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Urteil des Gerichtes

Entscheidungsvorblatt

Aktenzeichen: LVG 57/10 Entscheidungsart: Urteil Entscheidung vom: 09.10.2012
Verfahrensart Kommunalverfassungsbeschwerde
entscheidungserhebliche Vorschriften
Schlagworte
Stichworte Urteil
Leitsatz {T:Leitsätze} 1.Art. 88 Abs. 1 der Landesverfassung verpflichtet den Gesetzgeber nicht sämtliche Ausgaben der Gemeinden zu berücksichtigen, sondern nur die notwendigen Ausgaben, die bei einer effizienten Aufgabenerfüllung entstehen. Für den Finanzausgleich nach Art. 88 Abs. 1 kommt es nicht auf die tatsächlichen Ausgaben der Gemeinden an, sondern auf die Ausgaben, die fiktiv eine Gemeinde objektiv hätte, wenn sie sparsam und wirtschaftlich haushalten würde. Daher haben die Fragen, ob eine Aufgabe überhaupt öffentlich wahrgenommen werden muss und wenn ja, welches Leistungsniveau dafür notwendig ist, eine entscheidende Rolle zu spielen. Ferner sind solche Aufgaben nur dann in den Finanzausgleich einzubeziehen, wenn sie so kostengünstig wie möglich wahrgenommen werden. 2.Ein Finanzausgleich im Spannungsverhältnis zwischen einer gebotenen, an einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung orientierten Aufgabenerfüllung und dem Freiraum der garantierten Aufgabenautonomie der Gemeinden ist mit der Landesverfassung nur vereinbar, wenn der Gesetzgeber eine typisierende Bedarfsanalyse vorgenommen hat. Dabei ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, einen einzelfallbezogenen und damit „gemeindescharfen“ Finanzausgleich vorzunehmen. Er darf typisieren und generalisieren. Dabei kommt es nicht auf die Verhältnisse einzelner Gemeinden, sondern auf die aller Gemeinden an. 3.Der Anspruch der Gemeinden auf Sicherstellung einer angemessnen Finanzausstattung nach Art 88 Abs. 1 ist abhängig von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes. Dies gilt auch für die Gewährleistung der finanziellen Mindestausstattung der Gemeinden. 4.Es ist vom Grundsatz her verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber vom Rückgang der Bevölkerungszahlen auf einen Rückgang des Aufwands für die Erledigung der kommunalen Aufgaben schließt und den Bevölkerungsrückgang in seiner Berechnung des Aufwands bedarfsmindernd ansetzt. Dabei darf der Aufwand nicht bedarfsmindernd proportional zum Bevölkerungsrückgang verringert werden. Vielmehr müssen Fixkosten/Ausgabenremanenzen beachtet werden. Ferner darf der Bevölkerungsrückgang für die einzelnen kommunalen Aufgaben nicht einheitlich, sondern nur differenziert angesetzt werden. 5.Eine zu einem Mehrbelastungsausgleich verpflichtende Aufgabendifferenz und damit eine neue Aufgabe im Sinne von Art. 87 Abs. 3 der Landesverfassung liegt auch vor, wenn für Aufgaben des eigenen Wirkungskreises verbindliche Standards festgelegt werden oder eine bereits durch Gesetz übertragene Aufgabe durch ein weiteres Gesetz neu ausgeformt wird und daher eine neue finanzielle Belastung entsteht.
Fundstellen -
Sonstiges -
Zitiervorschlag VerfGSA, Urteil vom 09.10.2012 - LVG 57/10 -,
www.verfassungsgericht-sachsen-anhalt.de

Urteil

in dem Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahren

LVG 57/10

09.10.2012

{T:wegen}

Regelungen des Finanzausgleichgesetzes 20


{T:Tenor}

Die Regelung des § 2 Abs. 1 des Finanzausgleichsgesetzes vom 16. Dezember 2009 (GVBl. S. 684) ist mit Art. 88 Abs. 1 der Landesverfassung unvereinbar.

Dem Gesetzgeber wird aufgegeben, spätestens für das Ausgleichsjahr 2014 § 2 Abs. 1 des Finanzausgleichsgesetzes vom 16. Dezember 2009 in dem nach den Urteilsgründen erforderlichen Umfang neu zu regeln. § 2 Abs. 1 des Finanzausgleichsgesetzes vom 16. Dezember 2009 ist bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung, längstens bis 31. Dezember 2013, weiter anwendbar.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Land Sachsen-Anhalt hat den Beschwerdeführerinnen ein Drittel ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten


{T:T a t b e s t a n d}

Die Beschwerdeführerinnen wenden sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die §§ 2 Abs. 1 (teilweise), 2 Abs. 2 S. 1 2. Halbs., 2 Abs. 3 S. 2 und 3 sowie 16 Abs. 1 S. 1 (teilweise) des Finanzausgleichsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 16.12.2009 (GVBl. S. 684) – FAG 2009 –. Sie rügen den Verstoß gegen Art. 2 Abs. 3, Art. 87 Abs. 1 und Art. 88 Abs. 1 und 2 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt – LVerf – vom 16.07.1992 (GVBl. S. 600).
Das Land Sachsen-Anhalt stellt den Gemeinden und Landkreisen Finanzmittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung. Eine Grundlage dafür ist das Finanzausgleichsgesetz. In ihm wird die jährliche Finanzausgleichsmasse festgelegt, die auf die Kommunen in Form von allgemeinen Finanzzuweisungen und Sonder- sowie Bedarfszuwendungen aufgeteilt wird.
Die angegriffenen Normen haben folgenden Wortlaut:

§ 2
Finanzausgleichsmasse
(1) Die Finanzausgleichsmasse beträgt 1 595 491 102 Euro für das Ausgleichsjahr 2010 und 1 590 623 669 Euro für das Ausgleichsjahr 2011.
(2) Für die auf das Ausgleichsjahr 2011 folgenden Ausgleichsjahre ist die angemessene kommunale Finanzausstattung zur Erfüllung der Aufgaben der Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften, Verbandsgemeinden und Landkreise rechtzeitig zu ermitteln und anzupassen; dabei ist der Rückgang der Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen zu berücksichtigen. Maßstab für die Bemessung der Landeszuweisung sind die notwendigen kommunalen Ausgaben bei effizienter Aufgabenerfüllung.
(3) Die Finanzausgleichsmasse für das Haushaltsjahr 2009 wird nach Ablauf des Haushaltsjahres gemäß der Haushaltsrechnung endgültig festgestellt. Der Unterschied zwischen der vorläufigen und der endgültigen Feststellung ist spätestens mit der Finanzausgleichsmasse des drittfolgenden Jahres zu verrechnen. Die Verrechnung ist auf die allgemeinen Zuweisungen begrenzt.

§ 16
Investitionspauschale
(1) Die Gemeinden und Landkreise erhalten investive Zuweisungen zur Verbesserung der kommunalen Infrastruktur in Höhe von 153 240 000 Euro im Jahr 2010 und 128 041 000 Euro im Jahr 2011. Diese sind vorrangig zur Leistung des Eigenanteils bei der Inanspruchnahme von Fördermitteln zu verwenden. Sie sind dem Vermögenshaushalt zuzuführen. Davon kann die Kommunalaufsicht eine Ausnahme zulassen, soweit die Haushaltslage es trotz Ausschöpfung aller Haushaltskonsolidierungsmöglichkeiten erfordert. Wird der Haushalt nach dem System der doppelten Buchführung geführt, sind die investiven Zuweisungen dem Finanzhaushalt zuzuführen.

Den strittigen Regelungen des Finanzausgleichsgesetzes liegt folgende Entstehungsge-schichte zugrunde:
Die Regierungsparteien der 5. Legislaturperiode hatten sich darauf verständigt, das Finanz-ausgleichsgesetz von 1995 vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung zu über-prüfen und zu überarbeiten. Nach dem am 10.06.2009 vorgelegten Gesetzentwurf (LT-Drs. 5/2018, S. 3) soll sich der Finanzausgleich zukünftig nach einer aufgabenbezogenen, am Bedarf ausgerichteten und damit von der Leistungskraft des Landes weitgehend unabhängigen Ermittlung der Finanzausgleichsmasse richten. Nach der Gesetzesbe-gründung (LT-Drs. a.a.O., S. 28) soll mit dem FAG 2009 eine Abkehr von der von der Leistungsfähigkeit des Landes Sachsen-Anhalt abhängigen Finanzierung der Wahrnehmung der Aufgaben des übertragenen und eigenen Wirkungskreises der Kommunen eingeleitet werden. An die Stelle einer quotendefinierten Finanzausgleichsmasse soll eine aufgaben-bezogene, am Bedarf ausgerichtete Finanzausgleichsmasse treten, deren Angemessenheit laufend zu überprüfen sei. Grundlage für die Überprüfung in den kommenden Aus-gleichsjahren solle eine effiziente Erfüllung der Aufgaben durch die jeweilige kommunale Ebene sein. Dieser Aufgabe könne der Gesetzgeber nur gerecht werden, wenn er zuvor die tatsächliche durchschnittliche Kostenbelastung der Kommunen durch die Wahrnehmung der Aufgaben des eigenen und übertragenen Wirkungskreises ermittelt habe. Für die Ermittlung der durchschnittlichen Kostenbelastung räumt der Gesetzgeber in seiner Begründung allerdings ein, es existiere kein sicheres oder anerkanntes Kriterium. Weder die Finanz- noch die Kommunalwissenschaft habe es geschafft, allgemeingültige Maßstäbe zu finden, die eine Aussage darüber erlaubten, ob eine Kommune oder die Kommunen insgesamt über die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel verfügten. Die Gründe dafür lägen in der unüberschaubaren Vielfalt der Parameter und Indikatoren, die für eine solche Bedarfsermittlung heranzuziehen wären und innerhalb derer das bisherige Ausgabever-halten der Kommunen am Maßstab einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung zu überprüfen wäre. Das eigentliche Dilemma sei strukturbedingt. Da den Kommunen das Recht der Selbstverwaltung eingeräumt sei, entschieden sie – jenseits des übertragenen Wirkungskreises – prinzipiell selbst, wie sie welche Aufgabe erfüllten, so dass sich insoweit ein objektiver Bedarf nicht bestimmen lasse. Im Bereich der freiwilligen Selbstverwaltung stehe darüber hinaus auch das „Ob" der Aufgabenwahrnehmung im Belieben der Kommunen, so dass sich hier von vornherein keine Aussagen über die dazu erforderlichen Mittel treffen ließen. Aber auch im Bereich der pflichtigen Selbstverwaltungsangelegen-heiten, die den Löwenanteil kommunaler Aktivitäten ausmachten, blieben den Kommunen, von Sonderfällen abgesehen, regelmäßig erhebliche Handlungsspielräume hinsichtlich des „Wie" der Aufgabenerfüllung und nicht selten auch hinsichtlich des „Ob" (vgl. Gesetzentwurf, LT-Drs. a.a.O., S. 33).
Um gleichwohl die durchschnittliche Kostenbelastung der Kommunen zu ermitteln, hatten sich im Anschluss an eine Beratung mit Vertretern des Freistaates Thüringen über die Um-setzung der Erfordernisse aus der thüringischen Rechtsprechung die Mitglieder einer eigens dafür gebildeten Finanzstrukturkommission in ihrer Sitzung am 23.01.2008 übereinstimmend für eine belastbare Ermittlung einer finanziellen Mindestausstattung ausgesprochen.
Auf Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände in der Kommission wurde das Ministerium des Innern gebeten zu klären, welche Statistiken und Erhebungen dafür zur Verfügung stünden sowie in welcher Form diese für eine Aufgabenerfassung und -bewertung geeignet und belastbar seien. Die Mitglieder der Finanzstrukturkommission waren sich einig, dass eine – wie im Bundesland Thüringen durchgeführte – Totalerhebung aller Aufgaben und deren Kostenermittlung zu aufwändig und – im Rahmen der verfügbaren Zeit – nicht leistbar sei.
Die erste Beratung über den Gesetzentwurf fand in der 60. Sitzung des Landtages am 18.06.2009 statt. Das Plenum überwies den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Innenausschuss. Mitberatend wurden die Ausschüsse für Finanzen, für Landesent-wicklung und Verkehr sowie für Bildung, Wissenschaft und Kultur beteiligt. Nach mehreren Änderungsanträgen der Regierungsfraktionen gegenüber dem ursprünglichen Gesetz-entwurf verabschiedete der Innenausschuss am 02.12.2009 auch unter Berücksichtigung von Änderungsvorschlägen des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes eine Beschluss-empfehlung an den Landtag. Am 10.12.2009 fand die 2. Lesung des FAG 2009 statt. Dabei führte der Minister des Innern in der Beratung über das Gesetz (Plenarprotokoll v. 10.12.2009) u. a. folgendes aus:
„Mit dem heute zu beschließenden Gesetzentwurf steht der kommunale Finanzausgleich vor einer entscheidenden Fortentwicklung. In Abkehr von der bisherigen Berechnung der Finanzausgleichs-masse über die Festsetzung einer Verbundquote ist zentrales Ziel dieses Gesetzentwurfs, den Finanzausgleich auf eine aufgabenbezogene, am Bedarf ausgerichtete und damit von der Leistungskraft des Landes unabhängige Ermittlung der Finanzausgleichsmasse umzustellen. Damit bleibt es dem Gesetzgeber der fünften Legislaturperiode vorbehalten, eine weitere entscheidende Weiche zu einem für die Kommunen verlässlichen Finanzausgleich zu stellen.

