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Urteil des Gerichtes

Entscheidungsvorblatt

Aktenzeichen: LVG 48/10 Entscheidungsart: Urteil Entscheidung vom: 31.08.2011
Verfahrensart Kommunalverfassungsbeschwerde
entscheidungserhebliche Vorschriften
Schlagworte
Stichworte Urteil
Leitsatz ohne
Fundstellen -
Sonstiges -
Zitiervorschlag VerfGSA, Urteil vom 31.08.2011 - LVG 48/10 -,
www.verfassungsgericht-sachsen-anhalt.de

Urteil

in dem Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahren

LVG 48/10

31.08.2011

{T:wegen}

{T:des Gesetzes über die Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt betreffend den Landkreis Saalekreis}

{T:Tenor:}

Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1. wird zurückgewie-sen.
Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 2. wird verworfen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet

{T:Tatbestand:}

Mit den Verfassungsbeschwerden machen die Beschwerdeführer geltend, dass § 1 des Gesetzes über die Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt be-treffend den Landkreis Saalekreis – GemNeuglG SK – vom 08.07.2010 (GVBl. S. 417) nichtig, hilfsweise unvereinbar mit Art. 2 Abs. 3, Art. 87 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt – LVerf – vom 16.07.1992 (GVBl. S. 600 ff.) ist. Sie sind ferner der Auffassung, dass die §§ 7 Abs. 1 S. 1 und S. 2, 8 i.V.m. § 9 Abs. 1 und Abs. 4 S. 1 und 2 des Gesetzes zur Ausführung der Gemeindegebietsreform – GebRefAusfG – vom 08.07.2010, (GVBl. S. 406 ff.) nichtig, hilfsweise unvereinbar mit Art. 2 Abs. 1 – 3, Art. 87 Abs. 1, Art. 89 LVerf sind.

Die angegriffene Vorschrift des § 1 des GemNeuglG SK lautet wie folgt:

§ 1 Einheitsgemeinde Teutschenthal
Die Gemeinde Angersdorf wird in die Einheitsgemeinde Teutschenthal eingemeindet. Die einge-meindete Gemeinde wird aufgelöst.

Die angegriffenen Vorschriften der §§ 7 Abs. 1 S. 1 und S. 2, 8, 9 Abs. 1 und Abs. 4 S. 1, sowie 11 Abs. 1 des GebRefAusfG lauten wie folgt:

§ 7 Ortschaftsverfassung
(1) Fassen Gemeinden vor ihrer Auflösung einen Beschluss nach § 86 Abs. 1a der Gemeinde-ordnung, bilden die bisherigen Gemeinderäte der einzugemeindenden oder an der Gemeinde-neubildung beteiligten Gemeinden für den Rest der Wahlperiode die Ortschaftsräte. Für den eh-renamtlichen Bürgermeister der aufzulösenden Gemeinden gilt § 58 Abs. 1b der Gemeindeord-nung. […]

§ 8 Wahlen
(1) Soweit in diesem Gesetz oder einem Gesetz über die Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt keine besonderen Regelungen getroffen sind, finden auf Wahlen für Gebietsän-derungen nach den Gesetzen über die Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt die Regelungen der Gemeindeordnung, des Kommunalwahlgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt sowie der Kommunalwahlordnung für das Land Sachsen-Anhalt Anwendung.
(2) Die Neuwahl des Gemeinderates erfolgt nach den Maßgaben des XI. Teils des Kommunal-wahlgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt.
(3) Soweit aufgrund der Bildung von Einheitsgemeinden ein Bürgermeister oder eine Bürgermeis-terin neu zu wählen ist, erfolgt die Wahl nach den Maßgaben des XI. Teils des Kommunalwahlgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt.

§ 9 Erweiterung des Gemeinderates in aufnehmenden Gemeinden
(1) Findet bei gesetzlichen Eingemeindungen eine Neuwahl des Gemeinderates nicht statt, wird bis zur nächsten allgemeinen Neuwahl der Gemeinderat der aufnehmenden Gemeinde im Verhältnis zur Einwohnerzahl der eingemeindeten Gemeinde, mindestens jedoch um ein Gemeinde-ratsmitglied erweitert. Die Zahl der Mitglieder des Gemeinderates der aufnehmenden Gemeinde erhöht sich entsprechend.
(4) Wird ein Ortschaftsrat nach § 7 Abs. 1 oder nach § 86 Abs. 1a der Gemeindeordnung gebil-det, wählt dieser aus seiner Mitte eine oder mehrere Personen, die dem Gemeinderat der aufnehmenden Gemeinde bis zur nächsten allgemeinen Neuwahl angehören. […]

Die Beschwerdeführer sehen in diesen Vorschriften einen ungerechtfertigten Eingriff in das Recht auf kommunale Selbstverwaltung und rügen eine fehlerhafte Anhörung im Gesetzgebungsverfahren. So sei es unter anderem fehlerhaft, dass die Bürgeranhö-rung nicht in Angersdorf selbst sondern im Nachbarort Holleben durchgeführt worden sei. Das Wahllokal sei zudem nicht durch den hierfür zuständigen Bürgermeister der Beschwerdeführerin zu 1. bestimmt worden.

Sie sind der Auffassung, § 1 GemNeuglG SK sei schon deshalb verfassungswidrig, weil die Eingemeindung der Beschwerdeführerin zu 1. in die Einheitsgemeinde Teut-schenthal nicht durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sei. Der Gesetzgeber habe den Sachverhalt, den er seiner gesetzgeberischen Entscheidung zugrunde gelegt habe, nicht ordnungsgemäß ermittelt und darüber hinaus eine fehlerhafte Abwägungs-entscheidung getroffen. So fehle es am Nachweis, dass die Beschwerdeführerin zu 1. selbst wie auch das im Land bestehende Modell der Verwaltungsgemeinschaft nicht in der Lage gewesen seien, den Anforderungen an eine moderne Selbstverwaltung zu entsprechen. Die Schaffung einer großflächigen Einheitsgemeinde sei weder erforder-lich noch geeignet gewesen, um das Ziel des Gesetzgebers, leistungsfähige Gemein-den zu bilden, zu erreichen. Die Beschwerdeführerin zu 1. habe einen geordneten Haushalt; die Eingemeindung verschlechtere die wirtschaftliche Nutzung kommunaler Einrichtungen, behindere ehrenamtliches Engagement und sei unverhältnismäßig. Die demographischen Annahmen des Gesetzgebers träfen auf sie nicht zu. Die Einge-meindung der Beschwerdeführerin zu 1. in die Einheitsgemeinde Teutschenthal sei auch deshalb fehlerhaft, weil Alternativen einer anderweitigen Zuordnung nicht geprüft worden seien. So sei eine Eingemeindung in die Stadt Halle nicht erwogen worden. Bei seiner Entscheidung zur Neugliederung habe der Gesetzgeber zudem den Gleich-heitssatz nicht hinreichend beachtet.

Die Regelungen des § 7 Abs. 1 S. 1 und 2 und des § 8 i.V.m. § 9 Abs. 1 GebRefAusfG würden sie in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 2 Abs. 3, 87 Abs. 1 LVerf beeinträchtigen. Die von der Beschwerdeführerin zu 1. delegierten Ge-meinderäte würden unter Verletzung der Volkssouveränität nur mittelbar durch den Ortschaftsrat gewählt, weshalb deren demokratische Legitimation nicht ausreichend sei. Die angegriffenen Regelungen verstießen gegen die Wahlgrundsätze des Art. 89 LVerf und schränkten das Demokratieprinzip ohne ausreichende Rechtfertigung in unzulässiger Weise ein. Die angeordnete Erweiterung des Gemeinderats der Ein-heitsgemeinde Teutschenthal missachte willkürlich die bei der letzten Kommunalwahl getroffene Wahlentscheidung und verstoße gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl. Die von der Beschwerdeführerin zu 1. in den Gemeinderat der aufnehmen-den Gemeinde entsandten Vertreter hätten zudem keine demokratische Legitimation durch die Bürger der aufnehmenden Einheitsgemeinde Teutschenthal, aus dem der Großteil der Einwohner der neu zusammen geschlossenen Einheitsgemeinde komme.

