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Urteil des Gerichtes

Entscheidungsvorblatt

Aktenzeichen: LVG 9/08 Entscheidungsart: Urteil Entscheidung vom: 16.02.2010
Verfahrensart Kommunalverfassungsbeschwerde
entscheidungserhebliche Vorschriften
Schlagworte
Stichworte Urteil
Leitsatz 1. Eine echte Rückwirkung eines Gesetzes ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Betroffene mit einer rückwirkenden Regelung rechnen musste und darum kein schutzwürdiges Vertrauen entwickeln konnte. Dies gilt auch dann, wenn der Betroffene im Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes mit einer Rückwirkungsanordnung keine Möglichkeit mehr hatte, Dispositionen zu treffen. 2. Die Landesverfassung bietet keine Rechtsgrundlage die Erhebung der interkommunalen Finanzausgleichsumlage für die betroffenen Gemeinden auf Kosten der Landkreise zu reduzieren. Es ist vielmehr von der rechtlichen Eigenständigkeit jeder Ebene auszugehen. Insbesondere muss der Schutz der Finanzhoheit jeder Ebene separat gewährleistet bleiben. 3. Regelungen des interkommunalen Finanzausgleichs müssen ihre Grundlage in verlässlichen und objektivierbaren Indikatoren im Gesetz selbst finden. Ansprüche und Verbindlichkeiten müssen für die betroffenen Gemeinden schon aufgrund des Gesetzes berechenbar sein. Die Konkretisierung darf nicht der Exekutive überlassen bleiben.
Fundstellen -
Sonstiges -
Zitiervorschlag VerfGSA, Urteil vom 16.02.2010 - LVG 9/08 -,
www.verfassungsgericht-sachsen-anhalt.de

Urteil

in dem Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahren

LVG 9/08

Urteil vom 16.02.2010
{T:wegen}
{T:einer Sonderabgabe nach dem Finanzausgleichsgesetz - Finanzausgleichsumlage -.}


§ 19a des Finanzausgleichsgesetzes in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes vom 20. März 2007 (GVBl. LSA, S.42) ist mit der verfassungsrechtlich durch Art. 2 Abs. 3; 87 Abs. 1 der Landesverfassung garantierten kommunalen Selbstverwaltung unvereinbar.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Land hat der Beschwerdeführerin deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.


{T:Tatbestand}

Mit der Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, dass § 19a des Finanzausgleichsgesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 20.03.2007 - FAG - (GVBl. LSA S. 42) gegen Art. 2 Abs. 3 i. V. m. Art. 87 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt – LVerf - vom 16.07.1992 (GVBl. LSA S. 600) verstoße.

Die Beschwerdeführerin ist eine kreisangehörige Gemeinde mit ca. 240 Einwohnern im Burgenlandkreis. Ende des Jahres 2003 siedelte sich auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin ein Unternehmen an, dessen Aufgabe es ist, die Industriebeteiligungen einer deutschen Großbank zu verwalten. Das Unternehmen selbst beschäftigt nur wenige Mitarbeiter. Es war ursprünglich in einer niedersächsischen Gemeinde angesiedelt. Mit der Änderung des § 16 Abs. 4 des Gewerbesteuergesetzes durch Gesetz vom 23.12.2003 (BGBl. I 2922) führte der Gesetzgeber einen “Mindest-Hebesatz“ von 200 Punkten ein. Der Gewerbesteuer-Hebesatz der Beschwerdeführerin entspricht diesem Mindesthebesatz von 200 Punkten. Dieser Umstand dürfte dazu geführt haben, dass das Unternehmen den Betriebssitz in das Gebiet der Beschwerdeführerin verlagert hat. Die Gewerbesteuereinnahmen der Beschwerdeführerin betrugen im Jahr 2001 20.131,- €‚ im Jahr 2002 31.206 €‚ im Jahr 2003 11.857 € und im Jahr 2004, im Zuge der Begründung des Betriebssitzes des besagten Unternehmens in der Gemeinde, 21.008.225 €. Im Jahre 2005 betrugen die Gewerbesteuereinnahmen 20.238.313 €, im Jahr 2006 11.338.557 € und im Jahr 2007 13.394.815 €. Seit der Begründung des Betriebssitzes des Unternehmens im Gebiet der Beschwerdeführerin erzielte sie somit einschließlich des abgeschlossenen Veranlagungsjahres 2007 Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 66.029 910 €. Hiervon abzusetzen ist die Gewerbesteuerumlage in Höhe von 13.993.161 € (an Bund und Land für den genannten Zeitraum), so dass eine Netto-Einnahme in Höhe von 52.036.749 € verblieb.

Das Land Sachsen-Anhalt führte erstmalig mit dem Finanzausgleichsgesetz in der Fassung vom 21.12.2004 (GVBl. LSA S. 840) – FAG a. F. - mit § 19a FAG a. F. eine “Finanzausgleichsumlage“ in den kommunalen Finanzausgleich ein. Nach dieser (ursprünglichen) Regelung sollte bei der Beschwerdeführerin zusätzlich zur Kreisumlage und zur Gewerbesteuerumlage sowie zusätzlich zur Verwaltungsumlage an die Verwaltungsgemeinschaft eine Finanzausgleichsumlage erhoben werden, die bezogen auf das Entstehungsjahr 2004 7.794.194 € betragen sollte. Das Landesverfassungsgericht hat auf Antrag der Beschwerdeführerin in dem Verfahren LVG 7/05 mit Urteil vom 13.06.2006 § 19a FAG LSA a. F. als mit der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie der Landesverfassung unvereinbar erkannt. Im Wesentlichen hatte das Landesverfassungsgericht gerügt, dass ein interkommunaler Finanzausgleich bei einer Gemeinde, die leistungspflichtig ist, nicht dazu führen dürfe, dass sie ihre Mindest-Finanzausstattung verliere oder dass die „abgeschöpfte“ Gemeinde gleiche oder gar weniger Finanzmittel behalte als eine durch den Finanzausgleich begünstigte Gemeinde erhalte. Wahre die gesetzliche abstrakte Regelung diese verfassungsrechtliche Grenze nicht hinreichend, so müsse der Gesetzgeber eine Einzelfallregelung schaffen oder zulassen. Die im Gesetz enthaltene Ermächtigung zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Ergebnisses durch eine Einzelfallentscheidung genüge nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben, vielmehr sei es aufgrund einer generalisierenden Betrachtung erforderlich, dass das Gesetz selbst diesen denkbaren Ausnahmefall regele oder wenigstens die Voraussetzungen hierfür schaffe.

Mit dem 2. Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes vom 20.03.2007 hat das Land Sachsen-Anhalt erneut, nunmehr mit Rückwirkung, das FAG geändert und in § 19a eine Finanzausgleichsumlage eingeführt. Den Gesetzesentwurf hatte das Landeskabinett am 10.10.2006 beschlossen. Das Gesetz ist am 24.03.2007 verkündet worden.
Die §§ 1 und 2 des 2. Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes haben auszugsweise folgenden Wortlaut:
{T:§ 1}
Das Finanzausgleichsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Oktober 2005 (GVBl. LSA S. 646) wird wie folgt geändert:

1. In § 9 Nr. 1 werden nach dem Wort „Gemeinden“ die Wörter „nach Abzug der von ihnen zu entrichtenden Finanzausgleichsumlage gemäß § 19a“ eingefügt.
4. § 16 Abs. 2 S. 1 erhält folgende Fassung:
„Umlagegrundlagen sind die Steuerkraftzahlen der kreisangehörigen Gemeinden nach § 8 unter Abzug der Finanzausgleichsumlage im Verhältnis der ihr zugrunde liegenden Steuerarten sowie 80 v. H. der an sie geflossenen allgemeinen Zuweisungen im vorangegangenen Haushaltsjahr.“
5. § 19a erhält folgende Fassung:
{T:„ § 19a}
{T:Finanzausgleichsumlage}
(1) Gemeinden sind zur Zahlung einer Finanzausgleichsumlage verpflichtet.
(2) Für die Bemessung der Finanzausgleichsumlage wird eine gesonderte Steuerkraft-berechnung durchgeführt. Sie erfolgt auf der Grundlage des § 8 mit der Besonderheit, dass zur Ermittlung der Steuerkraftzahl für die Gewerbesteuer die Gewerbesteuerumlage vom Ist-Aufkommen der Gewerbesteuer abzuziehen ist.
(3) Übersteigt bei einer Gemeinde die Steuerkraftmesszahl nach Absatz 2 die Bedarfsmesszahl nach § 7 um mehr als 50 v. H., führt die betroffene Gemeinde 30 v. H. des über diesem Grenzwert liegenden Betrages als Finanzausgleichsumlage ab. Davon ausgenommen sind Gemeinden, deren Kreditmarktschulden im Sinne der amtlichen Statistik der Schulden der Gemeinden und Gemeindeverbände (Schuldenstatistik) im Vergleich zum Durchschnitt der Gemeinden der entsprechenden Größenklasse das Eineinhalbfache übersteigen. Führt die Verpflichtung zur Abführung der Finanzausgleichsumlage zu einer unangemessenen Veränderung der Finanzkraft einer Gemeinde, entfällt die Verpflichtung zur Abführung der Umlage, soweit dies zur Sicherung einer angemessenen Finanzkraft der Gemeinde erforderlich ist.
(4) Die Finanzausgleichsumlage ist in monatlichen Raten zum letzten Tag des Monats an das Land abzuführen. Jahresbeträge unter 5000 Euro werden nicht erhoben. Die Finanzausgleichsumlage wird dem Ausgleichsstock (§ 12) zugeführt.“

{T:§ 2}
Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich der Sätze 2 und 3 mit Wirkung vom 1. Januar 2005 in Kraft. § 1 Nrn. 2 und 3 tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. § 1 Nrn. 1 und 4 tritt am 1. Januar 2008 in Kraft.

