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Beschluss des Gerichtes

Entscheidungsvorblatt

Aktenzeichen: LVG 7/04 Entscheidungsart: Beschluss Entscheidung vom: 30.06.2004
Verfahrensart Organstreit
entscheidungserhebliche Vorschriften LSA-Verf Art. 54
LSA-Verf Art. 75 Nr 1
LSA-UAG § 16
LSA-VerfGG § 2 Nr 2
LSA-VerfGG § 31
LSA-VerfGG § 32
LSA-VerfG § 33 Abs 2
LSA-VerfGG § 35
LSA-VerfG § 36
Schlagworte Organstreit - Beteiligte - Parteifähigkeit - Landtag - Fraktion - Mitglied - Ausschussmitglied - Untersuchungsausschuss - Beweisaufnahme - Zeuge - Zeugenvernehmung - Untersuchungsauftrag
Stichworte Beschluss
Leitsatz Zu Fraktionsrechten von Landtagsfraktionen beim Überschreiten des Untersuchungsauftrags bei einer Beweisaufnahme durch einen Untersuchungsausschuss
Fundstellen noch nicht in LVerfGE
Sonstiges -
Zitiervorschlag VerfGSA, Beschluss vom 30.06.2004 - LVG 7/04 -,
www.verfassungsgericht-sachsen-anhalt.de

Beschluss

in dem Organstreitverfahren

LVG 7/04

Beteiligte:

Antragsteller:
1. CDU-Landtagsfraktion
2. FDP-Landtagsfraktion

Antragsgegner:
1. Landtag von Sachsen-Anhalt
2. Achter Untersuchungsausschuss (Vorsitzender: CDU-MdL)
3. SPD- und PDS-Abgeordnete im Untersuchungsausschuss

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Tenor:

1.-->Der Antrag, eine einstweilige Anordnung gegen die Antragsgegner zu 1 und zu 3 zu erlassen, wird abgelehnt.

2.-->Dem Antragsgegner zu 2 wird im Weg der einstweiligen Anordnung untersagt, die auf dem Beweisbeschluss vom 4. Juni 2004 beruhende Beweiserhebung durchzuführen.

3.-->Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Das Land hat den Antragstellern ein Drittel ihrer notwendigen Auslagen zu erstatten. Im Übrigen werden die außergerichtlichen Kosten nicht erstattet.

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(Die grauen Ziffern über den Absätzen sind durchlaufende Absatznummern [Randnummern].)
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Gründe:

I.

{RN:1}
1.--> Der Antragsgegner zu 1 setzte durch Beschluss vom 20.11.2003 (LT-Drs 4/29/ 1139 B) auf der Grundlage des Art. 54 Abs. 1 der Landesverfassung einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein mit dem Auftrag (Abschnitt I) zu klären, "inwieweit der Minister der Justiz, ..., im Rahmen seiner Amtsführung Versuche unternahm,
1. den Verlauf gerichtlicher Verfahren zu beeinflussen,
2. in die kommunale Selbstverwaltung einzugreifen,
3. in Verfahrensabläufe zu Stellenbesetzungen einzugreifen,
und damit seine Amtspflichten, vor allem die Neutralitätspflicht, verletzt hat." Unter Abschnitt II des Beschlusses, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, ist der "Zusammenhang" aufgeführt, welcher die Klärung veranlasst; unter Nr. 2 heißt es:
"2. [die] Besetzung einer Notarstelle in der Stadt Zeitz, bei der ein Bewerber aus der Stadt Naumburg (Saale) in Betracht gezogen wurde".

{RN:2}
Dem Untersuchungsausschuss, dem dreizehn Mitglieder und die gleiche Zahl von stellvertretenden Mitgliedern zugewiesen sind, gehören als Mitglieder der qualifizierten Minderheit (Art. 54 Abs. 2 Satz 1 der Landesverfassung) die Antragsgegner zu 3 an.

{RN:3}
2.-->Auf Antrag der dem Antragsgegner zu 2 angehörenden SPD-Mitglieder verlangte die qualifizierte Minderheit aus PDS- und SPD-Mitgliedern am 04.06.2004 die Beweiserhebung "im Rahmen des Punktes I. 3. des Untersuchungsauftrags" zu folgenden Fragen:
"1. Ist Herr Minister ... in Bezug auf die Bewerber, Herrn S. und Herrn W., auf die Stelle des [L]eitenden Oberstaatsanwalts bei der Staatsanwaltschaft Halle entgegen dem üblichen Verfahrensablauf bei Stellenausschreibungen und Stellenbesetzungen tätig geworden? Wenn ja, wie und aus welchen Gründen?
2. Welche Umstände haben zur Bewerbung des Herrn W. auf die Stelle des Leitenden Oberstaatsanwalts bei der Staatsanwaltschaft Halle geführt?
3. Haben außer Befähigung, Eignung und fachlicher Leistung andere Gründe eine Rolle gespielt bei der kommissarischen Besetzung der Stelle des Leitenden Oberstaatsanwalts in Halle? Wenn ja, welche? Was hat Herrn Minister ... bewogen, den Herrn W. kommissarisch als Leitenden Oberstaatsanwalt in Halle einzusetzen?"

