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Urteil des Gerichtes

Entscheidungsvorblatt

Aktenzeichen: LVG 54/10 Entscheidungsart: Urteil Entscheidung vom: 26.06.2012
Verfahrensart Kommunalverfassungsbeschwerde
entscheidungserhebliche Vorschriften
Schlagworte
Stichworte Urteil
Leitsatz Ohne
Fundstellen -
Sonstiges -
Zitiervorschlag VerfGSA, Urteil vom 26.06.2012 - LVG 54/10 -,
www.verfassungsgericht-sachsen-anhalt.de

Urteil

in dem Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahren

LVG 54/10

26.06.2012

{T:wegen}
des Gesetzes über die Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt betreffend den Landkreis Burgenlandkreis und des Zweiten Begleitgesetzes zur Gemeindegebietsreform

{T:Tenor}

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

{T:T a t b e s t a n d}

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen ihre Auflösung und Eingemeindung in die Stadt Land Sachsen-Anhalt betreffend den Landkreis Burgenlandkreis – GemNeuglG BLK – vom 08.07.2010 (GVBl. S. 413) sowie gegen Art. 1 § 9 Abs. 4 S. 1 des Zweiten Begleitgesetzes zur Gemeindegebietsreform – Gesetz zur Ausführung der Gemeindegebietsreform (GebRe¬fAusfG) – vom 08.07.2010 (GVBl. S. 406).
Die Beschwerdeführerin ist im Nordosten des Landkreises Burgenlandkreis gelegen. Sie war bis zu ihrer Auflösung selbständige Mitgliedsgemeinde der Verwaltungsgemeinschaft Lützen-Wiesengrund, der ursprünglich zwölf Gemeinden – neben der Beschwerdeführerin die Ge¬meinden Dehlitz (Saale), Granschütz, Großgörschen, Stadt Lützen, Muschwitz, Poserna, Rippach, Röcken, Sössen, Starsiedel und Taucha – angehörten. Die Beschwerdeführerin grenzt im Norden an die ehemalige Gemeinde Dehlitz (Saale), im Nordosten an die nunmeh¬rigen Ortsteile Rippach und Poserna der Stadt Lützen, im Osten an die Gemeinde Hohen¬mölsen und im Westen an das Mittelzentrum Stadt Weißenfels. Im Rahmen der durch das Erste Begleitgesetz zur Gemeindegebietsreform in Sachsen-Anhalt vom 14.02.2008 (GVBl.
S. 40) eröffneten Phase für freiwillige Gemeindeneugliederungen wurde die ehemals verwal¬tungsgemeinschaftsangehörige Gemeinde Röcken zum 01.07.2009 in die Stadt Lützen ein¬gemeindet. Die Gemeinden Granschütz und Taucha vereinbarten mit der Stadt Hohenmöl¬sen ihre Eingemeindung in die Stadt Hohenmölsen zum 01.01.2010. Die Gemeinden Gro߬görschen, Muschwitz, Poserna, Rippach, Starsiedel und die Stadt Lützen vereinbarten zum 01.01.2010 die Neubildung der Stadt Lützen. Neben der Beschwerdeführerin wurden die Gemeinden Dehlitz (Saale) und Sössen zum 01.01.2011 durch das streitgegenständliche Gesetz aufgelöst und in die Stadt Lützen eingemeindet.
Die Beschwerdeführerin sieht sich durch das GemNeuglG BLK in ihrem Selbstverwaltungs¬recht verletzt.
Zum einen sei die Bürgeranhörung zu der beabsichtigten Neugliederung nicht ordnungsge¬mäß durchgeführt worden. Der Termin für die Durchführung der Bürgeranhörung habe zwei Monate zuvor öffentlich bekannt gemacht werden müssen. Dies sei nicht erfolgt. Die Bürger¬anhörung habe am 20.12.2009 stattgefunden. Dieser Termin sei zwar im Amtsblatt der Ver¬waltungsgemeinschaft Lützen-Wiesengrund vom 19.10.2009 ortsüblich bekannt gemacht worden. Das Amtsblatt sei aber lediglich im Gebiet der übrigen Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft fristgerecht verteilt worden. In ihrem Gebiet sei eine Verteilung erst am 28.10.2009 erfolgt.
Zum anderen habe der Gesetzgeber den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht zutreffend ermittelt. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass die Beschulung der Kinder aus ihrem Gemeindegebiet in den bisherigen Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Lützen-Wiesengrund erfolge. Tatsächlich würden ihre Schüler jedoch die Grundschule in Granschütz, einem Ortsteil der Gemeinde Hohenmölsen, und die Sekundarschule sowie das Gymnasium in Hohenmölsen besuchen.
Zudem beruhe die zwangsweise Zuordnung zur Stadt Lützen auf einer fehlerhaften Abwägung. Der Gesetzgeber habe sich nicht hinreichend mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, die zwischen ihr und dem Mittelzentrum Weißenfels bestehenden Stadt-Umland-Probleme durch ihre Eingemeindung in die Stadt Weißenfels zu lösen. Dabei sei sie in der Anlage zu § 3 GemNeuglGrG als eine der Gemeinden aufgeführt, die aufgrund ihrer Verflechtungsbeziehungen durch Gesetz in das Mittelzentrum Weißenfels hätten eingemeindet werden kön¬nen. Soweit der Gesetzgeber davon ausgehe, den bestehenden Stadt-Umland-Problemen sei ausreichend durch die Eingemeindung anderer Umlandgemeinden in die Stadt Weißen¬fels Rechnung getragen, würden hierdurch nicht zugleich die Stadt-Umland-Probleme zwi¬schen ihr – der Beschwerdeführerin – und der Stadt Weißenfels gelöst. Dabei stelle eine Teileingemeindung ihres Gewerbegebietes in die Stadt Weißenfels ein milderes Mittel zur Lösung der Stadt-Umland-Probleme dar, da diesbezüglich die stärksten Verflechtungen zu verzeichnen seien. Ferner habe der Gesetzgeber gegen die streitgegenständliche Zuord¬nung sprechende Gesichtspunkte unbeachtet gelassen. So weise sie auch Verflechtungen zur Stadt Hohenmölsen auf. Hohenmölsen sei wie sie Mitglied im Abwasserzweckverband Saale-Rippachtal. Auch ein Teil der Kinder aus ihrem Gemeindegebiet werde in Hohenmöl¬sen beschult. Soweit der Gesetzgeber demgegenüber festgestellt habe, die auf dem Gebiet der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft vorhandenen Grundschulen sowie die Sekundar¬schule in der Stadt Lützen beschulten vorrangig Grundschüler aus den Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft, fehle der konkrete Bezug auf ihre Verhältnisse, die allein maßgeblich für die Abwägung seien. Außerdem gehe der Gesetzgeber in seiner Abwägung davon aus, dass sie und die Stadt Weißenfels durch die Bundesautobahn (BAB) A 9 räum¬lich voneinander getrennt seien. Tatsächlich liege sie jedoch mit einem Gebietsteil wie Wei¬ßenfels westlich der Autobahn. Zwischen ihr und der Stadt Weißenfels bestehe darüber hin¬aus ein derart starker Bebauungszusammenhang, dass der BAB A 9 keine starke räumliche Trennungswirkung zukomme. Dessen ungeachtet sei Weißenfels von ihrem Gemeindegebiet ohne Weiteres über die B 176 erreichbar. Entgegen der Annahme des Gesetzgebers könn¬ten die von Norden nach Süden verlaufende BAB A 9 und die von Osten nach Westen ver¬laufende BAB A 4 nicht als ausreichende, einen örtlichen Zusammenhang begründende Verbindung zwischen ihr – der Beschwerdeführerin – und der Stadt Lützen angesehen wer¬den. Die Entfernung zur Stadt Lützen betrage bei Benutzung öffentlicher Straßenverbindun¬gen ca. 15 km. Über die BAB A 9 seien auch weiter entfernte Städte wie z. B. Leipzig er¬reichbar. Über die BAB A 4 sei keine der ehemaligen Gemeinden der Verwaltungsgemein¬schaft Lützen-Wiesengrund erreichbar. Diese Autobahn verlaufe in 30 km Entfernung von ihrem Gemeindegebiet und zudem außerhalb des Landes Sachsen-Anhalt. Direkte Bahn-oder Busverbindungen bestünden nur nach Hohenmölsen und Weißenfels, nicht aber nach Lützen. Die auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesenen Bürger ihres Gemeindegebietes hätten daher keine Möglichkeit, die Verwaltungsstellen in der Stadt Lützen aufzusuchen. Au¬ßerdem habe der Gesetzgeber in seiner Abwägung außer Acht gelassen, dass sie – die Be¬schwerdeführerin – an die Stadt Weißenfels grenze und deren Stadtzentrum näher an ihrem Gemeindegebiet liege als das Zentrum der Stadt Lützen. Es bestehe eine stündliche Bus¬verbindung in das Stadtzentrum von Weißenfels. Der Gesetzgeber habe sich daher mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob das Mittelzentrum Weißenfels eine stärkere Ausstrah¬lungswirkung auf sie habe als das weiter entfernte Grundzentrum Lützen. Es werde lediglich behauptet, dass mit Lützen als Grundzentrum Verflechtungen im Bereich öffentlicher und privater Leistungen vorlägen.

