinaus für zuständig zu halten]; BVerfG, Beschl. v. 18.10.1967 - 1 BvR 248/63, 216/67 -, BVerfGE 22, 293 [298]: keine außergerichtliche Zuständigkeit bei noch so dringendem rechtspolitischem Bedürfnis; ebenso: BVerfG, Beschl. v. 22.10.1974 - 1 BvL 3/72 -, BVerfGE 38, 121 [127]).
{RN:37}
1.3-->Für die gegen den Landtagspräsidenten gerichtete Beschwerde kann offen bleiben, ob das Verfahren nach § 52 LSA-VerfGG denselben Umfang hat wie die Beschwerde nach § 30 LSA-VAbstG oder ob dieser Gegenstand nur ein denkbarer Fall innerhalb eines im Übrigen durch Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf weiter gespannten Rahmens ist - wovon unten bei Nr. 2.2.2.1 ausgegangen wird -; denn auch bei dieser Auslegung bleiben der Antrag, wie er am 20. Januar 2000 angekündigt und als Hilfsantrag aufrecht erhalten worden ist, und der Hauptantrag Nr. 2 unzulässig.
{RN:38}
Den Beschwerdeführern fehlt so offenkundig ein Recht, gerade vom Beschwerdegegner zu 1 die Einleitung einer nochmaligen parlamentarischen Beratung zu verlangen, dass bereits ein Rechtsschutzbedürfnis für ein gegen den Landtagspräsidenten gerichtetes Antragsverfahren nach § 52 LSA-VerfGG zu verneinen ist.
{RN:39}
Soweit Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf auch einer konkreten Volksinitiative (bzw. einem Volksbegehren oder -entscheid) die Befugnis einräumt, zu beanstanden, dass der Volkswille rechtswidrig behindert werde, ist vorauszusetzen, dass eine Verletzung in eigenen Rechten jedenfalls möglich erscheint. Dies gilt für Verfassungsbeschwerden (vgl. Art. 75 Nrn. 6, 7 LSA-Verf und § 49 LSA-VerfGG sowie verweisend § 51 Abs. 2 LSA-VerfGG) ebenso wie für die Organstreitigkeit des Art. 75 Nr. 1 LSA-Verf (vgl. dazu auch § 36 Abs. 1 LSA-VerfGG); soweit dort auf die eigenen "Zuständigkeiten" abgestellt ist, welche der Verfassungsverstoß berührt, hat das Landesverfassungsgericht dies wiederholt mit einer Verletzung in eigenen Rechten gleichgesetzt (vgl. LVerfG LSA, Urt. v. 29.5.1997 - LVG 1/96 -, LVerfGE 6, 281 [292], zuletzt: LVerfG LSA, Urt. v. 7.1.2000 - LVG 6/99 -).
{RN:40}
Eine Verfassungsverletzung durch den Beschwerdegegner zu 1 liegt aber nicht vor; denn dieser hat nicht die Rechtsmacht, die bereits vom Landtag abgeschlossene Beratung aus eigenem Recht "zu beanstanden" oder "wieder aufzunehmen". "Herr des Verfahrens" ist der Landtag, der mit Mehrheit eine Rücküberweisung in die Fachausschüsse abgelehnt und in einer zweiten Beratung nur die vorbereitete Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses angenommen hat. Dem Beschwerdegegner zu 1 kam es dabei nach den oben zitierten Geschäftsordnungsbestimmungen nur zu, den Verfahrensgang zu leiten, nicht aber darüber hinaus, Verfahrensentscheidungen gegen die Landtagsmehrheit zu treffen. Daran ändert auch § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG nichts; denn die Bestimmung gibt dem Landtagspräsidenten nicht mehr Rechte, als ihm nach der Geschäftsordnung zustehen, und nimmt deshalb konsequent den Landtag und nicht dessen Präsidenten in Pflicht.
{RN:41}
Aus § 72 LdTgGO folgt nichts anderes. Diese Bestimmung ermächtigt den Präsidenten nicht, dem Landtag mit Bindungswirkung für diesen Themen vorzulegen und ohne Vorgabe aus dem Landtag oder seinen Ausschüssen die Abstimmung über eine Gesetzesvorlage zu erzwingen.
{RN:42}
"Beschlussvorschlag" i. S. des Absatzes 1 bedeutet - wie sich aus dem Klammerzusatz ergibt - nicht ausschließlich (Gesetzes-)Vorlage; Gegenstand der Abstimmung kann vielmehr sogar ein sonstiger Antrag oder Vorschlag sein. Dass die Formulierungskompetenz des die Sitzung leitenden Präsidenten dabei allein die Funktion hat, den Willen des Landtags herauszuarbeiten, macht Absatz 2 besonders deutlich.
{RN:43}
1.4-->Der als "Beschwerde" nach § 30 VAbstG zu wertende "Antrag" kann gegen den Beschwerdegegner zu 1 auch in keinen anderen Antrag umgedeutet werden, der nach dem Katalog des Art. 75 LSA-Verf statthaft sein könnte. So sind insbesondere die Regelungen über den Organstreit (Art. 75 Nr. 1 LSA-Verf) oder über die Verfassungsbeschwerde (Art. 75 Nr. 6 LSA-Verf) nicht anwendbar, weil der Gegenstand durch einerseits Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf und § 52 LSA-VerfGG im Grundsatz sowie im Einzelnen durch Art. 75 Nr. 8 LSA-Verf i. V. m. § 30 LSA-VAbstG besonders geregelt worden ist. Andere Verfahrensarten des Art. 75 LSA-VAbstG kommen offensichtlich nicht in Betracht.
{RN:44}
2.-->Die Erweiterung der gegen den Beschwerdegegner zu 1 gerichteten Beschwerde (2.1) auf den Beschwerdegegner zu 2 ist als Antragsänderung zu behandeln und nicht sachdienlich (2.2). Einer (förmlichen) Entscheidung zur Gültigkeit des Volksabstimmungsgesetzes bedarf es nicht (2.3).
{RN:45}
2.1-->Entgegen der von den Beschwerdeführern vertretenen Auffassung richtet sich die ursprüngliche Beschwerdeschrift vom 21. Januar 2000 nur gegen den Landtagspräsidenten und nicht zusätzlich bereits gegen den Landtag. Das ergibt sich aus dem Wesen des Beschwerdeverfahrens nach § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG (vgl. dazu oben Nr. 1.1) ebenso wie aus der Bezeichnung der an dem Verfahren Beteiligten. Ein anderer Rückschluss kann auch aus dem dort angekündigten Hilfsantrag nicht gezogen werden; denn soweit die Beschwerdeschrift auch ein Fehlverhalten des Landtags rügt, rechnet sie es dessen Präsidenten zu.
{RN:46}
2.2-->Die Ausdehnung des Gegenstands ist als Antragsänderung entsprechend § 91 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 33 Abs. 2 LSA-VerfGG anzusehen, in welche der Beschwerdegegner zu 1 nicht eingewilligt hat (§ 91 Abs. 2 VwGO).
{RN:47}
Sie ist ungeachtet der Frage, ob mit dem insoweit bestimmenden Schriftsatz vom 15. Juni 2000 evtl. einzuhaltende Fristen noch haben gewahrt werden können - was nicht der Fall ist -, bereits deshalb nicht sachdienlich i. S. des § 91 Abs. 2 VwGO, weil das nunmehr insoweit durch den Hauptantrag Nr. 1 repräsentierte Begehren auch mit dem neuen Beschwerdegegner keinen Erfolg haben könnte, so dass bei Ablehnung der Antragsänderung kein neues Verfahren mit positivem Ausgang zu erwarten ist.
Der Landtag kann nicht Gegner in einem Verfahren nach § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG sein (2.2.1). Die Rüge der Beschwerdeführer, der Beschwerdegegner zu 2 habe gegen das bei einer "Gesetzentwurf-Volksinitiative" zu beachtende Verfahren verstoßen, würde ohne Erfolg bleiben (2.2.2).
{RN:48}
2.2.1-->Das Verfahren gegen den Beschwerdegegner zu 2 kann nicht als "Beschwerde- und Beanstandungsverfahren" nach § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG geführt werden; denn der Landtag ist nach Wortlaut und Sinn des § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG kein denkbarer Beteiligter. Wie sich bereits oben (Nr. 1.2) ergeben hat, unterwirft die Bestimmung abschließend nur die "Nicht-Annahme-Entscheidungen", die eine parlamentarischen Behandlung verhindern, der verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Eine Erweiterung auf andere Gegenstände und Beteiligte ist ausgeschlossen.
{RN:49}
2.2.2-->Auch ein gegen den Beschwerdegegner zu 2 gerichtetes Antragsverfahren nach § 52 LSA-VerfGG bliebe ohne Erfolg.
§ 52 LSA-VerfGG beschränkt die verfassungsrechtliche Kontrolle zwar nicht auf das "Beschwerde-"Verfahren des § 30 LSA-VAbstG (2.2.2.1); in den sonstigen Fällen muss aber die von den Beschwerdeführern versäumte Frist für Organstreitigkeiten eingehalten werden (2.2.2.2). Abgesehen davon ist kein Regelverstoß erkennbar (2.2.2.3).
{RN:50}
2.2.2.1-->Der Umfang der durch § 52 LSA-VerfGG nur ansatzweise geregelten verfassungsgerichtlichen Kontrolle bei Streitigkeiten über die Durchführung einer Volksinitiative und anderer Elemente unmittelbarer Demokratie ist allein Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf zu entnehmen. Der Verweis des § 52 Satz 1 LSA-VerfGG auf die Regelungen im (einfachen) Ausführungsgesetz zu Art. 80 Abs. 3; 81 Abs. 6 LSA-Verf schließt andere Verfahren als solche nach § 30 LSA-VAbstG nicht aus; denn das Landesverfassungsgerichtsgesetz kann als einfaches Gesetz nicht hinter dem Umfang zurückbleiben, den Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf vorbehaltlos gewährt. Eine Ermächtigung, den Standard des Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf zu verkürzen, enthalten auch die Art. 80, 81 LSA-Verf nicht; denn dort sind der einfachen Gesetzgebung nur Regelungen über das einzuhaltende Verfahren, nicht aber auch über den Umfang der verfassungsgerichtlichen Verfahrenskontrolle vorbehalten, der allein durch Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf bestimmt wird.
{RN:51}
Der Regelungsgehalt des Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf geht über den besonderen Gegenstand des § 30 LSA-VAbstG hinaus. Die Verfassung unterwirft alle "Streitigkeiten über die Durchführung" (der Formen unmittelbarer Demokratie) einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Gegenstand dieser Prüfung können deshalb nicht nur Verstöße gegen die Verfassungsbestimmungen selbst sein, sondern die Verletzung aller Regelungen, zu denen die Verfassung den Gesetzgeber aus Anlass von Verfahren unmittelbarer Demokratie ermächtigt hat. Soweit das tatsächliche Verfahren hinter den rechtlichen Anforderungen zurückbleibt und dadurch Rechte der Betroffenen verletzt sein können, ist die Kontrolle durch das Landesverfassungsgericht zugelassen. Damit tritt das Landesverfassungsgericht bei der durch Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf auch eröffneten Kontrolle am Maßstab von Normen unterhalb des Verfassungsrangs nicht etwa in Konkurrenz zu den Verwaltungsgerichten (§ 40 Abs. 1 VwGO); denn die Verfahren zur Durchführung von Formen unmittelbarer Demokratie betreffen einen verfassungsrechtlichen Gegenstand, der nach § 40 Abs. 1 VwGO der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen ist.
{RN:52}
2.2.2.2-->Die Beschwerdeführer hatten indessen bereits am 20. Januar 2000 die Sechs-Monats-Frist versäumt; deshalb bleibt offen, ob statt auf die ursprüngliche Beschwerde auf den Zeitpunkt abgestellt werden müsste, zu welchem die Beschwerdeführer den Beschwerdegegner zu 2 in das Verfahren genommen haben.
Auszugehen ist von § 36 Abs. 3 LSA-VerfGG. Die für Organstreitigkeiten bestimmte Frist gilt bei den nicht durch das besondere Volksabstimmungsgesetz geregelten weiteren Fällen entsprechend (2.2.2.2.1). Bereits die in der ersten Beratung am 17. Juni 1999 getroffene Entscheidung über das zu wahrende Verfahren hatte die Frist in Lauf gesetzt (2.2.2.2.2).
{RN:53}
2.2.2.2.1-->Die durch Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf vorausgesetzten Streitigkeiten außerhalb des Volksabstimmungsgesetzes regelt § 52 LSA-VerfGG faktisch nicht. Lediglich für die Fälle des § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG sieht § 30 Abs. 2 LSA-VAbstG eine Monatsfrist vor; sie ist typisch für die gerichtliche Kontrolle auf Einzelentscheidungen hin (vgl. für die Wahlprüfung § 34 Abs. 2 LSA-VerfGG; vgl. im Bundesrecht § 70 BVerfGG [Anfechtung eines Bundesratsbeschlusses]; § 93 Abs. 1 BVerfGG [allgemeine und kommunale Verfassungsbeschwerde]; vgl. für den Verwaltungsprozess §§ 70; 74 VwGO). Da das Landesverfassungsgerichtsgesetz zur Abwehr von möglichen Rechtsverletzungen auch längere (als Monats-)Fristen einräumt, kann § 30 Abs. 2 LSA-VAbstG kein für alle Fälle des § 52 LSA-Verf gültiger Grundsatz entnommen werden. Die insoweit bestehende Regelungslücke ist durch einen Rückgriff auf die Vorschriften über die rechtsähnliche Organstreitigkeit zu schließen; denn die Streitigkeiten nach Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf sind faktisch als Organstreitigkeiten des Volks mit anderen Verfassungsinstitutionen konstruiert. Das ergibt sich zunächst aus der organähnlichen Stellung des Volkes im Verhältnis zu den Verfassungsorganen; über Art. 80, 81 LSA-Verf nimmt das Volk unmittelbaren Einfluss teils auf das Gesetzgebungsorgan, teils auf die Gesetzgebung selbst und tritt in diesem Umfang neben den Landtag oder an dessen Stelle. Eine deutliche Parallele besteht auch bei den Verfahrensbeteiligten; nach Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf können außer den Betroffenen selbst auch die Landesregierung und der Landtag Antragsteller sein, ohne dass (im Vergleich zwischen Art. 75 Nrn. 1 und 2 LSA-Verf) die Unterschiede beim Parlament (bei Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf ist eine qualifizierte Minderheit notwendig, bei Art. 75 Nr. 1 LSA-Verf sind auch mit eigenen Rechten ausgestattete Teile des Landtags beteiligungsfähig) ins Gewicht fallen.
{RN:54}
2.2.2.2.2-->Die Sechs-Monats-Frist war bereits zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung am 20. Januar 2000 abgelaufen, weil die von der Volksinitiative beanstandete Maßnahme schon am 17. Juni 1999 getroffen und den in dieser Sitzung anwesenden Vertrauenspersonen, den Beschwerdeführern, zu diesem Zeitpunkt auch bekannt geworden war.
