Zuständigkeit
Das Landesverfassungsgericht entscheidet:
1. über die Anfechtung von Entscheidungen des Landtages oder eines seiner Organe, über die Gültigkeit einer Wahl zum Landtag oder den Erwerb oder Verlust der Mitgliedschaft im Landtag,
2. über die Auslegung der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Landesorgans oder anderer Beteiligter, die durch die Landesverfassung oder in der Geschäftsordnung des Landtages oder der Landesregierung mit eigener Zuständigkeit ausgestattet sind, auf Antrag des obersten Landesorgans oder der anderen Beteiligten,
3. aus Anlass von Streitigkeiten über die Durchführung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden auf Antrag der Antragsstelle, eines Viertels der Mitglieder des Landtages oder auf Antrag der Landesregierung,
4. bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche oder sachliche Vereinbarkeit von Landesrecht mit der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Landtages oder auf Antrag der Landesregierung,
5. über die Verfassungsmäßigkeit des Untersuchungsauftrages eines Untersuchungs-ausschusses auf Vorlage eines Gerichts, wenn es den Untersuchungsauftrag für verfassungswidrig hält und es bei dessen Entscheidung auf die Verfassungsmäßigkeit des Untersuchungsauftrages ankommt,
6. über die Vereinbarkeit eines Landesgesetzes mit der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, wenn ein Gericht das Verfahren gemäß Artikel 100 Abs. 1 des Grundgesetzes ausgesetzt hat,
7. über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch ein Landesgesetz unmittelbar in seinen Grundrechten, grundrechtsgleichen Rechten oder staatsbürgerlichen Rechten verletzt zu sein,
7a. über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch einen sonstigen Akt der öffentlichen Gewalt des Landes unmittelbar in seinen Grundrechten, grundrechtsgleichen Rechten oder staatsbürgerlichen Rechten verletzt zu sein,
8. über Verfassungsbeschwerden von Kommunen und Gemeindeverbänden wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Artikel 2 Abs. 3 und Artikel 87 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt durch ein Landesgesetz,
9. in den ihm sonst durch Gesetz zugewiesenen Fällen (Artikel 44 Abs. 3, Artikel 75 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt).
Verweis Gesetzestext
vergl.
Verfassungsbeschwerde
Jeder, der sich durch einen Akt der öffentlichen Gewalt des Landes Sachsen-Anhalt in einem der ihm durch die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt garantierten Grundrechte verletzt fühlt, kann Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt einlegen (§ 2 Nr. 7, 7a Landesverfassungsgerichtsgesetz).
Das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt kann die Verfassungswidrigkeit eines Aktes der öffentlichen Gewalt des Landes Sachsen-Anhalt feststellen, z.B. ein Landesgesetz für nichtig erklären oder eine Entscheidung einer Landesverwaltungsbehörde oder eines Gerichts des Landes Sachsen-Anhalt aufheben. Bundesgesetzliche Regelungen können nicht zum Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde beim Landesverfassungsgericht gemacht werden. Ebenso wenig können andere Ziele (z.B. die Erstattung einer Strafanzeige, die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen oder dienstaufsichtsrechtliche Anliegen) mit der Verfassungsbeschwerde verfolgt werden. Eine Überprüfung der angegriffenen Hoheitsakte findet ausschließlich auf verfassungsrechtliche Verstöße statt. Insbesondere entscheidet das Landesverfassungsgericht nicht als weitere Instanz über die sonstige Rechtmäßigkeit von Urteilen oder anderen gerichtlichen Entscheidungen. Selbst wenn die Gestaltung eines gerichtlichen Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung des Gesetzes oder seine Anwendung im konkreten Einzelfall Fehler aufweisen sollte, bedeutet dies für sich allein nicht schon eine Grundrechtsverletzung.
Das Verfahren ist in §§ 47 ff Landesverfassungsgerichtsgesetz geregelt. Im Wesentlichen ist folgendes zu beachten:
1. Angegriffener Hoheitsakt
Der angegriffene Hoheitsakt ist in der Verfassungsbeschwerde genau zu bezeichnen.
Bei gerichtlichen Entscheidungen oder Verwaltungsakten sind jedenfalls Gericht bzw. Behörde, Datum und Aktenzeichen anzugeben. Die angefochtene Entscheidung sollte vollständig in Kopie vorgelegt werden. Falls in der Entscheidung auf Urteile, Beschlüsse oder sonstige Dokumente Bezug genommen wird, sollten auch diese in Kopie beigefügt werden.