{RN:4}
Als Beweismittel sind die Zeugenvernehmung des Ministers, des Generalstaatsanwalts, der Konkurrenten sowie die Vorlage der Bewerbungsvorgänge vom 05.05.2004 vorgesehen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beweisantrag der SPD-Abgeordneten im Untersuchungsausschuss vom 04.06.2004 Bezug genommen. Als Termin für die Zeugenvernehmungen ist der 02.07.2004 vorgesehen, zu dem die Zeugen geladen wurden.

{RN:5}
3.--> Die Antragsteller wollen die Beweiserhebung verhindern und haben deshalb am 25.06.2004 den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Antragsgegner beantragt. Sie führen aus: Die Beweiserhebung sei rechtswidrig, weil sie die Rechte des Landtags aus Art. 41 Abs. 1 Satz 4; 54 Abs. 1 der Landesverfassung verletze. Sie sei durch den Untersuchungsauftrag nicht gedeckt. Außerdem sei das Besetzungsverfahren um die Stelle des Leitenden Oberstaatsanwalts nicht abgeschlossen, weil bislang keine Auswahlentscheidung getroffen worden sei. Das Besetzungsverfahren gehöre nicht zu den Verfahren, welche durch die "Insbesondere-"Klausel gedeckt sei; wie sich aus dem im Untersuchungsauftrag verwendeten Wort "unternahm" ergebe, beschränke sich der Untersuchungsauftrag nur auf Vorfälle vor Einsetzung des Untersuchungsausschusses. Es handele sich auch um keinen tauglichen Untersuchungsgegenstand, weil durch die Ermittlung in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortlichkeit eingegriffen werde. Das Beweiserhebungsrecht der Minderheit müsse sich im Rahmen des Untersuchungsauftrags halten. Die Beweisfragen zu 1 und zu 2 seien unmittelbar darauf gerichtet, Einflussmaßnahmen des Ministers auf das noch nicht abgeschlossene Verfahren zu erforschen. Auch die Beweisfrage zu 3, die sich auf die vorläufige Maßnahme beziehe, stehe im Zusammenhang mit der noch offenen Besetzungsfrage.
Die einstweilige Anordnung sei geboten, weil der Antragsgegner zu 2 die Beweiserhebung vollziehen müsse, wenn sie nicht durch die einstweilige Anordnung unterbunden werde. Die Folgenabwägung müsse dazu führen, die irreversible Beweiserhebung zu verhindern, die im Fall des Obsiegens der Gegenseite nur aufgeschoben werde.

{RN:6}
Die Antragsteller beantragen,
den Antragsgegnern durch einstweilige Anordnung zu untersagen, die im Beweisantrag vom 4. Juni 2004 bezeichnete Beweiserhebung durchzuführen.

{RN:7}
Die Antragsgegner zu 3 beantragen,
den Antrag abzulehnen.

{RN:8}
Sie halten den Antrag für unzulässig, weil die Antragsteller nicht befugt seien, Rechte wahrzunehmen, welche allein der Regierung zuständen. Der Antrag sei auch unbegründet, weil sich die beabsichtigte Beweisaufnahme im Rahmen des Untersuchungsauftrags halte, wie sich vor allem aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" im Einsetzungsbeschluss ergebe.

{RN:9}
Die Antragsgegner zu 1 und zu 2 haben sich nicht geäußert.


II.

{RN:10}
Die Antragsteller begehren den Erlass einer einstweiligen Anordnung i. S. des § 31 Abs. 1 des Gesetzes über das Landesverfassungsgericht - LSA-VerfGG - vom 23.08.1993 (LSA-GVBl., S. 441), zuletzt geändert durch Gesetz vom 07.12.2001 (LSA-GVBl., S. 540), in einem Organstreitverfahren i. S. des Art. 75 Nr. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt - LSA-Verf - vom 16.07.1992 (LSA-GVBl., S. 600) i. V. m. § 2 Nr. 2 LSA-VerfGG.