{RN:55}
Die von der Mehrheit der Abgeordneten am 17. Juni 1999 getragene (Leit-)Entscheidung der ersten Plenarsitzung legte das spätere Verfahren fest. Den Mehrheitsentscheidungen in den späteren einzelnen Verfahrensschritten kommt keine eigenständige Bedeutung zu; denn sie hielten sich innerhalb dieser Leitentscheidung, und es ist nicht ersichtlich oder geltend gemacht, dass einer der Ausschuss- oder Plenarbeschlüsse hinsichtlich der beanstandeten Behandlung des Anliegens eine neue, eigenständige Beschwer enthalten hat. Das gilt sowohl für vorbereitende Entscheidungen der befassten Ausschüsse als auch für die Abstimmung im Landtag bei der zweiten Beratung am 17. Dezember 1999 (oder für die Bekanntgabe dieses Ergebnisses an die Beschwerdeführer).
{RN:56}
Das Landesverfassungsgericht schließt sich hierbei der zur "Organstreitigkeit" entwickelten Auffassung des Bundesverfassungsgerichts an, die es wegen der oben aufgezeigten Ähnlichkeit beider Verfahrensarten für übertragbar hält (vgl. deshalb: BVerfG, Urt. v. 13.6.1989 - 2 BvE 1/88 -, BVerfGE 80, 188 [210]; Urt. v. 16.7.1991 - 2 BvE 1/91 -, BVerfGE 84, 304 [320]). Wie in den dort entschiedenen Fällen gilt auch hier, dass sich die "konsequente" Durchführung eines für unrichtig gehaltenen Verfahrens nicht bei jedem Verfahrensabschnitt jeweils wieder als neue Verletzung darstellt, sondern ihre Wirkung nur durch den entsprechenden (ersten) Beschluss entfaltet, auf dem das weitere Verfahren dann lediglich beruht.
{RN:57}
2.2.2.3-->Abgesehen davon musste der Landtag das Anliegen der Volksinitiative nicht als Gesetzentwurf behandeln.
Einer Volksinitiative i. S. des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 LSA-Verf steht kein Initiativrecht i. S. des Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf zu (2.2.2.3.1). Das Volksabstimmungsgesetz ist verfassungskonform auslegbar (2.2.2.3.2). Die "Befassungspflicht" nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 LSA-Verf führt in den Fällen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 LSA-Verf nicht außerhalb des "Initiativrechts" nach Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf zu einer gleichwertigen Verfahrensstellung (2.2.2.3.3).
{RN:58}
2.2.2.3.1-->Wenn Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf bestimmt, dass ein durch ein Volksbegehren vorgelegter Gesetzentwurf einem solchen gleichsteht, der durch die Landesregierung oder aus der Mitte des Landtags vorgelegt wird, gilt dies nicht auch für den Gesetzentwurf einer Volksinitiative im Fall des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 LSA-Verf.
{RN:59}
Die Aufzählung des Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf ist abschließend, wie sich aus der Systematik der Regelungen über die unmittelbare Mitwirkung des Volkes ergibt.
Während nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 LSA-Verf die Volksinitiative einen mit Gründen versehenen Gesetzentwurf zum Inhalt haben kann - dieser also nur einen Unterfall der Initiative bildet -, ist beim Volksbegehren kein anderer Gegenstand möglich (Art. 81 Abs. 1 LSA-Verf). Wenn gleichwohl auch dort das Wort "kann" verwendet ist, kennzeichnet es nicht Varianten des Inhalts, sondern allein des "Autors" und bedeutet, dass Gesetzgebung auch unmittelbar vom Volk - alternativ zum Landtag - ausgehen kann. Das Volksbegehren ist dann der "erste Schritt" zum Gesetz (Mahnke, LVerf, Art. 81 RdNr. 1) und hat deshalb dasselbe Gewicht wie eine von der Landesregierung oder einem Teil des Landtags ausgehende Gesetzesinitiative.
{RN:60}
Die Gleichsetzung des Volksbegehrens im Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf mit den anderen Gesetzesinitiativen ist auch deshalb zwingend, weil dem Gesetzentwurf des Volksbegehrens nach Art. 81 Abs. 1 LSA-Verf ein besonderes verfahrensrechtliches Gewicht zukommt. Der Landtag ist im Gegensatz zum Gesetzentwurf der Volksinitiative von Verfassungs wegen nicht sanktionslos frei, ob er den Entwurf beschließt, ablehnt oder ihn mit Änderungen versieht; denn er "riskiert" einen Volksentscheid, wenn er den Entwurf nicht behandelt oder nicht so annimmt, wie er "eingebracht" worden ist (Art. 81 Abs. 3 LSA-Verf), und kann seine, vom Volksbegehren abweichende politische Meinung nur durchsetzen, indem er einen eigenen Gesetzentwurf zum Volksentscheid vorlegt (§ 81 Abs. 4 LSA-Verf). Dieser "Gegenentwurf" kann nach den Regeln des Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf nur durch die Landesregierung oder aus der Mitte des Landtags initiiert werden. Soweit Art. 81 Abs. 2 LSA-Verf bestimmt, das Volksbegehren sei bei der Landesregierung anzubringen, welche es mit ihrer Stellungnahme unverzüglich an den Landtag weiterleitet, wird die Landesregierung in das Gesetzgebungsverfahren nur zur Prüfung formaler Fragen sowie zur Abgabe einer Stellungnahme einbezogen (Art. 81 Abs. 2 LSA-Verf), ohne dass ihr damit - wie beim eigenen Initiativrecht des Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf - die Macht eingeräumt wäre, den Entwurf auch inhaltlich zu gestalten.
{RN:61}
Demgegenüber ist die Volksinitiative, auch wenn sie einen Gesetzentwurf vorlegt, keine unmittelbare Beteiligung des Volkes an der Gesetzgebung, sondern nur ein Unterfall des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 LSA-Verf. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 LSA-Verf eröffnet dem Volk lediglich die Möglichkeit, den Landtag auch mit einem fertigen Gesetzentwurf zu befassen. Es handelt sich nur um einen besonders genannten Gegenstand, für den aber die allgemeinen Regeln des Art. 80 Abs. 1 LSA-Verf gelten. Die Bürgerschaft kann sich durch dieses Mittel zu Fragen der politischen Willensbildung, die sie bewegt, äußern (Mahnke, a. a. O., Art. 80 RdNr. 2).
{RN:62}
Dass die im Verfassungstext gemachten Unterschiede zwischen den Gesetzentwürfen einerseits einer Volksinitiative und andererseits eines Volksbegehrens keine den Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf ausfüllbare Lücke begründen, die im Weg der Analogie geschlossen werden könnte, bestätigen die unterschiedlichen Quoren für das jeweilige Instrument der unmittelbaren Volksmitwirkung und zusätzlich das vom Gegenstand unabhängige einheitliche Quorum für die Volksinitiative: Während für jede, also auch für die Gesetzes-Volksinitiative 35.000 Unterschriften genügen (Art. 80 Abs. 2 LSA-Verf), bedarf das (Gesetzes-)Volksbegehren der Unterstützung durch 250.000 Wahlberechtigte (Art. 81 Abs. 1 Satz 4 LSA-Verf).
{RN:63}
Diese sich aus dem Wortlaut und der Systematik ergebende Auslegung der Art. 77 Abs. 2; 80 Abs. 1 LSA-Verf entsprach auch dem Willen des Verfassungsgebers.
{RN:64}
Der von der "Arbeitsgruppe »Neue Verfassung der DDR« des Zentralen Runden Tisches am 4. April 1990 erarbeitete Entwurf einer Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR-Verf-E-90) kannte zwar bereits eine Gesetzgebung auch durch Volksentscheid (Art. 90 DDR-Verf-E-90) - wobei der Gesetzentwurf durch ein Volksbegehren beim Präsidenten der Republik anzubringen und von der Regierung an die Volkskammer weiterzuleiten war (Art. 99 Abs. 1, 4 DDR-Verf-E-90) - und die Möglichkeit, dass die Volkskammer den Entwurf des Volkes unverändert oder mit von einer qualifizierten Mehrheit der Vertrauensleute gebilligten Änderungen übernahm (Art. 99 Abs. 4 DDR-Verf-E-90); die Gesetzesinitiative im Parlament sollte aber gleichwohl nur den Abgeordneten der Volkskammer, der Länderkammer und der Regierung zustehen (Art. 91 Abs. 2 DDR-Verf-E-90).
{RN:65}
Die heutigen Regelungen der Verfassung über die Volksgesetzgebung, den Kreis der Initiativberechtigten und über die Möglichkeit, einen Gesetzentwurf zum Gegenstand einer Volksinitiative zu machen, gehen auf den Entwurf der SPD-Fraktion vom 26. Februar 1991 (LT-Drs. 1/260 v. 12.03.1991) zurück. Art. 48 Abs. 2 nannte das Volksbegehren, nicht aber die Volksinitiative als einbringungsberechtigt; Art. 51 Abs. 1 Satz 2 ließ eine Volksinitiative auch mit einem Gesetzentwurf zu.
Der Gemeinschaftsentwurf der Fraktionen der CDU und der F.D.P. (LT-Drs. 1/253 v. 08.03.1991) kannte keine plebiszitären Elemente und als einbringungsberechtigt nur die Landesregierung oder eine nicht quantifizierte Anzahl von Abgeordneten ("aus der Mitte der Abgeordneten").
{RN:66}
Art. 63 Abs. 1 des Verfassungsentwurfs der Fraktion "Bündnis 90/Grüne" (LT-Drs. 1/78 v. 09.01.1991) sah ein Initiativrecht durch einen "Volksantrag" neben denjenigen der Landesregierung sowie von einzelnen oder mehreren Abgeordneten vor. Der Volksantrag (von mindestens 8.000 Unterschriften getragen) sollte nach Art. 65 Abs. 1 einen Gesetzentwurf "zur verbindlichen Behandlung im Landtag" zum Gegenstand haben, der nach Art. 65 Abs. 2 ein von mindestens 80.000 Unterschriften getragenes Volksbegehren auslösen konnte, wenn der Landtag den "Volksantrag" nicht befolgte; nach einem Jahr und nach Prüfung der Unterschriften des Volksbegehrens war ein Volksentscheid vorgesehen, bei welchem die Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreichen sollte, den Entwurf als Gesetz zu beschließen.
{RN:67}
In den gemeinsamen Antrag aller im Landtag vertretenen Fraktionen für eine Landesverfassung (LT-Drs. 1/1334 v. 01.04.1992) - VerfE 92 - wurden die heutigen Formulierungen für das Initiativrecht (Art. 76 Abs. 2 VerfE 92) sowie für die Inhalte einer Volksinitiative (Art. 80 Abs. 1 VerfE 92) aufgenommen und daneben die "Volksgesetzgebung" (mittels Volksbegehrens bzw. Volksentscheids; vgl. Art. 81 VerfE 92) gesetzt.
{RN:68}
Das Initiativrecht auch auf die (Gesetzentwurfs-)Volksinitiative auszudehnen, erwog der Verfassungsausschuss bei seinen Beratungen, die zu dem gemeinsamen Verfassungsentwurf der Landtagsfraktionen führten, nicht (vgl. Niederschriften über die Sitzungen des Verfassungsausschusses vom 24.04.1991 [VerfMat Bl. 222 ff], vom 16.05.1991 [VerfMat Bl. 431 f], vom 26.06.1991 [VerfMat Bl. 583 ff] und vom 18.07.1991 [VerfMat Bl. 810]).
{RN:69}
Der Ausschussvorsitzende sah den Sinn der Volksinitiative darin, dass die Bürger das Recht hätten, "etwas auf die Tagesordnung des Landtages zu setzen", dies mit dem Ziel, "zu signalisieren, dass da ein Problem liege, das geregelt werden müsse", und es sei dann eine lediglich politische Frage, "inwieweit sich ein Landtag und eine Regierung über etwas hinwegsetzten, was immerhin 20.000 oder 30.000 [sc. l. für die Initiative damals notwendige Zahl von] Stimmen gefunden habe" (Dr. Höppner in der Sitzung vom 26.06.1991 [VerfMat Bl. 602]). In dieser Einschätzung bestätigte ihn einer der beiden Berater des Ausschusses (Prof. Dr. Starck, a. a. O. [VerfMat Bl. 604]); danach handele es sich bei der Volksinitiative allein um eine Art Petition, mit welcher man umgehen könne, wie es einem beliebe.
{RN:70}
Hauptstreitpunkte bei den plebiszitären Elementen der Verfassung waren neben dem für die eigentliche "Volksgesetzgebung" einzuschlagenden Verfahren (vgl. insoweit Niederschriften des Verfassungsausschusses vom 26.05.1991 [VerfMat Bl. 592 <Dr. Höppner, Vorsitzender, SPD>, Bl. 594 <Dr. Schindel, SPD>] und vom 18.07.1991 [VerfMat Bl. 815 <Berater Prof. Dr. Schneider, Vors. Dr. Höppner>] die zu verlangenden Mindestquoren. Durch die späteren Beratungen blieben Art. 76 Abs. 2; 80 Abs. 1 VerfE 92 unverändert (vgl. die Beschlussempfehlungen des Verfassungsausschusses in LT-Drs. 1/1579 v. 18.06.1992 und 1/1700 v. 09.07.1992).
Die Anregung des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes vom 03.07.1992 (Anlage, dort Nr. 24, zur Niederschrift über die Sitzung des Verfassungsausschusses vom 07.07.1992 [VerfMat Bl. 1285]), bei den Initiativberechtigten die Volksinitiative einzufügen, wurde in der Beratung von keiner Fraktion zum Antrag erhoben (Niederschrift vom 07.07.1992 [VerfMat Bl. 1231]). Der Ausschuss übernahm die Auffassung des wissenschaftlichen Mitarbeiters der CDU-Fraktion (Nitsche), aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 folge nicht, dass auch eine Volksinitiative einen Gesetzentwurf einbringen könne; sie lege nur einen Gesetzentwurf vor, den die Initiativberechtigten übernehmen könnten und dann einbrächten (Niederschrift, a. a. O.).
{RN:71}
In den drei Beratungen des Plenums (vgl. Niederschriften vom 09.04.1992 [LT-StenBer 1/31, TOP 4, S. 2617 ff], vom 25.06.1992 [LT-StenBer 1/34, TOP 1, S. 3721 ff] und vom 15.07.1992 [LT-StenBer 1/35, TOP 1, S 3844 ff), denen der gemeinsame Verfassungsentwurf (LT-Drs. 1/1334) zu Grunde gelegen hatte, der durch die weiteren Beschlussempfehlungen des Verfassungsausschusses (vgl. LT-Drs. 1/1579 und 1/1700) jeweils "fortgeschrieben" worden war, ist nicht erörtert worden, dass auch der Volksinitiative ein eigenes Initiativrecht i. S. des heutigen Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf zustehen müsse.