§ 8 FAG a. F. hatte folgenden Wortlaut:
{T:§ 8}
Steuerkraftmesszahl für Gemeinden
(1) Die Steuerkraftmesszahlen werden berechnet, indem die Steuerkraftzahlen der Grundsteuern A und B, der Gewerbesteuer, der Gemeindeanteile an der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer sowie des Familienleistungsausgleichs zusammengezählt werden.
(2) Als Steuerkraftzahlen werden angesetzt:
1. bei der Grundsteuer A und B die Ausgangsbeträge vervielfältigt mit 80 v. H. des gewogenen Durchschnitts der Hebesätze,
2. bei der Gewerbesteuer der Durchschnittsbetrag der Ausgangsbeträge des in Absatz 3 genannten Zeitraumes vervielfältigt mit 80 v. H. des gewogenen Durchschnitts der Hebesätze,
3. bei den Gemeindeanteilen an der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer sowie des Familienleistungsausgleichs die Ausgangsbeträge mit 80 v. H.
(3) Die Ausgangsbeträge der Grundsteuer A und B werden durch Teilung des jeweiligen Ist-Aufkommens im vorvergangenen Jahr durch den jeweiligen Hebesatz errechnet. Bei der Gewerbesteuer wird ein Zeitraum von drei Jahren berücksichtigt. Die Ausgangsbeträge werden für jedes Jahr getrennt ermittelt. Dazu wird zunächst das Ist-Aufkommen der Gewerbesteuer durch den im jeweiligen Zeitraum geltenden Hebesatz geteilt. Zur Bildung eines Durchschnittswertes wird aus den Jahreswerten eine Summe gebildet, die dann durch drei geteilt wird. Ausgangsbeträge für die Gemeindeanteile an der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer sowie des Familienleistungs-ausgleichs sind das jeweilige Ist-Aufkommen im vorvergangenen Jahr.
(4) Die Ermittlung der Steuerkraftmesszahl für kreisangehörige Gemeinden und kreisfreie Städte erfolgt jeweils gesondert.
(5) Teilen sich Gemeinden Gewerbesteueraufkommen, kann auf gemeinsamen Antrag die Steuerkraft unter Berücksichtigung des vertraglich vereinbarten Aufteilungsverhältnisses berechnet werden.

Die Beschwerdeführerin hat am 10.03.2008 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie rügt, dass durch § 19a FAG ihr Selbstverwaltungsrecht aus Art. 2 Abs. 3 i. V. m. Art. 87 Abs. 1 LVerf verletzt sei.
Zur Begründung ihrer Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, § 19a FAG verstoße, soweit das Haushaltsjahr 2004 erfasst werde, gegen das Rückwirkungsverbot und auch durch die Neuregelung werde nicht gewährleistet, dass ihr der verfassungsrechtlich geschützte Mindestanteil an eigenen Finanzquellen verbleibe. Ferner macht sie geltend, dass § 19a Abs. 3 S. 3 FAG keine ausreichende Härtefallregelung enthalte und die Verschonung überdurchschnittlich verschuldeter Gemeinden von der Finanzausgleichsabgabe willkürlich sei. Im Einzelnen trägt sie vor: Der Gesetzgeber habe § 19a FAG in der Fassung vom 24.03.2007 mit Rückwirkung zum 01.01.2005 versehen. Über § 8 FAG werde auch das Haushaltsjahr 2004 erfasst. Dies sei ein Fall der sog. „echten“ Rückwirkung; denn die Geltung des Gesetzes knüpfe an bereits in der Vergangenheit abgeschlossene Vorgänge an. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei eine solche „echte Rückwirkung“ (Rspr. des 1. Senats) oder Rückbewirkung von Rechtsfolgen (Rspr. des 2. Senats) grundsätzlich unzulässig. Besondere Rechtfertigungsgründe lägen nicht vor. Darüber hinaus sei § 19a FAG auch aus anderen Gründen verfassungswidrig. Für die Berechnung der Finanzausgleichsumlage sehe das Gesetz nunmehr zwar ein abgestuftes Verfahren vor. In der Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2007 werde, abweichend von der ursprünglichen und für verfassungswidrig erkannten Regelung, bei Berechnung der Finanzausgleichsumlage die Gewerbesteuerumlage als “Abzugsfaktor“ berücksichtigt. Für die Zeit ab dem 01.01.2008 werde darüber hinaus bei der Berechnung der Kreisumlage gem. § 16 FAG ebenfalls die Finanzausgleichsumlage bei der Berechnung der Kreisumlage als Abzugsfaktor berücksichtigt. Diese Maßnahmen würden sie gegenüber der “alten“ als unwirksam erkannten Regelung zwar entlasten. Dabei sei allerdings die Entlastungswirkung unterschiedlich. Bis zum 31.12.2007 erfolge lediglich eine Anrechnung durch die Gewerbesteuerumlage (1. Stufe). Danach, ab dem 01.01.2008, erfolge eine zusätzliche Entlastung durch die Anrechnung bei der Kreisumlage. In der ersten Stufe würden die Einnahmen durch die Summe aller Umlagen aufgezehrt und mit 53.531 € ein negativer Saldo verbleiben. Erst in der zweiten Stufe verbleibe ein Restbehalt von 5,63 % der Einnahmen.
Die Finanzausgleichabgabe nach § 19a FAG verstoße auch in der Neufassung des Gesetzes gegen die in Art. 2 Abs. 3 i. V m. Art. 87 und 88 LVerf gewährleistete Finanzhoheit, weil der Gesetzgeber nicht zuverlässig ausschließe, dass eine Gemeinde in ihrem Gewerbesteuereinkommen übermäßig abgeschöpft werde. Insbesondere sei nicht gewährleistet, dass der verfassungsrechtlich geschützte Mindestanteil an eigenen Finanzquellen zuverlässig bei der Gemeinde verbleibe. Dieser liege nach ihrer Auffassung nach Abzug aller gesetzlichen Umlagen bei mindestens 10 % des Gewerbesteueraufkommens. Das Gesetz sei insbesondere deshalb verfassungswidrig, weil es für die Jahre 2004 bis 2007 sogar dazu geführt habe, dass die Gesamtsumme der Umlagen höher als die Gewerbesteuereinnahmen gewesen sei. Es sei aber auch nach der 2. Stufe der Anrechenbarkeit der Kreisumlage mit der Verfassung nicht zu vereinbaren, dass der bei ihr verbleibende Anteil der Gewerbesteuer unter 10 % liege. Die Finanzausgleichsabgabe und das System ihrer Berechnung würden gegen die Finanzhoheit insoweit verstoßen, als die Ausgabenhoheit ungerechtfertigt eingeschränkt werde. Das gelte insbesondere für die pauschalierte Bedarfsermittlung und die Zuteilung aus dem „Ausgleichsstock“. Ihr verbleibe insoweit keine eigenständige Ausgabenkompetenz. Ihre Finanzen würden vielmehr über von außen festgelegte „Bedarfe“ definiert. Die Finanzausgleichsabgabe sei insoweit mit der kommunalen Selbstverwaltung unvereinbar, als sie das nach Art. 88 LVerf i. V. m. Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG gewährleistete eigene Hebesatzrecht der Gemeinden unterlaufe. Der von ihr selbständig festgesetzte gesetzliche Mindesthebesatz von 200 Punkten werde ohne sachliche Begründung umgerechnet und im Nachhinein gegen ihren Willen verändert. Die Finanzausgleichumlage verletze sie in ihrer durch die Selbstverwaltungsgarantie gewährleisteten finanziellen Mindestausstattung, weil sie dazu führe, dass ihr kein substantieller Betrag verbleibe, um mit eigenen Prioritäten versehene Selbstverwaltungsaufgaben zu erfüllen. Der Ausgleich zwischen steuerstarken und -schwachen Gemeinden bildeten zwar legitime Gemeinwohlzwecke, könnten die genannten Eingriffe aber nicht rechtfertigen, da diese in ihrem Ausmaß insgesamt die zumutbare Höchstbelastung überschritten. Die Ausnahmeregelung des § 19a Abs. 3 S. 3 FAG könne die geforderte Entlastung im Einzelfall schon deshalb nicht erbringen, weil sie inhaltlich ohne Aussagekraft und damit rechtstaatlich unbestimmt sei. Sie enthalte auch für die Exekutive und die Gerichte keinen auch nur annähernd hinreichend bestimmten Entlastungstatbestand und erfülle damit nicht die notwendigen Bedingungen für eine durch das Landesverfassungsgericht geforderte Härteklausel. Diese Voraussetzung wäre nur erfüllt, wenn das Gesetz als solches für alle Beteiligten erkennbar und vorhersehbar bestimmen würde, ab welchem Prozentsatz oder jedenfalls ab welchem Anteil eine unangemessene Abschöpfung bzw. eine verbotene Nivellierung eintrete. Denkbare Einnahmen aus dem Ausgleichsstock könnten den Verbleib eigener Einnahmen nicht ersetzen, da insofern kein Rechtsanspruch bestehe und Zahlungen an sie mit Fremdbestimmung über den Bedarf erkauft seien. Anders als bei der Berechnung von staatlichen Leistungen an die Gemeinden sei die Annahme eines fiktiven Hebesatzes bei der Berechnung der Höhe von Ausgleichsabgaben nicht gerechtfertigt und damit verfassungswidrig. Die Finanzausgleichsabgabe führe auch in der Neufassung zu einer unangemessenen Nivellierung der Finanzkraft der Gemeinden und verstoße damit gegen das Selbstverwaltungsrecht. Sie verstoße damit auch gegen das Gleichbehandlungsgebot in Gestalt des Verbots der Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte. Die in § 19a FAG enthaltenen Ausnahme- und Anrechnungsregeln dienten zwar dem Ziel der Vermeidung unangemessener Belastungen und einer verbotenen Nivellierung; sie könnten dieses Ziel aber schon deshalb nicht erreichen, weil sie in sich widersprüchlich und inkonsequent seien. Die Absetzbarkeit der Finanzausgleichsumlage von der Kreisumlage belaste die Landkreise und führe letztlich zur Erhöhung der Kreisumlage. Finanzstarke Gemeinden zahlten ihre Entlastung damit im Ergebnis selbst. Die Verschonung überdurchschnittlich verschuldeter Gemeinden sei unsachlich und willkürlich. Sie belohne Gemeinden mit überdurchschnittlicher Verschuldung durch eine pauschale Befreiung von der Finanzausgleichsumlage und verdoppelten die Vorteile einer Bedürftigkeit gering ausgestatteter Gemeinden.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

§ 19a des Finanzausgleichsgesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 20.03.2007 (GVBl. LSA S.42) für unvereinbar mit den Art. 2 Abs. 3, Art. 87 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt zu erklären.

