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Pressemitteilungen

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Landesverfassungsgericht Sachsen-​Anhalt
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Pressemitteilungen des Landesverfassungsgerichts

(LverfG LSA) Entscheidungen über Verfassungsbeschwerden gegen Finanzausgleichsgesetz 2009

09.10.2012, Dessau-Roßlau – 15

  • Landesverfassungsgericht

Dessau-Roßlau, den 9. Oktober 2012

 

Aktenzeichen: LVG 57/10

                        LVG 23/10

 

 

Das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt hat heute in zwei Verfassungsbeschwerdeverfahren über Regelungen des Finanzausgleichgesetzes vom 16. Dezember 2009 entschieden.

 

1. Es hat einer Verfassungsbeschwerde der Städte und Gemeinden Genthin, Gommern, Gröningen, Klostermannsfeld, Möckern, Schönburg und Thale, die sich gegen die Regelungen der §§ 2 und 16 des Finanzausgleichsgesetzes richtete, teilweise stattgegeben. Die angegriffenen Vorschriften regeln die Höhe der Finanzausgleichsmasse sowie der Investitionspauschale, die den Gemeinden und Landkreisen für die Erfüllung ihrer Aufgaben sowie zur Verbesserung der kommunalen Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden.

 

Das Landesverfassungsgericht hat § 2 Abs. 1 des Finanzausgleichsgesetzes 2009 für mit der Verfassung für unvereinbar erklärt und die Verfassungsbeschwerde im Übrigen zurückgewiesen. Der Anspruch der Gemeinden auf eine angemessene Finanzausstattung ist grundsätzlich von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes abhängig. Der Gesetzgeber ist berechtigt, bei der Bedarfsermittlung auf die notwendigen Ausgaben der Gemeinden abzustellen, die bei einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung entstehen. Er muss keine einzelfallbezogene Bedarfsanalyse vornehmen, sondern darf eine typisierende und generalisierende Betrachtung für die Gesamtheit der Gemeinden anstellen und dabei auch den Bevölkerungsrückgang berücksichtigen. Verfassungswidrig ist es allerdings, den Bedarf proportional zum Bevölkerungsrückgang und einheitlich für sämtliche kommunalen Aufgaben zu verringern. Vielmehr muss der Gesetzgeber Fixkostenremanenzen beachten, die darauf beruhen, dass eine Kostenanpassung an den Bevölkerungsstand bei rückläufiger Bevölkerung aus rechtlichen, wirtschaftlichen oder politischen Gründen entweder zeitverzögert oder grundsätzlich anders verläuft als bei einer Bevölkerungszunahme. Auf der Einnahmenseite der Gemeinden dürfen Bedarfszuweisungen nicht berücksichtigt werden, weil sie zur Milderung oder zum Ausgleich außergewöhnlicher Belastungen und Notlagen einzelner Gemeinden dienen.

 

Soweit die Verfassungsbeschwerde Erfolg hatte, ist der Gesetzgeber verpflichtet, spätestens für das Ausgleichsjahr 2014 eine Neuregelung zu schaffen. Bis zum 31.12.2013 bleibt die für verfassungswidrig erklärte Vorschrift anwendbar. Az. LVG 57/10

 

 

2. Auf die Verfassungsbeschwerde der Stadt Dessau-Roßlau hat das Landesverfassungsgericht § 13 Abs. 2 Nr. 1 Satz 4 des Finanzausgleichsgesetzes 2009 für mit der Verfassung unvereinbar erklärt. Die Vorschrift regelt die Gewichtung der Einwohnerzahlen zur Bestimmung der Bedarfsmesszahlen (sog. ?Einwohnerveredelung?) im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs. Danach wird bei kreisfreien Städten mit mehr als 150.000 Einwohnern für die Berechnung der Zuweisungen die Einwohnerzahl mit einem Faktor rechnerisch erhöht. Dabei ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass größeren Gemeinden überproportional höhere Verwaltungskosten entstehen, weil sie bestimmte Infrastrukturleistungen auch für das Umland bereit stellen. Die These geht zurück auf kommunalwissenschaftliche Untersuchungen, die um 1930 angestellt worden sind und bis heute strittig diskutiert werden.

 

Die kreisfreie Stadt Dessau-Roßlau mit deutlich weniger als 150.000 Einwohnern ist durch die Regelung in ihrem verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Selbstverwaltungsrecht verletzt. Es fehlt ein plausibler Nachweis dafür, dass die kreisfreien Städte Magdeburg und Halle (Saale) gegenüber der Beschwerdeführerin einen überproportional höheren notwendigen Finanzbedarf haben. Die Erwägungen, die der mittlerweile Jahrzehnte alten These zugrunde lagen, sind überholt und auf die heutige Zeit nicht übertragbar. Allein aus einem tatsächlichen überproportionalen Anstieg der Ausgaben kann nicht auf einen entsprechenden Bedarf geschlossen werden, weil höhere Ausgaben gerade auch das Ergebnis einer besseren Finanzausstattung sein können. Neuere Untersuchungen zu den Verflechtungsbeziehungen der Oberzentren mit ihrem jeweiligen Umland bestätigen die Annahme des Gesetzgebers gleichfalls nicht hinreichend.

 

Das Gericht hat dem Gesetzgeber aufgegeben, spätestens für das Ausgleichsjahr 2013 eine verfassungskonforme Neuregelung zu schaffen. Bis zum 31.12.2012 bleibt die für verfassungswidrig erklärte Vorschrift anwendbar. Az. LVG 23/10

 

 

 

Pressereferent: Vorsitzender Richter am Landgericht Frank Straube

                          (0340/202-1445)

Impressum:Landesverfassungsgericht Sachsen-AnhaltPressestelleWilly-Lohmann-Str. 2906844 Dessau-RoßlauTel: 0340 202-1563Fax: 0340 202-1560Mail: presse.lvg@justiz.sachsen-anhalt.deWeb: www.lverf.justiz.sachsen-anhalt.de

Das Gericht

Der Sitz des Landesverfassungsgerichts ist Dessau-Roßlau.