Ferner habe der Gesetzgeber das Vertrauen der bereits freiwillig in die Stadt Lützen einge¬gliederten ehemaligen Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Lützen-Wiesengrund rechtsfehlerhaft in der Abwägung berücksichtigt. Die Bildung der Einheitsgemeinde Stadt Lützen in der Freiwilligkeitsphase der Gemeindegebietsreform sei nicht ge¬nehmigungsfähig gewesen. Zwar habe die neu gebildete Einheitsgemeinde mit 8.055 Einwohnern über mehr als zwei Drittel der Einwohner der gesamten Verwaltungsgemeinschaft (insgesamt 11.476 Einwohner) verfügt. An der freiwilligen Neubildung der Einheitsgemeinde seien jedoch nur sechs der ursprünglich elf Mitgliedsgemeinden und damit nicht, wie nach dem gesetzgeberischen Leitbild der Gemeindegebietsreform gefordert, drei Viertel der Mit¬gliedsgemeinden beteiligt gewesen. Dabei sei von der ursprünglichen Mitgliederzahl der Verwaltungsgemeinschaft auszugehen, da sowohl die freiwillige Eingemeindung der Ge¬meinden Granschütz und Taucha in die Stadt Hohenmölsen als auch die Neubildung der Stadt Lützen zeitgleich zum 01.01.2010 erfolgt seien. Überdies verfüge die Stadt Lützen trotz der streitgegenständlichen Zwangszuordnung mit 9.680 Einwohnern nicht über die nach dem gesetzgeberischen Leitbild der Gemeindegebietsreform vorgesehene Mindesteinwohnerzahl von 10.000.
Des Weiteren werde sie, die Beschwerdeführerin, durch § 9 Abs. 4 S. 1 GebRefAusfG in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt.
§ 9 Abs. 4 S. 1 GebRefAusfG lautet:
„Wird ein Ortschaftsrat nach § 7 Abs. 1 [GebRefAusfG] oder nach § 86 Abs. 1a der Gemein¬deordnung gebildet, wählt dieser aus seiner Mitte eine oder mehrere Personen, die dem Ge¬meinderat der aufnehmenden Gemeinde bis zur nächsten allgemeinen Neuwahl angehören.“
Die angegriffene Zuordnung führe zu einem Defizit demokratischer Legitimation, da ihre Einwohner nicht an der Wahl des Gemeinderates der sie aufnehmenden Stadt Lützen betei¬ligt gewesen seien. Die Regelung des § 9 Abs. 4 S. 1 GebRefAusfG trage dem nicht ausrei¬chend Rechnung, da sie gegen das Demokratiegebot des Art. 89 LVerf verstoße. Die Rege¬lung ermögliche es, den Ortsbürgermeister bzw. Bürgermeister als Mitglied des Gemeindera¬tes der aufgelösten Gemeinde anstelle eines Ortschafts-bzw. Gemeinderates in den Ge¬meinderat der aufnehmenden Gemeinde zu entsenden. Nur der Gemeinderat sei aber Ver¬treter der Einwohner der Gemeinde im Sinne von Art. 89 LVerf. Der Bürgermeister werde zwar ebenfalls in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl von den Einwohnern der Gemeinde gewählt, aber lediglich als Organ, welches die Gemeindeverwal¬tung leite. Im Falle seiner Entsendung in den Gemeinderat der aufnehmenden Gemeinde könne er die Einwohner der aufgenommenen Gemeinde daher nicht in einer dem Demokra¬tiegebot hinreichend Rechnung tragenden Weise repräsentieren.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