Mit Schriftsatz vom 27.09.2008 hat die Landesregierung zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Sie hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet und erwidert auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Einzelnen:
Die Neufassung des § 19a FAG werde den Anforderungen des Landesverfassungsgerichts aus den Urteilen vom 13.06.2006 gerecht. Der Gesetzgeber habe sich nach ausführlichen Beratungen während des Gesetzgebungsverfahrens entschieden, von den vom Landesverfassungsgericht aufgezeigten Varianten einige für die Neufassung von § 19a FAG auszuwählen. Dies bedeute, dass bei der Berechnung der Steuerkraftmesszahl nur für die Finanzausgleichsumlage von den Nettobeträgen ausgegangen, die Kreisumlage bei der Berechnung der Finanzausgleichsabgabe ab dem 01.01.2008 berücksichtigt werde und in
§ 19a Abs. 3 S. 3 FAG die Regelung einer Auffangklausel als Ausnahme eingeführt worden sei.Die Schwierigkeit der Finanzausgleichsumlage im Fall der Beschwerdeführerin liege insbesondere in der Kumulierung der Gewerbesteuer mit der Kreisumlage. Im Urteil vom 13.06.2006 habe das Landesverfassungsgericht verschiedene Handlungsoptionen genannt. Unter anderem bestehe die Möglichkeit, bei der Berechnung der Steuerkraftmesszahl nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 FAG nur für die Finanzausgleichsumlage von den Nettobeträgen (Ausgangsbeträge abzüglich Gewerbesteuerumlage) auszugehen und/oder andere Umlagen anzurechnen. Diesen Weg habe der Gesetzgeber bei der Neuregelung der Voraussetzungen für die Erhebung der Finanzausgleichsumlage im weitesten Sinne eingeschlagen. Da die Gewerbesteuerumlage nicht der Einflussnahme des Landesgesetzgebers unterliege, habe er sie im Rahmen der besonderen Steuerkraftberechnung für die Bemessung der Finanzausgleichsumlage im Wege des Nettoverfahrens soweit wie möglich berücksichtigt, ohne im Übrigen in die Systematik des Finanzausgleichsgesetzes einzugreifen. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber nach weiteren Möglichkeiten gesucht, die Auswirkungen der Kumulierung von Umlagen zu minimieren. Der Empfehlung des Landesverfassungsgerichts aus dem Urteil vom 13.06.2006 zu folgen und die Kreisumlage mit der Finanzausgleichsumlage zu verrechnen, wäre faktisch dem völligen Verzicht auf die Erhebung der Finanzausgleichsumlage gleich gekommen, da die Kreisumlage immer höher sei als die Finanzausgleichsumlage. Aus diesem Grund habe der Gesetzgeber geprüft, welche Auswirkungen die Verrechnung der Finanzausgleichsumlage mit der Kreisumlage hätte. Bei einer unmittelbaren Verrechnung wäre die Zahlung der Finanzausgleichsumlage allein zu Lasten der jeweils betroffenen Landkreise erfolgt, während die Gesamtzahllast der Gemeinden letztlich nicht höher gewesen wäre als die reine Kreisumlage. Absicht des Gesetzgebers sei es aber, extrem steuerstarke Gemeinden mit einer zusätzlichen Solidarabgabe zugunsten finanzschwacher Gemeinden in Form der Finanzausgleichsumlage zu belegen. Dieses Anliegen ließe sich mit dieser Überlegung aber nicht umsetzen und hätte außerdem einen weitreichenden, in dieser Form nicht gewollten Eingriff in die Finanzhoheit der Landkreise bedeutet. Daher sei dieser Lösungsansatz modifiziert worden, indem der Gesetzgeber in § 16 Abs. 2 FAG lediglich eine Kürzung der Bemessungsgrundlage für die Kreisumlage um die Finanzausgleichsumlage vorgenommen habe. Dies bedeute zwar einen Eingriff in die Finanzhoheit aller Landkreise, der sich jedoch im zulässigen verfassungsrechtlichen Rahmen halte. Durch diese Regelung würden die Landkreise in keiner Weise so stark beeinträchtigt, dass in ihren verfassungsrechtlich geschützten Spielraum zur Wahrnehmung eines Mindestmaßes an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben eingegriffen würde. Der Gesetzgeber habe deshalb in zulässiger Weise von seinem - politischen - Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht. Auch stehe die Regelung nicht im Widerspruch zu den bereits zitierten Urteilen des Landesverfassungsgerichts, da die Landkreise finanziell nicht schlechter gestellt würden. Da diese Regelung aber Auswirkungen auf die Höhe der allgemeinen Zuweisungen an die Landkreise haben könnte und diese dadurch zum ersten Mal mittelbar in den Anwendungsbereich des § 19a FAG einbezogen würden, hätte die Vorschrift wegen des Rückwirkungsverbots erst ab dem Jahr 2008 Geltung entfalten können. Der Lösungsansatz der Kombination der Varianten Nettoprinzip und Anrechnung der Finanzausgleichsumlage bei der Berechnung der Umlagekraftmesszahl für die Kreisumlage sei demnach insbesondere im Interesse der Beschwerdeführerin erfolgt, deren kritische Jahre erst 2008 begonnen hätten. Zwar hätten sich der Städte- und Gemeindebund und der Landkreistag Sachsen-Anhalt im Anhörungsverfahren vor Einbringung des Gesetzentwurfes in den Landtag gegen die Anrechnung der Finanzausgleichsumlage bei der Berechnung der Umlagekraftmesszahl für die Landkreise ausgesprochen, weil damit alle Landkreise zum Aufkommen der Finanzausgleichsumlage beitragen müssten, obwohl sie sich selbst in einer prekären finanziellen Situation befänden. Die Mindereinnahmen bei den allgemeinen Zuweisungen seien nur über eine erhöhte Kreisumlage zu finanzieren und träfen damit auch die steuerschwachen Gemeinden im eigenen Landkreis. Diesem von der Beschwerdeführerin als „Schattenwirkung“ bezeichneten Effekt sei aber entgegenzuhalten, dass Landkreise mit steuerstarken Gemeinden auf Grund ihrer Steuerkraft weniger allgemeine Zuweisungen erhielten. Die von ihnen nicht benötigten Mittel würden allen anderen, weniger umlagestarken Landkreisen zufließen. Die umlageschwachen Landkreise würden weder benachteiligt noch zu einer Gegenfinanzierung herangezogen. Lediglich der zuvor genannte Umverteilungseffekt von den umlagestarken zu den umlageschwachen Landkreisen werde gedämpft. Es komme keineswegs zu einer Verkehrung ins Gegenteil oder einer Belastung finanzschwacher Gemeinden durch höhere Kreisumlagezahlungen.
§ 19a FAG greife auch nicht in unverhältnismäßiger Weise in die Finanzhoheit der Beschwerdeführerin ein. Sie könne sich nicht darauf berufen, dass durch die Heranziehung zur Zahlung der Finanzausgleichsumlage ihre Finanzausstattung unangemessen gefährdet werde. Zunächst sei festzuhalten, dass der in diesem Zusammenhang von der Beschwerdeführerin behauptete negative Saldo für die Jahre 2004 bis 2007 systematisch falsch berechnet sei. Die Beschwerdeführerin reduziere und verdichte die Belastungen jeweils so auf ein Jahr, dass es den Anschein erwecke, als sei sie trotz enormer Gewerbesteuereinnahmen innerhalb von drei Jahren finanziell handlungsunfähig. Dies entspreche jedoch nicht der Systematik des Finanzausgleichsgesetzes. Tatsächlich fielen die Gewerbesteuereinnahmen und die darauf zu entrichtenden Umlagen, mit Ausnahme der quartalsweise in Abhängigkeit von der Höhe der Einnahmen zu entrichtenden Gewerbesteuerumlage, zeitlich weit auseinander. Aus diesem Grund habe die Beschwerdeführerin trotz ihrer enorm hohen Gewerbesteuereinnahmen im Jahr 2005 sogar noch allgemeine Zuweisungen erhalten. Die Gewerbesteuereinnahmen des Jahres 2005 würden der Systematik des Finanzausgleichsgesetzes zufolge beginnend mit dem Jahr 2007 bis zum Jahr 2009 jeweils zu einem Drittel in die Steuerkraftberechnung einbezogen. Erst zu diesem Zeitpunkt würden sie damit Bemessungsgrundlage der Kreisumlage und der Finanzausgleichsumlage gemäß § 19a FAG. Ab dem Jahr 2008 greife zudem die ergänzende Neuregelung des § 9 FAG, die zu einer deutlichen Minderung der Gesamtbelastung aus den Umlagen führe, wie auch die Beschwerdeführerin einräume. Die Umlagebelastung der Einnahmen werde dadurch auf einen langen Zeitraum verteilt. Erstmals im Jahr 2006 sei die Beschwerdeführerin überhaupt zur Zahlung der Finanzausgleichsumlage herangezogen worden. In den Jahren 2004 und 2005 entfalle die Verpflichtung zur Zahlung der Finanzausgleichsumlage vollständig. Aus dem Steueraufkommen verblieben der Beschwerdeführerin jedoch 16,680 Mio. € für das Jahr 2004 und 16,680 Mio. € für das Jahr 2005, insgesamt also 32,878 Mio. €. Selbst wenn das Steueraufkommen in den folgenden Jahren atypischer Weise auf das Niveau des Aufkommens des Jahres 2006 sinken sollte, verblieben ihr letztlich bis zum Jahr 2012 kumuliert nach Abzug aller Umlagen 7,464 Mio. €. Die Beschwerdeführerin verfüge also auch dann noch im Verhältnis zu den Gemeinden der gleichen Größenklasse über eine überdurchschnittliche Finanzkraft. Zwar würden die Umlagen dann ab dem Jahr 2008 das Steueraufkommen übersteigen. In diesem Fall käme jedoch die Auffangregelung des § 19a Abs. 3 S. 3 FAG LSA n. F. zum Tragen und es wäre zu prüfen, inwieweit zur Sicherung der angemessenen Finanzkraft der Beschwerdeführerin von der Heranziehung zur Zahlung der Finanzausgleichsumlage abzusehen sei. Die in der vorgelegten Berechnung dargestellten negativen Beträge berücksichtigten dies nicht. Zudem sei anzumerken, dass die Steuereinnahmen der Beschwerdeführerin für das Jahr 2008 tatsächlich nicht auf 38.000 € gesunken seien, sondern zum Stand 30.06.2008 allein das Gewerbesteueraufkommen bereits 13.777.130 € betrage. Außerdem offenbare sich hier ebenfalls wieder die Atypik des vorliegenden Falles, die dadurch gekennzeichnet sei, dass extrem hohe Gewerbesteuereinnahmen innerhalb eines Jahres (fast) vollständig wegfielen, weil die Einnahmen (fast) ausschließlich durch einen einzigen Gewerbetreibenden erzielt werden. Die Beschwerdeführerin sei eine Kleinstgemeinde, in der sich - ohne die Vornahme von Investitionen durch die Gemeinde - ein Finanzdienstleister angesiedelt habe und in einem Maße gewerbesteuerpflichtig werde, wie es z. B in der Stadt Dessau-Roßlau alle Betriebe zusammen nicht seien. Atypisch sei der Fall der Beschwerdeführerin auch deshalb, weil sich auf Grund der äußerst niedrigen Einwohnerzahl keine Bedarfsmesszahl bzw. auch keine für die Bemessung der Finanzausgleichsumlage erhöhte Bedarfsmesszahl errechne, die auch nur annähernd in einer