Die Entscheidung des Gesetzgebers, nach der Eingemeindung von einer Neuwahl des Gemeinderats abzusehen und stattdessen zwei mit einer minderen Legitimation aus-gestattete Vertreter der Beschwerdeführerin zu 1. in den Gemeinderat der Einheitsge-meinde Teutschenthal zu entsenden, sei ferner unverhältnismäßig. Es habe sich statt-dessen bei den von einer Neugliederung betroffenen Gemeinden eine Verbindung von Kommunalwahlen mit der im März 2011 abgehaltenen Landtagswahl angeboten. Der jetzige Zeitraum von ca. 42 Monaten zwischen Wirksamwerden der Neugliederung und der nächsten allgemeinen Kommunalwahl sei unangemessen lang und mit dem Demo-kratieprinzip und den Wahlrechtsgrundsätzen nicht vereinbar.



Die Beschwerdeführer beantragen,

1.§ 1 GemNeuglG SK für nichtig,
hilfsweise für unvereinbar mit der Garantie des kommunalen Selbstverwal-tungsrechts aus Art. 2 Abs. 3, Art. 87 Abs. 1 LVerf zu erklären.

2.§ 7 Abs. 1 S.1 und S. 2 GebRefAusfG für nichtig,
hilfsweise für unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Unmittel-barkeit der Kommunalwahl aus Art. 2 Abs. 1 – 3, Art. 87 Abs. 1, Art. 89 LVerf zu erklären.

3.§ 8 i.V.m. § 9 Abs. 1 und Abs. 4 S. 1 GebRefAusfG für nichtig,
hilfsweise für unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Unmittel-barkeit der Kommunalwahl aus Art. 2 Abs. 1 – 3, Art. 87 Abs. 1, Art. 89 LVerf zu erklären.

4.Die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer anzuordnen.

Die Landesregierung hat zu den Verfassungsbeschwerden mit Schriftsatz vom 03.12.2010 Stellung genommen. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 2. sei bereits unzulässig. Dem Beschwerdeführer zu 2. fehle die Fähigkeit zur Erhe-bung einer kommunalen Verfassungsbeschwerde. Die Beschwerde der Beschwerde-führerin zu 1. sei nur hinsichtlich des Antrags zu 1. zulässig, im Übrigen unzulässig.

Hinsichtlich des Antrags zu 2. sei die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da der Inhalt der Beschwerdeschrift keine substantiierte Begründung einer möglichen Rechtsverlet-zung erkennen lasse und es der Beschwerdeführerin zu 1. auch nicht gestattet sei, et-waige Rechte ihrer Mandatsträger als eigene geltend zu machen.

Auch der Antrag zu 3. sei nicht hinreichend begründet worden. Es werde aus dem In-halt der Beschwerdeschrift nicht hinreichend klar, wessen Rechte die Beschwerdefüh-rerin zu 1. hier geltend mache. Sollte sie Rechte des Bürgermeisters oder des Ge-meinderats geltend machen wollen, sei ihr dies versagt. Soweit sie Wahlrechte ihrer Einwohner geltend machen wolle, stünden diese nicht ihr sondern den wahlberechtig-ten Bürgerinnen und Bürgern zu.

Der Antrag zu 1. der Beschwerdeführerin zu 1. sei unbegründet. Die Regelung des § 1 GemNeuglG SK stelle keinen willkürlichen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Beschwerdeführerin dar und sei durch Gemeinwohlgründe gerechtfertigt.

Selbst wenn der Antrag zu 3. der Beschwerdeführerin zu 1. als zulässig erachtet wer-de, verstießen die Regelungen des § 9 Abs. 1 und Abs. 4 S. 1 GebRefAusfG nicht ge-gen das die kommunale Selbstverwaltung ausgestaltende Demokratiegebot. Die ange-griffenen Regelungen stellten einen sachgerechten Kompromiss zwischen der Beach-tung der Wahlrechtsgrundsätze und dem Repräsentationsgebot dar und würden für die Übergangszeit bis zur nächsten allgemeinen Kommunalwahl eine ausreichend demo-kratisch legitimierte Repräsentation der Einwohner der Beschwerdeführerin zu 1. ge-währleisten.

Der Landtag hat sich nicht geäußert.


{T: Entscheidungsgründe:}

Die kommunale Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 2. ist unzulässig

Die kommunale Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1. ist teilweise unzulässig ;soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet.

{RN:1} Die kommunale Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 2. ist unzuläs-sig. Dem Beschwerdeführer fehlt die Beschwerdefähigkeit. Gemäß Art. 75 Nr. 7 LVerf, §§ 2 Nr. 8, 51 Abs. 1 Landesverfassungsgerichtsgesetz – LVerfGG – vom 23.08.1993 (GVBl. S. 441 ff.), zuletzt geändert durch Gesetz vom 05.11.2009 (GVBl. S. 525 f.), steht ausschließlich den Kommunen und Gemeindeverbänden das Recht zu, vor dem Landesverfassungsgericht eine kommunale Verfassungsbeschwerde mit der Behaup-tung zu erheben, durch ein Landesgesetz in ihrem Recht auf Selbstverwaltung nach Art. 2 Abs. 3, Art. 87 Abs. 1 LVerf verletzt zu sein.

{RN:2} Soweit der Beschwerdeführer zu 2. der Auffassung ist, er sei als Teil eines Organs der Beschwerdeführerin zu 1. ebenfalls befugt, Kommunalverfassungsbeschwerde zu er-heben, weil die Beschwerdeführerin zu 1. durch ihre Organe überhaupt erst handlungs-fähig sei, ist dies unzutreffend. Dieser Rechtsauffassung steht der eindeutige Wortlaut des Art. 75 Nr. 7 LVerf und der §§ 2 Nr. 8, 51 Abs. 1 LVerfGG entgegen (LVerfG,
Beschl. v. 28.06.2010 – LVG 3/10 –, http:/lverfg.justiz.sachsen-anhalt.de, RdNr. 3 des Internetauftritts).

Die mit dem Antrag zu 2. erhobene Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1. ist unzulässig.

{RN:3} Die Beschwerdeführerin zu 1. hat zu ihrem Antrag zu 2. keine Tatsachen vorgetragen, die eine eigene Beschwer als möglich erscheinen lassen. Sie behauptet, durch § 7 Abs. 1 S. 1 und 2 GebRefAusfG in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1 bis 3, Art. 87 Abs. 1 und Art. 89 LVerf verletzt zu sein. Zwar wird Art. 89 LVerf nicht als rüge-fähiges Recht in Art. 75 LVerf, §§ 2 Nr. 8, 51 Abs. 1 LVerfGG genannt. Das Demokra-tiegebot ist jedoch bei der organisatorischen Ausgestaltung der Zusammensetzung des Gemeinderats zu berücksichtigen, weil es das verfassungsrechtliche Bild der Selbst-verwaltung mitbestimmt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.10.1994 – 2 BvR 445/91 –,
BVerfGE 91, 228, [242]).