§ 3 S. 1 und 2 des Gesetzes über die Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt betreffend den Landkreis Burgenlandkreis für unvereinbar mit Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 Abs. 1 der Landesverfassung zu erklären, un¬vereinbar mit Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 Abs. 1 der Landesverfassung zu erklären, so¬weit hiernach die Möglichkeit besteht, dass ein Ortsbürgermeister in den Gemeinderat der aufnehmenden Gemeinde entsandt wird
und § 9 Abs. 4 S. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Gemeindegebietsreform für un-
vereinbar mit Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 Abs. 1 der Landesverfassung zu erklären, so¬weit hiernach die Möglichkeit besteht, dass ein Ortsbürgermeister in den Gemeinderat der aufnehmenden Gemeinde entsandt wird.
Die Landesregierung tritt den formellen Bedenken der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Neugliederungsgesetzes im Wesentlichen mit der Begründung entgegen, für die Rechtzeitigkeit der öffentlichen Bekanntmachung des Termins der Bürger¬anhörung komme es auf den Tag der Ausgabe des Amtsblattes der ehemaligen Verwal¬tungsgemeinschaft Lützen-Wiesengrund an. Dies sei am 19.10.2009 mit der Bereitstellung des Amtsblattes zur Austeilung in den Mitgliedsgemeinden der Fall gewesen. Abgesehen davon sei die verzögerte Verteilung des Amtsblattes in ihrem Gemeindegebiet der Be¬schwerdeführerin zuzurechnen. Ihr damaliger Bürgermeister habe am 15.10.2009 auf aus¬drückliche Nachfrage des Leiters des gemeinsamen Verwaltungsamtes der Verwaltungsge¬meinschaft zugesichert, dass das Amtsblatt in Verantwortung der Beschwerdeführerin unge¬achtet ihres Widerstandes gegen die Gemeindegebietsreform und die Bürgeranhörung als solche bis zum 19.10.2009 verteilt werde. In einer Besprechung am 16.10.2009 habe der Leiter des gemeinsamen Verwaltungsamtes der Bürgermeisterin bzw. dem Bürgermeister der ebenfalls von dem Neugliederungsgesetz betroffenen Gemeinden Dehlitz (Saale) und Sössen die Exemplare des Amtsblattes für deren Gemeinden übergeben. Der Bürgermeister der Beschwerdeführerin habe hierbei bestätigt, er werde die für die Beschwerdeführerin vor¬gesehenen Exemplare unmittelbar in der in ihrem Gemeindegebiet gelegenen Druckerei ab¬holen. Erst nach der Mitteilung der Druckerei am 22.10.2009, die für die Verteilung im Ge¬meindegebiet der Beschwerdeführerin vorgesehenen Exemplare seien noch nicht abgeholt worden, habe die Verwaltungsgemeinschaft auf Weisung des Landkreises Burgenlandkreis das Amtsblatt durch Bedienstete des gemeinsamen Verwaltungsamtes am 28.10.2009 ver¬teilen lassen. Außerdem sei die Bürgeranhörung zu der beabsichtigen Eingemeindung der Beschwerdeführerin in die Stadt Lützen zunächst für den 29.11.2009 geplant gewesen. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf, nach dem neben der Beschwerdeführerin und den Gemein¬den Dehlitz (Saale) und Sössen auch die Gemeinde Wengelsdorf der Stadt Lützen habe zu¬geordnet werden sollen, sei jedoch in Bezug auf die Gemeinde Wengelsdorf geändert wor¬den. Für diese Gemeinde sei stattdessen eine Zuordnung zur Stadt Weißenfels vorgesehen worden. Die Bekanntmachung im Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft Lützen-Wiesengrund vom 19.10.2009 habe im Wesentlichen die Aufhebung des ursprünglichen An¬hörungstermins und die Neufestsetzung der Bürgeranhörung auf den 20.12.2009 betroffen. Damit seien die Bürger der Beschwerdeführerin letztlich mehr als zwei Monate vor der Anhö¬rung über die beabsichtigte NeugliederungsmaßnahmDie Zuordnung der Beschwerdeführerin zur Stadt Lützen beruhe auch auf tragfähigen Grün¬den des Gemeinwohls. Die Beschwerdeführerin habe mit 830 Einwohnern zum maßgebli¬chen Stichtag nicht als dauerhaft leistungsfähig angesehen werden können. Da sich nicht sämtliche Mitgliedsgemeinden innerhalb der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft Lützen-Wiesengrund auf eine einvernehmliche Neugliederungslösung hätten verständigen können, habe der Gesetzgeber die Gesamtlage im Bereich der angrenzenden Stadt Lützen in den Blick nehmen dürfen. Dabei habe der Gesetzgeber die Verflechtungsbeziehungen der Be¬schwerdeführerin mit der Stadt Weißenfels in seine Erwägungen einbezogen. Nach dem Ergebnis einer in den Jahren 2001/2002 und 2006/2007 durchgeführten Untersuchung der Stadt-Umland-Beziehungen zwischen Mittelzentren und angrenzenden Gemeinden habe die Beschwerdeführerin mit Punktwerten von 58 und 56 bei insgesamt 100 zu vergebenden Punkten jeweils einen geringeren Gesamtwert aller untersuchten Umlandgemeinden von Mittelzentren e informiert gewesen, so dass sich die verzögerte Verteilung des Amtsblattes jedenfalls in der Sache nicht auswirke.
Die Zuordnung der Beschwerdeführerin zur Stadt Lützen beruhe auch auf tragfähigen Grün¬den des Gemeinwohls. Die Beschwerdeführerin habe mit 830 Einwohnern zum maßgebli¬chen Stichtag nicht als dauerhaft leistungsfähig angesehen werden können. Da sich nicht sämtliche Mitgliedsgemeinden innerhalb der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft Lützen-Wiesengrund auf eine einvernehmliche Neugliederungslösung hätten verständigen können, habe der Gesetzgeber die Gesamtlage im Bereich der angrenzenden Stadt Lützen in den Blick nehmen dürfen. Dabei habe der Gesetzgeber die Verflechtungsbeziehungen der Be¬schwerdeführerin mit der Stadt Weißenfels in seine Erwägungen einbezogen. Nach dem Ergebnis einer in den Jahren 2001/2002 und 2006/2007 durchgeführten Untersuchung der Stadt-Umland-Beziehungen zwischen Mittelzentren und angrenzenden Gemeinden habe die Beschwerdeführerin mit Punktwerten von 58 und 56 bei insgesamt 100 zu vergebenden Punkten jeweils einen geringeren Gesamtwert aller untersuchten Umlandgemeinden von Mittelzentren und angrenzenden Gemeinden habe die Beschwerdeführerin mit Punktwerten von 58 und 56 bei insgesamt 100 zu vergebenden Punkten jeweils einen geringeren Gesamtwert aller untersuchten Umlandgemeinden von Mittelzentren hinsichtlich der Intensität der Verflechtungsbeziehungen erreicht. Lediglich bei den Kriterien Bebauungszusammenhang und Gewerbegebiet/Industriegebietausweisung je Einwohner habe ein gewisses Ausmaß an Verflechtungsintensität zwischen Weißenfels und der Beschwerdeführerin feststellt werden können. Hingegen bestünden bei der Abwasser¬entsorgung und der Beschulung keine Verflechtungsbeziehungen. Demgegenüber ließen sich in größerem Maße Verflechtungsbeziehungen zwischen der Beschwerdeführerin und der Stadt Lützen feststellen. Bei seiner Abwägung habe der Gesetzgeber das Interesse an einer nachhaltigen geordneten Entwicklung des Gesamtraumes der Stadt Lützen höher ge¬wichtet als die zusätzliche Erweiterung des Stadtgebietes von Weißenfels. Zudem entspre¬che die Zuordnung der Beschwerdeführerin zur Stadt Lützen dem gesetzgeberischen Leitbild der Gemeindegebietsreform, nach dem Einheitsgemeinden vorrangig in den Grenzen der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaften zu bilden seien.
Der Gesetzgeber habe der Neugliederungsentscheidung auch das Bestehen der neu gebil¬deten Stadt Lützen zugrunde legen dürfen. Die Stadt Lützen sei im Rahmen der Freiwillig¬keitsphase nicht als Einheitsgemeinde, sondern als größere Mitgliedsgemeinde innerhalb der bestehenden Verwaltungsgemeinschaft Lützen-Wiesengrund neu gebildet worden. Diese habe mit mehr als 40 % der Einwohner der Verwaltungsgemeinschaft und ihrer Eigenschaft als Grundzentrum die Merkmale eines prägenden Ortes aufgewiesen. Es sei nicht sachge¬recht, die von den reformwilligen Mitgliedsgemeinden bereits vollzogenen und erst kürzlich staatlich genehmigten Gebietsänderungen wieder aufzulösen, auch wenn hierdurch zu¬nächst keine leitbildgerechte Struktur entstanden sei, weil die für eine Einheitsgemeindebil¬dung nach dem gesetzgeberischen Leitbild der Gemeindegebietsreform erforderliche Mehr¬heit knapp verfehlt worden sei.
Ohne Erfolg wende sich die Beschwerdeführerin mit ihrer kommunalen Verfassungsbe¬schwerde zudem gegen § 9 Abs. 4 S. 1 GebRefAusfG. Diese sog. Entsenderegelung verlet¬ze nicht das Demokratiegebot, sondern beinhalte zur Verwirklichung des Gemeinwohlziels einer bürgerschaftlichen Beteiligung für eine Übergangszeit bis zur nächsten allgemeinen Kommunalwahl verfassungskonforme Ausnahmen von den Grundsätzen der Allgemeinheit und Unmittelbarkeit der Wahl.

Der Landtag hat sich zu dem Verfahren nicht geäußert.