vernünftigen Relation zur Steuerkraftmesszahl stehe. Dadurch unterfalle die Steuerkraftmesszahl fast in Gänze der Finanzausgleichsumlage. Obwohl durch das Nettoverfahren bei der Steuerkraftberechnung der Gewerbesteuer für die Finanzausgleichsumlage die Belastung schon deutlich niedriger geworden sei, ändere sich an dem o. g. Effekt durch die Neuregelung grundsätzlich nichts. Verschärft werde das Ganze dadurch, dass die Beschwerdeführerin zulässigerweise den Mindesthebesatz von 200 Prozent für die Gewerbesteuer anwende. Das Landesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 13.06.2006 ausdrücklich erklärt, dass es hingenommen werden könne, dass nicht jeder Einzelfall ausdrücklich im Gesetz selbst abstrahierend geregelt sei. Es müsse lediglich eine gesetzliche Regelung zur Handhabung von Ausnahmefällen vorhanden sein, um den Verfassungsverstoß zu vermeiden. In Konsequenz dieser Feststellung habe der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 19a Abs. 3 S. 3 FAG eine entsprechende Ausnahmevorschrift geschaffen. Sollte es unter den genannten Voraussetzungen dennoch zu einer negativen Belastung kommen, weil zum Beispiel die Gewerbesteuereinnahmen rückläufig seien, sei auf der Grundlage des Ausnahmetatbestandes des § 19a Abs. 3 S. 3 FAG eine Reduzierung der Umlagelast möglich, soweit dies zur Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung erforderlich sei. Gerade an dieser Stelle zeige sich, dass die in § 19a FAG enthaltenen Regelungen nicht losgelöst voneinander, sondern nur im Zusammenspiel zu beurteilen seien. Der Auffangregelung des § 19a Abs. 3 S. 3 FAG komme insoweit eine wichtige Funktion zu, da mit ihrer Hilfe sichergestellt werde, dass es nicht zu einer unzulässigen Abschöpfung der steuerstarken Kommunen kommen könne. Die den Bescheid zur Heranziehung zur Zahlung der Finanzausgleichsumlage erstellende Behörde, das Statistische Landesamt, prüfe insoweit, ob die Voraussetzungen für eine Reduzierung oder sogar für eine vollständige Abstandsnahme vorlägen. Sollte sich die Finanzkraft der Beschwerdeführerin durch die Abführung der Finanzausgleichsumlage also unangemessen verändern, werde ihr auf der Grundlage der Ausnahmevorschrift des § 19a Abs. 3 S. 3 FAG die Zahlungspflicht erlassen, soweit dies zur Sicherung ihrer angemessenen Finanzkraft erforderlich sei. Die Regelung des § 19a Abs. 3 S. 3 FAG verstoße nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Bei dieser Regelung handele es sich um eine Auffangregelung. Der Gesetzgeber habe bei der Schaffung der Ausnahmevorschrift auf den Begriff der Finanzkraft abgestellt, der umfassend zu verstehen sei. Er erfasse alle Einnahmen, also auch die Zinseinnahmen, die im Fall der Beschwerdeführerin nicht unerheblich seien. Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit einer Kommune sei - unter entsprechender Anwendung des Grundsatzes, den das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 24.06.1986 für die Bestimmung der Finanzkraft eines Landes formuliert habe - auf die Finanzkraft abzustellen und nicht lediglich auf die Steuerkraft, die zwar Auskunft über die Einnahmesituation gebe, aber nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf die gesamte Finanzlage der Kommune erlaube. Auch die Verwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe - angemessen und unangemessen - widerspreche nicht dem Bestimmtheitsgebot. Das Bestimmtheitsgebot erlaube dem Gesetzgeber die Verwendung auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe. Der Gesetzgeber könne sich abstrakter und unbestimmter Formulierungen bedienen, um den besonderen Umständen des einzelnen Falles und den schnell wechselnden Situationen des Lebens gerecht zu werden. Es sei ihm deshalb auch nicht untersagt, den Verwaltungsbehörden einen gewissen Auslegungsspielraum einzuräumen. Lediglich die äußeren Grenzen des Spielraumes müssten abgesteckt und damit die Möglichkeit richterlicher Überprüfung der Einhaltung der Grenzen gegeben sein. Die Eigenart des hier zu regelnden Sachverhalts zwinge den Gesetzgeber in besonderer Weise zur Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, da eine Auffangregelung für atypische Sachverhalte geschaffen werden sollte, die gerade wegen des Merkmals der Atypik schlecht systematisierbar und in konkreten Tatbestandsmerkmalen erfassbar seien. Dies habe das Landesverfassungsgericht auch anerkannt, als es in den bereits zitierten Entscheidungen ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass es hingenommen werden könne, dass nicht jeder denkbare Einzelfall ausdrücklich selbst im Gesetz abstrahierend geregelt werden müsse. Der Gesetzgeber habe es vor diesem Hintergrund als ausreichend angesehen, in die Vorschrift eine Formulierung aufzunehmen, nach der die Verpflichtung zur Zahlung der Finanzausgleichsumlage entfalle, soweit dies nötig sei, um die betroffene Gemeinde vor einer unangemessenen Veränderung ihrer Finanzkraft zu schützen. Es handele sich insoweit um die Verwendung von durchaus üblichen Begriffen im Rahmen der Gesetzgebung. Die Regelung knüpfe durch die Verwendung des Begriffes „angemessen“ an Art. 107 Abs. 2 GG und Art. 88 Abs. 2 Satz 1 LVerf an. Die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „unangemessenen Veränderung der Finanzkraft“ orientiere sich ebenfalls an der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts. Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot liege im vorliegenden Sachverhalt zum einen bereits deshalb nicht vor, weil die unbestimmten Rechtsbegriffe „angemessen“ und „unangemessen“ vollständig der gerichtlichen Überprüfung unterlägen. Sie eröffneten zum anderen der Verwaltung auch keinen unzulässigen Spielraum für willkürliche, nicht vorhersehbare Entscheidungen, da nach den herkömmlichen Auslegungsmethoden eine hinreichende Konkretisierung möglich sei. Eine erste Eingrenzung des Normgehaltes lasse sich bereits bei einer Betrachtung des Wortlautes entnehmen. Der Begriff der angemessenen Finanzkraft, auf die sich die Höhe der festzusetzenden Umlage für die Gemeinde maximal beschränken solle, verlange schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine vergleichende Betrachtung. Was in einer konkreten Situation angemessen sei, könne nicht ohne Rücksicht auf die durchschnittliche Situation anderer Gemeinden vergleichbarer Größe bestimmt werden. Der Begriff der Angemessenheit habe im Sprachgebrauch einen eindeutigen Bezug zur Verteilungsgerechtigkeit. Die im Lande auf Gemeindeebene vorhandene Finanzkraft solle im Interesse einheitlicher Lebensverhältnisse und der Erhöhung der allgemeinen Wohlfahrt unter den Gemeinden so aufgeteilt werden, dass diesen grundsätzlich bezogen auf die Einwohnerzahl ein vergleichbarer Mindestspielraum für die Übernahme freiwilliger Aufgaben der Daseinsvorsorge ihrer Einwohnerschaft bleibe. Es wäre nicht mehr angemessen, wenn eine Gemeinde marmorne Bürgersteige verlegen lassen könnte, während ihre gleich große Nachbargemeinde aus finanziellen Gründen sogar gezwungen wäre, die Bibliothek und den Jugendclub zu schließen. Unter diesen Mindestspielraum dessen, was in allen vergleichbaren Gemeinden üblicherweise möglich sei, dürfe auch unter Berücksichtigung der Umlage einerseits keine Gemeinde absinken. Andererseits könne gerade wegen des die Finanzausgleichsumlage tragenden Gedankens interkommunaler Solidarität auch keine Gemeinde erwarten, trotz der Umlage ihren Spielraum für freiwillige Aufgaben dauerhaft auf einem unverhältnismäßig weit über dem für alle anderen vergleichbaren Gemeinden geltenden allgemeinen Niveau zu halten. Der Begriff der „Angemessenheit“ sei mit den Methoden der teleologischen und historischen Auslegung näher zu bestimmen. Bei der Auslegung der Vorschrift nach der Entstehungsgeschichte sei zu erkennen, dass der Gesetzgeber beabsichtigt habe, die ursprüngliche Regelung des § 19a FAG a. F. auf der Grundlage der Urteile des Landesverfassungsgerichts vom 13.06.2006 nachzubessern.
Der Gesetzgeber sei demnach bestrebt, insbesondere atypischen Sonderfällen mit Hilfe dieser Regelung gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang sei für das Verständnis der Vorschrift weiter zu berücksichtigen, aus welchen Gründen das Landesverfassungsgericht die frühere Regelung für verfassungswidrig erklärt habe. Grund sei gewesen, dass das Gesetz keine Vorsorge dagegen getroffen hätte, dass eine Gemeinde im Einzelfall über die verfassungsrechtlichen Grenzen hinaus „abgeschöpft“ oder in eine Position „nivelliert“ werde, die sie im Vergleich zu den verschonten Gemeinden im Ergebnis erheblich schlechter stelle. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Vorschrift gerade vermeiden, dass in besonders gelagerten Sachverhalten Gemeinden eine Finanzausgleichsumlage zahlen müssten, obwohl sich dadurch ihre Finanzkraft derartig verändere, dass sie übernivelliert würden oder es zu einem Rangplatztausch komme. Mithin habe die die Umlage festsetzende Behörde bei der Anwendung der Auffangklausel für die Bestimmung der konkreten Höhe eine komplexe Vergleichsbetrachtung anzustellen. Sie müsse bei der Bestimmung der Höhe der konkreten Umlage berücksichtigen, dass es nicht zu Ergebnissen komme, die verfassungswidrig wären. Sollten die betroffenen Kommunen mit dem Ergebnis der Prüfung des Statistischen Landesamts nicht einverstanden sein, könnten sie zunächst Widerspruch gegen den Bescheid einlegen. Anschließend stehe ihnen dann der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten offen. Bei der Anwendung der Auffangregelung hätten die Verwaltung und die Verwaltungsgerichte die durch Auslegung ermittelbaren Grenzen zu beachten und ihre Entscheidung daran auszurichten. Raum für willkürliche Entscheidungen bleibe demnach nicht. Ein Verstoß gegen das Verbot der Nivellierung liege ebenfalls nicht vor. Die Regelung des § 19a FAG verstoße auch nicht gegen das Willkürverbot. Es stehe dem Gesetzgeber frei, im Rahmen seines politischen Gestaltungsspielraumes tatbestandliche Einschränkungen zur allgemeinen Regelung zu formulieren.