{RN:4} Allerdings hat die Beschwerdeführerin zu 1. über ihre bloße Behauptung hinaus keine Tatsachen vorgetragen, die eine eigene Beschwer als möglich erscheinen lassen. Sie hat insbesondere nicht dargetan, wie die von ihr selbst eingeführte Ortschaftsverfas-sung zu einer Beeinträchtigung des Demokratiegebots führen soll. Die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 1 und 2 GebRefAusfG ermöglicht den bisherigen Gemeinderäten ein-schließlich des Beschwerdeführers zu 2. und dem Bürgermeister bis zum Ende der Wahlperiode als Ortschaftsräte tätig zu sein. Diese Regelung gewährt damit Rechte, die im Fall der Auflösung einer Gemeinde für diese sonst nicht bestünden. Insofern fehlt es an einer Beschwer. Die für den „neuen Ortsteil Angersdorf“ eingeführte Ort-schaftsverfassung könnte allenfalls Rechte der aufnehmenden Einheitsgemeinde Teut-schenthal beeinträchtigen. Deren Rechte kann die Beschwerdeführerin zu 1. jedoch nicht geltend machen.

{RN:5} Die Beschwerdeführerin zu 1. ist zudem nicht befugt, etwaige Rechte ihres Bürger-meisters oder ihrer Gemeinderäte stellvertretend oder als eigene Rechte geltend zu machen. Das Recht zur Erhebung einer kommunalen Verfassungsbeschwerde besteht nur dann und so weit, als durch eine gesetzgeberische Maßnahme in die Selbstverwal-tungsgarantie einer Gemeinde selbst eingegriffen wird. Etwaige Rechte ihres Bürger-meisters oder des Gemeinderats gehören nicht zu der Organisationshoheit der Be-schwerdeführerin zu 1. und damit nicht zu ihrer Selbstverwaltungsgarantie. Die Be-schwerdeführerin zu 1. ist deshalb im Hinblick auf die Rechte ihres Bürgermeisters o-der ihrer Gemeinderäte nicht selbst betroffen und deswegen nicht beschwerdebefugt (vgl. auch zuletzt LVerfG, Urt. v. 20.01.2011 – LVG 27/10 –, RdNr. 2 des Internetauf-tritts; Beschl. v. 28.06.2010 – LVG 3/10 –, RdNr. 3 des Internetauftritts). Aus dem ge-meindlichem Selbstverwaltungsrecht folgt kein allgemeiner Anspruch der Gemeinde auf verfassungskonformes Handeln des Gesetzgebers (vgl. LVerfG, Urt. v. 10.05.2011 – LVG 47/10 –, RdNr. 1 a.E. des Internetauftritts).

{RN:6} Hinsichtlich des Antrags zu 3. ist bereits fraglich, ob die Beschwerdeführerin zu 1. in eigenen Rechten verletzt ist. Dies kann dahinstehen, weil die Regelungen zur Ent-sendung von Mitgliedern des Gemeinderats der aufgelösten Gemeinde in den Ge-meinderat der aufnehmenden Gemeinde aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu be-anstanden sind. Entsprechend hat das Landesverfassungsgericht bereits in seinem Ur-teil vom 20.01.2011 (LVerfG, Urt. v. 20.01.2011 – LVG 22/10 –, Leitsatz 3 des Inter-netauftritts) entschieden: „Ordnet der Gesetzgeber für den Fall der Eingemeindung kleinerer Gemeinden keine Neuwahlen an, so muss ihm aus dem Blickwinkel des Art. 89 LVerf zugebilligt werden, dass er sich anstelle des bloßen Unterlassens von Neu-wahlen für eine Zwischenlösung in Gestalt einer Entsenderegelung entscheidet, mit der er vermeidet, dass sich die neu hinzugekommenen Einwohner im Gemeinderat selbst nicht repräsentiert sehen. Er erreicht damit zumindest einen Zustand, der dem Verfas-sungsgebot des Art. 89 LVerf näher kommt als es völlige Untätigkeit wäre. Dass er damit das Verfassungsgebot nicht vollkommen verwirklicht, kann für eine Übergangs-zeit hingenommen werden.“

{RN:7} Soweit die Beschwerdeführerin zu 1. mit ihrem Antrag zu 1. geltend macht, § 1 GemNeuglG SK verletze sie in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 3‚ Art. 87 Abs. 1 –3 LVerf, ist die kommunale Verfassungsbeschwerde zulässig.

{RN:8} Das Landesverfassungsgericht ist zur Entscheidung über die kommunale Verfas-sungsbeschwerde berufen (vgl. dazu im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen: LVerfG, Urt. v. 31.05.1994 – LVG 2/93 –, LVerfGE 2, 227, [245 f.]; Urt. v. 31.05.1994 – LVG 1/94 –, LVerfGE 2, 273, [289 f.]; Urt. v. 31.05.1994 – LVG 4/94 –, LVerfGE 2, 323, [334 f.]).

{RN:9} Soweit eine Verletzung des durch Art. 2 Abs. 3 und 87 LVerf garantierten Selbstverwal-tungsrechts behauptet wird, handelt es sich um eine kommunale Verfassungsbe-schwerde im Sinne des Art. 75 Nr. 7 LVerf und der §§ 2 Nr. 8, 51 LVerfGG. Diese Be-stimmungen berechtigen die Kommunen, gegen Eingriffe in ihr Selbstverwaltungsrecht durch ein Landesgesetz das Landesverfassungsgericht anzurufen. Nach § 51 Abs. 1 LVerfGG können Kommunen die Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung erhe-ben, durch ein Landesgesetz in ihrem Recht auf Selbstverwaltung nach Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 LVerf verletzt zu sein. Gemäß § 51 Abs. 2 LVerfGG gelten die Vorschriften der §§ 48 bis 50 LVerfGG entsprechend. Nach § 49 LVerfGG sind in der Begründung der Verfassungsbeschwerde, welche nach § 16 Abs. 1 S. 2 LVerfGG erforderlich ist, das Recht, das verletzt sein soll, und die Gesetzesvorschrift, durch die sich die Be-schwerdeführerin unmittelbar verletzt sieht, zu bezeichnen. Die Zulässigkeit einer kommunalen Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz setzt voraus, dass die Be-schwerdeführerin zu 1. selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die angegriffenen Rechtsnormen in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt ist (BVerfG, Urt. v. 15.10.1985 – 2 BvR 1808/82, 2 BvR 1809/82, 2 BvR 1810/82 –, BVerfGE 71, 25, [34 ff.]; BVerfG, Beschl. v. 19.11.2002 – 2 BvR 329/97 –, BVerfGE 107, 1 [8]; Magen, in: Um-bach/Clemens/Dollinger [Hrsg.], Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2005, § 91, RdNr. 18). Die angegriffene Norm greift unmittelbar und gegenwärtig in das Selbstver-waltungsrecht der Beschwerdeführerin zu 1. ein, ohne dass es eines weiteren angreif-baren Umsetzungsakts bedarf. Durch die angegriffene Regelung wird die Beschwerde-führerin zu 1. unmittelbar in ihrer rechtlichen Existenz aufgelöst.

{RN:10} Die sonstigen formellen Bestimmungen sind eingehalten; insbesondere ist die Jahres-frist des § 48 LVerfGG gewahrt.

{RN:11} Soweit die kommunale Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1. zu-lässig ist, ist sie nicht begründet.

{RN:12} Der Einwand der Beschwerdeführerin zu 1., die Bürgeranhörung sei fehlerhaft durchgeführt worden, ist unbegründet. Der Landesgesetzgeber war nicht verpflichtet, die Einwohner der Beschwerdeführerin zu 1. zu den Änderungen des Entwurfs des Zweiten Begleitgesetzes zur Gebietsreform anzuhören.
Nach Art. 90 S. 2 LVerf setzt eine Gebietsänderung von Gemeinden eine Anhörung der betroffenen Gemeinden und deren Einwohner voraus, zu der das Nähere ein Gesetz regelt (vgl. dazu, LVerfG, Urt. v. 21.04.2009 – LVG 12/08 –, RdNr. 11 ff. des Internet-auftritts; LVerfG, Urt. v. 31.05.1994 – LVG 2/93 –, RdNr. 248 des Internetauftritts). Die diese verfassungsrechtlichen Vorgaben umsetzende Regelung des § 17 Abs. 2 S. 3 der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt in der Fassung der Bekanntma-chung vom 10.09.2009 (GVBl. S. 383 f.), zuletzt geändert durch § 20 Abs. 1 StiftungsG LSA vom 20.01.2011 (GVBl. S. 14), – GO LSA bezieht die Anhörungspflicht auf die Bürger, die im unmittelbar betroffenen Gebiet wohnen. Die damit verbundene Be-schränkung des Kreises der anzuhörenden Personen auf die Träger politischer Mitwir-kungsrechte, die Bürger (§ 20 Abs. 2 GO LSA), ist durch die aus Art. 90 S. 2 LVerf fol-gende Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt. Diesem verfassungsrecht-lich gewährleisteten Anhörungserfordernis ist der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des GemNeuglG SK ausreichend nachgekommen.