{RN:72}
Der Katalog des Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf ist schließlich entgegen dieser Verfassungslage nicht deshalb erweiterbar, weil Art. 80 Abs. 3 LSA-Verf es dem einfachen Gesetz überlässt, das Nähere zu bestimmen. Anders als im Fall des Art. 75 Nr. 8 LSA-Verf, in welchem die Verfassung den Gesetzgeber ermächtigt, sachliche Erweiterungen des Verfahrenskatalogs vorzunehmen, darf das Landesgesetz zu Art. 80 Abs. 3 LSA-Verf nur innerhalb des von der Verfassung zwingend vorgegebenen Rahmens Einzelheiten näher ausführen, ohne dabei Verfahrenspositionen einräumen zu können, welche die Verfassung nicht zulässt.
{RN:73}
2.2.2.3.2-->Das Volksabstimmungsgesetz trägt dem Rechnung und wäre anderenfalls verfassungskonform auszulegen.
{RN:74}
Während § 19 LSA-VAbstG bei Volksbegehren die Vorlage des bei der Landesregierung eingegangenen "Gesetzentwurfs" an den Landtag vorsieht (Absatz 1 - insoweit nur die Verfassungsvorgabe wiederholend -) und regelt (Absatz 2), dass für das weitere Verfahren die Bestimmungen über die Behandlung von Gesetzentwürfen zu gelten haben, verlangt § 9 Abs. 3 Satz 1 LSA-VAbstG bei den Gesetzes-Volksinitiativen nur eine Behandlung "entsprechend den Bestimmungen der Geschäftsordnung zu Gesetzentwürfen". Die damit auch in Bezug genommenen Regelungen der Geschäftsordnung über das Initiativrecht bei Gesetzen kennen aber - voll im Einklang mit Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf - nur das Einbringungsrecht der Landesregierung, einer Fraktion, einer Gruppe von acht Abgeordneten oder durch ein Volks begehren (nicht auch durch eine Volksinitiative).
{RN:75}
Im Übrigen gibt § 9 Abs. 3 Satz 2 LSA-VAbstG bloß den Vertrauensleuten der Volksinitiative ein Anhörungsrecht, während der Entwurf des Volksbegehrens nach Art. 81 Abs. 3, 4 LSA-Verf die Rechtsmacht hat, sich "durchzusetzen", falls der Landtag keinen eigenen Entwurf "einbringt" und beschließt; allein deshalb sieht § 19 Abs. 2 LSA-VAbstG die Beratung nach den allgemeinen Regeln über Gesetze vor.
{RN:76}
Dass die "Befassung" mit dem Volksinitiativ-Gesetzentwurf i. S. des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 LSA-Verf (anders als bei der Zustimmung des Landtags zum Volksbegehren nach Art. 81 Abs. 3 LSA-Verf: dann Art. 82 Abs. 1 LSA-Verf) nicht mit einem "Gesetzesbeschluss" des Landtags enden muss, ergibt sich aus § 9 Abs. 5 LSA-VAbstG. Die Gesetzes-Volksinitiative wird nicht anders behandelt als diejenige ohne Gesetzentwurf: Es wird nur im Ministerialblatt - nicht etwa im Gesetz- und Verordnungsblatt - der Beschluss bekannt gemacht, welcher das Verfahren des Landtags abschließt. Dieser Beschluss hat damit keine andere Rechtsqualität als die Bekanntmachung über die Annahme der Volksinitiative nach § 7 Abs. 2 LSA-VAbstG vor ihrer "Befassung" durch den Landtag oder über das Ergebnis einer Volksinitiative ohne Gesetzentwurf nach §§ 9 Abs. 1; 7 Abs. 2 LSA-VAbstG.
{RN:77}
Eine Auslegung des § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG dahin, der "Gesetzentwurf" habe wie beim Volksbegehren bereits als vom Volk initiiert zu gelten (Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf), wäre mit der Verfassung nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte unvereinbar. Eine Untersuchung anhand der Gesetzesmaterialien zum Volksabstimmungsgesetz, ob der Gesetzgeber gleichwohl eine solche Regelung gewollt haben könnte, verbietet sich deshalb; denn im Weg der verfassungskonformen Auslegung ist bei widerstreitenden Ergebnissen diejenige zu wählen, die der Verfassung entspricht. Insoweit gilt für das Landesverfassungsrecht nichts anderes als für das Bundesverfassungsrecht (vgl. dazu: BVerfG, Beschl. v. 15.6.1983 - 1 BvR 1025/79 -, BVerfGE 64, 229 [242], m. w. Nachw.; Urt. v. 24.4.1985 - 2 BvF 2-4/83, 2/84 -, BVerfGE 69, 1 [55]). Eine Grenze für die Auslegung bildet nur der Wortlaut (BVerfG, Beschl. [des Plenums] v. 11.6.1980 - 1 PBvU 1/79 -, BVerfGE 54, 277 [299/300]; BVerfGE 69, 1 [55]), der hier indessen gerade für eine verfassungskonforme Auslegung streitet.
{RN:78}
Die Landtags-Debatte darüber, ob nicht der Initiativentwurf förmlich als Gesetzesvorlage zu behandeln sei, hatte die Frage zum Gegenstand, ob nicht das Volksabstimmungsgesetz im Widerspruch zur Verfassung stehe. Demgegenüber bleibt festzuhalten, dass eine verfassungskonforme Auslegung möglich ist.
{RN:79}
2.2.2.3.3-->Die "Befassungspflicht" des Art. 80 Abs. 1 LSA-Verf ergänzt Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf nicht. Soweit sich der Landtag mit "Gesetzentwürfen" befassen soll (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 LSA-Verf), sind seine rechtlichen Möglichkeiten durch die Regeln begrenzt, die nach Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf für die Gesetzgebung gelten. Die Geschäftsordnung des Landtags, auf die einfach-gesetzlich durch § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG verwiesen wird, kann deshalb nur innerhalb der durch Art. 80 Abs. 1; 77 Abs. 2 LSA-Verf gezogenen Grenzen Geltung beanspruchen. Macht sich keiner der Initiativberechtigten (Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf und gleichlautend § 23 LdTgGO) das Begehren zu eigen, so kann der Landtag nach den für ihn geltenden Regeln nicht über den Gesetzentwurf als solchen, sondern nur über das durch ihn repräsentierte Anliegen beraten und entscheiden. Die Anwendung der Bestimmungen über die parlamentarische Beratung und Beschlussfassung von Gesetzen setzt - wie es Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf und die Geschäftsordnung verlangen - die "Übernahme" des Anliegens durch einen Initiativberechtigen voraus. Dies unterscheidet das Verfahren nach Art. 80 LSA-Verf von demjenigen des Art. 81 LSA-Verf, bei dem das Volk den Landtag mit einem Gesetzesvorschlag "unter Druck setzt".
{RN:80}
Art. 80 Abs. 1 Satz 1 LSA-Verf würde bei einem hierüber hinaus gehenden Inhalt etwas Unmögliches verlangen: Die Verfassung würde den Landtag als Gesamtkörperschaft für verpflichtet halten, eine Entscheidung zu treffen, zu der er verfahrensrechtlich nicht in der Lage ist, weil die dafür erforderliche Willensbildung von keinem seiner Teile und auch nicht von der Regierung angestoßen worden ist. Das zwingt andererseits nicht dazu, die eindeutige, abschließende Regelung des Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf über Art. 80 Abs. 1 Satz 1 LSA-Verf "nachzubessern"; denn der Verfassungsgeber ist in seiner Entscheidung darüber frei, welches Gewicht und welche Durchsetzungskraft er Instrumenten unmittelbarer Demokratie gegenüber den Organen verfasster Demokratie verleihen will.
{RN:81}
Der "Anspruch auf Befassung" nach Art. 80 Abs. 1 LSA-Verf geht deshalb im Fall der "Gesetzesinitiative" (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 LSA-Verf) nicht weiter als in den übrigen Fällen des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 LSA-Verf. Er erschöpft sich darin, dass der Landtag das Anliegen zur Kenntnis nimmt, sich entscheidet, ob und welche Maßnahmen zu treffen sind, und das erarbeitete Ergebnis mitteilt. Die Verfahrensregelungen des Volksabstimmungsgesetzes (§§ 7, 9 LSA-VAbstG) tragen dem Rechnung. Sie sehen für die unterschiedlichen Gegenstände der Volksinitiative lediglich verschiedene Abläufe vor (Petitionsausschuss im Normalfall, Fachausschüsse bei Gesetzentwürfen), verstärken aber den Umfang der "Befassung" bei Gesetzentwürfen nicht über das hinaus, was durch die Geschäftsordnung im Rahmen von Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf möglich ist. Das Gegenteil kann auch nicht aus der Verwendung des Worts "abschließend" (§ 9 Abs. 3 Satz 1 LSA-VAbstG) hergeleitet werden; denn dieser Begriff hat - wie der Vergleich mit der Regelung über die Volksinitiative ohne Gesetzentwurf zeigt (§ 9 Abs. 1 LSA-VAbstG: gleichfalls "abschließend") eine bloß verfahrensrechtliche und keine inhaltliche Bedeutung; für beide Alternativen soll gewährleistet sein, dass die Beratung innerhalb der jeweils gesetzten Frist "abgeschlossen" - i. S. von "beendet" - ist.
{RN:82}
Auf dieser Grundlage ist weder zu beanstanden, dass die Drucksache keinen "Gesetzentwurf" bezeichnete, sondern nur mit "Unterrichtung" über einen Gesetzentwurf überschrieben war, dass das hinter dem Entwurf stehende Anliegen nur zum Anlass genommen wurde, Untersuchungen anzustellen, welche zu einer "Materialsammlung" führen sollen, und dass dieses so vorbereitete und beschlossene Ergebnis der Volksinitiative bekannt gegeben wurde. § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG ist genügt worden, indem die Mindestzahl von - nach Art. 77 Abs. 3 LSA-Verf und der Geschäftsordnung bei Gesetzentwürfen notwendigen - Plenarberatungen stattgefunden hat und indem die "abschließende" Behandlung in der zweiten Beratung durch Fachausschüsse und nicht durch den Petitionsausschuss vorbereitet worden ist.
Dass keine der im Landtag vertretenen politischen Kräfte Anlass gesehen hat, den eingereichten Entwurf förmlich "aufzunehmen", um eine "inhaltliche Befassung" herbeizuführen, und der lediglich beschlossene Untersuchungsauftrag führen dazu, dass der Entwurf in seiner vorgelegten Form gegenwärtig vom Landtag nicht gebilligt worden ist. Mangels förmlicher "Initiierung" (Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf) musste und konnte dieses Ergebnis nicht mittels eines "Beschlusses über ein Gesetz" erzielt werden.
{RN:83}
2.3-->Einer (förmlichen) Entscheidung zur Gültigkeit des Volksabstimmungsgesetzes (Hauptantrag Nr. 3, Hilfsantrag in der Beschwerdeschrift vom 20. Januar 2000) bedarf es nicht.
{RN:84}
Sie kommt außer in den Fällen der Normenkontrolle (Art. 75 Nrn. 3, 5 LSA-Verf; §§ 41, 43 Abs. 1 LSA-VerfGG), deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind, nicht in Betracht. Auf § 38 Satz 3 LSA-VerfGG können sich die Beschwerdeführer nicht stützen. Zwar ist die Anwendung der für Organstreitigkeiten geltenden Bestimmung in einem diesen vergleichbaren Verfahren des § 52 LSA-VerfGG nicht auszuschließen; § 36 Satz 3 LSA-VerfGG zwingt aber nicht zur Prüfung von Rechtsfragen, auf deren Klärung es nicht ankommt, weil mangels Zulässigkeit des Antrags keine Entscheidung nach § 36 Satz 1 LSA-Verf getroffen werden muss.
{RN:85}
Soweit Fragen der Verfassungsmäßigkeit des Volksabstimmungsgesetzes berührt werden, ist deren Erörterung nur notwendig, um die Sachdienlichkeit einer Antragsänderung zu verneinen, nicht um die Übereinstimmung einer Maßnahme des § 38 Satz 1 LSA-VerfGG mit der Verfassung zu klären. Mangels Zulässigkeit der Antragsänderung bleibt als Prüfungsobjekt nur der durch die Rechtsbeziehungen zwischen den ursprünglich am Verfahren Beteiligten begrenzte Streitgegenstand. Die hierbei zu klärenden Zulässigkeitsfragen sind nicht von der Verfassungsmäßigkeit des Volksabstimmungsgesetzes abhängig.
{RN:86}
3.-->Die Kostenentscheidung beruht auf § 32 Abs. 1, 3 LSA-VerfGG.
Aus Billigkeitsgründen hat das Land Sachsen-Anhalt den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen zur Hälfte zu erstatten. Die aus Anlass des ersten Verfahrens einer "Gesetzes-Volksinitiative" aufgeworfene bedeutsame Frage nach dem Verhältnis zwischen den Art. 77 Abs. 2; 80 Abs. 1 LSA-Verf konnte zwar mangels Zulässigkeit nicht grundsätzlich geklärt werden, wird aber im Interesse der künftig an Volksinitiativen Beteiligten in Grundzügen beantwortet, so dass die Beschwerdeführer insoweit eine große Zahl potentieller Interessenten an der Antwort repräsentieren. Dies lässt es unbillig erscheinen, die Betreiber dieses ersten Verfahrens den vollen Kosten auszusetzen.
« zurückAntragsgegner zu 1: Präsident des Landtags
Antragsgegner zu 2: Landtag von Sachsen-Anhalt
-----------------------------------------------------------------------
Tenor:
Die Beschwerde wird verworfen.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Das Land hat die den Beschwerdeführern entstandenen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------
(Die grauen Ziffern über den Absätzen sind durchlaufende Absatznummern [Randnummern].)
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Tatbestand:
{RN:1}
1.-->Die Beschwerdeführer sind als vier Eltern und als eine Erzieherin Vertrauenspersonen der »Volksinitiative "Für die Zukunft unserer Kinder"«, die sich bildete, nachdem der Landtag am 18. Februar 1999 beschlossen hatte, die Bedingungen für die Kinderbetreuung durch Novellierung des entsprechenden Gesetzes mit Wirkung zum 1. August 1999 zu verändern. Die Volksinitiative sah in der Novellierung eine erhebliche Verschlechterung für die betreuenden Einrichtungen.
{RN:2}
Durch den aus drei Paragraphen bestehenden Gesetzentwurf vom 13. März 1999 sollte der Landtag angehalten werden, den bisherigen Betreuungsstand aufrecht zu erhalten:
§ 1
Das Gesetz zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen ... bleibt in der Fassung des Gesetzes vom 17. Dezember 1996 ... über den 31. Juli 1999 hinaus in Kraft.
§ 2
Das Gesetz zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen vom 26. Juni 1991 ... in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen gemäß Beschluss des Landtages vom 18. Februar 1999 wird aufgehoben.
§ 3
Dieses Gesetz tritt am Tag seiner Verkündung in Kraft.