Der Landtag hat sich nicht geäußert.


Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Beschwerdeschrift der Beschwerdeführerin vom 10.03.2008 und ihren Schriftsatz vom 22.05.2009 sowie die Erwiderung der Landesregierung mit Schriftsatz vom 21.04.2009 verwiesen.

{T:Entscheidungsgründe:}

{RN:1}
Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist zulässig (1.) und begründet (2.).
{RN:2}
Das Landesverfassungsgericht ist zur Entscheidung über die kommunale Verfassungsbeschwerde berufen (vgl. dazu im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen: LVerfG, Urt. v. 31.05.1994 - LVG 2/93 - LVerfGE 2, 227, [245 f.]; Urt. v. 31.05.1994 – LVG 1/94 – LVerfGE 2, 273, [289 f.]; Urt. v. 31.05.1994 - LVG 4/94 - LVerfGE 2, 323, [334 f.]). Soweit eine Verletzung des durch Art. 2 Abs. 3 und 87 LVerf garantierten Selbstverwaltungsrechts behauptet wird, handelt es sich um eine sog. kommunale Verfassungsbeschwerde im Sinne des Art. 75 Nr. 7 LVerf und der §§ 2 Nr. 8, 51 des Landesverfassungsgerichtsgesetzes in der Fassung vom 24.09.2009 (GVBl. LSA 474) – LverfGG -. Diese Bestimmungen berechtigen die Kommunen, gegen Eingriffe in ihr Selbstverwaltungsrecht durch ein Landesgesetz das Landesverfassungsgericht anzurufen.
{RN:3}
Nach § 51 Abs. 1 LVerfGG können Kommunen die Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung erheben, durch ein Landesgesetz in ihrem Recht auf Selbstverwaltung nach
Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 LVerf verletzt zu sein. Gemäß § 57 Abs. 2 LVerf gelten die §§ 48 bis 50 LVerfGG entsprechend. Nach § 49 LVerfGG (hinsichtlich der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz deckungsgleich mit § 92 BVerfGG) sind in der Begründung der Verfassungsbeschwerde, welche nach § 16 Abs. 1 S. 2 LVerfGG erforderlich ist, das Recht, das verletzt sein soll, und die Gesetzesvorschrift, durch die sich die Beschwerdeführerin unmittelbar verletzt sieht, zu bezeichnen. Die Zulässigkeit einer kommunalen Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz setzt voraus, dass die Beschwerdeführerin selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die angegriffenen Rechtsnormen in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt ist (BVerfGE 71, 25 34 ff.; 107, 1 8; Magen, in: Umbach/Clemens/Dollinger Hrsg., Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2005, § 91, RdNr. 18). Die angegriffenen Normen beschränken unmittelbar und gegenwärtig das Selbstverwaltungsrecht der Beschwerdeführerin, ohne dass ein weiterer angreifbarer Umsetzungsakt notwendig wird. Insoweit wird auch auf die Gründe des Urteils des Gerichts vom 13.06.2006 – LVG 7/05 – verwiesen.
{RN:4}
Die Verfassungsbeschwerde ist formgerecht und innerhalb der Jahresfrist der §§ 51 Abs. 2, 48 LVerfGG erhoben worden.
{RN:5}
Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist auch begründet.
{RN:6}
Prüfungsmaßstab ist die Selbstverwaltungsgarantie der Art. 2 Abs. 3, 87 und 88 LVerf. Beide Bestimmungen konkretisieren für das Land Sachsen-Anhalt die in Art. 28 GG enthaltene bundesverfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und haben nach Zweck und Entstehungsgeschichte jedenfalls denselben Mindestgehalt wie Art. 28 Abs. 1 S. 2 und 3 sowie Abs. 2 GG. Zum Selbstverwaltungsrecht der Kommunen gehört nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 15.10.1985 – 2 BvR 1808, 1809, 1810/82 - BVerfGE 71,25 [36], m. w. N.) die Finanzhoheit der Kommunen. Sie umschließt die eigenverantwortliche Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft. Die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt enthält mit Art. 87 Abs. 3 einerseits und Art. 88 LVerf andererseits zwei selbständige Ausformungen der finanziellen Absicherung der Kommunen, kraft derer das Land zum einen Bestimmungen über die Deckung der Kosten treffen muss, die den Kommunen durch die Zuweisung von Pflichtaufgaben zur Erfüllung in eigener Verantwortung und durch die Übertragung von staatlichen Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung entstehen. Zum anderen hat das Land dafür zu sorgen, dass die Kommunen über Finanzmittel verfügen, die zur angemessenen Erfüllung ihrer Aufgaben ausreichend sind. Dabei ist die unterschiedliche Finanzkraft der Kommunen auf Grund eines Gesetzes angemessen auszugleichen (Art. 88 Abs. 2 LVerf).
Als landesverfassungsrechtliche Garantie eines aufgabengerechten Finanzausgleichs weist Art. 88 LVerf dabei einen engen Bezug zu den bundesverfassungsrechtlichen Bestimmungen über den Finanzausgleich auf, welcher die Gemeinden unmittelbar einschließt. So steht den Gemeinden ein bundesgesetzlich zu bestimmender Anteil an der Einkommen- und Umsatzsteuer (Art 106 Abs. 5, 5a GG) zu, ferner die Ertragshoheit über die Grund- und Gewerbesteuer, an deren Aufkommen aber Bund und Länder durch eine Umlage beteiligt werden, sowie die Ertragshoheit über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, sofern diese nicht nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zusteht (Art 106 Abs. 6 GG). Wie der kommunale Finanzausgleich konkret ausgestaltet wird, unterliegt der Entscheidung des Landesgesetzgebers. Ihm steht dabei angesichts des Ineinandergreifens von landesrechtlichen und grundgesetzlichen Finanzausgleichs-vorschriften, durch welche den Gemeinden unmittelbar Steuererträge zugewiesen werden, sowie der Einbindung des kommunalen Finanzausgleichs in die gesamte Haushaltswirtschaft und -planung des Landes ein weiter Gestaltungsspielraum zu (so auch Nds.StGH Urt. v. 16.05.2001 - StGH 6,7,8,9/99,1/00 - LVerfGE 12, 255 [280] zum insoweit vergleichbaren niedersächsischen Landesverfassungsrecht).
{RN:7}
Im Rahmen dieses Gestaltungsspielraums hat der Landesgesetzgeber einen interkommunalen horizontalen Finanzausgleich geschaffen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht das Grundgesetz der Erhebung einer Umlage, deren Aufkommen im kommunalen Raum verbleibt oder in diesen zurückfließt, nicht entgegen. Das Grundgesetz treffe in Art. 106 Abs. 5 bis 7 einzelne Regelungen zur Finanzausstattung der Gemeinden und Gemeindeverbände. Art. 106 Abs. 5 und 6 GG enthalte Bestimmungen zur primären, Abs. 7 zur sekundären Finanzausstattung. Normative Vorgaben für einen interkommunalen horizontalen Finanzausgleich, auch wenn er vom Land vorgenommen werde, legten diese Vorschriften nicht fest. Art. 106 Abs. 6 GG besage nichts über Umlagen, die von den Ländern zu Zwecken des horizontalen interkommunalen Finanzausgleichs durchgeführt würden (BVerfG, Beschl. v. 07.02.1991 – 2 BvL 24/84 – BVerfGE 83, 263 [391f.]).
Der Erhebung einer horizontalen interkommunalen Finanzausgleichsabgabe dem Grunde nach steht nach der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts auch die Landesverfassung nicht entgegen (LVerfG, Urt. v. 13.06.2006, a. a. O.). Das Landesverfassungsgericht hat im Einklang mit dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof (vgl. Urt. v. 16.05.2001, a. a. O., 281) aber auch entschieden, dass eine solche Finanzausgleichsabgabe zwar Finanzkraftunterschiede durch Angleichung mildern, aber nicht dazu führen dürfe, dass eine kreisangehörige Gemeinde im Einzelfall über die verfassungsrechtlichen Grenzen hinaus „abgeschöpft“ oder in eine Position „nivelliert“ werde, welche sie im Vergleich zu den verschonten Gemeinden im Ergebnis erheblich schlechter stelle. Dagegen müsse das Finanzausgleichsgesetz selbst Vorsorge treffen. Eine solche Vorsorgeregelung habe das FAG a. F. nicht enthalten. An dieser Einschätzung hält das Landesverfassungsgericht fest.
{RN:8}
Der Landesgesetzgeber hat auch mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes vom 20.03.2007 keine verfassungsgemäße interkommunale Finanzausgleichsabgabe geschaffen.
{RN:9}
§ 19a i. V. m. § 8 FAG verstößt zwar nicht – wie die Beschwerdeführerin meint -