{T:E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e}

Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie sich gegen § 3 S. 1 und 2 GemNeuglG BLK richtet, zulässig, aber unbegründet. Soweit sie sich gegen § 9 Abs. 4 S. 1 GebRefAusfG richtet, hat sie jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.
{RN:1}
Das Landesverfassungsgericht ist zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde berufen (vgl. dazu im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen: LVerfG, Urt. v. 31.05.1994
LVG 2/93 –, LVerfGE 2, 227, [245 f.]; Urt. v. 31.05.1994 – LVG 1/94 –, LVerfGE 2, 273, [289 f.]; Urt. v. 31.05.1994 – LVG 4/94 –, LVerfGE 2, 323, [334 f.]). Soweit – wie hier von der Beschwerdeführerin – eine Verletzung des durch Art. 2 Abs. 3 und 87 Landesverfassungs-gericht – LVerfGG – vom 23.08.1993 (GVBl. S. 441), zuletzt geändert durch Gesetz vom 05.11.2009 (GVBl. S. 525). Diese Bestimmungen berechtigen Kommunen (Gemeinden und Landkreise), gegen Eingriffe in ihr Selbstverwaltungsrecht durch ein Gesetz das Landesver-fassungsgericht anzurufen.
{RN:2}
Die Zulässigkeit einer kommunalen Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz setzt voraus, dass die Beschwerdeführerin selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die angegriffenen Rechtsnormen in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt ist (vgl. entsprechend zum BVerfGG BVerfG, Beschl. v. 15.10.1985 – 2 BvR 1808/82 u.a. –, BVerfGE 71, 25 [34 ff.]; Beschl. v. 19.11.2002 – 2 BvR 329/97 –, BVerfGE 107, 1 [8]; Magen, in Umbach/Clemens/Dollinger [Hrsg.], Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2005, § 91, RdNr. 18). Dies ist hier der Fall. Das angegriffene Gesetz greift gegenwärtig in das Selbstverwaltungsrecht der Beschwerdeführerin ein, ohne dass es eines weiteren angreifbaren Umsetzungsaktes bedarf. Die Beschwerdeführerin wird durch § 3 S. 1 und 2 GemNeuglG BLK unmittelbar in ihrem Bestand aufgelöst.
Gemäß § 51 Abs. 2 LVerfGG finden außerdem die Vorschriften der §§ 48 bis 50 auf kommunale Verfassungsbeschwerden entsprechende Anwendung. Die sich daraus ergebenden formellen Anforderungen sind eingehalten; insbesondere ist die Jahresfrist des § 48 LVerfGG gewahrt.
{RN:3}
Die kommunale Verfassungsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. § 3 S. 1 und 2 GemNeuglG BLK ist mit Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 LVerf vereinbar.
2.1. Die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 2 Abs. 3, Art. 87 LVerf steht Veränderungen des Gebietsbestandes einzelner Gemeinden nicht entgegen. Sie gewährleistet zwingend nur den Bestand von Gemeinden überhaupt, d.h. institutionell, nicht aber den Fortbestand jeder ein¬zelnen, historisch gewachsenen Gemeinde (Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 96, RdNr. 49, 54). Auflösungen von Gemeinden, Gemeinde-zusammenschlüsse, Eingemeindungen und sonstige Gebietsänderungen von Gemeinden beeinträchtigen den verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich der Selbstverwaltung grundsätzlich nicht. Zum Inhalt des verfassungsrechtlich gewährleisteten Kernbereichs der kommunalen Selbstverwaltung gehört jedoch, dass Bestands-und Gebietsänderungen von Gemeinden nur aus Gründen des öffentlichen Wohls und nach Anhörung der betroffenen Gebietskörper¬schaften zulässig sind (BVerfG, Beschl. v. 12.05.1992 – 2 BvR 470/90 u.a. –, BVerfGE 86, 90 [107] zu dem mit Art. 2 Abs. 3, Art. 87 LVerf inhaltsgleichen Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, a.a.O., § 96, RdNr. 115 f.).
{RN:4}
Die Zulässigkeit einer kommunalen Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz setzt voraus, dass die Beschwerdeführerin selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die angegriffenen Rechtsnormen in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt ist (vgl. entsprechend zum BVerfGG BVerfG, Beschl. v. 15.10.1985 – 2 BvR 1808/82 u.a. –, BVerfGE 71, 25 [34 ff.]; Beschl. v. 19.11.2002 – 2 BvR 329/97 –, BVerfGE 107, 1 [8]; Magen, in Umbach/Clemens/Dollinger [Hrsg.], Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2005, § 91, RdNr. 18). Dies ist hier der Fall. Das angegriffene Gesetz greift gegenwärtig in das Selbstverwaltungsrecht der Beschwerdeführerin ein, ohne dass es eines weiteren angreifbaren Umsetzungsaktes bedarf. Die Beschwerdeführerin wird durch § 3 S. 1 und 2 GemNeuglG BLK unmittelbar in ihrem Bestand aufgelöst.
Gemäß § 51 Abs. 2 LVerfGG finden außerdem die Vorschriften der §§ 48 bis 50 auf kommunale Verfassungsbeschwerden entsprechende Anwendung. Die sich daraus ergebenden formellen Anforderungen sind eingehalten; insbesondere ist die Jahresfrist des § 48 LVerfGG gewahrt.
{RN:5}
Die kommunale Verfassungsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. § 3 S. 1 und 2 GemNeuglG BLK ist mit Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 LVerf vereinbar.
{RN:6}
Die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 2 Abs. 3, Art. 87 LVerf steht Veränderungen des Gebietsbestandes einzelner Gemeinden nicht entgegen. Sie gewährleistet zwingend nur den Bestand von Gemeinden überhaupt, d.h. institutionell, nicht aber den Fortbestand jeder einzelnen, historisch gewachsenen Gemeinde (Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 96, RdNr. 49, 54). Auflösungen von Gemeinden, Gemeindezu-sammenschlüsse, Eingemeindungen und sonstige Gebietsänderungen von Gemeinden beeinträchtigen den verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich der Selbstverwaltung grundsätzlich nicht. Zum Inhalt des verfassungsrechtlich gewährleisteten Kernbereichs der kommunalen Selbstverwaltung gehört jedoch, dass Bestands-und Gebietsänderungen von Gemeinden nur aus Gründen des öffentlichen Wohls und nach Anhörung der betroffenen Gebietskörperschaften zulässig sind (BVerfG, Beschl. v. 12.05.1992 – 2 BvR 470/90 u.a. –, BVerfGE 86, 90 [107] zu dem mit Art. 2 Abs. 3, Art. 87 LVerf inhaltsgleichen Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, a.a.O., § 96, RdNr. 115 f.).
{RN:7}
Bei strukturellen Neugliederungen ist dem Gesetzgeber ein politischer Gestaltungsspielraum eingeräumt, der nach ständiger Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts nur eine eingeschränkte verfassungsgerichtliche Kontrolle des von einer betroffenen Gemeinde im Wege der kommunalen Verfassungsbeschwerde angegriffenen Neugliederungsgesetzes zulässt (vgl. Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, a.a.O., § 96, RdNr. 117). Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung ist danach nicht, ob es andere und bessere Alternativen zu der streitgegenständlichen Neugliederung gegeben hat. Das Landesverfassungsgericht überprüft die getroffene Maßnahme vielmehr lediglich darauf, ob der Gesetzgeber den für seine Regelung maßgeblichen Sachverhalt zutreffend ermittelt, dem Gesetz zugrunde gelegt hat und ob er die im konkreten Fall angesprochenen Gemeinwohlgründe sowie die Vor-und Nachteile der gesetzlichen Regelung in die vorzunehmende Abwägung eingestellt hat. Auf der Grundlage eines in dieser Weise ermittelten Sachverhalts und der Gegenüberstellung der daraus folgenden verschiedenen – oft gegenläufigen – Belange ist der Gesetzgeber befugt, sich letztlich für die Bevorzugung eines Belangs (oder mehrerer Belange) und damit notwendig zugleich für die Zurückstellung aller anderen betroffenen Ge¬sichtspunkte zu entscheiden. Soweit Ziele, Wertungen und Prognosen des Gesetzgebers in Rede stehen, hat das Landesverfassungsgericht darauf zu achten, ob diese offensichtlich oder eindeutig widerlegbar sind oder ob sie den Prinzipien der verfassungsrechtlichen Ordnung widersprechen (zum Ganzen: LVerfG, Urt. v. 21.04.2009 – LVG 12/08 –, RdNr. 19 ff. des Internetauftritts; Urt. v. 31.05.1994 – LVG 1/94 –, LKV 1995, 75 [79 f.]; Urt. v. 25.06.2007 – LVG 8/06 –, RdNr. 75 des Internetauftritts; ebenso BVerfG, Beschl. v. 27.11.1978 – 2 BvR 165/75 –, BVerfGE 50, 50 [51] zu Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG).