{RN:11}
Die Anträge der Antragsteller gegen die Antragsgegner zu 1 und zu 3 haben keinen Erfolg (1.), gegen den Antragsgegner zu 2 ist der Antrag begründet (2.). Den Antragstellern kann mangels eines entsprechenden Antrags nicht aufgegeben werden, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt das Verfahren zur Hauptsache einzuleiten (3.).

{RN:12}
1.-->Die Antragsgegner zu 1 und zu 3 sind zwar beteiligtenfähig (§ 35 Nr. 1 und 3 LSA-VerfGG) - der Landtag als oberstes Landesorgan i. S. der Art. 75 Nr. 1 LSA-Verf; § 2 Nr. 2 LSA-VerfGG und die Mitglieder der Minderheit im 8. Untersuchungsausschuss als "andere Beteiligte" i. S. dieser Bestimmungen, denen nach Art. 54 Abs. 2 Satz 1 LSA-Verf das Beweisantragsrecht zusteht -; sie können aber nicht Gegner des (Anordnungs-)Anspruchs (§ 33 Abs. 2 LSA-VerfGG i. V. m. § 123 Abs. 1 VwGO) sein, den die Antragsteller durch einstweilige Anordnung gesichert wissen wollen.

{RN:13}
Die Durchführung der Beweisaufnahme im Untersuchungsausschussverfahren obliegt dem Ausschuss und nicht dem Landtag (vgl. insoweit zur rechtsähnlichen Lage nach dem Grundgesetz: BVerfG, Urt. v. 08.04.2002 - 2 BvE 2/01 -, BVerfGE 105, 197 [220] <vor II. sowie II. 1.>). Das gilt auch im Verhältnis zur Ausschussminderheit, der zwar ein - hier bereits erledigtes - Beweisantragsrecht zusteht, der aber nicht auch die Erhebung der von ihr beschlossenen Beweise obliegt; dies folgt aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Art. 54 Abs. 2 Satz 1 LSA-Verf, der durch die Regelung des folgenden Satzes 2 nicht in Frage gestellt wird, wonach die Minderheit bei "verfahrensleitenden Beschlüssen zur Beweiserhebung ... nicht überstimmt werden darf". Die hier streitige Beweiserhebung ist indes nicht der Verfahrensleitung zuzurechnen.

{RN:14}
Nichts Anderes folgt aus den Vorschriften ohne Verfassungsrang.
Die Geschäftsordnung des Landtags vom 16.05.2002 (LT-Drs 4/1/1 B), in der Fassung des Beschlusses vom 14.11.2002 (LT-Drs 4/9/324 B), verweist in ihrem § 16 wegen des Verfahrens in den Untersuchungsausschüssen auf die Verfassung und auf das Ausführungsgesetz.
Das Gesetz über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsauschüssen (Untersuchungsausschussgesetz) - LSA-UAG - vom 29.10.1992 (LSA-GVBl., S. 757), geändert durch Gesetz vom 07.12.2001 (LSA-GVBl., S. 540), erklärt gleichfalls den Ausschuss für zuständig, die Beweise zu erheben (§ 16 Abs. 1 LSA-UAG), verpflichtet ihn zur Beweiserhebung (§ 16 Abs. 2 Satz 2 LSA-UAG) und enthält den bereits von der Verfassung garantierten Minderheitenschutz (§ 16 Abs. 2 Satz 3 LSA-UAG).

{RN:15}
2.-->Gegen den Untersuchungsausschuss hingegen ist die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen. Insoweit ist der Antrag zulässig (2.1.) und begründet (2.2.).

{RN:16}
2.1.-->Die Antragsteller sind als Fraktionen des Landtags mit eigenen Rechten ausgestattet (Art. 47 Abs. 2 LSA-Verf) und damit als Teile eines obersten Landesorgans (Art. 75 Nr. 1 LSA-Verf; §§ 2 Nr. 2; 35 Nr. 3 LSA-VerfGG) beteiligtenfähig.
Die Anordnung richtet sich gegen einen von der Verfassung (Art. 54 LSA-Verf) ebenfalls mit eigenen Rechten versehenen und damit gleichfalls beteiligtenfähigen Gegner.

{RN:17}
Die Antragsteller sind auch antragsbefugt im Sinne von § 36 Abs. 1 LSA-VerfGG. Sie sind als Fraktionen berechtigt, im Organstreit die Verletzung oder unmittelbare Gefährdung von Rechten des Landtags geltend zu machen (vgl. BVerfGE 105, 197 [220]).