Die erforderliche Zahl der Unterschriften wurde erreicht. Der Beschwerdegegner zu 1 stellte deshalb die Zulässigkeit der Initiative fest und machte dieses Ergebnis sowie das Anliegen der Volksinitiative im Ministerialblatt bekannt (Bek. v. 25.05.1999 - LSA-MBl 886). Wegen der Einzelheiten wird auf den Gesetzentwurf mit Begründung als Anlage zur Unterrichtung des Beschwerdegegners zu 1 in der Landtagsdrucksache 3/1650 (vom 26.05.1999) Bezug genommen.
{RN:3}
2.-->Die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt bestimmt über einen Volksinitiativ-Gesetzes-Entwurf u. a.:
Artikel 80
Volksinitiative
{BS:}
(1) Bürger haben das Recht, den Landtag mit bestimmten Gegenständen der politischen Willensbildung zu befassen, die das Land Sachsen-Anhalt betreffen. Eine Volksinitiative kann auch einen mit Gründen versehenen Gesetzentwurf zum Inhalt haben.
(2) Eine Volksinitiative muss von mindestens 35.000 Wahlberechtigten unterzeichnet sein. Ihre Vertreter haben das Recht, angehört zu werden.
(3) Das Nähere regelt ein Gesetz.
{BE:}
Artikel 77
Beschluss der Gesetze
{BS:}
(1) Die Gesetze werden vom Landtag beschlossen, soweit nicht das Volk unmittelbar durch Volksentscheid handelt.
(2) Gesetzentwürfe können von der Landesregierung, aus der Mitte des Landtages oder durch Volksbegehren eingebracht werden.
(3) Der Landtag behandelt Gesetzesentwürfe in mindestens zwei Beratungen, zwischen denen mindestens zwei Tage liegen müssen.
{BE:}
{RN:4}
Das Ausführungsgesetz zu Art. 80 Abs. 3 (und zu Art. 81 Abs. 6) der Landesverfassung (Volksabstimmungsgesetz vom 9.8.1995 [LSA-GVBl., S. 232] - LSA-VAbstG -) bestimmt u. a.:
§ 9 Behandlung angenommener Volksinitiativen
(1) Angenommene Volksinitiativen, die keinen Gesetzentwurf zum Gegenstand haben, sind vom Landtag innerhalb von vier Monaten ... abschließend zu behandeln.
(2) Angenommene Volksinitiativen nach Absatz 1 werden an den Petitionsausschuss überwiesen. Dieser hört die Vertrauensperson ... an und kann Empfehlungen der für den Gegenstand der Volksinitiative sachlich zuständigen Ausschüsse des Landtages sowie Gutachten ... einholen. Der Petitionsausschuss schließt seine Beratungen mit einer Beschlussempfehlung. Im Anschluss findet eine Aussprache ... im Landtag statt, bei der eine Vertrauensperson das Recht auf Anhörung hat.
(3) Angenommene Volksinitiativen, die einen Gesetzentwurf zum Gegenstand haben, sind vom Landtag innerhalb von sechs Monaten entsprechend den Bestimmungen der Geschäftsordnung zu Gesetzentwürfen abschließend zu behandeln. Der Landtag hört die Vertrauensperson in seiner ersten Beratung an.
(4), (5) ...
§ 30 Rechtsschutz
(1) Gegen die Entscheidungen ... des Präsidenten des Landtages ... auf Grund dieses Gesetzes können die Vertrauenspersonen, ... Beschwerde beim Landesverfassungsgericht erheben. ...
(2) Die Beschwerde muss innerhalb eines Monats nach der Zustellung der Entscheidung an die Beschwerdeführer oder der öffentlichen Bekanntmachung ... erhoben werden.
(3) Eine der Beschwerde stattgebende Entscheidung ... tritt hinsichtlich der auf Grund dieses Gesetzes zu wahrenden Fristen an die Stelle der mit der Beschwerde angegriffenen Entscheidung.
(4) Für das Verfahren gelten im übrigen die allgemeinen Verfahrensvorschriften und § 52 des Landesverfassungsgerichtsgesetzes. § 36 Abs. 1 und 2, §§ 37 und 38 des Landesverfassungsgerichtsgesetzes gelten sinngemäß.
{RN:5}
Die Geschäftsordnung des Landtages von Sachsen-Anhalt - LdTgGO - (i. d. F. v. 21.07.1994 [Bek. v. 18.19.1994 - LSA-MBl 2753], geändert durch Beschlüsse vom 22.07.1994, 29.04.1995 und vom 04.05.1995 [unveröffentlicht]) verlangt für "Vorlagen" (auch von Volkinitiativen) nach § 18 Abs. 1 (Nr. 2) LdTgGO die Verteilung an die Mitglieder des Landtags als Drucksachen. Das sog. "Initiativrecht" billigt § 23 Abs. 1 LdTgGO ausdrücklich neben der Landesregierung, einer Fraktion und einer Mehrzahl von (acht) Abgeordneten nur einem Volksbegehren, nicht auch einer Volksinitiative zu. Für die Behandlung von Gesetzentwürfen ist eine erste Beratung vorgesehen, die mit einer Überweisung an Ausschüsse enden kann (§ 28 LdTgGO); der Ausschuss legt dem Plenum eine Beschlussempfehlung vor (§ 29 Abs. 1 LdTgGO), die Grundlage der zweiten Beratung wird (§ 31 LdTgGO); sie kann mit dem Gesetzesbeschluss oder mit einer erneuten Überweisung an Ausschüsse enden (§ 33 LdTgGO).
{RN:6}
3.-->Der Beschwerdegegner zu 1 "unterrichtete" die Mitglieder des Landtags durch die Drucksache Nr. 3/1650 am 16. Mai 1999 über den Gesetzentwurf und dessen Begründung.
In der (22.) Landtagssitzung vom 17. Juni 1999 fand eine so bezeichnete "Erste Beratung" zum Gegenstand »Parlamentarische Behandlung der Volksinitiative "Für die Zukunft unserer Kinder"« statt, an welcher die Beschwerdeführer teilnahmen und in welcher außer der Ministerin und den Fraktionssprechern auch ein Beschwerdeführer (Schulze) Rederecht erhielt. Vor Eintritt in die Aussprache verlangte der Abg. Dr. Bergner (CDU) die korrekte Bezeichnung des Gegenstands mit "Gesetzentwurf"; dem widersprach der Abg. Dr. Fikentscher (SPD), weil der Verfassung gegenüber dem (Volksabstimmungs-)Gesetz der Vorrang eingeräumt werden müsse. Die Abg. Dr. Sitte (PDS) vertrat die Ansicht, das Gesetz widerspreche der Verfassung nicht. Den Änderungsantrag des Abg. Dr. Bergner lehnte die Mehrheit ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stenographischen Berichte zu dieser Sitzung verwiesen (LT-StenBer 3/22 v. 17.06.1999, TOP 1 [S. 1411 ff, 1413-1417]). Im Folgenden verfuhr der Landtag entsprechend einem Vorschlag des Ältestenrats (a. a. O., S. 1413). Die Behandlung des "Gesetzentwurfs" blieb streitig (BeschwF. Schulze [a. a. O., S. 1416 f; Abg. Dr. Bergner, CDU [a. a. O.; S. 1425 f]; Abg. Remmers, CDU [a. a. O., S. 1437]). Der Landtag verwies den "Gesetzentwurf" schließlich mit Mehrheit an die Ausschüsse für Gleichstellung, Kinder, Jugend und Sport (federführend) sowie für Inneres (a. a. O., S. 1438).
{RN:7}
Der federführende Ausschuss beriet in einer Sondersitzung vom 14. Juli 1999 über das weitere Verfahren; die Standpunkte der Fraktionen wurden erneut kontrovers diskutiert. Den Antrag der CDU-Fraktion, den Initiativ-Entwurf förmlich als Gesetzentwurf nach § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG zu behandeln, lehnte der Ausschuss mehrheitlich ab; beschlossen wurde der SPD-Antrag, eine Anhörung zu allen mit der Novellierung des Kinderbetreuungsrechts zusammenhängenden Fragen durchzuführen.
An der auf den 24. September 1999 festgesetzten Anhörung nahmen u. a. auch die Beschwerdeführer teil. In einer weiteren Sitzung vom 15. Oktober 1999 wurden Möglichkeiten diskutiert, mit dem Anliegen der Volksinitiative umzugehen; in der Sitzung vom 5. November 1999 wurden ein vorgelegter Bericht bei einer Enthaltung einstimmig sowie gegen zwei mit acht Stimmen eine Beschlussempfehlung gebilligt, nachdem die CDU-Fraktion nochmals Einwendungen gegen das eingeschlagene Verfahren erhoben hatte.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Bericht über das Verfahren (Anlage zu LT-Drs. 3/2433 v. 07.12.1999) Bezug genommen.
{RN:8}
Der federführende Ausschuss legte die Beschlussempfehlung mit Anlage vor (LT-Drs. 3/2433 v. 07.12.1999), die am 19. November 1999 (mit sieben gegen eine Stimme[n] bei einer Enthaltung) beschlossen worden war, nachdem zuvor der Finanzausschuss und der Ausschuss für Inneres dem Entwurf jeweils mehrheitlich zugestimmt hatten.
{RN:9}
In der Plenarsitzung vom 17. Dezember 1999 erstattete die Abg. Dr. Weiher (PDS) innerhalb einer so bezeichneten "Zweiten Beratung" Bericht; einer der Beschwerdeführer (Schulze) erhielt die Gelegenheit, das Wort zu ergreifen. Er machte geltend, es sei immer noch ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren notwendig, und bat um die Rückverweisung in den Ausschuss. Dem schlossen sich der Abg. Dr. Bergner (CDU) für seine und die Abg. Wiechmann (DVU) für ihre Fraktion an.
Die Überweisungsanträge lehnte das Plenum mit Mehrheit ab. Den schriftlichen Geschäftsordnungsantrag (LT-Drs. 3/2491) der CDU lehnte das Plenum gegen die Stimmen der CDU und der DVU bei drei Stimmenthaltungen (PDS) ab.
Die Vorlage des federführenden Ausschusses (LT-Drs. 3/2433) billigte das Plenum bei einigen Stimmenthaltungen; an dieser Abstimmung nahmen die CDU- und die DVU-Abgeordneten nicht teil.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift (LT-StenBer 3/32 v. 17.12.1999, zu TOP 13 [S. 2162 ff, 2166 f, 2170 f, 2172 f, 2174, 2176]) Bezug genommen.
{RN:10}
Das Ergebnis (LT-Drs. 3/32/2433 v. 17.12.1999) machte der Beschwerdegegner zu 1 bekannt (Bek. v. 22.12.1999 - LSA-MBl Nr. 4 v. 26.01.2000 [Jhrg. 2000, S. 67]) und teilte es den Beschwerdeführern am 22. Dezember 1999 mit.
{RN:11}
4.-->Die Beschwerdeführer haben am 21. Januar 2000 einen Antrag auf Entscheidung nach § 30 LSA-VAbstG gestellt, auf den wegen der Einzelheiten - insbesondere wegen der Bezeichnung des Gegners - Bezug genommen wird. Die Beschwerdeführer haben am 15. Juni 2000 - auf den Schriftsatz vom selben Tag wird gleichfalls verwiesen - prozessuale Ansprüche ausdrücklich auch gegen den Landtag selbst erhoben.
{RN:12}
Die Beschwerdeführer machen geltend: Die Beschwerdegegner seien zunächst nach § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG verfahren und hätten eine Anhörung durch das Plenum und nicht durch den Petitionsausschuss vorgenommen, wie das nach § 9 Abs. 2 LSA-VAbstG für die Fälle einer Volksinitiative ohne Gesetzentwurf vorgesehen sei. An den Petitionsausschuss sei auch nicht verwiesen worden, nachdem Einwendungen gegen die Gültigkeit des § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG erhoben worden seien. Der Landtag habe die Entschließung angenommen, ohne noch eine dritte Lesung durchzuführen, wie das nach §§ 33 ff LdTgGO insbesondere dann vorgesehen sei, wenn keine Schlussabstimmung über einen Gesetzentwurf stattgefunden habe. Der Beschwerdeführer zu 1 sei nach § 72 Abs. 1 LdTgGO für die Formulierung der Fragen verantwortlich. In zumindest entsprechender Anwendung des § 30 Abs. 1 LSA-VAbstG sei er zu veranlassen, den Entwurf der Volksinitiative nochmals wie einen Gesetzentwurf "auf den Weg zu bringen".
{RN:13}
Jedenfalls müsse festgestellt werden, dass der bisherige Ablauf rechtswidrig sei; daran bestehe auch ein Interesse, weil für die Volksinitiative völlig unklar sei, ob sie auf diesem Weg dem Landtag einen Gesetzentwurf unterbreiten könne. Das gelte auch für denkbare Anliegen anderer Initiativen.
{RN:14}
Das vom Landtag eingeschlagene Verfahren verstoße gegen Art. 80 Abs. 1, 3; 2 Abs. 1 der Landesverfassung. Es bestehe kein Widerspruch zu Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf; denn die Befugnisse der dort Genannten blieben unberührt. Der Unterschied zwischen einem durch Volksbegehren und einem durch eine Volksinitiative eingebrachten Gesetzentwurf sei dem Gesetzgeber des Ausführungsgesetzes durchaus bewusst gewesen; er sehe deshalb für den Entwurf der Volksinitiative eine entsprechende Anwendung des für die Gesetzgebung geltenden Verfahrens vor. Dies habe die Behandlung nicht durch den Petitionsausschuss, sondern durch Fachausschüsse sowie eine zweite und notfalls dritte Lesung im Plenum zur Folge. Dabei sei der Landtag keinesfalls an den Wortlaut der Initiative gebunden, sondern inhaltlich völlig frei. Unabhängig von der Frage des Initiativrechts habe der Landtag aber die verfassungsrechtliche Pflicht, sich mit dem Inhalt des von der Volksinitiative vorgelegten Gesetzentwurfs zu "befassen"; es handele sich um keine bloße "Petition". Das Staatsvolk könne einen Gegenstand auf die Tagesordnung des Landtags setzen, wie das sonst nur den Abgeordneten zustehe. Der Entwurf sei aber von Anfang an nicht ernsthaft beraten worden; auch in den Ausschussberatungen habe es keine Sachanträge gegeben, sondern es seien nur Verfahrensfragen besprochen worden. Das Plenum habe jedenfalls bei der Schlussabstimmung über Annahme, Änderung oder Ablehnung des Gesetzentwurfs selbst entscheiden müssen. Die Verweisung des § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG auf die Geschäftsordnung ändere die sich aus dieser ergebenden Pflichten nicht, sondern habe die Gesetzesinitiative gerade im Gegenteil aufwerten sollen. Da die Beratungen gezielt am Regelungsbegehren der "Volksinitiative" vorbei geführt worden seien, könne auch nicht davon ausgegangen werden, der Landtag habe das Anliegen inhaltlich abgelehnt.