{RN:8}
Das Landesverfassungsgericht hat auch zu prüfen, ob die angegriffene gesetzgeberische Neugliederungsmaßnahme den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrt und frei von willkürli¬chen Erwägungen ist. Allerdings kommt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur in seiner durch legislatorische Beurteilungs-und Prognosespielräume relativierten Geltungskraft zur Anwendung (Heusch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Staatsorganisationsrecht, 2003, S. 186 ff.). Hat der Gesetzgeber sich an einer sachgerechten und vertretbaren Beurtei¬lung des erreichbaren Materials orientiert, so ist seine Prognose im Hinblick auf Eignung und Erforderlichkeit der Maßnahme, aber auch hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne – abgesehen von Fällen evident fehlsamer Einschätzung – als inhaltlich vertretbar anzusehen (zum Ganzen LVerfG, Urt. v. 21.04.2009 – LVG 12/08 –, RdNr. 23 ff. des Inter¬netauftritts m.w.N.).
Gemessen an diesen Anforderungen wird der von der Beschwerdeführerin angegriffene § 3 S. 1 und 2 GemNeuglG BLK der Selbstverwaltungsgarantie der Art. 2 Abs. 3, 87 LVerf gerecht.
{RN:9}
Der Gesetzgeber hat dem verfassungsrechtlich bestehenden Anhörungsgebot Genüge getan.
Das kommunale Selbstverwaltungsrecht aus Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 LVerf garantiert Gemeinden, dass ihr Gebietsbestand nur nach vorheriger Anhörung und ausschließlich aus Gründen des Gemeinwohls verändert werden darf und sie nur in diesem Rahmen aufge¬löst werden dürfen (LVerfG, Urt. v. 31.05.1994 – LVG 2/93 –, RdNr. 98 des Internetauftritts m.w.N.). Art. 90 S. 2 LVerf gestaltet einen Teilaspekt dieser Garantie aus, indem er bestimmt, dass das Nähere, insbesondere zur Anhörung der betroffenen Kommunen und Einwohner, durch ein Gesetz geregelt wird. Die dieser Vorgabe folgenden einfachgesetzlichen Regelungen sind insoweit Teil der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie und können im Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht als verletzt gerügt werden (vgl. LVerfG, Beschl. v. 20.12.2010 – LVG 36/10 –; Urt. v. 31.08.2011 – LVG 43/10 –, RdNr. 10 des Internetauftritts m.w.N.). Entsprechende Regelungen finden sich in § 17 Abs. 2 der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt – GO LSA – in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.08.2009 (GVBl. S. 383) sowie in § 55 des Kommunalwahlgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt – KWG LSA – in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.02.2004 (GVBl. S. 92), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.02.2008 (GVBl. S. 40). Nach § 17 Abs. 2 S. 3 GO LSA müssen bei Änderungen der Gemeindegrenzen durch Gesetz gegen den Willen der beteiligten Gemeinden neben den betroffenen Gemeinden auch die Bürger gehört werden, die in dem unmittelbar betroffenen Gebiet wohnen. Gemäß § 55 S. 2 KWG LSA finden auf die Durchführung der Anhörung der Bürger bei Gebietsänderungen nach der GO LSA die Bestimmungen für die Wahl des Bürgermeisters und des Landrates mit Aus¬nahme der §§ 50 bis 53 KWG LSA entsprechende Anwendung. Demnach ist die Bürgeran¬hörung spätestens zwei Monate vor dem Tag der Durchführung öffentlich bekanntzumachen (vgl. § 6 Abs. 2 S. 1 KWG LSA).
{RN:11}
Im vorliegenden Fall ist ein Verstoß gegen die einfachgesetzlichen Regelungen zum Bürgeranhörungsverfahren nicht festzustellen. Insbesondere ist der Termin der am 20.12.2009 durchgeführten Anhörung den Bürgern der Beschwerdeführerin rechtzeitig bekannt gegeben worden. Nach § 6 Abs. 2 S. 1 KWG LSA kommt es insoweit auf die öffentliche Bekanntmachung an. Welche Anforderungen an eine öffentliche Bekanntmachung zu stellen sind, beurteilt sich in erster Linie nach dem einschlägigen Orts-und Landesrecht. Nach § 11 der Hauptsatzung der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft Lützen-Wiesengrund vom 21.02.2005 erfolgten die gesetzlich erforderlichen Bekanntmachungen im Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft. Hier ist der Termin der Bürgeranhörung zu dem beabsichtigten Neugliederungsvorhaben des Gesetzgebers im Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft Lützen-Wiesengrund vom 19.10.2009 bekannt gemacht worden. Damit ist allerdings noch nicht die Frage nach dem für die Einhaltung der Zwei-Monatsfrist des § 6 Abs. 2 KWG LSA maßgeblichen Zeitpunkt beantwortet. Für die Verkündung von Rechtsnormen genügt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass das Gesetz in einer Weise der Öf¬fentlichkeit zugänglich ist, die es dem Bürger gestattet, sich Kenntnis vom Inhalt der Rechts¬normen zu verschaffen. Dies ist bereits dann der Fall, wenn das erste Stück des Verkün¬dungsblattes in den Verkehr gebracht ist. Dahinter steht der Gedanke, dass die Ausgabe des Verkündungsblattes ein Vorgang von einiger Dauer ist, der sich unter Umständen über meh¬rere Tage erstrecken kann. Für die Zwecke der Bestimmung des Zeitpunkts des Inkrafttre¬tens eines Gesetzes bedarf es um der Klarheit und Eindeutigkeit willen aber der Fixierung eines bestimmten Augenblicks, in dem das Gesetzblatt als ausgegeben anzusehen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 02.04.1963 – 2 BvL 22/60 –, BVerfGE 16, 6 [18 ff.]; Beschl. v. 07.07.1992 – 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90 –, BVerfGE 87, 48 [60]). Dieses Bedürfnis besteht gleich¬ermaßen im Hinblick auf die Frage, wann der Termin einer Bürgeranhörung öffentlich be¬kannt gegeben ist. Hiervon ausgehend ist für die Wahrung der Zwei-Monatsfrist des § 6 Abs. 2 KWG LSA allein entscheidend, dass das Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft Lützen-Wiesengrund – unstreitig – am 19.10.2010 erstmals ausgegeben worden ist. Dem vermag die Beschwerdeführerin nicht mit Erfolg entgegenzuhalten, für die öffentliche Be¬kanntmachung des Anhörungstermins sei auf die – erst am 28.10.2010 erfolgte – Verteilung des Amtsblattes in ihrem Gemeindegebiet abzustellen, da das konkrete Neugliederungsvor¬haben sie und nicht sämtliche anderen ehemaligen Mitgliedsgemeinden betreffe. Das Amts¬blatt der Verwaltungsgemeinschaft war nach der Hauptsatzung der Verwaltungsgemein¬schaft zentrales Verkündungsblatt für die gesetzlich vorgesehenen Bekanntmachungen in Bezug auf sämtliche Mitgliedsgemeinden, also auch die Beschwerdeführerin. Hiervon aus¬gehend ist im Hinblick auf die Bestimmung des Zeitpunktes der öffentlichen Bekanntma¬chung für eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Mitgliedsgemeinden kein Raum.
Ungeachtet dessen wäre eine Berufung der Beschwerdeführerin auf eine verspätete Be¬kanntmachung des Termins der Bürgeranhörung rechtsmissbräuchlich. Nach dem unwider¬sprochen gebliebenen Vorbringen der Landesregierung hat sie durch das Verhalten ihres Bürgermeisters wesentlich dazu beigetragen, dass die Verteilung des Amtsblattes in ihrem Gemeindegebiet nicht bereits am Tag der Ausgabe am 19.10.2009 erfolgt ist.