{RN:18}
Antragsform (§§ 16 Abs. 1; 18; 36 Abs. 2 LSA-VerfGG) und -frist (§ 36 Abs. 3 LSA-VerfGG) sind gewahrt.

{RN:19}
Die einstweilige Anordnung ist auch notwendig i. S. des § 31 Abs. 1 LSA-VerfGG, um schwere Nachteile für die Antragsteller abzuwenden; denn bei Durchführung der Beweisaufnahme werden irreversible Tatsachen geschaffen, die durch ein späteres Hauptsacheverfahren nicht mehr rückgängig gemacht werden können.

{RN:20}
Den Antragstellern fehlt insoweit nicht das Rechtsschutzinteresse.
Zwar obliegt die Beweisaufnahme dem Untersuchungsausschuss, dem Antragsgegner zu 2, in welchem die Antragsteller die Mehrheit haben und dessen Vorsitzenden die Antragstellerin zu 1 stellt; der Ausschuss ist aber zur Durchführung einer einmal angeordneten Beweisaufnahme grundsätzlich verpflichtet (Art. 54 Abs. 2 Satz 1 LSA-Verf; § 16 Abs. 2 Satz 2 LSA-UAG), auch wenn sie nur von einer Minderheit beschlossen worden ist. Nicht einmal bei verfahrensleitenden Entscheidungen dürfen die Beweisantragsteller (wirksam) überstimmt werden (Art. 54 Abs. 2 Satz 2 LSA-Verf; § 16 Abs. 2 Satz 2 LSA-UAG). Der Vorsitzende könnte allenfalls "vorläufige" Anordnungen treffen, die aber durch den Ausschuss (§ 16 Abs. 3 Satz 1 LSA-UAG) - unter Wahrung des Minderheitenschutzes (§ 16 Abs. 2 S. 2, 3 LSA-UAG) - bestätigt werden müssten; dies erscheint bei der gegenwärtigen Verfahrenslage schon deshalb ausgeschlossen, weil am 2. Juli 2004 der Ausschuss zur vorgesehenen Zeugenvernehmung zusammentritt und damit die Grundvoraussetzung des § 16 Abs. 3 Satz 1 LSA-UAG nicht gegeben ist.

{RN:21}
2.2.-->Das Landesverfassungsgericht erlässt die begehrte einstweilige Anordnung nach § 31 Abs. 1 LSA-VerfGG (vgl. etwa: LVerfG, Beschl. v. 04.07.1995 - LVG 8/95 - LVerfGE 3, 257 [260]; Beschl. v. 24.07.2001 - LVG 7/01 -; BVerfG, Beschl. v. 10.10.2002 - 2 BvK 1/01 -, BVerfGE 106, 51 [58, 60]), wenn das Begehren der - hier noch nicht anhängigen, aber hypothetisch zu Grunde zu legenden - Hauptsache nicht offensichtlich unbegründet ist (2.2.1.) auf Grund einer Folgenabwägung (2.2.2.).

{RN:22}
2.2.1.-->Der Antrag im Organstreitverfahren einer Hauptsache wäre nicht offensichtlich unbegründet; Überwiegendes spricht sogar dafür, dass die Antragsteller auf der Grundlage der gegenwärtig zu berücksichtigenden Tatsachenbasis in einem Hauptsacheverfahren erfolgreich wären.

{RN:23}
Die Beweisthemen beziehen sich sämtlich auf einen Komplex, der entstanden ist, als der Untersuchungsausschuss schon eingesetzt war. Überwiegendes spricht dafür, dass diese Untersuchung vom Untersuchungsauftrag nicht gedeckt ist (2.2.1.1.); dass dieser Auftrag erweitert werden könnte, ist nicht geeignet, den gegenwärtigen Verstoß zu heilen (2.2.1.2.).