gegen das Rechtsstaatsprinzip unter dem Gesichtpunkt des Verbots der „echten“ Rückwirkung oder der unzulässigen Rückbewirkung soweit die Gewerbesteuereinnahmen der Beschwerdeführerin aus den Jahren 2004 als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Finanzausgleichsabgabe herangezogen werden.
Das Rechtsstaatsprinzip gehört zu den Vorschriften des Grundgesetzes und der Landesverfassung, die das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mit zu bestimmen geeignet sind. Es gehört damit auch zum Prüfungsmaßstab der kommunalen Verfassungsbeschwerde. Mit der Idee des Rechtsstaats ist der Gedanke der Dauerhaftigkeit und Unverbrüchlichkeit von Recht eng verbunden. Der Rechtsgrundsatz der Rechtssicherheit verlangt objektiv ein Mindestmaß an Kontinuität des Rechts, vor allem für die Modalitäten seiner Änderung, um die Verlässlichkeit der Rechtsordnung zu erhalten. Rechtssicherheit bedeutet subjektiv in erster Linie Vertrauensschutz. Es gibt aber kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand einer günstigen Rechtslage. Verfassungsrechtlich problematisch sind Regeln, die rückwirkend belasten, weil sie auf vergangene Sachverhalte Bezug nehmen (vgl. Schulze-Fielitz, in H. Dreier [Hrsg.] Grundgesetz-Kommentar, 2. Aufl., Bd. 2, 1998, Art. 20 [Rechtsstaat] RdNr. 151 ff. m. w. N.). Für den Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts ist bis heute die Unterscheidung von echter und unechter Rückwirkung maßgeblich (st. Rspr. z.B., BVerfG, Beschl. v. 13.05.1986 – 1 BvR 99, 461/85 - BVerfGE 72, 175, [196]). Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift, wenn also der von der Rückwirkung betroffene Tatbestand in der Vergangenheit nicht nur begonnen hat, sondern bereits abgeschlossen war. Der Zweite Senat nennt allein diesen Tatbestand eine Rückwirkung; er hat ihn dahin präzisiert, dass die Rechtsfolgen des neuen Gesetzes für einen vor der Verkündung liegenden Zeitpunkt auftreten sollen, nicht erst für die Zeit ab Verkündung der Norm, d. h. von dem Zeitpunkt an, zu dem die Norm rechtlich gültig geworden ist (grdl. BVerfG Beschl. v 14.05.1986 – 2 BvL 2/83 – BVerfGE 72, 200 [242]).
Bei Anwendung dieser Grundsätze weist § 19a in Verbindung mit § 8 FAG in der Fassung des Gesetzes vom 20.03.2007 insoweit eine echte Rückwirkung auf, als die Gewerbesteuereinnahmen der Beschwerdeführerin aus den Jahren 2004 und 2005 als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Finanzausgleichsabgabe in der Zeit vor dem 01.03.2007 herangezogen werden. Dies ergibt sich aus Folgendem: Nach § 19a Abs. 4 FAG ist die Finanzausgleichsumlage in monatlichen Raten zum Letzten des Monats an das Land abzuführen. Da das Gesetz am 01.01.2005 in Kraft getreten ist, bedeutet dies, dass die Finanzausgleichsumlage beginnend mit dem 31.01.2005 monatlich erhoben wird. Nach § 19 Abs. 2 FAG wird für die Bemessung der Finanzausgleichsumlage eine gesonderte Steuerkraftberechnung durchgeführt. Sie erfolgt auf der Grundlage des § 8 FAG mit der Besonderheit, dass zur Ermittlung der Steuerkraft für die Gewerbesteuer die Gewerbesteuerumlage vom Ist-Aufkommen der Gewerbesteuer abzuziehen ist. Gemäß § 8 FAG wird die Steuerkraftmesszahl berechnet, indem die Steuerkraftzahl der Gewerbesteuer und anderer Steuern zusammengezählt wird. Als Steuerkraftzahl wird bei der Gewerbesteuer der Durchschnittsbetrag der Ausgangsbeträge des in Absatz 3 genannten Zeitraums vervielfältigt mit 80 v. H. des gewogenen Durchschnitts der Hebesätze angesetzt. Nach § 8 Abs. 3 S. 1 und 2 FAG wird der Ausgangsbetrag ausgehend von dem vorvergangenen Jahr für einen Zeitraum von drei Jahren errechnet. Nach § 8 Abs. 3 S. 3 FAG wird der Ausgangsbetrag für jedes Jahr getrennt ermittelt. Für die Finanzausgleichsumlage für das Jahr 2004 erfolgt die Berechnung demnach aus den Gewerbesteuereinnahmen der Beschwerdeführerin aus den Jahren 2000 bis 2002, für das Jahr 2005 aus den Jahren 2001 bis 2003. Dies hat zur Folge - worauf die Landesregierung zutreffend hinweist -, dass die Beschwerdeführerin, obwohl sie nach der Ansiedlung des Finanzdienstleisters Ende 2003 in den Jahren 2004 und 2005 bereits erhebliche Gewerbesteuereinnahmen zu verzeichnen hatte, keine Finanzausgleichsumlage für das Jahr 2005 zu zahlen hat. Die Finanzausgleichsumlage für das Jahr 2006 wird indes aus den Gewerbesteuereinnahmen der Jahre 2002 bis 2004, die Finanzausgleichsabgabe des Jahres 2007 aus den Jahren 2003 bis 2005 errechnet usw. Da im Zeitpunkt der Verkündung des hier strittigen Gesetzes (24.03.2007) die Gewerbesteuereinnahmen der Beschwerdeführerin in den Jahren 2004 bis 2006 am 24.03.2007 bereits endgültig feststanden, liegt insoweit eine tatbestandliche Rückanknüpfung bei der Erhebung der Finanzausgleichsumlage für die Jahre 2005 bis 2010 vor, da die gesetzliche Regelung den Eintritt ihrer Rechtsfolgen von beendeten Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig macht. Soweit das Bundesverfassungsgericht in anderen Entscheidungen (vgl. Schulze-Fielitz, a. a. O. Art. 20 RdNr.159 m. w. N.) nicht auf den Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes, sondern auf den Zeitpunkt des Regierungsbeschlusses über den Gesetzesentwurf (hier der 10.10.2006) abstellt, betrifft dies nur solche Fälle, in denen der Einzelne einen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht erwünschten Einfluss auf Eintritt der belastenden Rechtsfolge durch aktives Tun nehmen konnte. Dies trifft für die Gewerbesteuereinnahmen der Beschwerdeführerin in den Jahren 2004 bis 2006 nicht zu, da diese im Jahre 2007 schon feststanden. Deshalb verbleibt es bei dem maßgeblichen Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes.
Eine tatbestandliche Rückanknüpfung ist für sich allein nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allerdings keine echte Rückwirkung (BVerfG, Beschl. v. 14.05.1986 – 2 BvL 2/83 – BVerfGE 72, 200 [242]). Eine echte Rückwirkung liegt erst dann vor, wenn die tatbestandliche Rückanknüpfung auch zu abgeschlossenen Rechtsfolgen vor der Verkündung der gesetzlichen Regelung geführt hat. Da die Finanzausgleichsumlage nach § 19a Abs. 4 FAG beginnend mit dem 01.01.2005 monatlich zum letzten Tag des Monats abzuführen ist, treten die Rechtsfolgen der tatbestandlichen Rückanknüpfung an die Gewerbesteuereinnahmen der Beschwerdeführerin aus den Jahren 2004 und 2005 in der Zeit vom 01.01.2006 bis zum 01.03.2007 ein. Die Gewerbesteuereinnahmen des Jahres 2004 sind Bemessungsgrundlage für die Finanzausgleichsumlage des gesamten Jahres 2006 und für die Monate Januar und Februar des Jahres 2007; die Gewerbesteuereinnahmen des Jahres 2005 für die Monate Januar und Februar des Jahres 2007. Insoweit liegt daher eine echte Rückwirkung vor.
Gesetze mit einer echten Rückwirkung sind grundsätzlich verfassungswidrig (BVerfG, Urt. v. 19.12.1961 – 2 BvL 6/59 – BVerfGE 13, 261 [272]).
Dieser Grundsatz der Unzulässigkeit kann allerdings ausnahmsweise durchbrochen werden, wenn zwingende Gründe des gemeinen Wohls oder ein nicht - oder nicht mehr - vorhandenes schutzbedürftiges Vertrauen des Einzelnen eine Durchbrechung gestatten. Dazu bedarf es allerdings besonderer Rechtfertigungsgründe (vgl. Schulze-Fielitz, a. a. O., Art. 20 RdNr. 159, m. w. N.).
Ein rechtfertigender Ausnahmefall liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungs-gerichts dann vor, wenn der Betroffene trotz unwirksamer oder fehlender Rechtsgrundlage mit einer rückwirkenden Regelung rechnen musste und darum kein schutzwürdiges Vertrauen entwickeln konnte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.1993 - 1 BvR 133/89 - BVerfGE 89, 48 [67]). Die vom Landesverfassungsgericht für ungültig erklärte Fassung des FAG a.F., mit der die Finanzausgleichsumlage erstmals eingeführt werden sollte, hat der Gesetzgeber am 21.12.2004 mit Wirkung zum 01.01.2005 beschlossen. Ab diesem Zeitpunkt musste die Beschwerdeführerin damit rechnen, dass ihre Gewerbesteuereinnahmen auch mit einer Finanzausgleichsumlage im gleichen Umfang überzogen werden, wie es in § 19a FAG a.F. vorgesehen war. Das Landesverfassungsgericht hat zwar im Urteil vom 13.06.2006 (a. a. O.) zu § 19a FAG a.F., der auch eine Einbeziehung der Gewerbesteuereinnahmen aus dem Jahre 2004 vorgesehen hatte, ausgeführt, dass der Gesetzgeber auch die Möglichkeit hätte, auf die Finanzausgleichsumlage ganz zu verzichten. Es hat aber ausdrücklich betont, dass dies nur eine von mehreren Möglichkeiten ist. Die Beschwerdeführerin konnte hieraus keinen Vertrauenstatbestand bilden. Das Landesverfassungsgericht hatte im Urteil vom 13.06.2006 ausgeführt, dass eine interkommunale Finanzausgleichsabgabe grundsätzlich mit der Landesverfassung vereinbar ist, nur nicht deren konkrete Ausgestaltung durch das FAG a.F.