Weitere formelle Bedenken gegen die Bürgeranhörung und die Anhörung der Beschwerde¬führerin zu dem Gesetzesvorhaben sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.
{RN:12}
Die Auflösung der Beschwerdeführerin und ihre Eingemeindung in die Stadt Weißenfels sind auch in materieller Hinsicht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Der Gesetzgeber hat den für die Gebietszuordnung erheblichen Sachverhalt umfassend ermittelt. Die der angegriffenen Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen sind in der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 5/2405, S. 108-140) dargestellt. Er hat insbesondere Feststellungen zu den örtlichen Verhältnissen und den wesentlichen Strukturdaten der Beschwerdeführerin und der übrigen ehemaligen Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Lützen-Wiesengrund sowie zu zwischen diesen Gemeinden bestehenden Verflechtungen getroffen. Dabei sind auch die Feststellungen im Hinblick auf die Frage der Beschulung der schulpflichtigen Kinder aus dem Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin inhaltlich zutreffend. Der Gesetzgeber geht diesbezüglich – übereinstimmend mit der Beschwerdeführerin – davon aus, dass die Grundschüler der Beschwerdeführerin die Grundschule in der Gemeinde Granschütz, seit dem 01.01.2010 Ortsteil der Einheitsgemeinde Hohenmölsen, besuchen und sich die zuständige Sekundarschule sowie das Gymnasium in der Stadt Hohenmölsen befinden (vgl. LT-Drs. 5/2405, S. 111). Soweit die Gesetzesbegründung an anderer Stelle davon ausgeht, die auf dem Gebiet der Verwaltungsgemeinschaft vorhandenen Grundschulen sowie die Sekundarschule in der Stadt Lützen beschulten vorrangig die Grundschüler aus den Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft (vgl. LT-Drs. 5/2405, S. 137), steht dies entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht im Widerspruch zu den Feststellungen des Gesetzgebers zur Beschulung der Kinder aus dem Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin. Diese Ausführungen betreffen nicht den Sachverhalt, den der Gesetzgeber der angegriffenen Zuordnungsentscheidung zugrunde gelegt hat, sondern geben einen Teil seiner Überlegungen im Rahmen der Gesamtabwägung der für und gegen die Zuordnung der Beschwerdeführerin und der übrigen noch nicht leitbildgerecht strukturierten ehemaligen Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Lützen-Wiesengrund zur Stadt Lützen sprechenden Gesichtspunkte wieder.
{RN:13}
Die angegriffene Zuordnung der Beschwerdeführerin beruht auch auf tragfähigen Gründen des Gemeinwohls. Sie ist Bestandteil der landesweiten Gemeindegebietsreform zur Schaffung dauerhaft leistungsfähiger Gemeindestrukturen im Land Sachsen-Anhalt (vgl. Gesetzesbegründung, LT-Drs. 5/2405, S. 5), für welche der Gesetzgeber im GemNeuglGrG ein Leitbild und einzelne Leitlinien aufgestellt hat. Das Landesverfassungsgericht hat diese den Rahmen des Reformprozesses bildenden Regelungen zur Verwirklichung der Ziele der landesweiten Gemeindegebietsreform verfassungsrechtlich nicht beanstandet, weil sie auf ihrerseits tragfähige Gemeinwohlgesichtspunkte gestützt sind und den Anforderungen der Art. 2 Abs. 3, 87 LVerf entsprechen (vgl. LVerfG, Urt. v. 21.04.2009 – LVG 12/08 –, RdNr. 14 ff. des Internetauftritts). Die Zielvorstellungen des GemNeuglGrG und die dort normierten
Kriterien für deren Umsetzung erlangen auch Bedeutung für die verfassungsrechtliche Beur¬teilung der streitgegenständlichen konkreten Neugliederungsmaßnahme. Denn hat der Ge¬setzgeber – wie hier mit dem GemNeuglGrG – ein Leitbild und einzelne Kriterien für eine das Land insgesamt umfassende Neuordnung festgelegt, ist er – will er nicht gegen das Willkürverbot verstoßen – an die von ihm selbst gefundenen Maßstäbe gebunden (LVerfG, Urt. v. 31.05.1994 – LVG 1/94 –, LKV 1995, 75 [79] m.w.N.; Urt. v. 10.05.2011 – LVG 24/10 –, RdNr. 8 des Internetauftritts).Ausgehend davon ist auch die von der Beschwerdeführerin angegriffene Zuordnungsentscheidung als am Gemeinwohl orientiert anzusehen. § 3 S. 1 und 2 GemNeuglG BLK steht im Einklang mit dem vom Gesetzgeber zur Schaffung leistungsfähiger Gemeindestrukturen aufgestellten Leitbild sowie den Leitlinien des GemNeuglGrG. Die Beschwerdeführerin hatte zu dem nach § 2 Abs. 10 GemNeuglGrG maßgeblichen Stichtag (31.12.2005) lediglich 830 Einwohner. Damit war sie als nicht selbständig leistungsfähig anzusehen. Nach § 2 Abs. 3 GemNeuglGrG sollen Einheitsgemeinden mindestens 10.000 Einwohner haben (Satz 1). In Landkreisen, in denen die durchschnittliche Bevölkerungsdichte weniger als 70 Einwohner je Quadratkilometer beträgt, oder wenn eine besondere geografische Lage die Bildung einer leistungsfähigen Einheitsgemeinde mit 10.000 Einwohnern ausschließt, sollen Einheitsge¬meinden mindestens 8.000 Einwohner haben (Satz 2). Diese Mindesteinwohnerzahlen hat die Beschwerdeführerin deutlich unterschritten.
{RN:14}
Die vom Gesetzgeber vorgenommene Abwägung der für und gegen die Auflösung und Zuordnung der Beschwerdeführerin sprechenden Belange lässt ebenfalls keine verfas¬sungsrechtlich zu beanstandenden Fehler erkennen.
Der Gesetzgeber hat sich bei seiner Entscheidung, die Beschwerdeführerin gemeinsam mit den Gemeinden Dehlitz (Saale) und Sössen in die Stadt Lützen einzugemeinden, an dem im GemNeuglGrG normierten Leitbild und den zugehörigen einzelnen Kriterien orientiert. Nach § 2 Abs. 2 GemNeuglGrG sollen Einheitsgemeinden durch benachbarte Gemeinden desselben Landkreises und grundsätzlich auch derselben Verwaltungsgemeinschaft gebildet wer¬den. Die Beschwerdeführerin war ebenso wie die Stadt Lützen und die Gemeinden Großgörschen, Muschwitz, Poserna, Rippach, Röcken und Starsiedel, die sich freiwillig mit der Stadt Lützen zusammengeschlossen haben, sowie die Gemeinden Dehlitz (Saale) und Sössen Mitgliedsgemeinde in der Verwaltungsgemeinschaft Lützen-Wiesengrund. Durch die Zuordnung der Beschwerdeführerin – und der Gemeinden Dehlitz (Saale) und Sössen – zur Stadt Lützen werden die örtlichen Verbundenheiten und Verflechtungen berücksichtigt, die sich in der Vergangenheit zwischen diesen Gemeinden und deren Bürgern aufgrund der gemeinsamen Zugehörigkeit zu einer Verwaltungsgemeinschaft entwickelt haben. Dem in § 2 Abs. 2 GemNeuglGrG normierten Grundsatz einer vorrangigen Bildung von Einheitsgemeinden aus Gemeinden derselben Verwaltungsgemeinschaft liegt die Vorstellung zugrunde, dass innerhalb einer Verwaltungsgemeinschaft bereits gewachsene Verwaltungsstrukturen und funktionale Verflechtungen vorhanden sind, auf deren Grundlage die neue Gemeinde gebildet werden kann. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Aufgaben sowohl des eigenen als auch des übertragenen Wirkungskreises aller in einer Verwaltungsgemeinschaft zusammengefassten Gemeinden in einem gemeinsamen Verwaltungsamt oder in der Trägergemeinde erledigt worden sind (vgl. LVerfG, Urt. v. 21.04.2009 – LVG 12/08 –, RdNr. 48 des Internetauftritts). Demgemäß sind entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin bei der Abwägung nicht allein ihre Belange und die Belange sowie Verflechtungsbeziehungen der übrigen neu zu gliedernden Mitgliedsgemeinden der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft Lützen-Wiesengrund losgelöst voneinander zu betrachten. Vielmehr ist zugleich die Verwaltungsgemeinschaft insgesamt in den Blick zu nehmen. Hiervon ausgehend ist es als sachgerecht anzusehen, dass der Gesetzgeber in seine Abwägung auch solche Verflechtungen innerhalb der Verwaltungsgemeinschaft eingestellt hat, die – etwa im Schulbereich – nicht die Beschwerdeführerin im Besonderen betreffen (vgl. Gesetzesbegründung, LT-Drs. 5/2405,