2. Grundrechtsverletzung
In der Verfassungsbeschwerde muss das als verletzt angesehene Grundrecht der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt benannt werden. Die Verletzung anderer Rechte (z.B. solcher des Grundgesetzes) kann vor dem Landesverfassungsgericht nicht gerügt werden.
Es ist im Einzelnen darzulegen, worin die behauptete Grundrechtsverletzung gesehen wird. Aus dem Vorbringen muss sich – ohne Beiziehung von Akten – mit hinreichender Deutlichkeit die Möglichkeit der Verletzung der geltend gemachten Grundrechte ergeben. Hierfür sollten alle Unterlagen, deren Kenntnis für die Beurteilung der erhobenen Rüge erforderlich sind (z.B. Gutachten, Protokolle), in Kopie vorgelegt werden.
3. Rechtswegerschöpfung
Eine Verfassungsbeschwerde ist grundsätzlich erst dann zulässig, wenn zuvor alle anderen durch die jeweiligen Verfahrensordnungen eingeräumten Rechtsbehelfe (z.B. Berufung, Revision, Beschwerde, Anhörungsrüge) erfolglos wahrgenommen wurden. Es darf keine andere Möglichkeit bestehen, um die gerügte Grundrechtsverletzung zu beseitigen.
Gesetze, Rechtsverordnungen oder Satzungen können mit der Verfassungsbeschwerde nur ausnahmsweise direkt angegriffen werden – nämlich dann, wenn sie den Beschwerdeführer unmittelbar beschweren. Erfolgt die Grundrechtsverletzung erst durch einen weiteren Vollzugsakt, muss dieser zunächst mit Rechtsmitteln angegriffen werden.
Daher ist darzulegen, dass die zur Verfügung stehenden weiteren Möglichkeiten ergriffen wurden, um die behauptete Grundrechtsverletzung zu verhindern oder korrigieren zu lassen. Es sind alle Unterlagen beizufügen, aus denen sich ergibt, dass und mit welcher Begründung Rechtsbehelfe gegen die angegriffene Entscheidung eingelegt wurden.
4. Form und Frist
Die Verfassungsbeschwerde ist schriftlich einzureichen und zu begründen. Eine (vollständige) Übersendung per Telefax ist zur Wahrung der Frist ausreichend. Eine Einlegung per Email ist nicht wirksam.
Die Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde gegen behördliche und gerichtliche Entscheidungen beträgt zwei Monate. Die Frist beginnt mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen Vorschriften von Amts wegen vorzunehmen ist. In anderen Fällen beginnt die Frist mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht zu verkünden ist, mit ihrer sonstigen Bekanntgabe an den Beschwerdeführer. Um die Einhaltung der Frist überprüfen zu können, ist das Zugangsdatum mitzuteilen.
Die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz oder einen sonstigen Hoheitsakt, gegen den ein Rechtsweg nicht offensteht, muss binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten oder Erlass erhoben werden.
5. Bundesverfassungsgericht
Eine Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt ist unzulässig, wenn in derselben Sache eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben ist oder wird. Teilen Sie daher bitte dem Landesverfassungsgericht bei Erhebung der Verfassungsbeschwerde bzw. im Laufe des anhängigen Verfahrens mit, wenn/sobald auch vor dem Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde erhoben wurde.
6. Vertretung
Zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde bedarf es keiner Vertretung durch einen Rechtsanwalt. Wegen der vielfältigen formalen Voraussetzungen empfiehlt es sich jedoch, vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde Rechtsrat in Anspruch zu nehmen. Wer sich vertreten lassen will, kann nur einen Rechtsanwalt oder einen Hochschullehrer des Rechts beauftragen. Die entsprechende Vollmacht ist schriftlich im Original vorzulegen und muss sich ausdrücklich auf das Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt beziehen. Eine allgemeine Prozessvollmacht genügt nicht.
7. Kosten
Das Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht ist gerichtskostenfrei. Ist die Verfassungsbeschwerde erfolgreich, werden die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise erstattet.
8. Entscheidung
Das Landesverfassungsgericht verfügt seit dem Geschäftsjahr 2019 über sechs Kammern, die über die eingehenden Verfassungsbeschwerden im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben (§§ 13a, 50b Landesverfassungsgerichtsgesetz) entscheiden.
Hinweis:
Es besteht keine Möglichkeit, über das Internet rechtswirksam Verfassungsbeschwerden oder sonstige Anträge an das Landesverfassungsgericht einzureichen. Bitte benutzen Sie für Anträge ausschließlich den Post- oder Fax-Weg.