{RN:10}
Die Neuregelung der Finanzausgleichsabgabe ist jedoch mit dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 2 S. 3; 87 Abs.1 LVerf) nicht vereinbar. Die vom Gesetzgeber gewählten Veränderungen sind weder einzeln noch in Kombination in der Lage, den interkommunalen Finanzausgleich im Einklang mit der Landesverfassung zu gestalten.
{RN:11}
Die Berechnung der Finanzausgleichsumlage auf der Grundlage des eingeschränkten Nettoverfahrens ist für sich allein nicht geeignet, den Vorgaben aus dem Urteil des Landesverfassungsgerichts vom 13.06.2006 gerecht zu werden. Dies räumt die Landesregierung selber ein. Der Gesetzgeber hat daher diese Regelung dahin erweitert, dass er ab dem 01.01.2008 in § 16 Abs. 2 FAG eine Kürzung der Bemessungsgrundlage für die Kreisumlage um die Finanzausgleichsumlage vorgenommen hat. Er hat eine Kürzung der Steuerkraftmesszahl um die abzuführende Finanzausgleichsumlage als Berechnungsgrundlage für die Kreisumlage vorgenommen. Damit konnte im Ergebnis die Kreisumlagebelastung für die von der Finanzausgleichsumlage betroffene Beschwerdeführerin spürbar verringert werden. Um einen Eingriff in das Kreisumlagegefüge des betroffenen Landkreises abzumildern, hat der Gesetzgeber den Abzug der Finanzausgleichsumlage zugleich bei der Ermittlung der Umlagekraftmesszahl der Landkreise (§ 9 FAG) berücksichtigt. Damit vermindert sich nicht nur die Steuerkraftmesszahl als Bemessungsgrundlage der Kreisumlage, sondern auch als Bemessungsgrundlage für die Höhe der allgemeinen Zuweisungen für die Landkreise. Dies führt dazu, dass die Landkreise mit abundanten Gemeinden - wie der Burgenlandkreis -, die wegen einer höheren Umlagekraft an sich weniger allgemeine Zuweisungen erhalten, mehr erhalten. Da der Betrag der allgemeinen Zuweisungen des Landes an die Landkreise allerdings unverändert bleibt, führt dies anderseits aber dazu, dass die anderen Landkreise ohne abundante Gemeinden weniger allgemeine Zuweisungen erhalten.
Diese Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 1 FAG ist mit der Landesverfassung nicht vereinbar. Sie greift in verfassungsrechtlich nicht zulässiger Weise in die durch Art. 2 Abs. 3, 87 LVerf geschützte Finanzhoheit der Landkreise ein.
Die Landesregierung hält diese Eingriffe indes für gerechtfertigt, weil - wie dargelegt - die Landkreise mit abundanten Gemeinden mehr allgemeine Zuweisungen erhielten. Dies mag zutreffen. Da die Verluste nicht kompensiert, sondern nur abgemildert werden, lässt sich eine Anhebung der Hebesätze der Kreisumlage im Burgenlandkreis nicht vermeiden, wenn der Landkreis seine Aufgaben ohne Reduzierung erfüllen will. Auf die konkrete Höhe der Beeinträchtigung und das konkrete Ausmaß kommt es nicht an.
Darüber hinaus führt die Erhöhung der allgemeinen Zuweisungen bei den Landkreisen mit abundanten Gemeinden zu einer Kürzung der allgemeinen Zuwendungen bei allen anderen Landkreisen, da das Land seine allgemeinen Zuwendungen nicht erhöht hat. In die Finanzhoheit dieser Landkreise wird durch die „Abmilderung“ des Eingriffs in die Finanzhoheit der Landkreise mit abundanten Gemeinden eingegriffen, weil auch sie gezwungen sind, die Hebesätze ihrer Kreisumlage anzuheben, wenn sie ihre Aufgaben ohne Reduzierung erfüllen wollen. Auf die konkrete Höhe und das Ausmaß der Beeinträchtigung kommt es auch hier ebenso wenig an.
Bereits im Urteil vom 13.06.2006 (a. a. O.) hat das Landesverfassungsgericht ausgeführt, dass in die gleichwertig geschützte Finanzhoheit der Landkreise (Art. 87 Abs. 1 LVerf „Kommunen“ = auch Landkreise) durch die Erhebung der Finanzausgleichsumlage eingegriffen werde, wenn diese bei der ihnen allein eröffneten Finanzierungsmöglichkeit über eine Umlage deshalb zurücktreten müssen, weil das Land jedenfalls „abundante Gemeinden“ um des innergemeindlichen Finanzausgleichs willen „abschöpfen“ will. Genau dies geschieht, wenn der Gesetzgeber die zu leistende Finanzumlage in die Berechnung der Kreisumlage einbezieht. Eine aus der Landesverfassung herleitbare Rechtfertigung dafür besteht nicht. Insoweit kann nicht darauf verwiesen, dass die „abgeschöpften“ Mittel auf der kommunalen Ebene verbleiben. Dies mag für die Gemeindeebene zutreffen, gilt aber nicht für die Landkreise, da nicht diese, sondern nur die finanzschwachen Gemeinden in den Genuss der im innergemeindlichen Finanzausgleich abgeschöpften Gewerbesteuererträge der abundanten Gemeinden kommen. Art. 2 Abs. 3, 87 LVerf grenzt nicht nur den kommunalen von dem staatlichen Bereich ab, sondern schützt auch jede einzelne Kommune in ihrer Finanzhoheit. Die Landesverfassung versteht in Art. 87 LVerf unter dem Oberbegriff Kommune die Begriffe Gemeinden und Landkreise. Landkreise und Gemeinden stellen gleichwohl keine verfassungsrechtliche Einheit dar, sondern es ist vielmehr von der rechtlichen Eigenständigkeit jeder Ebene auszugehen. Insbesondere der Schutz der Finanzhoheit jeder Ebene muss separat gewährleistet bleiben. Auch die Finanzierungsregelungen im Finanzausgleichsgesetz trennen deshalb konsequent zwischen beiden Ebenen (LVerfG, Urt. v. 14.09.2004 – LVG 7/03 -; Kluth, Das kommunale Konnexitätsprinzip der Landesverfassungen, in: LKV 2009, S. 340).
Die Beschwerdeführerin kann sich auf diese Verletzung der Landesverfassung berufen. Zwar ergibt sich dies nicht schon daraus, dass die kommunale Verfassungsbeschwerde der objektiven Rechtskontrolle dient und deshalb auf der Ebene der Begründetheit die Verfassungsbeschwerde nicht auf die Vereinbarkeit der angegriffenen Vorschriften mit subjektiven Rechten beschränkt ist (vgl. Urt. des Gerichts v. 21.04.2008 – LVG 12/08 -). Die Beschwerdeführerin ist indes durch § 16 Abs. 2 und § 9 Abs. 1 FAG auch in eigenen subjektiven Rechten verletzt. Die Beschwerdeführerin kann sich möglicherweise nicht auf den Eingriff in die Finanzhoheit der Landkreise ohne abundante Gemeinden mangels subjektiver Betroffenheit berufen, wenn dieser Eingriff für sich allein gegeben wäre. Dies gilt nicht, soweit in die Finanzhoheit des Burgenlandkreises eingegriffen wird. Zwischen diesem Eingriff und dem Eingriff in die Finanzhoheit der anderen Landkreise besteht ein untrennbarer Zusammenhang. Der Burgenlandkreis muss die entstehende Deckungslücke, da er nicht über eigenständige Finanzierungsmittel verfügt, durch eine Erhöhung der Kreisumlage für alle Gemeinden und damit auch für die Beschwerdeführerin ausgleichen. Auf die Höhe und das Ausmaß der so entstehenden Belastung der Beschwerdeführerin kommt es dabei nicht an. Dies reicht aus, um die subjektive Betroffenheit der Beschwerdeführerin insoweit insgesamt zu begründen.
{RN:12}
§ 19a Abs. 3 S. 3 FAG, wonach die Verpflichtung zur Abführung der Finanzausgleichsumlage entfällt, soweit dies zur Sicherung einer angemessenen Finanzkraft der Gemeinde erforderlich ist, wenn die Verpflichtung zur Abführung der Abgabe zu einer unangemessenen Veränderung der Finanzkraft einer Gemeinde führt, ist keine den Anforderungen des Landesverfassungsgerichts im Urteil vom 13.06.2006 genügende Härtefallregelung.