S. 126 ff., 137). Ohne Erfolg wendet die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang zu¬dem ein, ihre auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesenen Bürger hätten mangels vorhandener Bus-oder Bahnverbindungen keine Möglichkeit die Verwaltungsstellen in der Stadt Lützen aufzusuchen. Zwar gibt es tatsächlich – soweit ersichtlich – keine direkten Bus-oder Bahnverbindungen zwischen dem Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin und der Stadt Lützen. Die Beschwerdeführerin trägt aber selbst vor, dass jedenfalls nach Weißenfels stündlich Busverbindungen zur Verfügung stehen. Nach den Fahrplanauskünften der Perso¬nenverkehrsgesellschaft (PVG) Burgenlandkreis ist Lützen von Weißenfels in ca. 20 Minuten mit dem Bus erreichbar, wobei zwischen diesen beiden Städten zwei Busverbindungen exis¬tieren (vgl. http://www.pvg-burgenlandkreis.de/index.-php/fahrplanmenue/regionalverkehrmenue/weissenfelslandeslinie). Abgesehen davon sind Straßen-bzw. Verkehrsverbindungen nur einer von vielen Gesichtspunkten, die für das Bestehen enger Verflechtungsbeziehungen kennzeichnend sind.
{RN:15}
Es begegnet ebenso wenig verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Stadt Lützen auch nach einer Zuordnung der Beschwerdeführerin und der Gemeinden Dehlitz (Saale) und Sös¬sen mit insgesamt 9.680 Einwohnern die in § 2 Abs. 3 S. 1 GemNeuglGrG festgelegte Re¬gelmindestzahl von 10.000 Einwohnern unterschreitet. Bereits der Wortlaut des § 2 Abs. 3 S. 1 GemNeuglGrG („sollen“) lässt erkennen, dass die dort genannte Mindesteinwohnerzahl für Einheitsgemeinden keine absolut vorgegebene Größe darstellt. Gerade weil der Gesetzgeber bei der Bestimmung eines normativen Leitbildes für eine landesweite Gemeindege¬bietsreform typisieren durfte, d.h. nicht jeder einzelnen Gemeinde oder jeder insgesamt gesehen unbedeutenden Gruppe von Gemeinden Rechnung tragen musste, sind Abweichungen von den von ihm festgelegten Regelgrößen zulässig, wo diese angebracht sind (vgl. LVerfG, Urt. v. 21.04.2009 – LVG 12/08 –, RdNr. 46 des Internetauftritts). Dabei werden hin¬sichtlich gesetzlicher Neugliederungen die Grenzen zulässiger Abweichungen vom Leitbild und von den Leitlinien des GemNeuglGrG nicht unmittelbar durch § 2 Abs. 3 S. 3 GemNeuglGrG bestimmt. Danach dürfen die nach den Sätzen 1 und 2 dieser Vorschrift maßgeblichen Einwohnerzahlen geringfügig unterschritten werden, wenn Umstände des Einzelfalls die Annahme rechtfertigen, dass die dauerhafte Leistungsfähigkeit der neu gebil¬deten Einheitsgemeinde erreicht wird. Diese einfachgesetzliche Regelung entfaltet nach ihrer systematischen Stellung im GemNeuglGrG eine Bindungswirkung nur für die sogenannte Freiwilligkeitsphase der Gemeindegebietsreform, in der die Gemeinden die Gelegenheit hat¬ten, im Wege freiwillig vereinbarter Gebietsänderungen leitbildgerechte Strukturen zu bilden. Für den Vollzug der Gemeindegebietsreform gegen den Willen einzelner Gemeinden be¬stimmt § 2 Abs. 9 GemNeuglGrG, dass Gemeinden, die – wie hier die Beschwerdeführerin – der Kommunalaufsicht bis zum 30.06.2009 keine genehmigungsfähige Vereinbarung über die Bildung einer Einheitsgemeinde oder einer Verbandsgemeinde vorgelegt haben, durch Gesetz zu Einheitsgemeinden zusammengeschlossen werden. Eine unmittelbare Anwend¬barkeit der für die Freiwilligkeitsphase geltenden Maßstäbe des GemNeuglGrG auf die gesetzlichen Neugliederungsmaßnahmen sieht § 2 Abs. 9 GemNeuglGrG nicht vor. Das mit dem GemNeuglGrG normierte Leitbild, welches insbesondere in den festgelegten Regelmin¬desteinwohnerzahlen zum Ausdruck kommt, und die Leitlinien für die das gesamte Land Sachsen-Anhalt umfassende Neuordnung der Gemeindestrukturen erlangen rechtliche Be¬deutung für die gesetzliche Neugliederung vielmehr über die aus dem Gleichheitssatz und dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Selbstbindung des Gesetzgebers. Diese Selbstbin¬dung setzt möglichen Abweichungen von dem festgelegten Leitbild und dem mit den Leitli¬nien aufgestellten System zur Umsetzung der Zielvorstellungen der landesweiten Gemein¬degebietsreform weniger enge Grenzen als die einfachgesetzliche Regelung des § 2 Abs. 3 S. 3 GemNeuglGrG. Der Gesetzgeber darf das von ihm gefundene System lediglich nicht willkürlich verlassen. Er ist somit nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen daran gehindert, aus sachlichen, grundsätzlich am Leitbild und den Leitlinien der Reform ausgerichteten Erwägungen für einzelne Gemeinden eine Lösung zu finden, die den Rahmen der leitenden Gesichtspunkte verlässt (vgl. LVerfG, Urt. v. 31.05.1994 – LVG 1/94 –, LKV 1995, 75 [79]; ThürVerfGH, Urt. v. 18.12.1996 – VerfGH 2/95 und 6/95 –, LVerfGE 5, 391 [422]). In Bezug auf die Stadt Lützen, der die Beschwerdeführerin durch das angegriffene Neugliederungsge¬setz zugeordnet wird, liegen sachliche Gründe vor, die ein Abweichen von der Regelmin¬desteinwohnerzahl in § 2 Abs. 3 S. 1 GemNeuglGrG rechtfertigen. Der Gesetzgeber hat sich insbesondere davon leiten lassen, dass die Stadt Lützen nach der Zuordnung der Be¬schwerdeführerin sowie der Gemeinden Dehlitz (Saale) und Sössen die Regelmindestein¬wohnerzahl nur geringfügig unterschreitet und Einheitsgemeinden nach § 2 Abs. 2 GemNeu¬glGrG vorrangig durch benachbarte Gemeinden derselben Verwaltungsgemeinschaft gebil¬det werden sollen. Er hat in seine Entscheidung auch einbezogen, dass die der Stadt Lützen zugeordneten Gemeinden – darunter die Beschwerdeführerin – über einen ausgeglichenen Haushalt verfügen. Dabei ist er prognostisch davon ausgegangen, dass durch die Einge¬meindung dieser Gemeinden der Haushalt der Stadt Lützen zeitnah konsolidiert wird, sodass diese trotz Unterschreitens der Regelmindesteinwohnerzahl als zukünftig leistungsfähig an¬zusehen ist. Ob diese Prognose sachgerecht ist, bedarf keiner weiteren Erörterung. Wie be¬reits ausgeführt, überprüft das Landesverfassungsgericht Wertungen des Gesetzgebers ebenso wie dessen Prognosen lediglich darauf, ob diese offensichtlich und eindeutig wider¬legbar sind. Dies ist hier nicht der Fall. Die insoweit angestellten Erwägungen des Gesetzge¬bers sind zumindest nicht offensichtlich fehlerhaft oder laufen den Zielvorstellungen der Ge¬meindegebietsreform zuwider.
{RN:16}
Die Beschwerdeführerin vermag der angegriffenen Zuordnungsentscheidung nicht mit Erfolg entgegenzuhalten, dass die freiwillige Neubildung der Stadt Lützen zum 01.01.2010 aus sechs ehemaligen Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Lützen-Wiesengrund nicht genehmigungsfähig gewesen sei. Jedenfalls ist diese freiwillige Neugliederung nach der unwidersprochen gebliebenen Auskunft der Landesregierung in der mündlichen Ver¬handlung durch die Kommunalaufsichtsbehörde bestandskräftig genehmigt worden. Mithin musste der Gesetzgeber der von der Beschwerdeführerin angegriffenen Neugliederungsent¬scheidung die rechtliche Existenz der Stadt Lützen in der zum 01.01.2010 neugebildeten Gestalt zugrunde legen. Ob die den freiwilligen Gebietsänderungsvereinbarungen zur Neu¬bildung der Stadt Lützen erteilten kommunalaufsichtlichen Genehmigungen rechtmäßig wa¬ren, kann dahinstehen. Das Landesverfassungsgericht ist nicht dazu berufen, einen Akt der Exekutive am Maßstab der Landesverfassung zu prüfen. Zulässiger Gegenstand der kom¬munalen Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin ist lediglich ein förmliches Lan¬