Auf der Grundlage des Referentenentwurfs, in dessen Begründung die dem Neugliede-rungsvorhaben zugrunde liegenden Erwägungen im Einzelnen niedergelegt waren, wurde die Beschwerdeführerin zu 1. über den wesentlichen Inhalt der Neugliederung in Kenntnis gesetzt. Sie hatte Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 30.11.2009 hat sie rechtliche Bedenken gegen ihre geplante Eingemeindung und Gründe für ihren Fortbestand vorgebracht. Die Beschwerdeführerin zu 1. wurde zudem durch den Ausschuss für Inneres erneut angehört und hat hier mündlich Stellung ge-nommen (APr INN, 72. Sitzung am 06.05.2010, S. 121 -122).

{RN:13} Auch die von Verfassungs wegen gebotene Anhörung der Einwohner der Beschwerde-führerin zu 1. ist in nicht zu beanstandender Weise durchgeführt worden. Die Bürgerin-nen und Bürger der Beschwerdeführerin zu 1. sind durch Bekanntmachung vom 25.09.2009 davon unterrichtet worden, dass der Referentenentwurf eines Gesetzes über die Neugliederung der Gemeinden in Sachsen-Anhalt betreffend den Landkreis Saalekreis während der allgemeinen Öffnungszeiten der Verwaltungsgemeinschaft zur Einsichtnahme bereit liegt und am 29.11.2009 eine Bürgeranhörung zu der nach dem Referentenentwurf vorgesehenen Eingemeindung der Beschwerdeführerin zu 1. in die Einheitsgemeinde Teutschenthal durchgeführt wird. Bereits zu diesem Zeitpunkt sah der Regierungsentwurf in § 1 GemNeuglG SK die Eingemeindung der Beschwerdefüh-rerin zu 1. in die Einheitsgemeinde Teutschenthal vor. Diese Vorschrift ist im nachfol-genden Gesetzgebungsverfahren nicht verändert worden. Einer erneuten Bürgeranhö-rung bedurfte es deshalb nicht.
Die hinsichtlich der Durchführung der Bürgeranhörung vom 29.11.2009 vorgebrachten rechtlichen Bedenken in Bezug auf die fehlende Bestimmung des Wahllokals durch den Bürgermeister der Beschwerdeführerin zu 1. und die Durchführung der Anhörung im Nachbarort Holleben sind unbegründet. Bei Gebietsänderungen gegen den Willen der beteiligten Gemeinden richtet sich das Verfahren der nach Art. 90 S. 2 LVerf not-wendigen Anhörung der Einwohner nach § 17 Abs. 2 GO LSA. Diese Regelung geht der Regelung des § 55 S. 7 Kommunalwahlgesetz des Landes Sachsen-Anhalt in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.02.2004 (GVBl. S. 92 ff.), zuletzt geändert durch Art. 5 BegleitG zur Gemeindegebietsreform vom 14.02.2008 (GVBl. S. 40 [48]), – KWG LSA – vor (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 18.12.2009 – 4 M 337/09 –, RdNr. 5, zitiert nach juris). Wie sich aus Wortlaut und Regelungszusammenhang des Kommunalwahlgesetzes ergibt, stellt § 55 KWG LSA die allgemeine verfahrensrechtli-che Regelung für die Anhörung von Bürgern bei Gebietsänderungen dar. Demgegen-über bezieht sich § 17 Abs. 2 GO LSA allein auf Gebietsänderungen gegen den Willen der beteiligten Gemeinden (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, a.a.O., m.w.N.). Nach § 17 Abs. 2 S. 4 GO LSA obliegt den Gemeinden die Anhörung der Bürger als Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises. Da die Beschwerdeführerin zu 1. zum Zeitpunkt der Durchführung der Anhörung Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft Würde/Salza war und es sich um eine Gebietsänderung gegen ihren Willen handelte, war die Ver-waltungsgemeinschaft für die Durchführung der Anhörung in eigener Verantwortung und aufgrund eigener Zuständigkeit verantwortlich (§ 77 Abs. 6 und Abs. 7 GO LSA). Insofern oblag nach § 16 Abs. 2 KWG LSA dem Leiter der Verwaltungsgemeinschaft – und nicht dem Bürgermeister der Beschwerdeführerin zu 1. – die Bestimmung des Wahllokals. Auf die Stimmabgabe in diesem Wahllokal waren die Einwohner der Be-schwerdeführerin zu 1. bereits ausreichende Zeit vor der Anhörung hingewiesen wor-den. Durch die Verlegung des Wahllokals in den unmittelbar angrenzenden Ortsteil der Gemeinde Teutschenthal, Holleben, wurde die Möglichkeit der Einwohner der Be-schwerdeführerin zu 1., an der Bürgeranhörung teilzunehmen, auch nicht in unzumut-barer Weise eingeschränkt. Die Entfernung zwischen Angersdorf und Holleben beträgt ca. 2 km und ist damit fußläufig zu erreichen.

{RN:14} Die von der Beschwerdeführerin zu 1. angeführten Änderungen im Bereich der Ort-schaftsverfassung, die ihrer Auffassung nach eine erneute Anhörung der Einwohner der Beschwerdeführerin zu 1. erforderlich gemacht hätten, betreffen den Entwurf des Zweiten Begleitgesetzes zur Gemeindegebietsreform. Ein einheitlicher Anhörungsan-spruch der Einwohner der Beschwerdeführerin zu 1. zu dem GemNeuglG SK und dem Zweiten Begleitgesetz zur Gemeindegebietsreform besteht nicht. Das GemNeuglG SK und das Zweite Begleitgesetz zur Gemeindegebietsreform beruhen auf eigenständigen Gesetzesinitiativen mit unterschiedlichen Gesetzgebungsgründen und - zielen. Beide Gesetze begründen jeweils für sich ein eigenständiges Gesetzgebungsverfahren. Die Frage des verfassungsrechtlichen Anhörungsanspruchs ist dabei für jedes Gesetzge-bungsverfahren gesondert zu beurteilen. Nach Art. 90 LVerf war der Gesetzgeber nur verpflichtet, die Beschwerdeführerin zu 1. und ihre Einwohner zu dem Entwurf des GemNeuglG SK anzuhören. Allein dieser Gesetzentwurf sah eine Gebietsänderung durch Auflösung der Beschwerdeführerin zu 1. sowie deren Eingemeindung in die Ein-heitsgemeinde Teutschenthal vor; der Gesetzentwurf zum Zweiten Begleitgesetz zur Gemeindegebietsreform dagegen nicht.

{RN:15} Es besteht kein über Art. 90 S. 2 LVerf hinausgehender Anspruch einer einzelnen Ge-meinde oder von deren Einwohnern auf Anhörung im Gesetzgebungsverfahren. Nach der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts kann Art. 90 LVerf über seinen Wortlaut hinaus nicht entsprechend auf eine Gruppe „schwerer Eingriffe“ ausgedehnt werden. Bei der Anhörungspflicht des Art. 90 LVerf handelt es sich um eine Sonderre-gelung für die Gebietsreformen, die der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-richts zu dieser Problematik Rechnung trägt (LVerfG, Urt. v. 25.04.2007 – LVG 6/06 –, RdNr. 63 des Internetauftritts; Urt. v. 21.04.2009 – LVG 12/08 –, RdNr. 12 des Inter-netauftritts).