Würde das FAG nicht novelliert werden, würde die alte Rechtslage fortgelten, wonach abhängig von den Einnahmen des Landes die Kommunen anteilige Zuweisungen erhalten. Dies hätte zur Folge, dass die Kommunen im kommenden Jahr – berücksichtigt man die allerjüngsten Schätzungen zur Entwicklung der Einnahmen des Landes, nicht zuletzt aufgrund von Ent-scheidungen des Bundes – ca. 150 Millionen € weniger erhalten würden. Aus der Sicht des Landeshaushaltes wäre das Festhalten am alten Recht also durchaus eine erwägenswerte Option gewesen. ….“

In der Sitzung vom 10.12.2099 verabschiedete der Landtag das FAG 2009. Das Gesetz trat am 01.01.2010 in Kraft.
Die Beschwerdeführerinnen machen mit ihrer am 22.12.2010 erhobenen Verfassungsbe-schwerde im Wesentlichen Folgendes geltend:
§ 2 Abs. 1 FAG 2009, soweit er die Finanzausgleichsmasse für das Jahr 2010 auf 1 595 491 102 € und für das Jahr 2011 auf 1 590 623 669 € beschränke, sei verfassungswidrig. Die Verfassung verlange für die Ermittlung der Finanzausgleichsmasse in den Jahren 2010 und 2011 nach § 2 Abs. 1 FAG, dass der Gesetzgeber ein schlüssiges und stringentes Ermittlungskonzept entwickelt haben müsse, wenn er für die Berechnung der Finanzausgleichsmasse als Basis vom Aufwand für die Bewältigung der kommunalen Aufgaben ausgehen wolle. Daran fehle es.
Der Gesetzgeber hätte den gesamten Aufwand der Kommunen berücksichtigen müssen. Die kostenrechnenden Einrichtungen wie Abwasserentsorgung, Wasserversorgung, Abfallbe-seitigung seien nicht in die Ausgabenermittlung eingestellt worden (= Negativsaldo von 23,3 Mio €). Nicht systemgerecht sei es auch, lediglich den Verwaltungshaushalt, nicht aber der Vermögenshaushalt zur Ermittlung der kommunalen Ausgaben heranzuziehen. Der Einsatz von anderen Haushaltsmitteln als Krediteinnahmen (z.B. Veräußerung von Gemeindegrundstücken) bliebe dabei unberücksichtigt. Die Fehlbeträge aus den Vor- und Vorvorjahren hätten berücksichtigt werden müssen. Dabei handele es sich um notwendige Ausgaben, da die Kommunen zur Zahlung verpflichtet seien (§ 23 der Gemeindehaushalt-verordnung – GemHVO –).
Bei der Ermittlung der dagegen zu setzenden kommunalen Einnahmen hätte der Gesetzgeber nicht systemfremde Finanzelemente bedarfsmindernd einbeziehen dürfen. Es sei systemwidrig, die Bedarfszuweisungen und Liquiditätshilfen des Landes an einzelne Gemeinden der Gesamtheit der Gemeinden als Einnahmen anzurechnen. Kreditaufnahmen seien keine Einnahmen, sondern dienten der Bedrfsdeckung. Familienleistungsausgleichs-zahlungen des Jahres 2007 seien unzutreffend als Einnahmen 2010 und 2011 angesetzt worden. Der Gesetzgeber habe fälschlicherweise die Gesamtheit der Gewerbesteuer-einnahmen allen Gemeinden als Einnahmen zugeordnet, obwohl der weitaus größere Teil nur auf wenige Gemeinden entfalle. Nicht systemgerecht sei es, dass der Gesetzgeber bei der Prognose zur Ermittlung des Kostenanstiegs lediglich eine prozentuale Erhöhung des Saldos von Einnahmen und Ausgaben vorsehe. Dadurch werde die Einnahmesituation verfälscht, weil vorweg bereits eine Schätzung der Steuerentwicklung vorgenommen werde. Der Gesetzgeber dürfe nicht von dem prognostizierten Rückgang der Bevölkerungszahlen auf einen Rückgang des Aufwands für die Erledigung der kommunalen Aufgaben schließen.
§ 2 Abs. 2 S. 1 2. HS. FAG sei verfassungswidrig, weil bei der Ermittlung der Finanzaus¬gleichsmassen für die Jahre nach 2011 der Rückgang der Sonderbedarfs- und Bundes-ergänzungszuweisungen nicht berücksichtigt werden dürfe. Der angemessene Finanzbedarf der Kommunen habe nichts mit der Frage zu tun, ob und inwieweit die Bundesrepublik Deutschland bereit sei, den Ländern Mittel zur Verfügung zu stellen.
§ 2 Abs. 3 S. 2 und 3 FAG 2009 seien ebenfalls verfassungswidrig, weil der Unterschied zwischen der vorläufigen und der endgültigen Feststellung der Finanzausgleichsmasse nicht mit der Finanzausgleichsmasse des drittfolgenden Jahres verrechnet werden dürfe.
Soweit § 16 Abs. 1 S. 1 FAG 2009 die Investitionspauschale für das Jahr 2010 auf 153 240 000 € und für das Jahr 2011 auf 128.041.000 € beschränke, sei die Regelung verfassungswidrig. Sie leide an einem Abwägungsmangel, da der Gesetzgeber der Bemessung der Höhe der Investitionspauschale keine sachgerechten Maßstäbe zugrunde gelegt habe. Die Begründung des Gesetzgebers, wonach der Rückgang der Sonderbedarfs- und Bundesergänzungszuweisungen die Kürzung der Investitionspauschale rechtfertige, sei unzutreffend.

Die Beschwerdeführerinnen beantragen,

1. § 2 Abs. 1, soweit er für das Jahr 2010 die Finanzausgleichsmasse auf 1 595 491 102 € und für das Finanzausgleichsjahr 2011 auf 1 590 623 669 € begrenzt,

2. § 2 Abs. 2 S. 1 2. Halbs.,

3. § 2 Abs. 3 S. 2 und 3 sowie

4. § 16 Abs. 1 S. 1, soweit er die Investitionspauschale für das Jahr 2010 auf 153 240 000 € und für 2011 auf 128.041.000 € begrenzt, des Finanzausgleichs-gesetzes vom 16.12.2009 für nichtig zu erklären.

Hilfsweise beantragen sie,
die genannten Bestimmungen für unvereinbar mit der in Art. 2 Abs. 3 und 87 Abs. 1 der Landesverfassung garantierten kommunalen Selbstverwaltung zu erklären.