{RN:15}
Es sei zu vermuten, dass die Landtagsmehrheit ausschließlich aus politischen Gründen von der rechtlich geschuldeten Behandlung abgewichen sei. Wenn verfassungsrechtliche Bedenken beständen, habe der Landtag das Gesetz förmlich zu ändern und könne sich nicht von dessen Beachtung freizeichnen.
{RN:16}
Die Beschwerdeführer regen an, die Kosten mit Rücksicht auf ihre finanzielle Lage sowie auf die grundsätzliche Bedeutung des Verfahrens auch dann zu erstatten, wenn die Beschwerde nicht zum Erfolg führe.
{RN:17}
Die Beschwerdeführer beantragen, festzustellen,
1. dass der Landtag die Rechte der Antragsteller aus Art. 80 Abs. 1 und 3 der Landesverfassung (LSA-Verf) in Verbindung mit § 9 Abs. 3 des Volksabstimmungsgesetzes (LSA-VAbstG) vom 09.08.1995 (LSA-GVBl., S. 232) und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 2 Abs. 1 LSA-Verf) dadurch verletzt hat, dass er es unterlassen hat, zum Gegenstand der Volksinitiative (LT-Drs.. 3/1650) zu beraten und Beschluss zu fassen,
2. dass der Präsident des Landtags die Rechte der Antragsteller aus Art. 80 Abs. 1 und 3 LSA-Verf in Verbindung mit § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 2 Abs. 1 LSA-Verf) dadurch verletzt hat, dass er es unterlassen hat, den Gegenstand der Volksinitiative zur Beratung und Abstimmung (Beschlussfassung) zu stellen und dass er mit dem an die Vertrauenspersonen gerichteten Schreiben vom 22. Dezember 1999 den Abschluss der Befassung des Landtages mit der Volksinitiative festgelegt und eine abermalige Zuleitung der Vorlage der Volksinitiative an den Landtag unterlassen hat,
3. dass § 9 Abs. 3 des LSA-VAbstG mit Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf vereinbar ist,
hilfsweise,
den Präsidenten des Landtages zu verpflichten, die angenommene Volksinitiative, die einen Gesetzentwurf zum Gegenstand hat, abermals dem Landtag zur Behandlung entsprechend den §§ 23 ff der Geschäftsordnung des Landtags vorzulegen,
und ganz hilfsweise,
festzustellen, dass die Behandlung durch den Landtag von Sachsen-Anhalt und seinen Präsidenten mit Artikel 80 LSA-Verf in Verbindung mit § 9 Absatz 3 des LSA-VAbstG sowie mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 2 Abs. 1 LSA-Verf) unvereinbar und daher rechtswidrig ist.
{RN:18}
Die Beschwerdegegner beantragen, die Anträge zu verwerfen.
{RN:19}
Der Beschwerdegegner zu 1 hat der Antragsänderung nicht zugestimmt.
{RN:20}
Die Beschwerdegegner entgegnen: Die Beschwerde sei weder mit ihrem Haupt- noch mit ihrem Hilfsantrag zulässig. Sie könne nach § 30 LSA-VAbstG nur gegen positive Entscheidungen des Landtagspräsidenten gerichtet werden und diesen zu keiner Handlung verpflichten. Die parlamentarische Behandlung des Anliegens sei zudem Sache des Landtags, dessen Verfahren der Präsident lediglich vorbereiten und leiten, aber nicht sachlich beanstanden könne. Für eine "entsprechende" Anwendung des § 30 Abs. 1 LSA-VAbstG sei kein Raum, weil es schon an einer Regelungslücke fehle.
Ein Organstreit unmittelbar nach § 52 LSA-VerfGG sei gegen den Beschwerdegegner zu 1 unzulässig, weil dieser an die Entscheidung des Landtages gebunden sei und deshalb nicht verpflichtet werden könne, etwas rechtlich Unzulässiges zu tun.
Die Beschwerde gegen den Beschwerdegegner zu 2 sei unzulässig, weil für sie die Frist bereits bei Antragstellung versäumt gewesen sei; denn die gerügte unrichtige Behandlung sei schon in der ersten Plenarsitzung am 17. Juni 1999 beschlossen worden.
{RN:21}
Abgesehen davon habe das eingeschlagene Verfahren der Landesverfassung entsprochen. Es sei auch bei verfassungskonformer Auslegung des Volksabstimmungsgesetzes mit diesem vereinbar gewesen. Das "Befassen" mit einem Gesetzentwurf verlange einen Beschluss zur Sache nur, wenn dieser beantragt werde; einen solchen Antrag könnten nur die zu einer Gesetzesinitiative Berechtigten stellen.
{RN:22}
5.-->Die Landesregierung hat sich nicht geäußert.
{RN:23}
6.-->Nach Abschluss der mündlichen Verhandlung haben die Beschwerdeführer aus Anlass der dortigen Erörterungen ihre Rechtsausführungen präzisiert und ergänzt; darauf wird Bezug genommen.
---------------------------------------------------------
Entscheidungsgründe:
{RN:24}
Das Landesverfassungsgericht entscheidet, ohne nochmals in die mündliche Verhandlung einzutreten; denn die Ausführungen der Beschwerdeführer nach Schluss der mündlichen Verhandlung enthalten keine neuen tatsächlichen Gesichtspunkte, zu welchen sich die Beschwerdegegner nicht hätten äußern können, und die Rechtsausführungen geben dem Verfahren keine Wendung zu Lasten der Beschwerdegegner, welche diese angesichts des bisher geführten Rechtsgesprächs überraschen müsste.
{RN:25}
Die (ursprüngliche, allein gegen den Präsidenten des Landtags gerichtete) Beschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen (1.). Die Erweiterung der Beschwerde ist als Antragsänderung nicht sachdienlich (2.).
{RN:26}
1.-->Der (mit dem ursprünglichen Begehren) als "Beschwerde" zu behandelnde "Antrag auf Entscheidung" (1.1) ist nicht nach § 30 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren bei Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Volksabstimmungsgesetz) - LSA-VAbstG - vom 09.08.1995 (LSA-GVBl., S. 232) zulässig (1.2). Er erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des § 52 des Gesetzes über das Landesverfassungsgericht - LSA-VerfGG - vom 23.08.1993 (LSA-GVBl., S. 441), geändert durch Gesetze vom 14.06.1994 (LSA-GVBl., S. 700) und vom 22.10.1996 (LSA-GVBl., S. 332) (1.3) oder sonstiger Regelungen über statthafte Anträge (1.4).
{RN:27}
1.1-->Der ursprünglich gestellte Antrag ist als "Beschwerde" i. S. des § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG zu verstehen; denn er ist als "Antrag auf Entscheidung" (nach dieser Bestimmung) überschrieben, knüpft verfahrensrechtlich an die Mitteilung des Beschwerdegegners zu 1 nach dem Volksabstimmungsgesetz an und begründet einen im Wesentlichen aus dem Volksabstimmungsgesetz (§ 9 Abs. 3 LSA-VAbstG [mit Verweisung auf die Geschäftsordnung]) hergeleiteten Anspruch, den Beschwerdegegner zu 1 zu verpflichten, ein Verhalten zu korrigieren, durch das sich die Volksinitiative benachteiligt sieht. Anhaltspunkte dafür, dass von vornherein umfassend ein von § 30 LSA-VAbstG unabhängiges Verfahren nach § 52 LSA-VerfGG, eine Verfassungsbeschwerde oder eine Organstreitigkeit beabsichtigt war, enthält das anfängliche Begehren formell nicht. Das hindert das Landesverfassungsgericht zwar nicht, auch den späteren Vortrag einzubeziehen und umfassend zu prüfen, ob das Begehren (§ 88 VwGO i. V. m. § 33 Abs. 2 LSA-VerfGG) nach anderen Bestimmungen Erfolg haben kann und deshalb umgedeutet werden muss; da dies aber ausscheidet, wird formell an der Bezeichnung des ursprünglichen Gegenstands ("Beschwerde") festgehalten.
{RN:28}
Das mit dem bestimmenden Schriftsatz vom 20. Januar 2000 zur Prüfung gestellte Begehren wird durch die dort mit Haupt- und Hilfsantrag bezeichneten Anträge näher bestimmt und ist durch den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hauptantrag Nr. 2 präzisiert worden.
{RN:29}
1.2-->Das Begehren, der Beschwerdegegner zu 1 möge das Anliegen der Volksinitiative abermals dem Landtag zur richtigen Behandlung vorlegen, betrifft keine Entscheidung i. S. des § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG.
Wie bereits der hier verwendete Gesetzesbegriff "Beschwerde" deutlich macht, kann nur eine bereits getroffene Entscheidung des Landtagspräsidenten zur Prüfung gestellt werden. Das bestätigt sich durch die Regelungen der Absätze 1 und 3 dieser Bestimmung; denn die nach Absatz 1 zu erhebende Rüge ist als "Beanstandung" zu verstehen und führt, wenn sie erfolgreich ist, dazu, dass die Entscheidung durch das Landesverfassungsgericht ersetzt wird (Absatz 3). Damit ist nicht zugleich auch eine "Untätigkeitsklage" (entsprechend § 75 VwGO) verbunden; denn § 30 Abs. 3 LSA-VAbstG unterscheidet sich gerade beim gerichtlichen Ausspruch von der Verpflichtungsklage des Verwaltungsprozesses (§ 113 Abs. 5 VwGO [keine originäre Regelung bereits durch das Gericht, sondern nur eine Verpflichtung der Behörde zur Regelung]). Nach dem Wortlaut des § 30 Abs. 1 Satz 1 VAbstG kommt dem Gericht aber nicht die Befugnis zu, den Landtagspräsidenten anzuhalten, eine Entscheidung überhaupt erst zu treffen.
{RN:30}
Der Hauptantrag der Beschwerdeführer aus dem ursprünglichen Schriftsatz vom 20. Januar 2000 geht selbst nicht davon aus, dass - wie das eigentlich durch § 30 Abs. 3 LSA-VAbstG vorgegeben ist - das Landesverfassungsgericht befugt sein könnte, unmittelbar an Stelle des Beschwerdegegners zu 1 eine weitere parlamentarische Beratung zu "verfügen", sondern beschränkt sich auf eine Verpflichtung, die allerdings mit dem System des § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG nicht zu vereinbaren ist.
{RN:31}
Das Begehren, eine neue parlamentarische Beratung einzuleiten, verlangt außerdem keine Entscheidung auf Grund des Volksabstimmungsgesetzes, wie es der Wortlaut des § 30 Abs. 1 Satz 1 LSA-VAbstG fordert, sondern bezieht sich allein auf die Geschäftsordnung des Landtages von Sachsen-Anhalt - LdTgGO - (i. d. F. v. 21.07.1994 [Bek. v. 18.10.1994 - LSA-MBl 2753], geändert durch Beschlüsse vom 22.07.1994, 29.04.1995 und vom 04.05.1995 [unveröffentlicht]). Die Entscheidung, eine neue Beratung einzuleiten, wird auch nicht deshalb zu einer Maßnahme auf Grund des Volksabstimmungsgesetzes, weil § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG auf die Geschäftsordnung verweist; denn dem stehen die unterschiedlichen Regelungen in einerseits § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG und andererseits § 30 Abs. 1 LSA-VAbstG entgegen: Adressat der Handlungsanweisung nach § 9 Abs. 3 Satz 1 LSA-VAbstG, die Volksinitiative entsprechend den Bestimmungen zu Gesetzentwürfen zu behandeln, ist nicht der Präsident, sondern allein der Landtag; nicht dessen, sondern nur des Präsidenten Handlungen sind aber "beschwerdefähig" (§ 30 Abs. 1 Satz 1 LSA-VAbstG).
{RN:32}
Wortlaut und Sinn des § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG zwingen deshalb zu der Auslegung, dass nur die Annahme-"Entscheidungen" der gerichtlichen Kontrolle unterliegen sollen, die im Fall der Volksinitiative nach § 7 LSA-VAbstG der Landtagspräsident und im Fall des Volksbegehrens nach § 11 Abs. 1 LSA-VAbstG die Landesregierung trifft. Dies wird durch Art. 81 Abs. 2 LSA-Verf für das Volksbegehren bestätigt; hier gibt die Verfassung selbst vor, dass die Landesregierung über die Annahme befindet und dass diese Entscheidung vom Landesverfassungsgericht überprüft werden kann. Die Regelung des Volksabstimmungsgesetzes für die Fälle des Art. 80 LSA-Verf, die im § 30 LSA-VAbstG mit der Kontrollanordnung für Art. 81 Abs. 2 LSA-Verf in derselben Bestimmung verbunden worden ist, geht schon deshalb von derselben Systematik aus.
{RN:33}
§ 30 Abs. 1 LSA-VAbstG muss nicht mit Rücksicht auf § 9 Abs. 3 Satz 1 LSA-VAbstG oder auf Art. 80 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt - LSA-Verf - vom 16.07.1992 (LSA-GVBl., S. 600) erweiternd dahin ausgelegt werden, dass der Präsident für das Verfahren vor dem Landtag gleichsam "verantwortlich" gemacht werden kann; denn das würde seiner Stellung innerhalb des Parlaments nicht gerecht:
Durch die Geschäftsordnung, auf die § 9 Abs. 3 Satz 1 LSA-VAbstG verweist, erlangt der Präsident keine Rechte, die ihn ermächtigen könnten, verbindlich für und gegen das Plenum eigenständig Entscheidungen zu treffen. Soweit ihm die Geschäftsordnung besondere Befugnisse zuweist (§ 5 LdTgGO), liegen sie in der Außenvertretung, in der Geschäftsführung, der Verhandlungsleitung, im Hausrecht und in der Verwaltung. Bezogen auf die Sitzungstätigkeit des Landtags hat dessen Präsident mit seiner Verwaltung (§§ 5 Abs. 3; 8 Abs. 1 LdTgGO) die Aufgabe, Sitzungen des Landtags lediglich vorzubereiten.
{RN:34}
Auch soweit der Präsident Sitzungen leitet (§ 5 Abs. 1 LdTgGO), bleibt die eigentliche Entscheidung eine solche des Plenums. Die Befugnisse gehen über die Einberufung (§ 55 Abs. 1 LdTgGO), die Erstellung der Tagesordnung (§ 55 Abs. 3 LdTgGO) und die rein verfahrensbezogene Leitung (§§ 58 ff LdTgGO) nicht hinaus. Selbst über Zeit, Ort und Tagesordnung bestimmt letztlich das Plenum (§ 55 Abs. 2 LdTgGO). Diese Kompetenzabgrenzungen halten sich im Rahmen der durch die Verfassung selbst vorgegebenen Zuständigkeiten des Landtagspräsidenten (vgl. für den Gegenstand der oben genannten Geschäftsordnungsregelungen: Art. 45 Abs. 1; 49 LSA-Verf).