{RN:16} Auch aus der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 2 Abs. 3 und 87 Abs. 1 LVerf in Ver-bindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 2 Abs. 1 LVerf kann vorliegend keine Pflicht zur Anhörung hergeleitet werden. Eine solche Pflicht bestünde allenfalls bei Vor-liegen eines planerischen Einschlags, wie er etwa bei einer durch Gesetz vollzogenen flächendeckenden Gebietsreform auf Kreisebene anzunehmen ist. Auch bei überörtli-chen administrativen Planungen kann sich – nach der Rechtsprechung des Bundesver-fassungsgerichts – ein Anspruch einer Kommune auf Anhörung nur dann ergeben, wenn sich aus dem Planungsakt konkrete Einwirkungen auf die Selbstverwaltung ein-zelner Gemeinden ergeben können und den betroffenen Gemeinden hierdurch im Ver-gleich zu anderen Gemeinden ein Sonderopfer auferlegt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.10.1980 – 2 BvR 584, 598, 599, 604/76 –, BVerfGE 56, 298 [320]; LVerfG, Urt. v. 25.04.2007 – LVG 6/06 –, RdNr. 63 des Internetauftritts; LVerfG Urt. v. 21.04.2009 – LVG 12/08 –, RdNr. 13 des Internetauftritts). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Das Zweite Begleitgesetz zur Gemeindegebietsreform enthält keine planerischen Elemente für die konkrete gesetzliche Neugliederung einer Gemeinde sondern die ge-meinsamen Ausführungsvorschriften für den Vollzug und den Abschluss der Gemein-degebietsreform.

{RN:17} Zu Unrecht rügt die Beschwerdeführerin zu 1. die Überführung ihres Gemeinde-rates in einen Ortschaftsrat als Verletzung ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechts. Das Verfassungsrecht der Beschwerdeführerin zu 1. auf Selbstverwaltung umfasst zwar grundsätzlich auch einen Bestandsschutz ihrer gewählten Organe für die Dauer ihrer Wahlperiode. Es verbietet dem Gesetzgeber sie aufzulösen, wenn dies nicht aus sonstigen gewichtigen Gründen des öffentlichen Wohls geboten ist (BayVerfGH, Urt. v. 16.05.1972 – Vf. 71-VII-71 –, BayVBl. 1972, 326 f.; VerfGH NW, Urt. v. 30.06.1976 – VerfGH 29/76 –, OVGE MüLü 31, 316 ff.). Einer solchen Auflösung ist die hier vorge-nommene Überführung ihrer Hauptorgane in ein Mitwirkungsorgan „mit geminderten Kompetenzen“ (Ortschaftsrat) grundsätzlich gleich zu stellen.

{RN:18} Rechtfertigende Gründe liegen hier aber sowohl für die Auflösung der Beschwerdefüh-rerin zu 1. als auch für die Überführung ihrer gewählten Organe in Ortschaftsräte vor. Der Gesetzgeber war zum Erlass des GemNeuglG SK im Rahmen der von ihm ange-strebten Gemeindegebietsreform befugt, weil es auf Gemeinwohlgesichtspunkte im Sinne von Art. 90 LVerf gestützt ist und den Gemeinwohlanforderungen der Art. 2 Abs. 3, 87 LVerf entspricht.

{RN:19} Der Gesetzgeber hat bei seiner Entscheidung über die Neugliederung und damit die Eingemeindung der Beschwerdeführerin zu 1. in die Einheitsgemeinde Teutschenthal die Kriterien des § 2 des Gesetzes über die Grundsätze der Neugliederung der Ge-meinden im Land Sachsen-Anhalt v. 14.02.2008 (GVBl. S. 40) – GemNeuglGrG – zur Schaffung leistungsfähiger Einheitsgemeinden eingehalten und das kommunale Selbstverwaltungsrecht der Beschwerdeführerin zu 1. im erforderlichen Umfang be-rücksichtigt.

{RN:20} Welche Gemeinwohlgründe der Gesetzgeber mit der Gemeindegebietsreform verfolgt, legt § 1 Abs. 1 GemNeuglGrG fest. Danach geht es insbesondere um die Schaffung zukunftsfähiger gemeindlicher Strukturen, die in der Lage sind, die eigenen und über-tragenen Aufgaben dauerhaft, sachgerecht, effizient und in hoher Qualität zu erfüllen.

{RN:21} Das Landesverfassungsgericht überprüft die getroffene Maßnahme, hier die Einge-meindung der Beschwerdeführerin zu 1. in die Einheitsgemeinde Teutschenthal, nur darauf, ob der Gesetzgeber den für seine Regelung maßgeblichen Sachverhalt voll-ständig und zutreffend ermittelt, dem Gesetz zugrunde gelegt hat und ob die ange-sprochenen Gemeinwohlgründe und die Vor- und Nachteile der gesetzlichen Regelung in den Abwägungsvorgang Eingang gefunden haben. Ziele, Wertungen und Prognosen sind dabei verfassungsrechtlich nur zu beanstanden, wenn und soweit sie offensicht-lich fehlerhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der verfassungsmäßigen Ordnung widersprechen (LVerfG, Urt. v. 31.05.1994 – LVG 4/94 –, LVerfGE, 2, 323 [338] m.w.N. zur Rspr. d. BVerfG; LVerfG, Urt. v. 21.04.2009 – LVG 12/08 –, RdNr. 21 des Internet-auftritts).

{RN:22} Das Abwägungsergebnis muss ferner dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt jedoch nur in seiner durch legislatori-sche Beurteilungs- und Prognosespielräume relativierten Geltungskraft zur Anwen-dung. Hat der Gesetzgeber sich an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung des erreichbaren Materials orientiert, so ist seine Prognose im Hinblick auf Eignung und Erforderlichkeit der Maßnahme, aber auch hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne – abgesehen von Fällen evident fehlerhafter Einschätzung – als vertret-bar anzusehen. Auch gebietet das Verhältnismäßigkeitsprinzip im Staatsorganisations-recht nicht, wie bei Grundrechtseingriffen, die Anwendung des mildesten Mittels. Das Verfassungsgericht hat bei kommunalen Neugliederungsmaßnahmen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit daher nicht zu prüfen, ob eine andere als die vom Gesetzgeber gewählte Lösung besser oder zweckmäßiger gewesen wäre (LVerfG, Urt. v. 21.04.2009 – LVG 12/08 –, RdNr. 25 des Internetauftritts m.w.N.).

{RN:23} Gemessen an den zuvor dargestellten Anforderungen wird die mit der kommunalen Verfassungsbeschwerde angegriffene Regelung des § 1 GemNeuglG SK den Art. 2 Abs. 3, Art. 87 Abs. 1 - 3 LVerf gerecht. Der Gesetzgeber hat bei seiner Ent-scheidung über die Neugliederung und die Eingemeindung der Beschwerdeführerin zu 1. in die Einheitsgemeinde Teutschenthal die Kriterien des § 1 GemNeuglGrG zur Schaffung leistungsfähiger Einheitsgemeinden eingehalten und das kommunale Selbstverwaltungsrecht der Beschwerdeführerin zu 1. im erforderlichen Umfang be-rücksichtigt. Der Abwägungsvorgang, der zur Verabschiedung des GemNeuglG SK ge-führt hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

{RN:24} Der für die Entscheidung erhebliche Sachverhalt ist vom Landesgesetzgeber vollständig und zutreffend ermittelt worden.