Mit Schriftsatz vom 28.03.2011 hat die Landesregierung zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Sie hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig und unbegründet und trägt im Einzelnen vor:
Die Verfassungsbeschwerde sei insgesamt unzulässig, weil die Beschwerdeführerinnen die Möglichkeit der Verletzung ihrer Selbstverwaltungsgarantie nicht hinreichend dargetan hätten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssten sie darlegen, gerade durch die Höhe der Finanzausgleichsmasse und die Höhe der daraus resultierenden Finanzausgleichszuweisungen in ihrer Finanzausstattung derart beeinträchtigt zu sein, dass eine angemessene Erfüllung der Selbstverwaltungsaufgaben nicht mehr möglich sei. Dazu gehöre die Darlegung, welche Finanzmittel ihnen jeweils zur Verfügung stünden, ob die Erfüllung der pflichtigen Aufgaben gesichert sei, in welchem Umfang sie Finanzmittel für freiwillige Aufgaben nutzten sowie in welcher Weise sie sich durch die mangelnde Finanz-ausstattung beengt sähen.
Die gegen § 2 Abs. 3 S. 2 und 3 FAG 2009 gerichtete Verfassungsbeschwerde sei wegen Ablaufs der Beschwerdefrist unzulässig. Die Regelungen seien mit ihrer Kernaussage bereits in § 3 Abs. 3 des Finanzausgleichsgesetzes vom 31.01.1995 bzw. in dem vom 20.10.2005 enthalten gewesen.
Soweit die Beschwerdeführerinnen § 2 Abs. 2 FAG 2009 angreifen, fehle es an der Möglichkeit der gegenwärtigen Rechtsverletzung. Bei dieser Norm handele es sich ausweislich der Gesetzesbegründung lediglich um eine Revisionsklausel, die dem Gesetzgeber die ihm obliegende Überprüfungspflicht für die Folgejahre nach 2011 verdeutlichen solle und die auf die Finanzausgleichsleistungen der Jahre 2010 und 2011 keine Auswirkungen habe.
Die Verfassungsbeschwerde sei jedenfalls insgesamt unbegründet.
Die kommunalen Umlagezahlungen an die Zweckverbände habe der Landesgesetzgeber bei der Bedarfsermittlung berücksichtigt. Diese seien bei der Ermittlung der Finanzausgleichsmasse berücksichtigt worden, wenn die Gemeinden sie ordnungsgemäß im in ihrem Haushalt verbucht hätten. § 5 Abs. 1 S. 2 1. Halbs. KAG LSA verpflichte die Kommunen kostendeckende Entgelte zu erheben. Nach der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts dürfe der Gesetzgeber auch solche Einnahmemöglichkeiten berücksichtigen, die durch die Kommunen noch ausgeschöpft werden können. Zwar sei es den Kommunen freigestellt, soweit daran ein öffentliches Interesse bestehe, niedrigere Gebühren zu erheben. Eine Kommune dürfe aber nur dann entscheiden, keine kosten-deckenden Entgelte zu nehmen, wenn sie es sich auch tatsächlich „leisten" könne und durch diese kommunale Mehrbelastung die Erfüllung kommunaler Selbstverwaltungsaufgaben nicht in erheblicher Weise beeinträchtigt werde.
Um das kommunale Ausgabeverhalten möglichst genau ermitteln zu können, habe sich der Gesetzgeber entschieden, lediglich den Verwaltungshaushalt der Kommunen zu betrachten. Dabei habe er unterstellt, dass die Haushaltswirtschaft der Kommunen entsprechend § 90 Abs. 2 Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt – GO LSA – sparsam und wirtschaftlich geführt würde. Gegen eine Berücksichtigung des Vermögenshaushaltes bei der Bedarfsbestimmung spreche, dass der Vermögenshaushalt in der Regel kaum regelmäßige, verhältnismäßig gleich bleibende Einnahmen und Ausgaben verzeichne. Im Übrigen habe der Gesetzgeber über die Pflichtzuführung zum Vermögenshaushalt, die gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 GemHVO kameral mindestens der Höhe der Kreditbeschaffungskosten und der Kosten für die ordentliche Tilgung von Krediten entsprechen müsse, im Rahmen der Bedarfsermittlung den kommunalen Zins- und Tilgungsaufwand bedarfserhöhend berücksichtigt.
Mit Recht habe der Gesetzgeber Fehlbeträge aus Vorjahren nicht als Ausgaben berücksichtigt. Ansonsten würde das Land die volle finanzielle Verantwortung für die Haushaltsführung der Kommunen übernehmen, was dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit der kommunalen Aufgabenerfüllung aus Art. 87 Abs. 1 LVerf zuwiderlaufen würde. Aufgabe des kommunalen Finanzausgleichs sei es nicht, erforderliche Maßnahmen der Haushaltskonsolidierung zu ersetzen, sondern dafür Sorge zu tragen, dass die Kommunen über Finanzmittel verfügen, die zur angemessenen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich seien. Im Übrigen sei auch im Recht des kommunalen Finanzausgleichs der Grundsatz der Periodengerechtigkeit zu berücksichtigen.
Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Bevölkerungsentwicklung bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen, sei von seinem Gestaltungsspielraum gedeckt. Der kommunale Finanzausgleich verpflichte das Land nicht, den Kommunen ihre Ausgaben zu finanzieren, sondern lediglich dazu, für eine angemessene, aufgabenbezogene finanzielle Grundausstattung zu sorgen. Die Kommunen seien aber verpflichtet, regelmäßig zu prüfen, ob sie einzelne freiwillige Aufgaben weiterhin im bisherigen Umfang bedienen möchten, selbst dann, wenn der Bedarf der Bürgerinnen und Bürger an der betreffenden Aufgabe aufgrund des Bevölkerungsrückgangs weiter abnehmen und die Kommune die daraus folgende Unterdeckung des Haushaltes nicht aus selbst erwirtschafteten Mitteln ausgleichen könne. Das Festhalten an einer freiwilligen Aufgabe „um jeden Preis" stelle grundsätzlich keine ausgleichsfähige, angemessene Aufgabenerfüllung im Sinne des Art. 88 Abs. 1 LVerf dar. Die Mehrheit der kommunalen Aufgaben sinke und steige in ihrem Umfang proportional zur Bevölkerungsentwicklung. Die Bevölkerungsentwicklung sei deshalb ein geeignetes Korrektiv, um den angemessenen Umfang der kommunalen Aufgaben und den daraus resultierenden Kostenaufwand möglichst genau zu prognostizieren.
Es sei nicht systemwidrig, Bedarfszuweisungen und Gewerbesteuereinnahmen bei der Gesamtheit der Gemeinden als Einnahmen zu verzeichnen. Nach der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts sei der Finanzbedarf nicht gemeindescharf, sondern pauschalierend für Gemeindegruppen zu errechnen. Kreditaufnahmen seien keine Einnahmen. Soweit Kredite zunächst als Einnahmen behandelt worden seien, sei dies im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens korrigiert worden.
Zutreffend sei indes die Behauptung der Beschwerdeführerinnen, dass die Steuerschätzung von Mai 2009 im Rahmen der Bedarfsprognose für 2011 tatsächlich zweimal berücksichtigt worden sei. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen sei diese Vorgehensweise aufgrund der Gesamtsystematik der Prognosemethode systemgerecht und auch zweckmäßig. Der Gesetzgeber habe diese Methode in Anbetracht der fehleranfälligen Alternative als geeignet einschätzen dürfen, um den kommunalen Finanzbedarf für 2011 möglichst genau prognostizieren zu können.
§ 2 Abs. 3 S. 2 und 3 FAG 2009 seien verfassungsgemäß. Die Kommunen hätten keinen Rechtsanspruch auf das Behaltendürfen überzahlter Finanzausgleichsleistung. Darüber hinaus sei die Regelung sogar als ein Entgegenkommen des Gesetzgebers zu werten, da alternativ zu der Verrechnung auch ein sofortiger Rückforderungsanspruch des Landes von überzahlten Finanzausgleichsleistungen zulässig gewesen wäre.
Allein der Aspekt, dass die in § 16 Abs. 1 S. 1 FAG 2009 festgelegte Investitionspauschale im Vergleich zu den Vorjahren geringer ausfalle, führe für sich gesehen nicht zur Verfassungswidrigkeit des § 16 Abs. 1 S. 1 FAG 2009. Aus Art. 88 Abs. 1 LVerf lasse sich gemäß der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts kein „Bestandsschutz" dergestalt herleiten, dass eine einmal in bestimmter Höhe gewährte Zuweisung nicht gekürzt oder entzogen werden dürfe. Vielmehr sei verfassungsgerichtlich durchaus anerkannt, dass der Gesetzgeber einzelne Zuweisungsarten in ihrer Höhe reduzieren dürfe. Grundsätzlich sei es dem Land erlaubt, die Finanzausgleichsmasse insgesamt zu kürzen, sofern keine ausreichende Leistungsfähigkeit des Landes (mehr) bestehe und der bisherige Standard an Zuweisungen über den Finanzausgleich aus diesem Grund nicht mehr gehalten werden könne. Die Grenze eigener Leistungsfähigkeit gestatte es dem Gesetzgeber sogar – unter Berücksichtigung der Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit staatlicher und kommunaler Aufgaben – den Gemeinden in den Grenzen des § 100 Abs. 2 GO LSA eine Verschuldung zuzumuten.

Der Landtag hat sich nicht geäußert.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze der Beschwerdeführerinnen und die Erwiderung der Landesregierung verwiesen.


{T:E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e}

Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist nur teilweise zulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie nur teilweise begründet.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie gegen § 2 Abs. 3 S. 2 und 3 FAG 2009 gerichtet ist, im Übrigen ist sie zulässig.
{RN:1}
Das Landesverfassungsgericht ist zur Entscheidung über die kommunale Verfassungs-beschwerde berufen (vgl. dazu im Einzelnen und m.w.N: LVerfG, Urt. v. 31.05.1994 – LVG 2/93 –, LVerfGE 2, 227, [245 f.]; Urt. v. 31.05.1994 – LVG 1/94 –, LVerfGE 2, 273, [289 f.]; Urt. v. 31.05.1994 – LVG 4/94 –, LVerfGE 2, 323, [334 f.]). Soweit eine Verletzung des durch Art. 2 Abs. 3 und 87, 88 LVerf garantierten Selbstverwaltungsrechts behauptet wird, handelt es sich um eine sog. kommunale Verfassungsbeschwerde im Sinne des Art. 75 Nr. 7 LVerf und der §§ 2 Nr. 8, 51 des Gesetzes über das Landesverfassungsgericht – LVerfGG – vom 23.08.1993 (GVBl. S. 441), zuletzt geändert durch Gesetz vom 05.11.2009 (GVBl. S. 525). Diese Bestimmungen berechtigen die Kommunen, gegen Eingriffe in ihr Selbstverwaltungs-recht durch ein Landesgesetz das Landesverfassungsgericht anzurufen.
{RN:2}
Nach § 51 Abs. 1 LVerfGG können Kommunen die Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung erheben, durch ein Landesgesetz in ihrem Recht auf Selbstverwaltung nach Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 LVerf verletzt zu sein. Gemäß § 57 Abs. 2 LVerfGG gelten die Vorschriften der §§ 48 bis 50 entsprechend. Nach § 49 LVerfGG sind in der Begründung der Verfassungsbeschwerde, welche nach § 16 Abs. 1 S. 2 LVerfGG erforderlich ist, das Recht, das verletzt sein soll, und die Gesetzesvorschrift, durch die sich die Beschwerdeführerin unmittelbar verletzt sieht, zu bezeichnen. Die Zulässigkeit einer kommunalen Verfassungs-beschwerde gegen ein Gesetz setzt voraus, dass die Beschwerdeführerinnen selbst, gegenwärtig und ummittelbar durch die angegriffenen Rechtsnormen in ihrem Selbstver-waltungsrecht verletzt sein können (BVerfG, Beschl. v. 15.10.1985 – 2 BvR 1808, 1809, 1810/82 –, BVerfGE 71, 25 (34 ff.); Magen, in: Umbach/Clemens/Dollinger (Hrsg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2005, § 91, RdNr. 18).
{RN:3}
Soweit sich die Beschwerdeführerinnen gegen § 2 Abs. 3 S. 2 und 3 FAG 2009 wenden, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil sie verfristet ist.
Die grundsätzliche Regelung des § 2 Abs. 3 S. 2 FAG 2009, nämlich dass eine Verrechnung des Unterschieds zwischen der vorläufigen und der endgültigen Finanzausgleichsmasse mit der Finanzausgleichsmasse der Folgejahre zu erfolgen habe, ist bereits in § 3 Abs. 3 des Finanzausgleichsgesetzes vom 31.01.1995 (GVBI. S. 41) – FAG 1995 – und den nachfolgenden Fassungen (s. Bekanntmachung der vorhergehenden Neufassung vom 12.07.1999, GVBI. S. 204 ff.; v. 20.10.2005, GVBI. S. 646 ff.; v. 09.03.2009, GVBI. S. 145 ff.) inhaltsgleich enthalten. Während die vorhergehenden Fassungen eine Verrechnung bis spätestens zum zweitfolgenden Jahr verlangten, ermöglicht § 2 Abs. 3 S. 2 FAG nunmehr eine Verrechnung bis zu dem drittfolgenden Jahr. Unmittelbar gegen § 3 Abs. 3 FAG 1995 und seine Nachfolgeregelungen kann die Verfassungsbeschwerde nicht mehr gerichtet werden, weil die Jahresfrist des § 48 LVerfGG verstrichen ist. Durch die Änderung des § 2 Abs. 3 S. 2 FAG 2009, wonach der Zeitraum für die Verrechnung um ein weiteres Jahr verlängert worden ist, wurde die Frist nicht erneut in Lauf gesetzt. Die erhobene Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Verrechnungsmöglichkeit als solche. Diese – bereits in § 3 Abs. 3 FAG 1995 enthaltene – Regelung ist durch die Verlängerung des Rückforderungszeitraums in § 2 Abs. 3 FAG 2009 nicht berührt worden. Dass der Gesetzgeber damit auch die Verrechnungsmöglichkeit als solche erneut in seinen Willen aufgenommen und bestätigt hat, hat sie nicht neu in Lauf gesetzt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.06.1989 – 1 BvR 921/85 –, BVerfGE 80, 137, 149, m.w.N.).
{RN:4}
Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen § 2 Abs. 3 S. 3 FAG 2009 richtet, ist sie ebenfalls unzulässig, weil die Jahresfrist des § 48 LVerfGG verstrichen ist. § 2 Abs. 3 S. 3 FAG 2009 regelt im Gegensatz zu den Vorfassungen lediglich neu, dass „die Verrechung auf die allgemeinen Zuweisungen begrenzt ist“. Die erhobene Verfassungsbeschwerde hingegen richtet sich gegen die Verrechnungsmöglichkeit als solche. Diese – in § 3 Abs. 3 FAG 1995 enthaltene – Regelung ist durch die Einschränkung des § 2 Abs. 3 S. 3 FAG 2009 nicht berührt worden. Insoweit gilt das zu § 2 Abs. 3 S. 2 FAG 2009 Ausgeführte auch hier.

Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig.
{RN:5}
Entgegen der Auffassung der Landesregierung haben die Beschwerdeführerinnen die Möglichkeit der Verletzung ihrer Selbstverwaltungsgarantie hinreichend dargetan. Zwar trifft es zu, dass die Beschwerdeführerinnen in einem Verfahren, welches Regelungen eines kommunalen Finanzausgleichsgesetzes für verfassungswidrig hält, nach der Recht-sprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 09.03.2007 – BvR 2215/01 -, RdNr. 21 f. und 25, nach juris; so auch ThürVerfGH Urt. v. 18.03.2010 – 52/08 –, RdNr. 43, nach juris) darlegen müssen, gerade durch die Höhe der Finanzausgleichsmasse und die Höhe der daraus resultierenden Finanzausgleichszuweisungen in ihrer Finanzausstattung derart beeinträchtigt zu sein, dass eine angemessene Erfüllung der Selbstverwaltungs-aufgaben nicht mehr möglich sei. Dazu gehört auch die Darlegung, welche Finanzmittel ihnen jeweils zur Verfügung stehen, ob die Erfüllung der pflichtigen Aufgaben gesichert ist, in welchem Umfang sie Finanzmittel für freiwillige Aufgaben nutzen sowie in welcher Weise sie sich durch die mangelnde Finanzausstattung beengt sehen. Das Landesverfassungsgericht lässt es dahingestellt, ob das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen diesen Darlegungs-anforderungen genügt. Es hat die Zulässigkeit von kommunalen Verfassungsbeschwerden gegen das Finanzausgleichsgesetz in der Vergangenheit (LVerfG, Urt. v. 13.06.2006 – LVG 7/05 –, LVerfGE 17, 410 [423]) bereits bejaht, wenn die nicht offensichtlich auszuschließende Möglichkeit einer Verfassungsverletzung dargelegt ist. Diesen Anforderungen genügt die Verfassungsbeschwerde.
{RN:6}
Soweit die Landesregierung im Hinblick auf § 2 Abs. 2 FAG 2009 geltend macht, den Beschwerdeführerinnen fehle es an der Möglichkeit der gegenwärtigen Rechtsverletzung, da es sich bei § 2 Abs. 2 FAG 2009 lediglich um eine Revisionsklausel handele, die dem Gesetzgeber die ihm obliegende Überprüfungspflicht erst für die Folgejahre nach 2011 verdeutlichen soll, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Das Berücksichtigungsgebot wirkt sich zwar erst in den Folgejahren aus. § 2 Abs. 2 FAG 2009 ist aber bereits am 01.01.2010 in Kraft getreten. Schon zu diesem Zeitpunkt war klar erkennbar, dass die Beschwerdeführerinnen von dieser Regelung zukünftig betroffen sein werden. Dies reicht für die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde aus.
{RN:7}
Die §§ 2 Abs. 1, 2 Abs. 2 S. 1 2. Halbs. und 16 Abs. 1 S. 1 FAG 2009 – soweit angegriffen – greifen daher gegenwärtig und unmittelbar in das Selbstverwaltungsrecht der Beschwerdeführerinnen ein, ohne dass ein weiterer angreifbarer Umsetzungsakt notwendig wird. Somit liegen diese weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen vor.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie zulässig ist, teilweise begründet.
{RN:8}
Prüfungsmaßstab für die angegriffenen gesetzlichen Regelungen ist die Selbst-verwaltungsgarantie der Art. 87 und Art. 88 LVerf. Beide Bestimmungen konkretisieren für das Land Sachsen-Anhalt die in Art. 28 GG enthaltene bundesverfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und haben nach Zweck und Entstehungs-geschichte jedenfalls denselben Mindestgehalt wie Art. 28 Abs. 1 S. 2 und 3 sowie Abs. 2 GG. Zum Selbstverwaltungsrecht der Kommunen gehört nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 15.10.1985 – 2 BvR 1808, 1809, 1810/82 –, BVerfGE 71, 25 [36], m.w.N.) die Finanzhoheit der Kommunen. Sie umschließt die eigenverantwortliche Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft. Die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt enthält mit Art. 87 Abs. 3 einerseits und Art. 88 LVerf andererseits zwei selbständige Ausformungen der finanziellen Absicherung der Kommunen, kraft derer das Land zum einen Bestimmungen über die Deckung der Kosten treffen muss, die den Kommunen durch die Zuweisung von Pflichtaufgaben zur Erfüllung in eigener Verantwortung und durch die Übertragung von staatlichen Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung entstehen. Zum anderen hat das Land dafür zu sorgen, dass die Kommunen über Finanzmittel verfügen, die zur angemessenen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Dabei ist die unterschiedliche Finanzkraft der Kommunen auf Grund eines Gesetzes angemessen auszugleichen (Art. 88 Abs. 2 LVerf). Als landesverfassungsrechtliche Garantie eines aufgabengerechten Finanzausgleichs weist Art. 88 LVerf dabei einen engen Bezug zu den bundesverfassungsrechtlichen Bestimmungen über den Finanzausgleich auf, welcher die Gemeinden unmittelbar einschließt. So steht den Gemeinden ein bundesgesetzlich zu bestimmender Anteil an der Einkommen- und Umsatzsteuer (Art. 106 Abs. 5, 5a GG) zu, ferner die Ertragshoheit über die Grund- und Gewerbesteuer, an deren Aufkommen aber Bund und Länder durch eine Umlage beteiligt werden, sowie die Ertragshoheit über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, sofern diese nicht nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zusteht - Art 106 Abs. 6 GG - (LVerfG, Urt. v. 16.02.2010 – LVG 9/08 –, RdNr. 6 des Internetauftritts, m.w.N.).
{RN:9}
Da Art. 88 Abs. 1 LVerf nicht nur durch Zuweisungen von Finanzmitteln genügt wird, sondern auch durch gesetzgeberische Regelungen, welche die Gemeinden in den Stand setzen, eigene Einnahmen zu erzielen, darf der Landesgesetzgeber auch in Rechnung stellen, wie weit solche Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind oder werden können (LVerfG, Urt. v. 13.07.1999 – LVG 20/97 –, LVerfGE 10, S. 440 [465]).
{RN:10}
Art. 88 Abs. 1 LVerf verpflichtet beim kommunalen Finanzausgleich das Land nur einheitlich, für eine „aufgabenbezogene“ finanzielle Grundausstattung zu sorgen und differenziert nicht nach einem „Kernbereich“ und Aufgaben im Übrigen. Nach der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts gehören zu der einheitlichen Finanzgarantie für die von der Kommune jeweils zu erfüllenden Aufgaben prinzipiell alle (nicht pflichtigen) Aufgaben des eigenen Wirkungskreises i.S.d. Art. 87 Abs. 2 LVerf, aber auch alle Pflichtaufgaben oder Aufgaben nach Weisung, die nicht neu und damit unter Geltung des Art. 87 Abs. 3 S. 1 LVerf auf die Kommunen übertragen worden sind (LVerfG, Urt. v. 13.07.1999, a.a.O., S. 463).
Nach dem Wortlaut des Art. 88 Abs. 1 LVerf sollen die Kommunen über Finanzmittel ver-fügen, die zur „angemessenen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich“ sind. Damit ist die Finanzgarantie des Art. 88 Abs. 1 LVerf aufgabenbezogen. Die Verpflichtung zur aufgaben-bezogenen Finanzierung ist aber keinesfalls gleichzusetzen mit einer ausgabenbezogenen Finanzierung. Eine Beschränkung hinsichtlich der zu berücksichtigenden Aufgaben und der zu ihrer Erledigung zur Verfügung zu stellenden Mittel ergibt sich insbesondere daraus, dass gemäß Art. 88 Abs. 1 LVerf das Land den Kommunen nur zur „angemessenen“ Erfüllung ihrer Aufgaben die „erforderlichen Mittel“ bereitzustellen hat.
Hieraus folgt, dass Art. 88 Abs. 1 LVerf den Gesetzgeber nicht verpflichtet, sämtliche Ausgaben der Kommunen bei ihrer subjektiven Aufgabenerfüllung zu berücksichtigen, sondern nur die notwendigen Ausgaben, die bei einer effizienten Aufgabenerfüllung entstehen. Diesem Verfassungsauftrag ist der Gesetzgeber mit § 2 Abs. 2 S. 2 FAG 2009 nachgekommen. Danach sind Maßstab für die Bemessung der Landeszuweisung die notwendigen kommunalen Ausgaben bei effizienter Aufgabenerfüllung. Der Begriff der notwendigen Ausgaben bei effektiver Aufgabenerfüllung deckt sich mit den Anforderungen des § 90 Abs. 2 GO LSA, wonach die Gemeinden verpflichtet sind, die Haushaltswirtschaft sparsam und wirtschaftlich zu führen. Für den Finanzausgleich kommt es somit nicht auf die tatsächlichen Ausgaben der Gemeinden an, sondern auf die Ausgaben, die fiktiv eine Gemeinde objektiv hätte, wenn sie sparsam und wirtschaftlich haushalten würde. Im Rahmen des Finanzausgleichs haben daher die Fragen, ob eine Aufgabe überhaupt öffentlich wahrgenommen werden muss und wenn ja, welches Leistungsniveau dafür notwendig ist, eine entscheidende Rolle zu spielen. Ferner sind solche Aufgaben nur dann in den kommunalen Finanzausgleich einzubeziehen, wenn sie so kostengünstig wie möglich wahrgenommen werden.
{RN:11}
Zu Gunsten der Gemeinden ist aber zu bedenken, dass die aus dem Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung folgende „Aufgabenautonomie“ es dem Land verbietet, sich in jedem Einzelfall die Entscheidung vorzubehalten, ob und in welchem Umfang eine von den Gemeinden wahrgenommene Aufgabe sachgerecht wahrgenommen und daher finanzaus-gleichsrelevant ist. Die Festlegung eines allgemein anerkannten, quasi normierten Gemeindeaufgabenkatalogs sowie dessen Umfang, Qualität, Intensität und Kostenniveaus durch den Gesetzgeber stellt nicht nur eine kaum zu bewältigende Aufgabe dar, sondern stößt auch durch das verfassungsmäßig verbürgte Recht auf kommunale Selbstverwaltung an seine Grenzen.
{RN:12}
Ein Finanzausgleich im Spannungsverhältnis zwischen einer gebotenen, an einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung orientierten Aufgabenerfüllung einerseits und dem Freiraum der garantierten Aufgabenautonomie der Gemeinden andererseits ist mit der Landesverfassung nur vereinbar, wenn der Gesetzgeber die Höhe der erforderlichen Finanzmittel und damit auch Art und Umfang der von den Gemeinden zu erledigenden Aufgaben kennt, indem er sie nachvollziehbar einschätzt.
{RN:13}