{RN:35}
§ 30 LSA-VAbstG muss auch nicht über seinen Wortlaut und Regelungsgehalt hinaus entsprechend auf Verfahrensgegenstände angewendet werden, die mit einer Volksinitiative zusammenhängen und eine Entscheidung des Landtags oder seines Präsidenten betreffen; denn unabhängig davon, ob die von den Beschwerdeführern gesehene "Lücke" im Rechtsschutz in Wahrheit bereits über Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf und § 52 LSA-VerfGG "geschlossen" ist, wäre ein Verfassungsverstoß nicht zu erkennen, falls bestimmte Handlungen nicht verfassungsgerichtlich überprüft werden dürften.
{RN:36}
Art. 75 LSA-Verf geht nämlich von keinem umfassenden Rechtsschutz aus, sondern bezeichnet die Gegenstände, welche einer verfassungsrechtlichen Kontrolle unterliegen, abschließend. Soweit Art. 75 Nr. 8 LSA-Verf als "Öffnungsklausel" dem Landesgesetzgeber gestattet, den Katalog durch einfaches Gesetz zu erweitern - wie dies durch § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG für das bei der Volksinitiative i. S. des Art. 80 LSA-Verf einzuhaltende Verfahren geschehen ist -, wird vorausgesetzt, dass die dadurch entstandene neue Gesamtregelung wiederum abschließend ist. Dies entspricht den Grundsätzen des Bundesrechts zur Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts, dessen Rechtsprechung deshalb übertragbar ist (BVerfG, Urt. v. 30.7.1952 - 1 BvF 1/52 -, BVerfGE 1, 396 [408/409]: keine Befugnis des Verfassungsgerichts, sich als Hüter der Verfassung über die gesetzliche Regelung hinaus für zuständig zu halten]; BVerfG, Beschl. v. 18.10.1967 - 1 BvR 248/63, 216/67 -, BVerfGE 22, 293 [298]: keine außergerichtliche Zuständigkeit bei noch so dringendem rechtspolitischem Bedürfnis; ebenso: BVerfG, Beschl. v. 22.10.1974 - 1 BvL 3/72 -, BVerfGE 38, 121 [127]).
{RN:37}
1.3-->Für die gegen den Landtagspräsidenten gerichtete Beschwerde kann offen bleiben, ob das Verfahren nach § 52 LSA-VerfGG denselben Umfang hat wie die Beschwerde nach § 30 LSA-VAbstG oder ob dieser Gegenstand nur ein denkbarer Fall innerhalb eines im Übrigen durch Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf weiter gespannten Rahmens ist - wovon unten bei Nr. 2.2.2.1 ausgegangen wird -; denn auch bei dieser Auslegung bleiben der Antrag, wie er am 20. Januar 2000 angekündigt und als Hilfsantrag aufrecht erhalten worden ist, und der Hauptantrag Nr. 2 unzulässig.
{RN:38}
Den Beschwerdeführern fehlt so offenkundig ein Recht, gerade vom Beschwerdegegner zu 1 die Einleitung einer nochmaligen parlamentarischen Beratung zu verlangen, dass bereits ein Rechtsschutzbedürfnis für ein gegen den Landtagspräsidenten gerichtetes Antragsverfahren nach § 52 LSA-VerfGG zu verneinen ist.
{RN:39}
Soweit Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf auch einer konkreten Volksinitiative (bzw. einem Volksbegehren oder -entscheid) die Befugnis einräumt, zu beanstanden, dass der Volkswille rechtswidrig behindert werde, ist vorauszusetzen, dass eine Verletzung in eigenen Rechten jedenfalls möglich erscheint. Dies gilt für Verfassungsbeschwerden (vgl. Art. 75 Nrn. 6, 7 LSA-Verf und § 49 LSA-VerfGG sowie verweisend § 51 Abs. 2 LSA-VerfGG) ebenso wie für die Organstreitigkeit des Art. 75 Nr. 1 LSA-Verf (vgl. dazu auch § 36 Abs. 1 LSA-VerfGG); soweit dort auf die eigenen "Zuständigkeiten" abgestellt ist, welche der Verfassungsverstoß berührt, hat das Landesverfassungsgericht dies wiederholt mit einer Verletzung in eigenen Rechten gleichgesetzt (vgl. LVerfG LSA, Urt. v. 29.5.1997 - LVG 1/96 -, LVerfGE 6, 281 [292], zuletzt: LVerfG LSA, Urt. v. 7.1.2000 - LVG 6/99 -).
{RN:40}
Eine Verfassungsverletzung durch den Beschwerdegegner zu 1 liegt aber nicht vor; denn dieser hat nicht die Rechtsmacht, die bereits vom Landtag abgeschlossene Beratung aus eigenem Recht "zu beanstanden" oder "wieder aufzunehmen". "Herr des Verfahrens" ist der Landtag, der mit Mehrheit eine Rücküberweisung in die Fachausschüsse abgelehnt und in einer zweiten Beratung nur die vorbereitete Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses angenommen hat. Dem Beschwerdegegner zu 1 kam es dabei nach den oben zitierten Geschäftsordnungsbestimmungen nur zu, den Verfahrensgang zu leiten, nicht aber darüber hinaus, Verfahrensentscheidungen gegen die Landtagsmehrheit zu treffen. Daran ändert auch § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG nichts; denn die Bestimmung gibt dem Landtagspräsidenten nicht mehr Rechte, als ihm nach der Geschäftsordnung zustehen, und nimmt deshalb konsequent den Landtag und nicht dessen Präsidenten in Pflicht.
{RN:41}
Aus § 72 LdTgGO folgt nichts anderes. Diese Bestimmung ermächtigt den Präsidenten nicht, dem Landtag mit Bindungswirkung für diesen Themen vorzulegen und ohne Vorgabe aus dem Landtag oder seinen Ausschüssen die Abstimmung über eine Gesetzesvorlage zu erzwingen.
{RN:42}
"Beschlussvorschlag" i. S. des Absatzes 1 bedeutet - wie sich aus dem Klammerzusatz ergibt - nicht ausschließlich (Gesetzes-)Vorlage; Gegenstand der Abstimmung kann vielmehr sogar ein sonstiger Antrag oder Vorschlag sein. Dass die Formulierungskompetenz des die Sitzung leitenden Präsidenten dabei allein die Funktion hat, den Willen des Landtags herauszuarbeiten, macht Absatz 2 besonders deutlich.
{RN:43}
1.4-->Der als "Beschwerde" nach § 30 VAbstG zu wertende "Antrag" kann gegen den Beschwerdegegner zu 1 auch in keinen anderen Antrag umgedeutet werden, der nach dem Katalog des Art. 75 LSA-Verf statthaft sein könnte. So sind insbesondere die Regelungen über den Organstreit (Art. 75 Nr. 1 LSA-Verf) oder über die Verfassungsbeschwerde (Art. 75 Nr. 6 LSA-Verf) nicht anwendbar, weil der Gegenstand durch einerseits Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf und § 52 LSA-VerfGG im Grundsatz sowie im Einzelnen durch Art. 75 Nr. 8 LSA-Verf i. V. m. § 30 LSA-VAbstG besonders geregelt worden ist. Andere Verfahrensarten des Art. 75 LSA-VAbstG kommen offensichtlich nicht in Betracht.
{RN:44}
2.-->Die Erweiterung der gegen den Beschwerdegegner zu 1 gerichteten Beschwerde (2.1) auf den Beschwerdegegner zu 2 ist als Antragsänderung zu behandeln und nicht sachdienlich (2.2). Einer (förmlichen) Entscheidung zur Gültigkeit des Volksabstimmungsgesetzes bedarf es nicht (2.3).
{RN:45}
2.1-->Entgegen der von den Beschwerdeführern vertretenen Auffassung richtet sich die ursprüngliche Beschwerdeschrift vom 21. Januar 2000 nur gegen den Landtagspräsidenten und nicht zusätzlich bereits gegen den Landtag. Das ergibt sich aus dem Wesen des Beschwerdeverfahrens nach § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG (vgl. dazu oben Nr. 1.1) ebenso wie aus der Bezeichnung der an dem Verfahren Beteiligten. Ein anderer Rückschluss kann auch aus dem dort angekündigten Hilfsantrag nicht gezogen werden; denn soweit die Beschwerdeschrift auch ein Fehlverhalten des Landtags rügt, rechnet sie es dessen Präsidenten zu.
{RN:46}
2.2-->Die Ausdehnung des Gegenstands ist als Antragsänderung entsprechend § 91 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 33 Abs. 2 LSA-VerfGG anzusehen, in welche der Beschwerdegegner zu 1 nicht eingewilligt hat (§ 91 Abs. 2 VwGO).
{RN:47}
Sie ist ungeachtet der Frage, ob mit dem insoweit bestimmenden Schriftsatz vom 15. Juni 2000 evtl. einzuhaltende Fristen noch haben gewahrt werden können - was nicht der Fall ist -, bereits deshalb nicht sachdienlich i. S. des § 91 Abs. 2 VwGO, weil das nunmehr insoweit durch den Hauptantrag Nr. 1 repräsentierte Begehren auch mit dem neuen Beschwerdegegner keinen Erfolg haben könnte, so dass bei Ablehnung der Antragsänderung kein neues Verfahren mit positivem Ausgang zu erwarten ist.
Der Landtag kann nicht Gegner in einem Verfahren nach § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG sein (2.2.1). Die Rüge der Beschwerdeführer, der Beschwerdegegner zu 2 habe gegen das bei einer "Gesetzentwurf-Volksinitiative" zu beachtende Verfahren verstoßen, würde ohne Erfolg bleiben (2.2.2).
{RN:48}
2.2.1-->Das Verfahren gegen den Beschwerdegegner zu 2 kann nicht als "Beschwerde- und Beanstandungsverfahren" nach § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG geführt werden; denn der Landtag ist nach Wortlaut und Sinn des § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG kein denkbarer Beteiligter. Wie sich bereits oben (Nr. 1.2) ergeben hat, unterwirft die Bestimmung abschließend nur die "Nicht-Annahme-Entscheidungen", die eine parlamentarischen Behandlung verhindern, der verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Eine Erweiterung auf andere Gegenstände und Beteiligte ist ausgeschlossen.
{RN:49}
2.2.2-->Auch ein gegen den Beschwerdegegner zu 2 gerichtetes Antragsverfahren nach § 52 LSA-VerfGG bliebe ohne Erfolg.
§ 52 LSA-VerfGG beschränkt die verfassungsrechtliche Kontrolle zwar nicht auf das "Beschwerde-"Verfahren des § 30 LSA-VAbstG (2.2.2.1); in den sonstigen Fällen muss aber die von den Beschwerdeführern versäumte Frist für Organstreitigkeiten eingehalten werden (2.2.2.2). Abgesehen davon ist kein Regelverstoß erkennbar (2.2.2.3).
{RN:50}
2.2.2.1-->Der Umfang der durch § 52 LSA-VerfGG nur ansatzweise geregelten verfassungsgerichtlichen Kontrolle bei Streitigkeiten über die Durchführung einer Volksinitiative und anderer Elemente unmittelbarer Demokratie ist allein Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf zu entnehmen. Der Verweis des § 52 Satz 1 LSA-VerfGG auf die Regelungen im (einfachen) Ausführungsgesetz zu Art. 80 Abs. 3; 81 Abs. 6 LSA-Verf schließt andere Verfahren als solche nach § 30 LSA-VAbstG nicht aus; denn das Landesverfassungsgerichtsgesetz kann als einfaches Gesetz nicht hinter dem Umfang zurückbleiben, den Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf vorbehaltlos gewährt. Eine Ermächtigung, den Standard des Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf zu verkürzen, enthalten auch die Art. 80, 81 LSA-Verf nicht; denn dort sind der einfachen Gesetzgebung nur Regelungen über das einzuhaltende Verfahren, nicht aber auch über den Umfang der verfassungsgerichtlichen Verfahrenskontrolle vorbehalten, der allein durch Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf bestimmt wird.
{RN:51}
Der Regelungsgehalt des Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf geht über den besonderen Gegenstand des § 30 LSA-VAbstG hinaus. Die Verfassung unterwirft alle "Streitigkeiten über die Durchführung" (der Formen unmittelbarer Demokratie) einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Gegenstand dieser Prüfung können deshalb nicht nur Verstöße gegen die Verfassungsbestimmungen selbst sein, sondern die Verletzung aller Regelungen, zu denen die Verfassung den Gesetzgeber aus Anlass von Verfahren unmittelbarer Demokratie ermächtigt hat. Soweit das tatsächliche Verfahren hinter den rechtlichen Anforderungen zurückbleibt und dadurch Rechte der Betroffenen verletzt sein können, ist die Kontrolle durch das Landesverfassungsgericht zugelassen. Damit tritt das Landesverfassungsgericht bei der durch Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf auch eröffneten Kontrolle am Maßstab von Normen unterhalb des Verfassungsrangs nicht etwa in Konkurrenz zu den Verwaltungsgerichten (§ 40 Abs. 1 VwGO); denn die Verfahren zur Durchführung von Formen unmittelbarer Demokratie betreffen einen verfassungsrechtlichen Gegenstand, der nach § 40 Abs. 1 VwGO der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen ist.
{RN:52}
2.2.2.2-->Die Beschwerdeführer hatten indessen bereits am 20. Januar 2000 die Sechs-Monats-Frist versäumt; deshalb bleibt offen, ob statt auf die ursprüngliche Beschwerde auf den Zeitpunkt abgestellt werden müsste, zu welchem die Beschwerdeführer den Beschwerdegegner zu 2 in das Verfahren genommen haben.
Auszugehen ist von § 36 Abs. 3 LSA-VerfGG. Die für Organstreitigkeiten bestimmte Frist gilt bei den nicht durch das besondere Volksabstimmungsgesetz geregelten weiteren Fällen entsprechend (2.2.2.2.1). Bereits die in der ersten Beratung am 17. Juni 1999 getroffene Entscheidung über das zu wahrende Verfahren hatte die Frist in Lauf gesetzt (2.2.2.2.2).