Zur Bestimmung der Tatsachen, die im Hinblick auf den Zweck der Neugliederungs-maßnahme als Leitbilder und Leitlinien entscheidungserheblich sein konnten, standen dem Gesetzgeber die von der Landesregierung erhobenen und in der Begründung ih-res Gesetzentwurfs dargestellten Informationen zur Verfügung (LT-Drs. 5/2408, S. 61 ff.). Hierzu zählen u.a. die Einwohnerzahlen der Beschwerdeführerin zu 1. Be-achtet wurde insbesondere, dass bis auf die Beschwerdeführerin zu 1. alle übrigen Mitgliedsgemeinden der ehemaligen Verwaltungsgemeindschaft Würde/Salza in der freiwilligen Phase der Gemeindegebietsreform bereits eine kommunale Neugliederung vollzogen und zum 01.01.2010 eine Einheitsgemeinde gebildet haben. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber eigene Sachverhaltsermittlungen durchgeführt. Die Beschwerde-führerin zu 1. hat in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 30.11.2009 (vgl. Vorlage 5/2409, S. 33 ff.) sowie durch die Ausführungen ihres Bürgermeisters in der mündli-chen Anhörung vor dem Ausschuss für Inneres am 06.05.2010 (APr INN, 72. Sitzung am 06.05.2010, S. 121 -122) die Umstände dargestellt, die aus ihrer Sicht gegen die geplante Neugliederungsmaßnahme und für den Erhalt ihrer Selbständigkeit sprechen.

{RN:25} Die Beschwerdeführerin zu 1. bleibt deshalb mit ihrer pauschalen Behauptung, der Gesetzgeber habe die für seine Entscheidung erheblichen Tatsachen nicht ordnungsge-mäß ermittelt, erfolglos. Es ist von ihr weder vorgetragen worden noch sonst ersicht-lich, welche weiteren Tatsachen der Gesetzgeber in seine Entscheidungsfindung hätte aufnehmen sollen.

{RN:26} Erfolglos bleibt die Beschwerdeführerin zu 1. ferner mit ihrer Rüge, der gesetzgeberi-sche Abwägungsvorgang sei nicht erkennbar. Die Verfassung verlangt nicht, dass der Gesetzgeber eine formelle Rechtfertigung seines Abwägungsergebnisses beschließt. Gesetze unterliegen insoweit keiner formellen Begründungspflicht (vgl. LVerG, Urt. v. 25.06.2007 – LVG 8/06 –, RdNr. 68 des Internetauftritts m.w.N.). Nach § 41 ff. LVerf lassen es die allgemeinen Bestimmungen über den Landtag für einen formell wirksa-men Gesetzesbeschluss genügen, wenn er von der erforderlichen Mehrheit im Plenum getragen ist (Art. 51 Abs. 1 LVerf), sie setzen nicht zusätzlich voraus, dass das Ergeb-nis auf einer einheitlichen Motivation dieser Mehrheit beruht (LVerfG, Urt. v. 31.05.1994 – LVG 2/95 –, LVerfGE 2, 227, [262]).

{RN:27} Zu Unrecht rügt die Beschwerdeführerin zu 1. auch, der Gesetzgeber habe die Alterna-tive einer Zuordnung zur kreisfreien Stadt Halle nicht geprüft. Die angestrebte Einge-meindung der Beschwerdeführerin zu 1. in die kreisfreie Stadt Halle würde dem Grundsatz des § 2 Abs. 1, S. 2, Nr. 1 und 2 i.V.m. Abs. 2 GemNeuglGrG widerspre-chen, wonach eine Einheitsgemeinde durch benachbarte Gemeinden desselben Land-kreises, die grundsätzlich einer Verwaltungsgemeinschaft angehören sollen, gebildet werden soll. Hiermit greift die Beschwerdeführerin zu 1. aber die gesetzlichen Wertun-gen aus dem GemNeuglGrG an, was ihr aufgrund des Ablaufs der Jahresfirst des § 48 LVerGG verwehrt ist. Das Landesverfassungsgericht hat zudem – wie bereits ausgeführt – die Regelungen des Ersten Begleitgesetzes als verfassungsgemäß bestä-tigt. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber in seine Abwägung die Wertung des § 2 Abs. 4 S. 2 GemNeuglGrG einfließen lassen, nach der eine Mehrheit von drei Vier-tel der Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft und zwei Drittel ihrer Ein-wohner die verbleibende Minderheit dominieren und die sich an der freiwilligen Neu-gliederung nicht beteiligenden Gemeinden durch Gesetz der nach dem Mehrheitsprin-zip gebildeten Einheitsgemeinde zugeordnet werden. Insoweit hat der Gesetzgeber in seine Überlegungen eingestellt, dass sich die Mitglieder der ehemaligen Verwaltungs-gemeinschaft Würde/Salza in der erforderlichen Mehrheit für die freiwillige Bildung ei-ner Einheitsgemeinde Teutschenthal ausgesprochen haben. Letztlich bildet damit die Vorgabe aus § 2 Abs. 4 S. 2 GemNeuglGrG die rechtliche Grundlage für die Einge-meindung der Beschwerdeführerin zu 1. in die Einheitsgemeinde Stadt Teutschenthal. Auch ein Angriff auf diese Regelung des Ersten Begleitgesetzes zur Gemeindegebiets-reform ist der Beschwerdeführerin zu 1. im Hinblick auf den Ablauf der Jahresfrist des § 48 LVerfGG verwehrt.

{RN:28} Der Neugliederungsbedarf ergibt sich aus der geringen Einwohnerzahl der Beschwer-deführerin zu 1. Die nach § 2 Abs. 3 S. 1 GemNeuglGrG für eine Einheitsgemeinde er-forderliche Regeleinwohnermindestzahl von 10.000 und selbst die nach § 2 Abs. 3 S. 2 GemNeuglGrG ausnahmsweise zugelassene Mindestgröße von 8.000 Einwohnern wird mit 1.206 Einwohnern zu dem nach § 2 Abs. 10 GemNeuglGrG maßgeblichen Stichtag (31.12.2005) deutlich unterschritten. Aufgrund dieser geringen Einwohnerzahl konnte der Gesetzgeber die Beschwerdeführerin zu 1. als nicht leistungsfähige Ge-meinde ansehen, so dass die gemeinwohlorientierten Ziele der Gemeindegebietsre-form gegenüber dem Interesse der Beschwerdeführerin zu 1. am Erhalt ihrer kommu-nalen Selbständigkeit überwiegen. Das Landesverfassungsgericht hat es bereits in seiner Entscheidung zum Ersten Begleitgesetz zur Gemeindegebietsreform als aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich eingestuft, dass der Gesetzgeber als Indiz für die Leistungsfähigkeit der Gemeinde typisierend Rückgriff auf deren Einwohnerzahl nimmt (LVerfG, Urt. v. 21.04.2009 – LVG 12/08 –, RdNr. 33 ff. des Internetauftritts).

{RN:29} Weiterhin unzulässig sind die Einwände der Beschwerdeführerin zu 1., der Gesetzge-ber habe seiner Neugliederungsentscheidung eine unzutreffende Einschätzung über die Frage der finanziellen Leistungsfähigkeit größerer Gemeindestrukturen zugrunde gelegt, und auch das bestehende Modell der Verwaltungsgemeinschaft sei in der Lage gewesen, den Anforderungen an eine moderne Selbstverwaltung gerecht zu werden. Mit diesen Einwänden greift die Beschwerdeführerin zu 1. die Wertungen des Gesetz-gebers aus dem Ersten Begleitgesetz zur Gemeindegebietsreform an. Dies ist ihr aber aufgrund des Ablaufs der Jahresfrist des § 48 LVerfGG verwehrt. Darüber hinaus hat das Verfassungsgericht die Zulässigkeit dieser gesetzgeberischen Annahmen in sei-nen Urteilen vom 21.04.2009 (LVerfG, Urt. v. 21.04.2009 – LVG 12/08 –, RdNr. 31 ff. des Internetauftritts; Urt. v. 21.04.2009 – LVG 118/08 –, RdNr. 30 ff. des Internetauf-tritts) als verfassungsgemäß bestätigt.