Für einen Art. 88 Abs. 1 LVerf entsprechenden Finanzausgleich hat der Gesetzgeber daher anders als bei Art. 87 Abs. 3 LVerf keine tatsächliche Kostenanalyse, sondern eine typisierende Bedarfsanalyse vorzunehmen (so auch NdsStGH, Urt. v. 16.05.2001 – 6/99 –, nach juris, RdNr. 129). Dabei ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, einen einzelfallbezogenen und damit „gemeindescharfen“ Finanzausgleich zu konstruieren. Er darf typisieren und generalisieren. Vom ihm kann nicht verlangt werden, dass er jedem in Betracht kommenden Einzelfall durch bis ins Einzelne differenzierende Regelungen gerecht wird (vgl. BayVerfGH, Urt. v. 28.11.2007 – VF.15-VII-05 – RdNr. 210, nach juris; VerfGH NRW, Urt. v. 19.07.2011 – 32/08 –, RdNr. 67, nach juris). Es kommt daher nicht auf die Verhältnisse gerade der Beschwerdeführerinnen an, sondern auf die Verhältnisse aller Gemeinden (LVerfG, Urt. v. 13.07.1999, a.a.O., S. 466).
{RN:14}
Dieser so ausgestaltete Anspruch der Gemeinden auf Sicherstellung einer angemessenen Finanzausstattung aus Art. 88 LVerf ist abhängig von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes. Das Land kann Kürzungen im Ansatz damit rechtfertigen, der bisherige Standard an Zuweisungen über den Finanzausgleich könne nicht mehr gehalten werden, weil keine ausreichende Leistungsfähigkeit des Landes (mehr) bestehe (LVerfG, Urt. v. 13.07.1999, a.a.O., S. 463). Daran wird festgehalten, auch wenn diese Beschränkung auf die Leistungs-fähigkeit des Landes nicht ausdrücklich – wie in anderen Landesverfassungen (z. B. Art. 58 Nds. Verf; Art. 79 Verf NW; Art. 73 Abs. 3 Verf BW –) im Wortlaut des Art. 88 Abs. 1 LVerf enthalten ist. Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 88 LVerf lässt sich nicht entnehmen, dass es den Intentionen des historischen Verfassungsgesetzgebers entsprach, den kommunalen Finanzausgleich unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Landes zu gewährleisten (vgl. Entwurf der SPD-Fraktion vom 26.02.1991 – Drs.1/260 –, Entwurf der Regierungsfraktionen CDU/FDP vom 27.02.1991 – Drs.1/253 –, Ausschussprotokoll der Sitzung des Verfassungs-ausschusses vom 18.07.1991, Erste Stellungnahme der Landesregierung zum Entwurf einer Verfassung vom 24.09.1991, S. 24, Gemeinsamer Verfassungsentwurf der Fraktionen CDU, SPD, FDP, PDS, Bündnis 90/Grüne 01.04.1992 – Drs.1/1334 –, Ausschussprotokolle der Beratung des Verfassungsausschusses zur Beschlussempfehlung vom 20./21.05.1992, S. 61 ff. und vom 07.07.1992, S. 1231 f. sowie der Beschluss des Verfassungsausschusses über den Entwurf der Landesverfassung vom 07.07.1992 – Drs.1/1579 –).
{RN:15}
Dass der kommunale Finanzausgleich von der ausreichenden Leistungsfähigkeit des Landes abhängig ist, ergibt sich trotz der Selbstverwaltungsgarantie für einen eigenen Wirkungskreis (Art. 28 Abs. 2 GG) aus der bundesstaatlichen Finanzverfassung (Art. 106 Abs. 9 GG). Soweit Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG eine Finanzgarantie für Selbstverwaltungskörperschaften enthält, beeinflusst diese die Regelungen über die Kommunalfinanzen nicht dahin, dass die Länder verpflichtet wären, zunächst einmal für eine umfassende Finanzausstattung der Kommunen zu sorgen und notfalls ihre eigenen Aufgaben zu vernachlässigen. Verlangt aber das Grundgesetz nicht, die Kommunen mit Vorrang zu behandeln, und sieht es sie gerade auch bei der Finanzverfassung als Teil der Länder an, dann würde eine aus Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG hergeleitete Verpflichtung, den Kommunen eine allein an deren Aufgaben orientierte Ausstattung zu sichern, entweder den Ländern – bei Wahrung ihrer eigenen Aufgabengarantie (Art. 30 GG) – etwas Unmögliches abfordern oder doch ihnen wenigstens abverlangen, ihre Befugnisse aus Art. 30 GG zurückzunehmen.
Mit Rücksicht auf die bundesstaatliche Ordnung wird daher von allen Landesverfassungs-gerichten – unabhängig davon, ob die jeweilige Landesverfassung dies ausdrücklich vorsieht – (vgl. BayVerfGH, Urt. v. 28.11.2007, a.a.O., RdNr. 204 bb, m.w.N, nach juris; VerfGH NRW, Urt. v. 19.07.2011, a.a.O., RdNr. 56, m.w.N, nach juris; LVerfG, (LVerfG, Urt. v. 13.07.1999, a.a.O., S. 463 f., m.w.N.) wird ein Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes statuiert. Er bezieht sich nicht nur auf die vom Land zu erbringende Ausgleichsleistung, sondern auch auf das vom Land im Ergebnis zu gewährleistende Niveau der Finanzbedarfsbefriedigung. Lediglich der Thüringische Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, dass eine Art. 93 Abs. 1 S. 1 ThürVerf genügende Finanzausstattung zwar grundsätzlich auch finanzkraftabhängig sei, aber die Gewährung einer finanziellen Mindestausstattung nicht unter dem Vorbehalt der Leistungskraft des Landes stehe (ThürVerfGH, Urt. v. 21.06.2005 – VerfGH 28/03 –, LVerfGE 16, 593).
Das Landesverfassungsgericht teilt daher die Auffassung des BayVerfGH (Urt. v. 28.11.2007, a.a.O., RdNr. 204 bb), dass der den Gemeinden verbleibende Spielraum für die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben sich nach den konkreten finanziellen Möglichkeiten des Landes richtet, da das Land neben dem gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht noch zahlreiche andere, gleichwertige Güter zu schützen und zu erhalten hat (z. B. die innere Sicherheit, das Bildungswesen oder die Justizgewährung). Dieser Spielraum kann sich bei sehr knappen finanziellen Möglichkeiten des Landes auf ein Minimum reduzieren. Die Rücksichtnahme auf die Staatsfinanzen stellt eine übergreifende und legitime Aufgabe des Gesetzgebers zum Wohl des Staatsganzen dar.
Soweit der Landesgesetzgeber beabsichtigt, die Finanzausgleichsmasse „zukünftig weitgehend unabhängig von der Leistungskraft des Landes zu ermitteln“ (vgl. LT-Drs. 5/2018, S. 28 sowie Redebeitrag des Ministers des Innern während der 2. Lesung des FAG 2009 im Landtag am 10.12.2009), handelt es sich um eine freiwillige, nicht durch die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt gebotene Selbstverpflichtung des Landesgesetz-gebers.
Im Übrigen entspricht es auch nicht dem selbstverpflichtenden Willen des Gesetzgebers, den kommunalen Finanzausgleich völlig losgelöst von der Leistungskraft des Landes zu gewährleisten. Der Gesetzgeber hat nämlich nach seiner Gesetzesbegründung die Ermittlung der Finanzausgleichsmasse nur „weitestgehend unabhängig“ von der Leistungskraft des Landes sowie „nur künftig“ und nicht schon jetzt in Aussicht gestellt.
Darüber hinaus würden gegen eine völlig von der Leistungskraft des Landes unabhängige Ermittlung der kommunalen Finanzausgleichsmasse im Wege der Selbstverpflichtung auch Bedenken im Hinblick auf § 18 Abs. 1 der Landeshaushaltsordnung (sog. Schuldenbremse) bestehen.
{RN:16}
Nach der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts steht den Gemeinden ein Anspruch auf eine finanzielle Mindestausstattung zu (vgl. LVerfG, Urt. v. 13.07.1999, a.a.O., 463).
Wenn auch das Bundesverfassungsgericht bisher die Frage offen gelassen hat, ob die bundesverfassungsrechtlich garantierte kommunale Finanzhoheit auch einen Anspruch auf eine angemessene Finanzausstattung oder zumindest eine finanzielle Mindestausstattung umfasst (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.10.1985 – 2 BvR 1808-1810/82 –, BVerfGE 72, S. 25 [36 f.], m.w.N.), so ist die Frage nach der garantierten Mindestausstattung der Gemeinden nach der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt zu bejahen. Über die erwähnten bundes-verfassungsrechtlichen Ertragsanteile der Gemeinden hinaus verpflichtet Art. 88 LVerf das Land, dafür zu sorgen, dass die Gemeinden über die zur angemessenen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Finanzmittel durch Erschließung eigener Steuer- und Abgaben-quellen oder durch Finanzzuweisungen verfügen (LVerfG, Urt. v. 13.07.1999, a.a.O., 465). Die verfassungsrechtliche Garantie einer finanziellen Mindestausstattung ist als regelmäßig äußerste Grenze des gesetzgeberischen Ermessens verletzt, wenn das Selbstverwaltungs-recht ausgehöhlt wird. Dies wäre der Fall, wenn es den Gemeinden infolge unzureichender Finanzausstattung unmöglich gemacht würde, freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen.
Es besteht in der Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte Einigkeit darüber, dass sich der den Gemeinden zu ermöglichende Mindestbestand an wahrzunehmenden freiwilligen Selbstverwaltungsangelegenheiten und der mit ihm verbundene Finanzbedarf nicht am Maßstab der verfassungsrechtlichen Garantien quantifizieren lässt, sondern der Entscheidung des Gesetzgebers unterliegt, wobei ihm ein weiter normativer Entscheidungsspielraum zusteht (vgl. NdsStGH, Urt. v. 07.03.2008 – 2 /05 –, RdNr. 68 m.w.N., nach juris; BayVerfGH, Urt. v. 28.11.2007 – Vf.15-VII-05 –, RdNr. 203, m.w.N., nach juris). Dies bedeutet aber nicht, dass die „Mindestausstattung“ vom Land absolut, ohne jede Rücksicht auf seine eigenen Aufgaben zu gewähren ist.
{RN:17}
Auch die Gewährleistung der finanziellen Mindestausstattung steht unter dem Vorbehalt der Leistungskraft des Landes (LVerfG, Urt. v. 13.07.1999, a.a.O., S. 463; NdsStGH, Urt. v. 07.03.2008, a.a.O., RdNr. 67, nach juris; BayVerfGH Urt. v. 28.11.2007, a.a.O., RdNr. 206, nach juris; VerfGH NW 19.07.2011, a.a.O., RdNr. 57, nach juris).