Kernelement des Rechtsstaatsprinzips ist, dass alle materiellen Rechtsnormen mit Regelungsanspruch dem Rechtsunterworfenen gegenüber diesem die Möglichkeit einräumen, sein Verhalten auf die Rechtsnorm einzurichten (BVerfG, Beschl. v. 07.04.1964 – 1 BvL 12/63 - BVerfGE 17, 306 [314]). Schon nach allgemeinen rechtsstaatlichen Regeln verlangt der Bestimmtheitsgrundsatz, gesetzliche Tatbestände so präzise zu formulieren, dass ein Normadressat sein Handeln kalkulieren kann, weil die Folgen der Regelung für ihn voraussehbar und berechenbar sind. Dies bedeutet zwar nicht, dass die Norm überhaupt keine Auslegungsprobleme aufwerfen darf. Dem Bestimmtheitserfordernis ist vielmehr genügt, wenn diese mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können (BVerfG, Beschl. v. 27.11.1990 – 1 BvR 402/87 – BVerfGE 83, 130 [145]). Es muss aber verlangt werden, dass der Gesetzgeber wenigstens seinen Grundgedanken, das Ziel seines gesetzgeberischen Wollens vollkommen deutlich macht (BVerfG, Beschl. v. 07.04.1964, a. a. O., S. 314). Allen Bestimmtheitsanforderungen ist gemeinsam, dass der Grad der Bestimmtheit von den jeweiligen sachlichen Eigenarten des Regelungsgegenstandes abhängt: Stets sind Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG, 26.09.1978 - 1 BvR 525/77 – BVerfGE 49, 168, 181).
Diesen Anforderungen genügt § 19a Abs. 3 S. 3 FAG nicht. Wegen der Bedeutung für die Selbstverwaltungsgarantie bedürfen alle Maßnahmen des Finanzausgleichs in besonderer Weise einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage. Dies ergibt sich bereits aus Art. 87 LVerf. Zwar ist § 19 a Abs. 3 S. 3 FAG für die Finanzausgleichumlage eine gesetzliche Grundlage im Sinne von Art. 87 Abs. 1 LVerf, wonach die Selbstverwaltung nur durch gesetzliche Bestimmungen eingeschränkt werden darf. Die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung gilt um so mehr für die Erhebung einer interkommunalen Finanzausgleichsumlage in Bezug auf das Gewerbesteueraufkommen, bei der den einzelnen Gemeinden eine individuelle Erhaltens- und Behaltensgarantie durch Art. 106 Abs. 6 GG verbürgt ist (vgl. hierzu. Kluth, Umlagen nach Art. 106 S. 6 GG als Instrumente zwischengemeindlichen Finanzausgleichs, in: DÖV 1994, 456 ff. [464]). Nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts vom 13.06.2006 (a .a. O.) ist es gerade wegen der generalisierenden Berechnung erforderlich, dass das Gesetz selbst den denkbaren Ausnahmefall regelt oder wenigstens die Ermächtigung schafft, im Einzelfall der Grenzüberschreitung von der Erhebung der Finanzausgleichsabgabe abzusehen oder sie zu mildern. Zwar kann hingenommen werden, dass nicht jeder denkbare Einzelfall ausdrücklich im Gesetz selbst abstrahierend geregelt ist, dann aber muss eine hinreichende gesetzliche Regelung zur Handhabung von Ausnahmefällen vorhanden sein, um den Verfassungsverstoß zu vermeiden. Diesen Anforderungen wird § 19a Abs. 3 Satz 3 FAG nicht gerecht. Diese Vorschrift dient zwar erkennbar dem Ziel, der Neufassung des Gesetzes den Vorwurf zu ersparen, § 19a FAG verhindere nicht, dass eine Gemeinde unangemessen „abgeschöpft“ bzw. belastet wird. Das Fehlen einer solchen Ausnahmeregelung war der ausschlaggebende Grund für die Verfassungswidrigkeit des § 19a FAG LSA a. F. Ihr kommt daher eine entscheidende Bedeutung insofern zu, als sie zuverlässig die verfassungsrechtliche Grenze der konkreten Belastung für die Gemeinde definieren muss. Das wäre etwa bei einer Bestimmung der Fall, die mit klaren Zahlen und Tatbeständen verhindert, dass es zu unangemessenen weiteren Belastungen kommt. Nur dann, wenn bereits durch Voraussetzungen im Gesetz selbst - also nicht etwa nach einer mehr oder weniger „großzügigen“ Auslegung durch die Exekutive im Rahmen ihres Ermessens- oder Beurteilungsspielraums - feststeht, dass es nicht zu übermäßigen Belastungen der Finanzkraft der Gemeinden kommt, erfüllt der Gesetzgeber seine Aufgabe und verhindert das erneute oder fortdauernde Eintreten einer übermäßigen Belastung bzw. Nivellierung. Die Forderung, dass das Gesetz selbst die Voraussetzungen für die Erhebung der Finanzausgleichsabgabe zu regeln hat, ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Gemäß Art. 107 Abs. 2 S. 2 GG muss das nach Satz 1 zu erlassende Ausgleichsgesetz des Bundes - im insoweit vergleichbaren Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder – nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur die Voraussetzungen für die Ausgleichsansprüche der ausgleichsberechtigten Länder, sondern auch die für die Ausgleichsverbindlichkeiten der ausgleichsverpflichteten Länder sowie die Maßstäbe für die Höhe der Ausgleichsleistungen aufgrund gesetzlicher Vorgaben berechenbar und justiziabel festlegen. Das Bundesverfassungsgericht fordert bei dem insoweit vergleichbaren Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder nach Art. 107 Abs. 2 GG, dass der Gesetzgeber bei Maßstäben, die eine normative Wertung verlangen, z. B. die Gewichtung der Einwohnerzahl der Stadtstaaten, diese Wertungen selbst vorzunehmen hat (BVerfG, Urt. v. 27.05.1992 – 2 BvF 1,2/88, 1/89 und 1/90 – BVerfGE 86, 148 [240]). An anderer Stelle in derselben Entscheidung heißt es, dass der verfassungsgerichtlichen Kontrolle allein die Entscheidung des Gesetzgebers selbst unterliegt. Die Entscheidung des Gesetzgebers muss ihre Grundlage daher in „verlässlichen objektivierbaren Indikatoren“ finden (BVerfG, a. a. O., 241). Ansprüche und Verbindlichkeiten müssen somit für die Betroffenen jeweils schon aufgrund des Gesetzes berechenbar sein und dürfen nicht der Exekutive überlassen bleiben (vgl. Schneider, in: Alternativkommentar zum Grundgesetz, 3. Aufl., Art. 107, RdNr. 21 m. w. N.). Hinreichend bestimmt ist ein solches Gesetz aber nur, wenn für die betroffenen Gemeinden vorhersehbar ist, welche Belastungen sie exakt zu erwarten haben und ob die einzelnen Belastungs- und Ausnahmetatbestände auf sie zutreffen. Diesen Anforderungen genügt § 19a Abs. 3 S. 3 FAG nicht. Die Wirkung dieser unklaren Regelung wird auch dadurch verschärft, dass der Exekutive keinerlei Richtlinien vorgegeben werden, wie mit § 19a Abs. 3 S. 3 FAG umzugehen ist. In ihrer Stellungnahme zur Verfassungsbeschwerde hat die Landesregierung keinen gesetzlichen Maßstab oder auch nur einen Ansatzpunkt dafür, wie die „angemessene Belastung“ aus dem Gesetz heraus zu ermitteln ist, benannt. Dagegen lässt sich nicht einwenden, die Klausel könne durch Richterspruch auf verwaltungsgerichtliche Klage der Gemeinde hin hinreichend konkretisiert werden. Auch den Verwaltungsgerichten wird vom Gesetzgeber keinerlei Maßstab bereitgestellt, was eine „angemessene Belastung“ ist, die zur Rechtswidrigkeit des Abgabenbescheids führt. Solcher Kriterien bedarf es aber, wenn der Gesetzgeber den Bürger oder - wie hier - eine Gemeinde mit Abgaben belastet. Gesetzesbegriffe müssen, soweit dies praktisch möglich ist, die tatbestandliche Grenzziehung selbst leisten und dies nicht dem uneingeschränkten Ermessen des Rechtsanwenders oder den Gerichten überlassen. § 19a Abs. 3 S. 3 FAG gibt weder der Exekutive noch den Verwaltungsgerichten solche Maßstäbe an die Hand.
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Die von der Beschwerdeführerin weiter geltend gemachten Verfassungsverstöße, insbesondere der Verstoß gegen das Willkürverbot durch die Befreiung verschuldeter Gemeinden von der Erhebung einer Finanzausgleichsumlage, bedürfen keiner Erörterung, weil sich die Verfassungswidrigkeit des § 19a FAG bereits aus den anderen Gründen ergibt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 32 LVerfGG.
Gerichtskosten werden nicht erhoben (Absatz 1).
Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten ist anzuordnen (Absatz 3), weil bei der kommunalen Verfassungsbeschwerde eine dem § 2 Nr. 7 LVerfGG (vgl. dazu § 32 Abs. 2 LVerfGG) ähnliche Interessenlage existiert und weil es sich um besonders schwierige Rechtsfragen handelt, welche zu beurteilen der Gemeinde ohne rechtskundigen Rat nicht zugemutet werden kann.
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Das Gericht

Der Sitz des Landesverfassungsgerichts ist Dessau-Roßlau.