{RN:30} Die Eingemeindung der Beschwerdeführerin zu 1. in die Einheitsgemeinde Teutschen-thal (§ 1 GemNeuglG SK) war geeignet, die Reformziele des § 1 GemNeuglGrG zu er-füllen. Der Gesetzgeber hat bei seiner Entscheidung über die Eingemeindung der Be-schwerdeführerin zu 1. die Kriterien des § 2 GemNeuglGrG zur Schaffung leistungsfä-higer Einheitsgemeinden entsprechend gewürdigt und das bestehende kommunale Selbstverwaltungsrecht im verfassungsrechtlich gebotenen Umfang berücksichtigt.

{RN:31} An der zulässigen Annahme des Gesetzgebers zur fehlenden Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin zu 1. ändert das von ihr in diesem Zusammenhang vorgebrachte Argument nichts, die Annahme der fehlenden Leistungsfähigkeit treffe auf sie nicht zu, da sie über einen geordneten Haushalt verfüge. Der Gesetzgeber war bei seiner Ent-scheidung nicht darauf beschränkt, isoliert die Verhältnisse der Beschwerdeführerin zu 1. zu betrachten. Die jeweilige gemeindliche Haushaltssituation bildet lediglich einen bei der Abwägung zu beachtenden Gesichtspunkt. Der Gesetzgeber hat bei einer all-gemeinen Gebietsreform auch das Gemeinwohl für die Gesamtstruktur des Landes im Auge zu behalten. Bei einer derartigen Reform geht es unter anderem darum, größere Räume neu zu gliedern und in diesem Zusammenhang die überörtlichen Belange für die gesamte Kommunalstruktur des Landes unter Beachtung großräumiger, wirtschaft-licher, sozialer, ökologischer, kultureller, geschichtlicher und weiterer Gesichtspunkte zu bedenken. Dabei kann es der Grundsatz der Systemgerechtigkeit in Einzelfällen auch gebieten, dass leistungsfähige Mittelgemeinden ihre Eigenständigkeit aufgeben müssen und sich den übergeordneten Gesichtspunkten einer möglichst gleichmäßigen kommunalen Struktur im Land zu unterwerfen haben.

{RN:32} Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Beschwerdeführerin zu 1., in größeren Ein-heitsgemeinden würden die Kosten durch Zentralisierung und Schließung von kommu-nalen Einrichtungen und damit verbundene längere Anfahrts- und Transportwege eher steigen und die Qualität dieser Einrichtungen infolge des Rückgangs von bürgerschaft-lichem Engagement eher sinken. Auch für diese Behauptung erbringt sie keinerlei Be-lege. Gegen diese Behauptung spricht das vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) im Auftrag des Ministeriums des Innern erstellte Gutachten „Zur Wirtschaftlichkeit ge-meindlicher Verwaltungsstrukturen in Sachsen-Anhalt“ vom 19.06.2007 und das Gut-achten der Herren Dr. Wiegand und Dr. Grimberg. Beide Gutachten haben großteilige Verwaltungsstrukturen als effizienter gegenüber kleinteiligen eingestuft. In jedem Fall beruht die von der Auffassung der Beschwerdeführerin zu 1. abweichende Beurteilung des Gesetzgebers zur Effizienz von großteiligen Verwaltungsstrukturen nicht auf will-kürlichen und sachfremden Erwägungen. Der Gesetzgeber konnte sich daher im Rah-men seines ihm aus der staatlichen Organisationshoheit resultierenden Gestaltungs-spielraums in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise dafür entscheiden, dass großflächige Einheitsgemeinden besser geeignet sind, die Reformziele einer Stärkung der gemeindlichen Ebene unter Wahrung der bürgerschaftlichen Beteiligung und Identi-fikation zu erreichen als die Fortführung der bestehenden kleinteiligen Verwaltungs-struktur. Im Kern richtet sich auch dieser Angriff der Beschwerdeführerin zu 1. gegen die Regelungen des Gesetzgebers aus dem GemNeuglGrG. Dies ist ihr aber aufgrund des Ablaufs der Jahresfrist des § 48 LVerfGG verwehrt. Im Übrigen hat das Landesver-fassungsgericht diese Regelungen bereits als verfassungsgemäß bestätigt (LVerfG, Urt. v. 21.04.2009 – LVG 12/08 –, RdNr. 33 des Internetauftritts).

{RN:33} Gegen die Eingemeindung sprechen nicht die von der Beschwerdeführerin zu 1. ge-nannten Einwände, dass nur Bürgerinnen und Bürger unmittelbar vor Ort aufgrund ih-rer individuellen, lokalen und damit speziellen Kenntnisse in der Lage seien, die lokalen Probleme zu lösen, nicht dagegen eine entfernte Verwaltung an deren Hauptsitz in Teutschenthal; angesichts der Größe der Einheitsgemeinde wären die neuen Gemein-destrukturen zum Teil emotional und räumlich zu weit von der zu treffenden Entschei-dung entfernt, die durch die Eingemeindung geschaffenen Strukturen würden zudem bürgerschaftliches Engagement nachhaltig behindern.

{RN:34} Für ihre Behauptungen erbringt die Beschwerdeführerin zu 1. keinen Beweis. Sie stellt bei ihrer Argumentation lediglich ihre eigene Einschätzung der Situation der des Ge-setzgebers gegenüber und hält ihre für zutreffender. Hierauf kommt es aber nicht ent-scheidend an. Die Entscheidung des Gesetzgebers wäre nur dann zu beanstanden, wenn seine Einschätzung, die Eingemeindung der Beschwerdeführerin zu 1. in die Einheitsgemeinde Teutschenthal sei zur Erreichung der Ziele der Gebietsreform erfor-derlich, jeder Tatsachengrundlage entbehren würde oder aus anderen Gründen offen-sichtlich sachwidrig wäre. Ein Verstoß gegen den dem Gesetzgeber zuzubilligenden Beurteilungsspielraum ist vorliegend aber nicht gegeben.

{RN:35} Die Landesregierung hat in ihrer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass im Land be-reits zahlreiche Einheitsgemeinden mit mehreren Ortsteilen bestehen, ohne dass hier-durch evident schlechter akzeptierte Entscheidungen der Verwaltung getroffen werden und das ehrenamtliche kommunale Engagement der Einwohner dieser Einheitsge-meinden erkennbar darunter gelitten hätte. Diese Überlegung des Gesetzgebers ist im Hinblick auf den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum nicht zu beanstanden. Sie entbehrt nicht jeder Tatsachengrundlage und ist auch nicht offensichtlich sachwidrig.

{RN:36} Der Gesetzgeber hat bei seiner Entscheidung zudem bürgerschaftliche Belange be-rücksichtigt. So sieht Artikel 1 des Zweiten Begleitgesetzes zur Ausführung der Ge-meindegebietsreform für die gesetzlich neugegliederten Gemeinden in den §§ 7, 9 GebRefAusfG durch Überleitung der bisherigen Gemeinderäte und des Bür-germeisters in Ortschaftsräte für den Rest der Wahlperiode und durch Entsendung von Vertretern der aufgelösten Gemeinde in den Gemeinderat der aufnehmenden Gemein-de, umfassende Mitwirkungsmöglichkeiten mit lokalem Bezug vor. Der Gesetzgeber hat ferner das bestehende Ortschaftsverfassungsrecht durch Artikel 2 des Zweiten Be-gleitgesetzes zur Ausführung der Gemeindegebietsreform um weitere Möglichkeiten der Ausgestaltung erweitert.