{RN:53}
2.2.2.2.1-->Die durch Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf vorausgesetzten Streitigkeiten außerhalb des Volksabstimmungsgesetzes regelt § 52 LSA-VerfGG faktisch nicht. Lediglich für die Fälle des § 30 Abs. 1, 3 LSA-VAbstG sieht § 30 Abs. 2 LSA-VAbstG eine Monatsfrist vor; sie ist typisch für die gerichtliche Kontrolle auf Einzelentscheidungen hin (vgl. für die Wahlprüfung § 34 Abs. 2 LSA-VerfGG; vgl. im Bundesrecht § 70 BVerfGG [Anfechtung eines Bundesratsbeschlusses]; § 93 Abs. 1 BVerfGG [allgemeine und kommunale Verfassungsbeschwerde]; vgl. für den Verwaltungsprozess §§ 70; 74 VwGO). Da das Landesverfassungsgerichtsgesetz zur Abwehr von möglichen Rechtsverletzungen auch längere (als Monats-)Fristen einräumt, kann § 30 Abs. 2 LSA-VAbstG kein für alle Fälle des § 52 LSA-Verf gültiger Grundsatz entnommen werden. Die insoweit bestehende Regelungslücke ist durch einen Rückgriff auf die Vorschriften über die rechtsähnliche Organstreitigkeit zu schließen; denn die Streitigkeiten nach Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf sind faktisch als Organstreitigkeiten des Volks mit anderen Verfassungsinstitutionen konstruiert. Das ergibt sich zunächst aus der organähnlichen Stellung des Volkes im Verhältnis zu den Verfassungsorganen; über Art. 80, 81 LSA-Verf nimmt das Volk unmittelbaren Einfluss teils auf das Gesetzgebungsorgan, teils auf die Gesetzgebung selbst und tritt in diesem Umfang neben den Landtag oder an dessen Stelle. Eine deutliche Parallele besteht auch bei den Verfahrensbeteiligten; nach Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf können außer den Betroffenen selbst auch die Landesregierung und der Landtag Antragsteller sein, ohne dass (im Vergleich zwischen Art. 75 Nrn. 1 und 2 LSA-Verf) die Unterschiede beim Parlament (bei Art. 75 Nr. 2 LSA-Verf ist eine qualifizierte Minderheit notwendig, bei Art. 75 Nr. 1 LSA-Verf sind auch mit eigenen Rechten ausgestattete Teile des Landtags beteiligungsfähig) ins Gewicht fallen.
{RN:54}
2.2.2.2.2-->Die Sechs-Monats-Frist war bereits zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung am 20. Januar 2000 abgelaufen, weil die von der Volksinitiative beanstandete Maßnahme schon am 17. Juni 1999 getroffen und den in dieser Sitzung anwesenden Vertrauenspersonen, den Beschwerdeführern, zu diesem Zeitpunkt auch bekannt geworden war.
{RN:55}
Die von der Mehrheit der Abgeordneten am 17. Juni 1999 getragene (Leit-)Entscheidung der ersten Plenarsitzung legte das spätere Verfahren fest. Den Mehrheitsentscheidungen in den späteren einzelnen Verfahrensschritten kommt keine eigenständige Bedeutung zu; denn sie hielten sich innerhalb dieser Leitentscheidung, und es ist nicht ersichtlich oder geltend gemacht, dass einer der Ausschuss- oder Plenarbeschlüsse hinsichtlich der beanstandeten Behandlung des Anliegens eine neue, eigenständige Beschwer enthalten hat. Das gilt sowohl für vorbereitende Entscheidungen der befassten Ausschüsse als auch für die Abstimmung im Landtag bei der zweiten Beratung am 17. Dezember 1999 (oder für die Bekanntgabe dieses Ergebnisses an die Beschwerdeführer).
{RN:56}
Das Landesverfassungsgericht schließt sich hierbei der zur "Organstreitigkeit" entwickelten Auffassung des Bundesverfassungsgerichts an, die es wegen der oben aufgezeigten Ähnlichkeit beider Verfahrensarten für übertragbar hält (vgl. deshalb: BVerfG, Urt. v. 13.6.1989 - 2 BvE 1/88 -, BVerfGE 80, 188 [210]; Urt. v. 16.7.1991 - 2 BvE 1/91 -, BVerfGE 84, 304 [320]). Wie in den dort entschiedenen Fällen gilt auch hier, dass sich die "konsequente" Durchführung eines für unrichtig gehaltenen Verfahrens nicht bei jedem Verfahrensabschnitt jeweils wieder als neue Verletzung darstellt, sondern ihre Wirkung nur durch den entsprechenden (ersten) Beschluss entfaltet, auf dem das weitere Verfahren dann lediglich beruht.
{RN:57}
2.2.2.3-->Abgesehen davon musste der Landtag das Anliegen der Volksinitiative nicht als Gesetzentwurf behandeln.
Einer Volksinitiative i. S. des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 LSA-Verf steht kein Initiativrecht i. S. des Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf zu (2.2.2.3.1). Das Volksabstimmungsgesetz ist verfassungskonform auslegbar (2.2.2.3.2). Die "Befassungspflicht" nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 LSA-Verf führt in den Fällen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 LSA-Verf nicht außerhalb des "Initiativrechts" nach Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf zu einer gleichwertigen Verfahrensstellung (2.2.2.3.3).
{RN:58}
2.2.2.3.1-->Wenn Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf bestimmt, dass ein durch ein Volksbegehren vorgelegter Gesetzentwurf einem solchen gleichsteht, der durch die Landesregierung oder aus der Mitte des Landtags vorgelegt wird, gilt dies nicht auch für den Gesetzentwurf einer Volksinitiative im Fall des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 LSA-Verf.
{RN:59}
Die Aufzählung des Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf ist abschließend, wie sich aus der Systematik der Regelungen über die unmittelbare Mitwirkung des Volkes ergibt.
Während nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 LSA-Verf die Volksinitiative einen mit Gründen versehenen Gesetzentwurf zum Inhalt haben kann - dieser also nur einen Unterfall der Initiative bildet -, ist beim Volksbegehren kein anderer Gegenstand möglich (Art. 81 Abs. 1 LSA-Verf). Wenn gleichwohl auch dort das Wort "kann" verwendet ist, kennzeichnet es nicht Varianten des Inhalts, sondern allein des "Autors" und bedeutet, dass Gesetzgebung auch unmittelbar vom Volk - alternativ zum Landtag - ausgehen kann. Das Volksbegehren ist dann der "erste Schritt" zum Gesetz (Mahnke, LVerf, Art. 81 RdNr. 1) und hat deshalb dasselbe Gewicht wie eine von der Landesregierung oder einem Teil des Landtags ausgehende Gesetzesinitiative.
{RN:60}
Die Gleichsetzung des Volksbegehrens im Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf mit den anderen Gesetzesinitiativen ist auch deshalb zwingend, weil dem Gesetzentwurf des Volksbegehrens nach Art. 81 Abs. 1 LSA-Verf ein besonderes verfahrensrechtliches Gewicht zukommt. Der Landtag ist im Gegensatz zum Gesetzentwurf der Volksinitiative von Verfassungs wegen nicht sanktionslos frei, ob er den Entwurf beschließt, ablehnt oder ihn mit Änderungen versieht; denn er "riskiert" einen Volksentscheid, wenn er den Entwurf nicht behandelt oder nicht so annimmt, wie er "eingebracht" worden ist (Art. 81 Abs. 3 LSA-Verf), und kann seine, vom Volksbegehren abweichende politische Meinung nur durchsetzen, indem er einen eigenen Gesetzentwurf zum Volksentscheid vorlegt (§ 81 Abs. 4 LSA-Verf). Dieser "Gegenentwurf" kann nach den Regeln des Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf nur durch die Landesregierung oder aus der Mitte des Landtags initiiert werden. Soweit Art. 81 Abs. 2 LSA-Verf bestimmt, das Volksbegehren sei bei der Landesregierung anzubringen, welche es mit ihrer Stellungnahme unverzüglich an den Landtag weiterleitet, wird die Landesregierung in das Gesetzgebungsverfahren nur zur Prüfung formaler Fragen sowie zur Abgabe einer Stellungnahme einbezogen (Art. 81 Abs. 2 LSA-Verf), ohne dass ihr damit - wie beim eigenen Initiativrecht des Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf - die Macht eingeräumt wäre, den Entwurf auch inhaltlich zu gestalten.
{RN:61}
Demgegenüber ist die Volksinitiative, auch wenn sie einen Gesetzentwurf vorlegt, keine unmittelbare Beteiligung des Volkes an der Gesetzgebung, sondern nur ein Unterfall des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 LSA-Verf. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 LSA-Verf eröffnet dem Volk lediglich die Möglichkeit, den Landtag auch mit einem fertigen Gesetzentwurf zu befassen. Es handelt sich nur um einen besonders genannten Gegenstand, für den aber die allgemeinen Regeln des Art. 80 Abs. 1 LSA-Verf gelten. Die Bürgerschaft kann sich durch dieses Mittel zu Fragen der politischen Willensbildung, die sie bewegt, äußern (Mahnke, a. a. O., Art. 80 RdNr. 2).
{RN:62}
Dass die im Verfassungstext gemachten Unterschiede zwischen den Gesetzentwürfen einerseits einer Volksinitiative und andererseits eines Volksbegehrens keine den Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf ausfüllbare Lücke begründen, die im Weg der Analogie geschlossen werden könnte, bestätigen die unterschiedlichen Quoren für das jeweilige Instrument der unmittelbaren Volksmitwirkung und zusätzlich das vom Gegenstand unabhängige einheitliche Quorum für die Volksinitiative: Während für jede, also auch für die Gesetzes-Volksinitiative 35.000 Unterschriften genügen (Art. 80 Abs. 2 LSA-Verf), bedarf das (Gesetzes-)Volksbegehren der Unterstützung durch 250.000 Wahlberechtigte (Art. 81 Abs. 1 Satz 4 LSA-Verf).
{RN:63}
Diese sich aus dem Wortlaut und der Systematik ergebende Auslegung der Art. 77 Abs. 2; 80 Abs. 1 LSA-Verf entsprach auch dem Willen des Verfassungsgebers.
{RN:64}
Der von der "Arbeitsgruppe »Neue Verfassung der DDR« des Zentralen Runden Tisches am 4. April 1990 erarbeitete Entwurf einer Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR-Verf-E-90) kannte zwar bereits eine Gesetzgebung auch durch Volksentscheid (Art. 90 DDR-Verf-E-90) - wobei der Gesetzentwurf durch ein Volksbegehren beim Präsidenten der Republik anzubringen und von der Regierung an die Volkskammer weiterzuleiten war (Art. 99 Abs. 1, 4 DDR-Verf-E-90) - und die Möglichkeit, dass die Volkskammer den Entwurf des Volkes unverändert oder mit von einer qualifizierten Mehrheit der Vertrauensleute gebilligten Änderungen übernahm (Art. 99 Abs. 4 DDR-Verf-E-90); die Gesetzesinitiative im Parlament sollte aber gleichwohl nur den Abgeordneten der Volkskammer, der Länderkammer und der Regierung zustehen (Art. 91 Abs. 2 DDR-Verf-E-90).
{RN:65}
Die heutigen Regelungen der Verfassung über die Volksgesetzgebung, den Kreis der Initiativberechtigten und über die Möglichkeit, einen Gesetzentwurf zum Gegenstand einer Volksinitiative zu machen, gehen auf den Entwurf der SPD-Fraktion vom 26. Februar 1991 (LT-Drs. 1/260 v. 12.03.1991) zurück. Art. 48 Abs. 2 nannte das Volksbegehren, nicht aber die Volksinitiative als einbringungsberechtigt; Art. 51 Abs. 1 Satz 2 ließ eine Volksinitiative auch mit einem Gesetzentwurf zu.
Der Gemeinschaftsentwurf der Fraktionen der CDU und der F.D.P. (LT-Drs. 1/253 v. 08.03.1991) kannte keine plebiszitären Elemente und als einbringungsberechtigt nur die Landesregierung oder eine nicht quantifizierte Anzahl von Abgeordneten ("aus der Mitte der Abgeordneten").
{RN:66}
Art. 63 Abs. 1 des Verfassungsentwurfs der Fraktion "Bündnis 90/Grüne" (LT-Drs. 1/78 v. 09.01.1991) sah ein Initiativrecht durch einen "Volksantrag" neben denjenigen der Landesregierung sowie von einzelnen oder mehreren Abgeordneten vor. Der Volksantrag (von mindestens 8.000 Unterschriften getragen) sollte nach Art. 65 Abs. 1 einen Gesetzentwurf "zur verbindlichen Behandlung im Landtag" zum Gegenstand haben, der nach Art. 65 Abs. 2 ein von mindestens 80.000 Unterschriften getragenes Volksbegehren auslösen konnte, wenn der Landtag den "Volksantrag" nicht befolgte; nach einem Jahr und nach Prüfung der Unterschriften des Volksbegehrens war ein Volksentscheid vorgesehen, bei welchem die Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreichen sollte, den Entwurf als Gesetz zu beschließen.
{RN:67}
In den gemeinsamen Antrag aller im Landtag vertretenen Fraktionen für eine Landesverfassung (LT-Drs. 1/1334 v. 01.04.1992) - VerfE 92 - wurden die heutigen Formulierungen für das Initiativrecht (Art. 76 Abs. 2 VerfE 92) sowie für die Inhalte einer Volksinitiative (Art. 80 Abs. 1 VerfE 92) aufgenommen und daneben die "Volksgesetzgebung" (mittels Volksbegehrens bzw. Volksentscheids; vgl. Art. 81 VerfE 92) gesetzt.
{RN:68}
Das Initiativrecht auch auf die (Gesetzentwurfs-)Volksinitiative auszudehnen, erwog der Verfassungsausschuss bei seinen Beratungen, die zu dem gemeinsamen Verfassungsentwurf der Landtagsfraktionen führten, nicht (vgl. Niederschriften über die Sitzungen des Verfassungsausschusses vom 24.04.1991 [VerfMat Bl. 222 ff], vom 16.05.1991 [VerfMat Bl. 431 f], vom 26.06.1991 [VerfMat Bl. 583 ff] und vom 18.07.1991 [VerfMat Bl. 810]).
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Der Ausschussvorsitzende sah den Sinn der Volksinitiative darin, dass die Bürger das Recht hätten, "etwas auf die Tagesordnung des Landtages zu setzen", dies mit dem Ziel, "zu signalisieren, dass da ein Problem liege, das geregelt werden müsse", und es sei dann eine lediglich politische Frage, "inwieweit sich ein Landtag und eine Regierung über etwas hinwegsetzten, was immerhin 20.000 oder 30.000 [sc. l. für die Initiative damals notwendige Zahl von] Stimmen gefunden habe" (Dr. Höppner in der Sitzung vom 26.06.1991 [VerfMat Bl. 602]). In dieser Einschätzung bestätigte ihn einer der beiden Berater des Ausschusses (Prof. Dr. Starck, a. a. O. [VerfMat Bl. 604]); danach handele es sich bei der Volksinitiative allein um eine Art Petition, mit welcher man umgehen könne, wie es einem beliebe.
{RN:70}
Hauptstreitpunkte bei den plebiszitären Elementen der Verfassung waren neben dem für die eigentliche "Volksgesetzgebung" einzuschlagenden Verfahren (vgl. insoweit Niederschriften des Verfassungsausschusses vom 26.05.1991 [VerfMat Bl. 592 <Dr. Höppner, Vorsitzender, SPD>, Bl. 594 <Dr. Schindel, SPD>] und vom 18.07.1991 [VerfMat Bl. 815 <Berater Prof. Dr. Schneider, Vors. Dr. Höppner>] die zu verlangenden Mindestquoren. Durch die späteren Beratungen blieben Art. 76 Abs. 2; 80 Abs. 1 VerfE 92 unverändert (vgl. die Beschlussempfehlungen des Verfassungsausschusses in LT-Drs. 1/1579 v. 18.06.1992 und 1/1700 v. 09.07.1992).