{RN:24}
2.2.1.1.-->Der Untersuchungsauftrag bildet die Grenze für die Beweiserhebung (BVerfGE 105, 197 [223, 225, 228, 231]). Die Verwendung der Worte "Versuche unternahm" sowie "Amtspflichten ... verletzt hat", lässt bei reiner Wortlautauslegung nur den Schluss zu, dass der Ausschuss lediglich die bereits bekannten Tatsachen untersuchen sollte. Abschnitt I Nr. 3 (Verfahrensabläufe zu Stellenbesetzungen), worauf sich der Beweisantrag stützt, verlangt keine weiter reichende Auslegung; denn es handelt sich lediglich um einen Unterpunkt neben den Vorwürfen der Beeinflussung von Verfahren (Nr. 1) und des Eingriffs in die kommunale Selbstverwaltung (Nr. 2). Auch Nr. 3 hat aber einen "Vergangenheits-"Bezug; denn er nimmt die Besetzung einer Notarstelle zum Anlass, die Untersuchung für notwendig zu halten, ob und in welchem Umfang der Minister auf das Stellenbesetzungsverfahren Einfluss genommen hat. Demgegenüber ist kein Anhaltspunkt ersichtlich, welcher vermuten lassen könnte, die Untersuchung solle - gleichsam ständig begleitend - auch Gegenstände umfassen, welche dem Landtag bei Einsetzung des Untersuchungsausschusses noch nicht bekannt gewesen waren. Die Verwendung des Begriffs "insbesondere" schließt nicht aus, dass auch damit nur Vorgänge gemeint waren, die bei Einsetzung des Untersuchungsausschusses bereits abgeschlossen waren.

{RN:25}
2.2.1.2.-->Die Ausschussminderheit kann sich bei dieser Auslegung des Untersuchungsauftrags auch nicht auf Art. 54 Abs. 1 LSA-Verf stützen und geltend machen, sie habe die Rechtsmacht, den Untersuchungsauftrag so zu erweitern, dass die Beweisthemata dann kompatibel seien; denn es kommt allein darauf an, ob ein Beweisthema mit dem beschlossenen Untersuchungsauftrag vereinbar ist. Die Möglichkeit, den Auftrag zu erweitern, steht im Übrigen auch nicht der Minderheit im Untersuchungsausschuss zu, welche die Beweiserhebung beschlossen hat, sondern einer qualifizierten Minderheit des Landtags. Schon diese unterschiedliche Zuständigkeit verbietet die Annahme, die Minderheit im Ausschuss könne den Mangel im Rahmen ihrer Befugnisse nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 LSA-Verf unmittelbar - noch am Tag der Zeugenvernehmung - heilen.

{RN:26}
2.2.2.-->Die Folgenabwägung geht zu Gunsten der Antragsteller aus.
Würde die beabsichtigte Beweisaufnahme am 02.07.2004 durchgeführt, weil die begehrte einstweilige Anordnung nicht erlassen worden ist, so wäre das Ergebnis nicht mehr rückgängig zu machen, wenn sich in einem Hauptsacheverfahren herausstellte, dass die Zeugenvernehmungen verfassungswidrig sind. Im umgekehrten Fall käme es lediglich zu einer zeitlichen Verzögerung, wenn die Zeugenvernehmung jetzt durch einstweilige Anordnung unterbunden wird, sich aber später in einem Hauptsacheverfahren die Unbedenklichkeit ergäbe (vgl. insoweit zu einer ähnlichen Sachlage: BVerfGE 106, 51 [60 ff]). Der Zeitverzug ist auch zumutbar, weil das Ende der Legislaturperiode noch so weit entfernt ist, dass der Antragsgegner zu 2 arbeitsfähig bleibt und die Ausschussminderheit deshalb ihr Beweiserhebungsbegehren noch zu einem späteren Zeitpunkt durchsetzen könnte.

{RN:27}
3.-->Auf der Grundlage des § 33 Abs. 2 LSA-VerfGG i. V. m. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 926 Abs. 1 ZPO kann nicht bestimmt werden, dass die Antragsteller innerhalb einer bestimmten Frist die Organstreitigkeit in der Hauptsache einzuleiten haben; denn dies setzte einen Antrag des Antragsgegners zu 2 voraus. Das Antragserfordernis des § 926 Abs. 1 ZPO gilt auch im öffentlich-rechtlichen Prozess (vgl. insoweit beispielhaft: Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 123 RdNr. 38).

{RN:28}
4.-->Die Kostenentscheidung beruht auf § 32 Abs. 1, 3 LSA-VerfGG.
Eine Veröffentlichung der Entscheidung im Gesetz- und Verordnungblatt (§ 31 Abs. 7 Satz 1 LSA-VerfGG) ist nicht erforderlich, weil es sich um kein Verfahren nach § 2 Nrn. 4, 6, 7 oder 8 LSA-VerfGG handelt.


Rechtsmittelbelehrung

Gegen die einstweilige Anordnung und gegen ihre Ablehnung ist der Widerspruch statthaft. Er ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieses Beschlusses bei dem
Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt,
Willy-Lohmann-Straße 27, 06844 Dessau,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Der Widerspruch gegen die einstweilige Anordnung hat keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann die Vollziehung aussetzen.
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Das Gericht

Der Sitz des Landesverfassungsgerichts ist Dessau-Roßlau.