{RN:37} Ferner ist der Einwand der Beschwerdeführerin zu 1. unbegründet, der Gesetzgeber habe, wenn er die Notwendigkeit einer Gemeindegebietsreform mit der Altersstruktur begründe, alle relevanten Argumente heranzuziehen und nicht diejenigen außer Acht zu lassen, die seinen Vorstellungen nicht entsprächen. Die Beschwerdeführerin zu 1. weise in ihrem Bestand keine Abwanderung von Einwohnern auf, so dass die vom Ge-setzgeber für die Notwendigkeit der Gemeindereform angenommene demographische Entwicklung auf sie gar nicht zutreffe. Die Beschwerdeführerin zu 1. hat mit diesem Vortrag nicht aufgezeigt, dass der Gesetzgeber den ihm im Rahmen seiner Wertungen zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten hat. Zum Bereich der dem Gesetz-geber zustehenden politischen Wertungen und Prognosen gehört es auch einzuschät-zen, dass angesichts der im Land belegten demographischen Entwicklung eine klein-teilige Gemeindestruktur künftig nicht mehr in der Lage sein wird, die insbesondere aus dem Sozialstaatsprinzip resultierenden Verpflichtungen zur Daseinsvorsorge für alle Bürger in gleicher Weise zu erfüllen. Darüber hinaus ist die Argumentation der Be-schwerdeführerin zu 1. nicht zutreffend. Langfristig gesehen weist die Beschwerdefüh-rerin zu 1. keine positive demographische Bilanz auf. Die Einwohnerzahl ist vom 31.12.2005 von noch 1.206 Einwohnern bis zum 31.12.2008 auf nur noch 1.186 Ein-wohner gesunken.

{RN:38} Das vom Landesgesetzgeber getroffene Abwägungsergebnis ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der gesetzgeberische Eingriff steht nicht außer Verhältnis zu den mit der Reform verfolgten Zielen und ist frei von willkürlichen Erwägungen im Sin-ne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

{RN:39} Die Einwände der Beschwerdeführerin zu 1., der Gesetzgeber habe bei seiner Abwä-gungsentscheidung die Belange der Beschwerdeführerin zu 1. nicht hinreichend be-rücksichtigt, er habe es versäumt, ihre vor der Eingemeindung bestehende Situation den Folgen einer Eingemeindung in die Einheitsgemeinde Teutschenthal gegenüber zu stellen und habe die Option des Erhalts der Selbstständigkeit nicht hinreichend erwo-gen, sind unbegründet. Die Forderung nach der Erstellung einer solchen umfassenden Schaden-Nutzen-Bilanz ist nicht gerechtfertigt (LVerfG, Urt. v. 21.04.2009 – LVG 12/08 –, RdNr. 38 des Internetauftritts m. w. N.). Der Gesetzgeber ist bei einer kommunalen Neugliederung nicht verpflichtet, eine wissenschaftliche Untersuchung des Einzelfalls in Form einer Nutzen-Kosten-Analyse oder Schaden-Nutzen-Bilanz vornehmen zu las-sen. Abgesehen davon, dass solche Untersuchungen wissenschaftlich profund erst ei-nige Zeit nach Umsetzung einer Reform durchgeführt werden können, liegt es in sei-nem Gestaltungsermessen, inwieweit er in seine verfassungs- und kommunalpoliti-schen Ziele Umstände einbezieht, die sich einer quantitativen Betrachtungsweise weit-gehend entziehen (LVerfG, Urt. v. 21.04.2009 – LVG 12/08 –, RdNr. 38 des Internet-auftritts m. w. N.).

{RN:40} Die Eingemeindung der Beschwerdeführerin zu 1. in die Einheitsgemeinde Teutsch-henthal steht in einem angemessenen Verhältnis zu den Zielen der Reform, die ge-meindliche Ebene unter Wahrung der bürgerschaftlichen Beteiligung und Identifikation zu stärken. Die Beschwerdeführerin zu 1. stellt der von ihr für fehlerhaft gehaltenen Entscheidung des Gesetzgebers ihre eigenen Prognosen und Beurteilungen gegen-über und hält insgesamt ein anderes Ergebnis für besser geeignet. Damit verkennt sie den dem Gesetzgeber zustehenden Beurteilungsspielraum. Im Rahmen der Verhält-nismäßigkeit ist es nicht Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung, ob der Ge-setzgeber eine andere Neugliederungsentscheidung hätte treffen können und ob eine andere Lösung besser, zweckmäßiger oder schonender gewesen wäre (LVerfG, Urt. v. 21.04.2009 – LVG 12/08 –, RdNr. 25 ff. des Internetauftritts).

{RN:41} Aus diesem Grund ist der Einwand der Beschwerdeführerin zu 1., als milderes Mittel sei auch die Beibehaltung der bestehenden Verwaltungsgemeinschaft in Betracht ge-kommen, unzutreffend. Darüber hinaus greift die Beschwerdeführerin zu 1. hiermit Wertungen des Gesetzgebers aus dem Ersten Begleitgesetz zur Gemeindegebietsre-form an, was ihr aber aufgrund des Ablaufs der Jahresfrist des § 48 LVerfGG verwehrt ist.

{RN:42} Die Eingemeindung der Beschwerdeführerin zu 1. in die Einheitsgemeinde Teutschen-thal stellt sich ferner nicht als willkürlicher Eingriff in deren Selbstverwaltungsrecht dar.

{RN:43} Die Rüge der Beschwerdeführerin zu 1., die Entscheidungsfreiheit ihres Gemeindera-tes sei ungerechtfertigt eingeschränkt worden, indem ihm die Möglichkeit eines ander-weitigen Zusammenschlusses (so z. B. mit der Stadt Halle) genommen worden sei, was den Gleichheitssatz verletze, greift nicht durch. Die Eingemeindung der Be-schwerdeführerin zu 1. in die Einheitsgemeinde Teutschenthal beruht auf § 2 Abs. 9 GemNeuglGrG. Nach dieser Regelung werden Gemeinden, die der Kommunal-aufsicht bis zum 30.06.2009 keine genehmigungsfähige Vereinbarung über die Bildung einer Einheitsgemeinde oder einer Verbandsgemeinde vorgelegt haben, durch Gesetz zu Einheitsgemeinden zusammengeschlossen. Der Gesetzgeber hat bei seiner Neu-gliederungsentscheidung die Wertung des § 2 Abs. 3 GemNeuglGrG zugrunde gelegt, nach dem Einheitsgemeinden durch benachbarte Gemeinden desselben Landkreises, die grundsätzlich derselben Verwaltungsgemeinschaft angehören sollen, gebildet wer-den sollen. Dies entspricht den Vorgaben des GemNeuglGrG und ist systemgerecht. Soweit die Beschwerdeführerin zu 1. in diesem Zusammenhang weiter einwendet, für sie habe aufgrund der gesetzlichen Vorgaben von Anfang an nur die Möglichkeit der Zuordnung zur Gemeinde Teutschenthal bestanden, was eine unzulässige Einschrän-kung ihrer Entscheidungsfreiheit darstelle, ist dies unbegründet. Auch insoweit greift sie die Neugliederungsgrundsätze aus dem GemNeuglGrG an, was ihr wiederum auf-grund des eingetretenen Fristablaufs (§ 48 LVerfGG) verwehrt ist. Darüber hinaus hät-te es der Beschwerdeführerin zu 1. in der freiwilligen Phase frei gestanden, sich um ei-ne andere leitbildgerechte Neugliederung zu bemühen.

{RN:44}. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 32 Abs. 1 LVerfGG. Die kommunalen Verfas-sungsbeschwerden bleiben in vollem Umfang erfolglos. Gründe im Sinne des § 32 Abs. 3 LVerfGG, gleichwohl die Erstattung der Auslagen der Beschwerdeführer anzuordnen, sind nicht ersichtlich.

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Das Gericht

Der Sitz des Landesverfassungsgerichts ist Dessau-Roßlau.