Die Anregung des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes vom 03.07.1992 (Anlage, dort Nr. 24, zur Niederschrift über die Sitzung des Verfassungsausschusses vom 07.07.1992 [VerfMat Bl. 1285]), bei den Initiativberechtigten die Volksinitiative einzufügen, wurde in der Beratung von keiner Fraktion zum Antrag erhoben (Niederschrift vom 07.07.1992 [VerfMat Bl. 1231]). Der Ausschuss übernahm die Auffassung des wissenschaftlichen Mitarbeiters der CDU-Fraktion (Nitsche), aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 folge nicht, dass auch eine Volksinitiative einen Gesetzentwurf einbringen könne; sie lege nur einen Gesetzentwurf vor, den die Initiativberechtigten übernehmen könnten und dann einbrächten (Niederschrift, a. a. O.).
{RN:71}
In den drei Beratungen des Plenums (vgl. Niederschriften vom 09.04.1992 [LT-StenBer 1/31, TOP 4, S. 2617 ff], vom 25.06.1992 [LT-StenBer 1/34, TOP 1, S. 3721 ff] und vom 15.07.1992 [LT-StenBer 1/35, TOP 1, S 3844 ff), denen der gemeinsame Verfassungsentwurf (LT-Drs. 1/1334) zu Grunde gelegen hatte, der durch die weiteren Beschlussempfehlungen des Verfassungsausschusses (vgl. LT-Drs. 1/1579 und 1/1700) jeweils "fortgeschrieben" worden war, ist nicht erörtert worden, dass auch der Volksinitiative ein eigenes Initiativrecht i. S. des heutigen Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf zustehen müsse.
{RN:72}
Der Katalog des Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf ist schließlich entgegen dieser Verfassungslage nicht deshalb erweiterbar, weil Art. 80 Abs. 3 LSA-Verf es dem einfachen Gesetz überlässt, das Nähere zu bestimmen. Anders als im Fall des Art. 75 Nr. 8 LSA-Verf, in welchem die Verfassung den Gesetzgeber ermächtigt, sachliche Erweiterungen des Verfahrenskatalogs vorzunehmen, darf das Landesgesetz zu Art. 80 Abs. 3 LSA-Verf nur innerhalb des von der Verfassung zwingend vorgegebenen Rahmens Einzelheiten näher ausführen, ohne dabei Verfahrenspositionen einräumen zu können, welche die Verfassung nicht zulässt.
{RN:73}
2.2.2.3.2-->Das Volksabstimmungsgesetz trägt dem Rechnung und wäre anderenfalls verfassungskonform auszulegen.
{RN:74}
Während § 19 LSA-VAbstG bei Volksbegehren die Vorlage des bei der Landesregierung eingegangenen "Gesetzentwurfs" an den Landtag vorsieht (Absatz 1 - insoweit nur die Verfassungsvorgabe wiederholend -) und regelt (Absatz 2), dass für das weitere Verfahren die Bestimmungen über die Behandlung von Gesetzentwürfen zu gelten haben, verlangt § 9 Abs. 3 Satz 1 LSA-VAbstG bei den Gesetzes-Volksinitiativen nur eine Behandlung "entsprechend den Bestimmungen der Geschäftsordnung zu Gesetzentwürfen". Die damit auch in Bezug genommenen Regelungen der Geschäftsordnung über das Initiativrecht bei Gesetzen kennen aber - voll im Einklang mit Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf - nur das Einbringungsrecht der Landesregierung, einer Fraktion, einer Gruppe von acht Abgeordneten oder durch ein Volks begehren (nicht auch durch eine Volksinitiative).
{RN:75}
Im Übrigen gibt § 9 Abs. 3 Satz 2 LSA-VAbstG bloß den Vertrauensleuten der Volksinitiative ein Anhörungsrecht, während der Entwurf des Volksbegehrens nach Art. 81 Abs. 3, 4 LSA-Verf die Rechtsmacht hat, sich "durchzusetzen", falls der Landtag keinen eigenen Entwurf "einbringt" und beschließt; allein deshalb sieht § 19 Abs. 2 LSA-VAbstG die Beratung nach den allgemeinen Regeln über Gesetze vor.
{RN:76}
Dass die "Befassung" mit dem Volksinitiativ-Gesetzentwurf i. S. des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 LSA-Verf (anders als bei der Zustimmung des Landtags zum Volksbegehren nach Art. 81 Abs. 3 LSA-Verf: dann Art. 82 Abs. 1 LSA-Verf) nicht mit einem "Gesetzesbeschluss" des Landtags enden muss, ergibt sich aus § 9 Abs. 5 LSA-VAbstG. Die Gesetzes-Volksinitiative wird nicht anders behandelt als diejenige ohne Gesetzentwurf: Es wird nur im Ministerialblatt - nicht etwa im Gesetz- und Verordnungsblatt - der Beschluss bekannt gemacht, welcher das Verfahren des Landtags abschließt. Dieser Beschluss hat damit keine andere Rechtsqualität als die Bekanntmachung über die Annahme der Volksinitiative nach § 7 Abs. 2 LSA-VAbstG vor ihrer "Befassung" durch den Landtag oder über das Ergebnis einer Volksinitiative ohne Gesetzentwurf nach §§ 9 Abs. 1; 7 Abs. 2 LSA-VAbstG.
{RN:77}
Eine Auslegung des § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG dahin, der "Gesetzentwurf" habe wie beim Volksbegehren bereits als vom Volk initiiert zu gelten (Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf), wäre mit der Verfassung nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte unvereinbar. Eine Untersuchung anhand der Gesetzesmaterialien zum Volksabstimmungsgesetz, ob der Gesetzgeber gleichwohl eine solche Regelung gewollt haben könnte, verbietet sich deshalb; denn im Weg der verfassungskonformen Auslegung ist bei widerstreitenden Ergebnissen diejenige zu wählen, die der Verfassung entspricht. Insoweit gilt für das Landesverfassungsrecht nichts anderes als für das Bundesverfassungsrecht (vgl. dazu: BVerfG, Beschl. v. 15.6.1983 - 1 BvR 1025/79 -, BVerfGE 64, 229 [242], m. w. Nachw.; Urt. v. 24.4.1985 - 2 BvF 2-4/83, 2/84 -, BVerfGE 69, 1 [55]). Eine Grenze für die Auslegung bildet nur der Wortlaut (BVerfG, Beschl. [des Plenums] v. 11.6.1980 - 1 PBvU 1/79 -, BVerfGE 54, 277 [299/300]; BVerfGE 69, 1 [55]), der hier indessen gerade für eine verfassungskonforme Auslegung streitet.
{RN:78}
Die Landtags-Debatte darüber, ob nicht der Initiativentwurf förmlich als Gesetzesvorlage zu behandeln sei, hatte die Frage zum Gegenstand, ob nicht das Volksabstimmungsgesetz im Widerspruch zur Verfassung stehe. Demgegenüber bleibt festzuhalten, dass eine verfassungskonforme Auslegung möglich ist.
{RN:79}
2.2.2.3.3-->Die "Befassungspflicht" des Art. 80 Abs. 1 LSA-Verf ergänzt Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf nicht. Soweit sich der Landtag mit "Gesetzentwürfen" befassen soll (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 LSA-Verf), sind seine rechtlichen Möglichkeiten durch die Regeln begrenzt, die nach Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf für die Gesetzgebung gelten. Die Geschäftsordnung des Landtags, auf die einfach-gesetzlich durch § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG verwiesen wird, kann deshalb nur innerhalb der durch Art. 80 Abs. 1; 77 Abs. 2 LSA-Verf gezogenen Grenzen Geltung beanspruchen. Macht sich keiner der Initiativberechtigten (Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf und gleichlautend § 23 LdTgGO) das Begehren zu eigen, so kann der Landtag nach den für ihn geltenden Regeln nicht über den Gesetzentwurf als solchen, sondern nur über das durch ihn repräsentierte Anliegen beraten und entscheiden. Die Anwendung der Bestimmungen über die parlamentarische Beratung und Beschlussfassung von Gesetzen setzt - wie es Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf und die Geschäftsordnung verlangen - die "Übernahme" des Anliegens durch einen Initiativberechtigen voraus. Dies unterscheidet das Verfahren nach Art. 80 LSA-Verf von demjenigen des Art. 81 LSA-Verf, bei dem das Volk den Landtag mit einem Gesetzesvorschlag "unter Druck setzt".
{RN:80}
Art. 80 Abs. 1 Satz 1 LSA-Verf würde bei einem hierüber hinaus gehenden Inhalt etwas Unmögliches verlangen: Die Verfassung würde den Landtag als Gesamtkörperschaft für verpflichtet halten, eine Entscheidung zu treffen, zu der er verfahrensrechtlich nicht in der Lage ist, weil die dafür erforderliche Willensbildung von keinem seiner Teile und auch nicht von der Regierung angestoßen worden ist. Das zwingt andererseits nicht dazu, die eindeutige, abschließende Regelung des Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf über Art. 80 Abs. 1 Satz 1 LSA-Verf "nachzubessern"; denn der Verfassungsgeber ist in seiner Entscheidung darüber frei, welches Gewicht und welche Durchsetzungskraft er Instrumenten unmittelbarer Demokratie gegenüber den Organen verfasster Demokratie verleihen will.
{RN:81}
Der "Anspruch auf Befassung" nach Art. 80 Abs. 1 LSA-Verf geht deshalb im Fall der "Gesetzesinitiative" (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 LSA-Verf) nicht weiter als in den übrigen Fällen des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 LSA-Verf. Er erschöpft sich darin, dass der Landtag das Anliegen zur Kenntnis nimmt, sich entscheidet, ob und welche Maßnahmen zu treffen sind, und das erarbeitete Ergebnis mitteilt. Die Verfahrensregelungen des Volksabstimmungsgesetzes (§§ 7, 9 LSA-VAbstG) tragen dem Rechnung. Sie sehen für die unterschiedlichen Gegenstände der Volksinitiative lediglich verschiedene Abläufe vor (Petitionsausschuss im Normalfall, Fachausschüsse bei Gesetzentwürfen), verstärken aber den Umfang der "Befassung" bei Gesetzentwürfen nicht über das hinaus, was durch die Geschäftsordnung im Rahmen von Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf möglich ist. Das Gegenteil kann auch nicht aus der Verwendung des Worts "abschließend" (§ 9 Abs. 3 Satz 1 LSA-VAbstG) hergeleitet werden; denn dieser Begriff hat - wie der Vergleich mit der Regelung über die Volksinitiative ohne Gesetzentwurf zeigt (§ 9 Abs. 1 LSA-VAbstG: gleichfalls "abschließend") eine bloß verfahrensrechtliche und keine inhaltliche Bedeutung; für beide Alternativen soll gewährleistet sein, dass die Beratung innerhalb der jeweils gesetzten Frist "abgeschlossen" - i. S. von "beendet" - ist.
{RN:82}
Auf dieser Grundlage ist weder zu beanstanden, dass die Drucksache keinen "Gesetzentwurf" bezeichnete, sondern nur mit "Unterrichtung" über einen Gesetzentwurf überschrieben war, dass das hinter dem Entwurf stehende Anliegen nur zum Anlass genommen wurde, Untersuchungen anzustellen, welche zu einer "Materialsammlung" führen sollen, und dass dieses so vorbereitete und beschlossene Ergebnis der Volksinitiative bekannt gegeben wurde. § 9 Abs. 3 LSA-VAbstG ist genügt worden, indem die Mindestzahl von - nach Art. 77 Abs. 3 LSA-Verf und der Geschäftsordnung bei Gesetzentwürfen notwendigen - Plenarberatungen stattgefunden hat und indem die "abschließende" Behandlung in der zweiten Beratung durch Fachausschüsse und nicht durch den Petitionsausschuss vorbereitet worden ist.
Dass keine der im Landtag vertretenen politischen Kräfte Anlass gesehen hat, den eingereichten Entwurf förmlich "aufzunehmen", um eine "inhaltliche Befassung" herbeizuführen, und der lediglich beschlossene Untersuchungsauftrag führen dazu, dass der Entwurf in seiner vorgelegten Form gegenwärtig vom Landtag nicht gebilligt worden ist. Mangels förmlicher "Initiierung" (Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf) musste und konnte dieses Ergebnis nicht mittels eines "Beschlusses über ein Gesetz" erzielt werden.
{RN:83}
2.3-->Einer (förmlichen) Entscheidung zur Gültigkeit des Volksabstimmungsgesetzes (Hauptantrag Nr. 3, Hilfsantrag in der Beschwerdeschrift vom 20. Januar 2000) bedarf es nicht.
{RN:84}
Sie kommt außer in den Fällen der Normenkontrolle (Art. 75 Nrn. 3, 5 LSA-Verf; §§ 41, 43 Abs. 1 LSA-VerfGG), deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind, nicht in Betracht. Auf § 38 Satz 3 LSA-VerfGG können sich die Beschwerdeführer nicht stützen. Zwar ist die Anwendung der für Organstreitigkeiten geltenden Bestimmung in einem diesen vergleichbaren Verfahren des § 52 LSA-VerfGG nicht auszuschließen; § 36 Satz 3 LSA-VerfGG zwingt aber nicht zur Prüfung von Rechtsfragen, auf deren Klärung es nicht ankommt, weil mangels Zulässigkeit des Antrags keine Entscheidung nach § 36 Satz 1 LSA-Verf getroffen werden muss.
{RN:85}
Soweit Fragen der Verfassungsmäßigkeit des Volksabstimmungsgesetzes berührt werden, ist deren Erörterung nur notwendig, um die Sachdienlichkeit einer Antragsänderung zu verneinen, nicht um die Übereinstimmung einer Maßnahme des § 38 Satz 1 LSA-VerfGG mit der Verfassung zu klären. Mangels Zulässigkeit der Antragsänderung bleibt als Prüfungsobjekt nur der durch die Rechtsbeziehungen zwischen den ursprünglich am Verfahren Beteiligten begrenzte Streitgegenstand. Die hierbei zu klärenden Zulässigkeitsfragen sind nicht von der Verfassungsmäßigkeit des Volksabstimmungsgesetzes abhängig.
{RN:86}
3.-->Die Kostenentscheidung beruht auf § 32 Abs. 1, 3 LSA-VerfGG.
Aus Billigkeitsgründen hat das Land Sachsen-Anhalt den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen zur Hälfte zu erstatten. Die aus Anlass des ersten Verfahrens einer "Gesetzes-Volksinitiative" aufgeworfene bedeutsame Frage nach dem Verhältnis zwischen den Art. 77 Abs. 2; 80 Abs. 1 LSA-Verf konnte zwar mangels Zulässigkeit nicht grundsätzlich geklärt werden, wird aber im Interesse der künftig an Volksinitiativen Beteiligten in Grundzügen beantwortet, so dass die Beschwerdeführer insoweit eine große Zahl potentieller Interessenten an der Antwort repräsentieren. Dies lässt es unbillig erscheinen, die Betreiber dieses ersten Verfahrens den vollen Kosten auszusetzen.