desgesetz (vgl. Art. 75 Nr. 7 LVerf, §§ 2 Nr. 8, 51 Abs. 1 LVerfGG), hier § 3 S. 1 und 2 GemNeuglG BLK.
{RN:17}
Schließlich hat der Gesetzgeber auch die Verflechtungsbeziehungen der Beschwerde-führerin mit dem angrenzenden Mittelzentrum Weißenfels in seine Erwägungen einbezogen. Damit hat er im Rahmen der Abwägung berücksichtigt, dass die Gemeindegebietsreform nicht nur auch in der Zukunft leistungsfähige Gemeindestrukturen schaffen, sondern zugleich einen Beitrag zur Lösung von Stadt-Umland-Problemen leisten soll, die aufgrund bestehender Verflechtungsbeziehungen zwischen Mittelzentren und den unmittelbar angrenzenden Gemeinden bestehen (vgl. § 1 Abs. 2 S. 1 GemNeuglGrG). Im Ergebnis ist der Gesetzgeber aber prognostisch davon ausgegangen, dass die Eingemeindung der Beschwerdeführerin in die Stadt Weißenfels zumindest derzeit nicht zur Stärkung des Mittelzentrums erforderlich ist, da dieses Ziel bereits durch die erfolgte Eingemeindung anderer Umlandgemeinden erreicht wird. Diese Prognose ist nicht offensichtlich und eindeutig widerlegbar und daher nach dem insoweit nur eingeschränkten Prüfungsmaßstab verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber auch den Umstand sachgerecht gewichtet, dass lediglich der Teil der Gewerbe-und Industrieansiedlung des Gemeindegebietes der Beschwerdeführerin westlich der Bundesautobahn A 9 unmittelbar an das Mittelzentrum Weißenfels angrenzt, während die Wohnbebauung der Beschwerdeführerin östlich der Bun¬desautobahn A 9 und damit räumlich deutlich von der Stadt Weißenfels abgegrenzt gelegen ist. Für eine Zuordnung lediglich des westlichen Teils des Gemeindegebietes der Beschwer¬deführerin zum Mittelzentrum Weißenfels hat der Gesetzgeber in Anbetracht der bereits er¬wähnten Eingemeindung anderer Umlandgemeinden in die Stadt Weißenfels keine Notwen¬digkeit gesehen. Der möglichen Lösung von Stadt-Umland-Problemen durch eine – zumin¬dest teilweise – Zuordnung der Beschwerdeführerin zum Mittelzentrum Weißenfels ist auch nicht deshalb ein größeres Gewicht beizumessen, weil die Beschwerdeführerin in der Anlage zu § 3 GemNeuglGrG als eine der Gemeinden aufgeführt ist, die besonders enge Verflech¬tungsbeziehungen zu einem Mittelzentrum – hier Weißenfels – aufweisen. Nach § 3 S. 1 GemNeuglGrG können (Hervorhebung durch das Gericht) die genannten Gemeinden nach dem 30.09.2009 durch Gesetz in ein angrenzendes Mittelzentrum ganz oder teilweise ein¬gemeindet werden, wenn die Ziele des § 1 Abs. 2 GemNeuglGrG nicht durch freiwillige Neu¬gliederungsvereinbarungen erreicht werden. Hieraus lässt sich jedoch kein Vorrang des Zie¬les der Lösung von Stadt-Umland-Problemen gegenüber anderen Zielen der Gemeindege¬bietsreform herleiten. Angesichts des ihm bei Gemeindeneugliederungen eröffneten Beurtei¬lungs-und Prognosespielraums ist es vielmehr Sache des Gesetzgebers, sich aus sachge¬rechten Erwägungen für eine vorrangige Umsetzung eines der Ziele der Gemeindegebietsre¬form – hier die Überwindung kleinteiliger Gemeindestrukturen zur Stärkung der Leistungsfä¬higkeit der Gemeinden nach Maßgabe der für die Gemeindegebietsreform abstrakt formulier¬ten Leitbilder und Leitlinien – zu entscheiden.
{RN:17}
Beruht die angegriffene Entscheidung des Gesetzgebers nach alledem auf einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung und Abwägung, ist der hiermit verbundene Ein¬griff in das Selbstverwaltungsrecht der Beschwerdeführerin auch nicht unvereinbar mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit seiner hier – wie dargelegt – nur eingeschränkt zur Anwendung gelangenden Geltungskraft.
{RN:18}
Die Verfassungsbeschwerde bleibt auch insoweit erfolglos, als die Beschwerdeführerin sich gegen § 9 Abs. 4 S. 1 GebRefAusfG wendet.
Nach Art. 89 S. 1 LVerf muss das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmit¬telbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Die existierende Ge¬meindevertretung der die Beschwerdeführerin aufnehmenden Stadt Lützen entspricht diesen Anforderungen. Zwar ist der Stadtrat der Stadt Lützen mangels Anordnung einer Neuwahl nach der erfolgten gesetzlichen Zuordnung der Beschwerdeführerin nicht von sämtlichen Bürgern gewählt worden. Eine Repräsentation der Einwohner der aufgelösten Gemeinden im Gemeinderat der aufnehmenden Gemeinde wird aber dadurch herbeigeführt, dass dieser Gemeinderat nach § 9 Abs. 1 S. 1 GebRefAusfG im Verhältnis zur Einwohnerzahl der ein¬gemeindeten Gemeinde, mindestens jedoch um ein Gemeinderatsmitglied – und zwar aus der Mitte der entweder in einen Ortschaftsrat überführten oder aufgelösten Gemeindevertre¬tung (vgl. § 9 Abs. 4 GemRefAusfG) – erweitert wird.
Diese Entsenderegelung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. LVerfG, Urt. v. 20.01.2011 – LVG 22/10).
Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Entsenderegelung ergeben sich auch nicht dar¬aus, dass § 9 Abs. 4 GebRefAusfG – zwar nicht ausdrücklich, aber doch im Ergebnis – die Entsendung des ehemaligen Bürgermeisters, beziehungsweise im Fall der Einführung einer Ortschaftsverfassung, des Ortsbürgermeisters in den Gemeinderat der aufnehmenden Ge¬meinde zulässt. Insoweit wendet die Beschwerdeführerin ohne Erfolg ein, der Bürgermeister sei für die Repräsentation der Einwohner der aufgelösten Gemeinde nicht geeignet, da er funktionell nur Verwaltungsorgan und – anders als der Gemeinderat – nicht Volksvertretung sei. Für die Frage der hinreichenden demokratischen Legitimation des entsendeten Vertre¬ters der aufgelösten Gemeinde ist entscheidend, ob diese Person unmittelbar von den wahl¬berechtigten Bürgern der Gemeinde gewählt worden ist. Dies ist nach § 58 Abs. 1 S. 1 GO LSA im Hinblick auf den Bürgermeister ebenso wie nach § 37 Abs. 1 S. 1 GO LSA hinsicht¬lich des Gemeinderates der Fall. Ungeachtet dessen ist der ehrenamtliche Bürgermeister – worauf auch die Beschwerdeführerin hinweist – Teil des Gemeinderates, namentlich dessen Vorsitzender (vgl. § 36 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 GO LSA). Wird er auf der Grundlage des § 9 Abs. 4 GebRefAusfG aus der Mitte des in einen Ortschaftsrat überführten oder anschließend aufgelösten Gemeinderats der gesetzlich zugeordneten Gemeinde in den Gemeinderat der aufnehmenden Gemeinde entsandt, nimmt er diese Aufgabe auch als Mitglied des Gemein¬derates der aufgelösten Gemeinde und nicht lediglich – wie die Beschwerdeführerin meint – in seiner Funktion als Leiter der Gemeindeverwaltung (vgl. § 63 Abs. 1 GO LSA) wahr (so bereits LVerfG, Beschl. v. 20.01.2011 – LVG 80/10 –, RdNr. 8 des Internetauftritts; Urteil vom 27.04.2012 – LVG 51/10).
{RN:18}
Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 32 Abs. 1 LVerfGG. Das Verfahren bleibt in vollem Umfang erfolglos. Gründe im Sinne des § 32 Abs. 3 LVerfGG, gleichwohl die Erstattung der Auslagen der Beschwerdeführerin anzuordnen, sind nicht ersichtlich.
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Das Gericht

Der Sitz des Landesverfassungsgerichts ist Dessau-Roßlau.