Ebenso wie der BayVerfGH, der VerfGH NW und der NdsStGH vermag das Landesverfassungsgericht nicht die Auffassung des ThürVerfGH (vgl. Urt. v. 21.06.2005 – VerfGH 28/03 –, LVerfGE 16, S. 593) zu teilen, wonach die Gewährleistung der finanziellen Mindestausstattung nicht unter dem Vorbehalt der Leistungskraft des Landes steht, sondern davon unabhängig ist. Aus Art. 88 Abs. 1 LVerf kann dies nicht abgeleitet werden. Aus Art. 2 Abs. 3, 87 Abs. 1 LVerf folgt die organisationsrechtliche Einordnung der Kommunen als Teil des Landes. Beide sind gleichgewichtig entsprechend ihren Aufgaben an den insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzmitteln zu beteiligen. Die Gemeinden stehen dem Land gegenüber nicht schutzlos da. Die durch Art. 2 Abs. 3, 87 Abs. 1 LVerf vorausgesetzte Gleichwertigkeit von Land und Gemeinden wird einerseits verletzt, wenn das Land ohne sachlichen Grund seine Aufgaben höher bewertet als die Aufgaben der Gemeinden (LVerfG, Urt. v. 13.07.1999, a.a.O., 464).
{RN:18}
Zum anderen teilt das Landesverfassungsgericht auch die Auffassung des NdsStGH (Urt. 16.05.2001 – 6-9/99, 1/00 –, RdNr. 137, zitiert nach juris), dass das Land, sofern den Gemeinden die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsangelegenheiten unmöglich wird, weil die zur Verfügung stehenden Finanzmittel aufgrund ihrer Pflicht zur Erfüllung landesgesetzlich vorgeschriebener Aufgaben bzw. Standards der Aufgabenerfüllung bereits ausgeschöpft sind, durch Art. 88 Abs. 1 LVerf verpflichtet ist, den Gemeinden neue Steuer- oder Abgabenquellen zu erschließen. Sofern dies angesichts der Finanzlage ausge-schlossen ist, ist das Land gehalten, die landesgesetzlich verursachten Kosten für die Erfüllung der Aufgaben des eigenen Wirkungskreises durch eine Verminderung der Pflichtaufgaben bzw. durch eine Senkung der bei der Aufgabenerfüllung einzuhaltenden Standards zu reduzieren. Soweit es sich um bundesgesetzliche Aufgabenzuweisungen und Standards handelt, muss das Land einen entsprechenden Einfluss im Bundesrat geltend machen.
Bei der Bestimmung des so determinierten aufgabenbezogenen Finanzbedarfs der Gemeinden steht dem Landesgesetzgeber nach einhelliger Auffassung der Landes-verfassungsgerichte ein weiter Gestaltungsspielraum zu (ständige Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte; LVerfG, Urt. v. 13.07.1999, a.a.O., 464; NdsStGH, Urt. v. 07.03.2008, a.a.O., RdNr. 77, zitiert nach juris; BayVerfGH, Urt. v. 28.11.2007, a.a.O., RdNr. 202 aa f., zitiert nach juris; VerfGH NW, Urt. v. 19.07.2011, a.a.O., RdNr. 63, zitiert nach juris). Wie der kommunale Finanzausgleich konkret ausgestaltet wird, unterliegt der Entscheidung des Landesgesetzgebers, dem dabei angesichts des Ineinandergreifens von landesrechtlichen und grundgesetzlichen Finanzausgleichsvorschriften, durch welche den Gemeinden unmittelbar Steuererträge zugewiesen werden, sowie der Einbindung des kommunalen Finanzausgleichs in die gesamte Haushaltswirtschaft und -planung des Landes ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht. Dieser politische Gestaltungsspielraum umfasst die Fragen, in welchem Umfang und auf welche Art der Gesetzgeber die Gewährleistung des Art. 88 Abs. 1 LVerf erfüllt und nach welchem System er die Finanzmittel auf die Kommunen verteilt. Art. 88 LVerf legt das Land nicht auf einen bestimmten Verteilungsmodus fest. Die Verfassungsnorm gibt dem Land lediglich auf, „dafür zu sorgen“, dass die Kommunen über Finanzmittel verfügen, die zur angemessenen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind (vgl. LVerfG, Urt. v. 16.02.2010 – LVG 9/08 –, RdNr. 6 des Internetauftritts, m.w.N.).
Im Rahmen seiner politischen Gestaltungsfreiheit obliegt es dem Gesetzgeber, den sich aus der vertikalen Aufgabenverteilung ergebenden Finanzbedarf von Land und Kommunen insgesamt zu bewerten und gegeneinander zu gewichten, das Verteilungssystem festzulegen und den Finanzausgleich den wechselnden Verhältnissen und Aufgaben anzupassen.
Das Landesverfassungsgericht darf sich nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen und kann nicht an dessen Stelle politische Entscheidungen treffen. Es kann sich über Zielvorstellungen, Wertungen, Sachabwägungen und über tatsächliche Beurteilungen des Gesetzgebers, die im Rahmen der dargelegten verfassungsrechtlichen Grenzen des Selbstverwaltungsrechts liegen, nicht hinwegsetzen. Es hat insoweit nur unter dem Gesichtspunkt der Sachgerechtigkeit zu prüfen, ob die betreffenden gesetzgeberischen Entscheidungen vertretbar sind, ob sie offensichtlich fehlerhaft und eindeutig widerlegbar sind oder der verfassungsrechtlichen Wertordnung widersprechen.
{RN:19}
Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, die Gründe für die Festlegung konkreter Beträge oder Verteilungskriterien im Einzelnen darzulegen. Soweit der Gesetzgeber auf Einschätzungen angewiesen ist, ist ein Gesetz nicht schon deshalb verfassungswidrig, weil es auf einem Irrtum des Gesetzgebers über den erwarteten Geschehensablauf beruht. Das Landesver-fassungsgericht kann Einschätzungen des Gesetzgebers über die sachliche Eignung und die Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung nur dann beanstanden, wenn sie im Ansatz oder in der Methode offensichtlich fehlerhaft oder eindeutig widerlegbar sind (vgl. VerfGH NW, Urt. v. 19.07.2011, a.a.O., RdNr. 64, zitiert nach juris).
{RN:20}
Wie oben aufgezeigt, ist die bedarfsgerechte Aufgabenerfüllung der Gemeinden weitgehend abhängig von autonom zu treffenden Entscheidungen des Gesetzgebers einerseits und den Entscheidungen der kommunalen Selbstverwaltungsgremien andererseits. Eine von außen durch das Landesverfassungsgericht bestimmte Festlegung der in einer konkreten Situation für die verfassungsrechtlich gebotene finanzielle Ausstattung der Kommunen erforderlichen Mittel würde ihrerseits einen Eingriff in die Selbstverwaltung der Kommunen aber auch einen Eingriff in den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers darstellen. Würde das Landesverfassungsgericht Festlegungen zu politischen Fragen und ermessensgeprägten Entscheidungen treffen, wie z. B. zu den Hebesätzen bei Realsteuern, zur Erschließung weiterer Finanzquellen und zu möglichen Einsparpotentialen bei der konkreten Aufgabenerfüllung, wäre dies weder mit dem Selbstverwaltungsrecht (Art. 2 Abs. 3, Art. 87 Abs. 1 LVerf) noch mit dem Demokratieprinzip (Art. 2 Abs. 1 LVerf) vereinbar.
{RN:21}
Nach Auffassung des Landesverfassungsgerichts kann ein Gestaltungsspielraum nur bestehen, soweit die Verfassung ihn dem Gesetzgeber einräumt, nicht aber über („materiell“) gezogene Grenzen hinaus. Auf die Grenzen zu achten und bei Grenzüberschreitungen einzugreifen, ist Pflicht eines Verfassungsgerichts (LVerfG, Urt. v. 13.07.1999, a.a.O., 470). Das Landesverfassungsgericht überprüft das Finanzausgleichsgesetz daher als Ergebnis eines Gesetzgebungsprozesses und nicht nur, auf welchem Weg der Gesetzgeber zu diesem Ergebnis gelangt ist.
{RN:22}
Da der Finanzbedarf der Gemeinden – wie aufgezeigt – in vielfältiger Hinsicht von autonomen Entscheidungen der Selbstverwaltungsgremien der Gemeinden und des Landes-gesetzgebers abhängig ist, kommt auch eine Überprüfung der Finanzausstattung der Gemeinden mit Hilfe eines Sachverständigen nicht in Betracht. Es fehlt an verbindlichen Grundlagen, an die eine Gutachtenerstattung anknüpfen könnte (so auch BayVerfGH, Urt. v. 28.11.2007, a.a.O., RdNr. 210 f., zitiert nach juris).
{RN:23}
Nach der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts gewährt die Landesverfassung durch Art. 88 Abs. 1 LVerf den Gemeinden schließlich keinen unmittelbaren Anspruch auf die Gewährung eines bestimmten Anteils der eigenen oder vom Bund zugewiesenen Landesmittel, sondern legt nur fest, dass sie insgesamt über Finanzmittel verfügen können müssen, die es ihnen ermöglichen, ihre Aufgaben angemessen zu erfüllen. Aus Art. 88 Abs. 1 LVerf lässt sich deshalb insbesondere kein „Bestandsschutz“ dergestalt herleiten, dass eine einmal in bestimmter Höhe gewährte Zuweisung nicht gekürzt oder entzogen werden darf (LVerfG, Urt. v. 13.07.1999, a.a.O., 465; VerfGH NW, Urt. v. 19.07.2011, a.a.O., RdNr. 67, zitiert nach juris). Wird den Gemeinden nach den aufgezeigten Maßstäben insgesamt ein ausreichendes Finanzausgleichsvolumen zur Verfügung gestellt und werden diese Finanzmittel in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die Gemeinden verteilt, kommt eine Verletzung der Finanzausstattungspflicht des Landes gegenüber einer einzelnen Gemeinde grundsätzlich nicht in Betracht. Die Verteilungs-maßstäbe können nicht an der einzelnen Gemeinde, sondern nur generalisierend und pauschalierend an der Gesamtheit der Gemeinden − unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Vorbedingungen der einzelnen Gemeinden − ausgerichtet sein (vgl. VerfGH NW, Urt. v. 01.12.1998 − VerfGH 5/97 −, NWVBl. 1999, 136,137).
{RN:24}
Ein Anspruch einer einzelnen Gemeinde auf ergänzende Finanzausstattung aufgrund ihrer besonderen Situation kann allenfalls dann gegeben sein, wenn die Abweichungen im Stand der Verwaltungsleistungen sowie mögliche Niveauunterschiede in der wirtschaftlichen und sozialen Betreuung der Bürger derart krass sind, dass das Selbstverwaltungsrecht einen weiteren finanziellen Ausgleich verfassungsrechtlich gebietet (vgl. VerfGH NW, Urt. v. 01.12.1998, a.a.O., 136, 137 f.; NdsStGH, Urt. v. 04.06.2010 − StGH 1/08 −, RdNr. 102, zitiert nach juris). Das Verfassungsrecht verlangt die Annahme eines solchen Anspruchs jedoch nicht schon dann, wenn augenblicksbezogen finanzielle Notstände zu beheben, aktuelle Projekte zu finanzieren oder finanzielle Schwächen auszugleichen sind, die eine unmittelbare und vorhersehbare Folge von politischen Entscheidungen bilden. Eigen-ständigkeit und politische Autonomie bringen es mit sich, dass die Kommunen grundsätzlich für die haushaltspolitischen Folgen autonomer Entscheidungen selbst einzustehen haben (so VerfGH NW, Urt. v. 19.07.2011 – 32/08 –, RdNr. 67 f., zitiert nach juris).

Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze sind die von den Beschwerdeführerinnen angegriffenen Normen des FAG 2009, soweit die Verfassungs-beschwerde zulässig ist, nur zum Teil materiell-rechtlich zu beanstanden.
{RN:25}
Das Landesverfassungsgericht kann nicht feststellen, dass das vom Landesgesetzgeber gewählte System zur Ermittlung der notwendigen kommunalen Ausgaben bei effizienter Aufgabenerfüllung nicht sachgerecht, nicht vertretbar oder offensichtlich fehlerhaft ist. Ebenso wenig widerspricht es der verfassungsrechtlichen Wertordnung.
{RN:26}
Im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit hat sich der Gesetzgeber entschlossen, den Finanzbedarf der Kommunen daran auszurichten, welche Kosten durch die Erfüllung der Aufgaben der jeweiligen kommunalen Ebene in den Jahren 2010 und 2011 entstehen werden. Dieser Aufgabe wollte der Gesetzgeber dadurch gerecht werden, dass er die tatsächliche durchschnittliche Kostenbelastung der Gemeinden durch die Wahrnehmung der Aufgaben des eigenen und übertragenen Wirkungskreises aus der Jahresrechnungsstatistik für die Jahre 2005 bis 2007 seiner Ermittlung zugrunde gelegt hat. Dabei hat er unterstellt, dass die Kommunen ihre Aufgaben entsprechend der haushaltsrechtlichen Gliederungs- und Gruppierungssystematik gebucht haben und die Meldungen an das Statistische Landesamt korrekt erfolgt sind. Er hat dieses tatsächliche durchschnittliche Ausgabenverhalten der Kommunen in den Jahren 2005 bis 2007 seiner Ermittlung des künftigen Finanzbedarfs zugrunde gelegt, obwohl er nur verpflichtet ist, die notwendigen Ausgaben der Gemeinden zu berücksichtigen, die einer effizienten Aufgabenerfüllung entsprechen. Er hat damit das ermittelte durchschnittliche tatsächliche Ausgabenverhalten der Jahre 2005 bis 2007 keiner Wertung mit Blick auf die Angemessenheit und Erforderlichkeit der (sachlichen und Personal-) Ausgaben unterzogen und unterstellt, dass die Haushaltswirtschaft der Kommunen entsprechend § 90 Abs. 2 GO LSA sparsam und wirtschaftlich geführt wurde. Er hat damit zu Gunsten der Kommunen auf einen wie auch immer gearteten länderübergreifenden Vergleich des Aufgabenverhaltens verzichtet. Er hat ebenfalls darauf verzichtet, eine Mustergemeinde mit idealem Ausgabeverhalten zu ermitteln und diese dem Finanzausgleich zugrunde zu legen, weil er der Auffassung war, dass es nicht möglich ist, eine Definition dafür zu finden, welche Aufgaben mit einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung in welcher Intensität, Qualität und Quantität von einer Gemeinde zu erfüllen sind. Diese Vorgehensweise ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und wird von den Beschwerdeführerinnen im Grundsatz auch nicht angegriffen.
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Die auf diese Weise ermittelten Ausgaben der Kommunen wurden sodann um die ebenfalls ermittelten durchschnittlichen Einnahmen der Kommunen gekürzt. Die endgültige Finanz-ausgleichsmasse wurde anschließend unter Berücksichtigung der prognostischen Einnahmeentwicklung der Kommunen bezüglich ihrer eigenen Steuereinnahmen und der prognostischen Preis- und Bevölkerungsentwicklung bestimmt.
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Hinsichtlich der Berücksichtigung des demografischen Wandels ist es unter Wahrung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass er den Bevölkerungsrückgang in seine Berechnung des Aufwands der Gemeinden bei der Aufgabenerfüllung einbezogen hat. Die Bevölkerungsentwicklung ist für die Prognose-erstellung des Finanzbedarfs ein geeigneter Aspekt. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen die Demographieabhängigkeit der Ausgaben und Einnahmen der öffentlichen Haushalte (vgl. Helmut Seitz, in: Bertelsmannstiftung (Hsrg.), Die Demographieabhängigkeit der Ausgaben und Einnahmen der öffentlichen Haushalt, Eine empirische Analyse unter Berücksichtigung der föderalen Verflechtungen,www.bertelsmann.stiftung.de, 2008, S. 8; derselbe, in: „Nachhaltige kommunale Finanzpolitik vor dem Hintergrund des demographischen Wandels – Die Auswirkungen des demographischen Wandels auf die kommunale Finanzsituation“, www.bertelsmann.stiftung.de, Stand März 2010 S. 2; Thorsten Wiechmann und Ingo Neumann, Demographie konkret – Regionalreport Sachsen, Sachsen-Anhalt & Thüringen, August 2008, Bertelsmannstiftung (Hsrg.), www.wegweiser-kommune.de, S. 64, m.w.N.). Zutreffend hat der Gesetzgeber auch angenommen, dass der Finanzierungsanspruch des Art. 88 Abs. 1 LVerf nicht ausgabenorientiert, sondern aufgabenorientiert ist. Er konnte daher auch davon ausgehen, dass die Gemeinden regelmäßig zu prüfen haben, ob sie einzelne freiwillige Aufgaben weiterhin oder weiterhin im bisherigen Umfang bedienen möchten, selbst dann, wenn der Bedarf der Bürgerinnen und Bürger an der betreffenden Aufgabe aufgrund des Bevölkerungsrückgangs weiter abnimmt und die Gemeinden die daraus folgende Unterdeckung des Haushaltes nicht aus selbst erwirtschafteten Mitteln ausgleichen können.
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Verfassungsrechtlich zu beanstanden ist zum einen, dass der Gesetzgeber sich für berechtigt gehalten hat, bei der Ermittlung des Aufwands für die Aufgabenerfüllung, den Aufwand der Gemeinden proportional zur Bevölkerungsentwicklung verringern zu dürfen. Zum anderen ist zu auch zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Aufwandsverringerung auf Grund des Bevölkerungsrückgangs für alle kommunalen Aufgaben einheitlich angenommen hat.
Zutreffend weisen die Beschwerdeführerinnen darauf hin, dass der Gesetzgeber für diese Vorgehensweise keine belastbaren Nachweise vorgelegt hat.
Dem Gericht bekannte wissenschaftliche Untersuchungen lassen vielmehr den Schluss zu, dass sich der Aufwand für die Aufgabenerfüllung nicht proportional zum Bevölkerungs-rückgang verringert, sondern dass es, und dazu auch bei den verschiedenen Aufgaben in unterschiedlichem Maße, zu Fixkosten- oder Ausgabenremanenzen kommt. Das bedeutet, dass die Kostenanpassung an den Bevölkerungsstand bei rückläufiger Bevölkerung aus rechtlichen, wirtschaftlichen oder politischen Gründen entweder zeitverzögert oder grundsätzlich anders erfolgt als bei einer Bevölkerungszunahme. Helmut Seitz führt in seiner Studie „Die Demographieabhängigkeit der Ausgaben und Einnahmen der öffentlichen Haushalte“ (a.a.O., S. 8) Folgendes aus:
„Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Entlastung der Kommunen nur stattfindet, wenn die demographisch bedingten Entlastungspotenziale auch tatsächlich durch eine Ausgabenan-passung an die veränderte Bevölkerungsstruktur realisiert werden. Sollte diese Anpassung z.B. aufgrund von Fixkostenremanenzen oder politischen Entscheidungen unterbleiben, würde es zu entsprechenden finanzpolitischen Belastungen kommen.“
In dem Aufsatz „Nachhaltige kommunale Finanzpolitik vor dem Hintergrund des demographischen Wandels“ (a.a.O., S. 3) werden von Seitz folgende Aussagen getätigt:
„Auf der Ausgabenseite sind die Auswirkungen des demographischen Wandels noch wesentlich stärker und differenzierter, wobei sich hier auch das Problem ergibt, dass Anpassungen vielfach nur durch nicht selten als unangenehm empfundene politische Entscheidungen herbeigeführt werden können bzw. müssen. Im Gegensatz hierzu sind einnahmenseitige Effekte in hohem Maße von einer weitgehenden „Automatik“ geprägt.
Ein besonders gravierendes Problem ist das der Ausgabenremanenz. Kommunale Einrichtungen, angefangen von Schulgebäuden über Kläranlagen bis hin zur Kommunal-verwaltung, den Straßen und den Kultureinrichtungen, sind für eine bestimmte Bevölkerungszahl ausgelegt. Ein Rückgang der Einwohnerzahl führt dazu, dass die Pro-Kopf-Aufwendungen für das Aufrechterhalten der Infrastrukturen und die Betriebs- bzw. Folgekosten ansteigen, da ein Rückbau der Einrichtungen in der Regel nicht im Gleichschritt mit dem Bevölkerungsrückgang erfolgen kann bzw. diese Anpassung versäumt wird. Ist z. B. ein Schulgebäude für die Unterbringung von 500 Schülern ausgelegt und sinkt die Zahl der Schüler und auch die Einwohnerzahl in der Gemeinde, so führt dies zu steigenden Kosten der Schulversorgung, und zwar sowohl je Schüler als auch je Einwohner gerechnet. Diese damit verbundenen höheren Pro- Kopf-Ausgaben sind bei einer rückläufigen Bevölkerung besonders problematisch, da zeitgleich auch das Einnahmevolumen infolge des Bevölkerungsrückgangs sinkt.
Ausgabenremanenzen treten in nahezu allen lnfrastrukturbereichen auf und können z. B. durch den Rückbau von Infrastrukturen - mit entsprechendem Aufwand für den Rückbau - oder durch die vollständige Schließung von Einrichtungen bewältigt werden. Entsprechend müssen dann die Versorgungsbedarfe z. B. durch die regionale Konzentration von Schulen, Sportein-richtungen usw. an zentralen Standorten gedeckt werden. Alternativ können Infrastruktur-einrichtungen auch anderen insbesondere auch privaten Verwendungen zugeführt werden. Bei den noch anstehenden Neu- und Umbauten von öffentlichen Infrastruktureinrichtungen sollten daher bereits prospektiv zukünftige Umwidmungsoptionen berücksichtigt werden.
Neben den Ausgabenremanenzeffekten, die letztendlich mit Mehrausgaben für die Bevölkerung verbunden sind, ohne dass damit eine Leistungsverbesserung einhergeht, müssen die demographischen Veränderungen auch zu einer Anpassung der Ausgabenstrukturen der Kommunen führen. Sinken Zahl und Anteil der schulpflichtigen Bevölkerung in einer Stadt und Gemeinde nachhaltig, so müssen die Infrastrukturen und Ausgaben im Schulbereich dieser Entwicklung angepasst werden, da die hier realisierten Ersparnisse erforderlich sind, um die Bedarfe des gestiegenen Anteils der älteren Bevölkerung zu finanzieren.
Eine sorgfältige Analyse der Aufgabenbereiche der Kommunen zeigt, dass die Bedarfsver-schiebungen und die damit verbunden notwendigen Anpassungen der Infrastrukturen und Ausgaben nahezu alle kommunalen Aufgabenbereiche tangieren, wobei wir hier nur einige Bereiche exemplarisch herausgreifen können:
• Städte und Gemeinden mit einer gesunken Einwohnerzahl müssen die Größe der Verwaltungen reduzieren, um diese für den Bürger bezahlbar zu machen.
• Der erhebliche Rückgang der Schülerzahlen, der in Ostdeutschland schon die Sekundarstufe erreicht hat, muss zu einer Anpassung der Infrastrukturen in diesem Bereich führen (konkret: Schließung von Schulstandorten, regionale Konzentration von Schulen, neue Schulformen).
• Im Bereich der sozialen Sicherung ist mit steigenden Aufgaben- und Ausgabenlasten insbesondere im Bereich der „Hilfe in besonderen Lebenslagen“ (wie Krankenhilfe, Hilfe zur Pflege usw.) infolge eines steigenden Anteils älterer und insbesondere auch pflegebedürftiger Personen zu rechnen, sodass hier auch eine „Vorsorgepolitik“ im Hinblick auf zukünftige Lasten betrieben werden muss.“
Thomas Lenk und Hans Joachim Rudolph (Die kommunalen Finanzausgleichssysteme in der Bundesrepublik Deutschland, Arbeitspapier Nr. 25, Dezember 2003, S. 12, m.w.N., www.uni-leipzig.de/fiwi/Forschung/arbeitspapiere25/_inst.pdf) führt zu dem Problem der Fixkostenremanenzen und den unterschiedlichen Auswirkungen des Bevölkerungsrückgangs auf die verschiedenen kommunalen Aufgaben aus:

„Vor allem im Bereich der Versorgungsinfrastruktur (z.B. Entsorgungsleistungen, Straßennetz) sowie der kommunalen Einrichtungen bleiben die Gesamtkosten aufgrund von Unteilbarkeiten und fixen Kosten der Leistungserstellung auch im Falle eines Bevölkerungsrückgangs konstant.“
Ein Bericht der von der 87. Arbeits- und Sozialministerkonferenz eingesetzten länderoffenen Arbeitsgruppe vom 28.10.2011, S. 5 (www.sms.sachsen.de/download/_Verwaltung /Demo- grafischer_Wandel_soziale_Infrastruktur.pdf) kommt zu dem Ergebnis, „dass nicht in allen Bereichen öffentlicher Dienstleistungen und Güter ein Rückgang der Ausgaben proportional zur Bevölkerungsentwicklung zu erwarten ist.“
Weder die vorhandenen Fixkostenremanenzen noch die Tatsache, dass der Bevölkerungsrückgang sich bei der Ermittlung des gemeindlichen Aufwands bei den verschiedenen gemeindlichen Aufgaben unterschiedlich auswirkt, sind vom Gesetzgeber bei der Aufwandsermittlung berücksichtigt worden. Eine solche Vorgehensweise ist nicht sachgerecht und lässt sich auch unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsspielraums nicht mit den Anforderungen des Art. 88 Abs. 1 LVerf vereinbaren.
Der Gesetzgeber wird daher bei einer Neuberechnung des gemeindlichen Aufwands für die Aufgabenerfüllung hinsichtlich des Einflusses des Bevölkerungsrückgangs zu untersuchen und zu berücksichtigen haben, inwieweit unvermeidbare Fixkostenremanenzen bestehen und inwieweit Unterschiede hinsichtlich der Aufwandsreduzierung bei den unterschiedlichen kommunalen Aufgaben bestehen.
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Soweit die Beschwerdeführerinnen geltend machen, § 2 Abs. 1 FAG LSA sei verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber bei dem von ihm gewählten System der Ermittlung des Finanzbedarfs zum einen nicht den gesamten Aufwand der Gemeinden berücksichtigt und zum anderen den Gemeinden systemfremde Finanzelemente als Einnahmen angelastet habe, vermag sich das Landesverfassungsgericht diesen Einwänden der Beschwerde-führerinnen nur insoweit anzuschließen, als die Berücksichtigung von Bedarfszuwendungen als Einnahmen betroffen ist. Darüber hinaus ist die Bedarfsermittlung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu beanstanden.
{RN:31}
Der Ermittlung des gesamten Aufwands der Gemeinden durch den Gesetzgeber – soweit nicht die Aufwandsermittlung unter Berücksichtigung des Bevölkerungsrückgangs betroffen ist – steht mit der Landesverfassung im Einklang.
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Soweit die Beschwerdeführerinnen geltend machen, der Gesetzgeber habe bei der Bedarfsermittlung ihre Defizite aus den kostenrechnenden Einrichtungen wie Abwasser-entsorgung, Wasserversorgung und Abfallbeseitigung systemwidrig nicht berücksichtigt, vermögen sie damit nicht durchzudringen.
Zum einen verweist die Landesregierung darauf, dass die Umlagezahlungen der Gemeinden an die Zweckverbände (also die Zahlungen der Gemeinden an die defizitären kostenrechnenden Einrichtungen) als Bedarf berücksichtigt worden sind, wenn sie im Einzelplan 9 im 90. Abschnitt im Haushaltsplan verbucht worden sind.
Die Beschwerdeführerinnen belegen schon nicht, dass, welche und in welcher Größen-ordnung Gemeinden die Verbuchung im Einzelplan 9 im 90. Abschnitt versäumt haben. Sollten tatsächlich Gemeinden in einer nennenswerten Anzahl zu dieser Gruppe gehören, durfte der Gesetzgeber indes mit Recht davon ausgehen, dass auch diese Gemeinden verpflichtet waren, ihre Ausgaben ordnungsgemäß zu verbuchen. Wie oben dargelegt, ist das Land aus Art. 88 LVerf nur zu einer aufgabenbezogenen und nicht zu einer ausgabenbezogenen Finanzierung der Gemeinden verpflichtet. Deshalb kommt es nicht auf die tatsächlichen fehlgebuchten Ausgaben der Gemeinden an, sondern nur auf die Ausgaben, die eine verobjektivierte Gemeinde hätte, wenn sie bei ihrer Aufgabenerfüllung sparsam und wirtschaftlich gehandelt hätte. Eine solche Gemeinde hätte die Ausgaben ordnungsgemäß verbucht.
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Darüber hinaus konnte der Gesetzgeber die Defizite aus den kostendeckenden Einrichtungen ohne Verfassungsverstoß bei der Bedarfsermittlung unberücksichtigt lassen.
Nach § 5 Abs. 1 S. 1 1. HS des Kommunalabgabengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt – KAG LSA – sind die Kommunen verpflichtet, kostendeckende Entgelte zu erheben. Erzielen die Gemeinden gleichwohl eine Kostenunterdeckung, dann liegt dies an ihrer autonomen Entscheidung, trotz des kommunalverfassungsrechtlichen Kostendeckungsgebots ihre Bürger – aus welchen Gründen auch immer – zu schonen. Dies entspricht nicht dem Verhalten einer verobjektivierten Gemeinde, die sparsam und wirtschaftlich haushaltet.
{RN:34}
Dem vermögen die Beschwerdeführerinnen nicht entgegenzuhalten, ihnen sei die Möglichkeit der kostendeckenden Finanzierung kostenrechnender Einrichtungen durch landespolitische Entscheidungen des Gesetzgebers genommen worden. Mit § 5 Abs. 1 S. 2 2. HS KAG LSA hat der Landesgesetzgeber den Gemeinden zwar die Möglichkeit eingeräumt, niedrigere Gebühren zu erheben oder von einer Gebührenerhebung abzusehen, soweit daran ein öffentliches Interesse besteht. Ein Entgeltverzicht nach dieser Vorschrift kann allenfalls dann im öffentlichen Interesse liegen, wenn eine Gemeinde sich einen solchen Verzicht auch tatsächlich „leisten“ kann und durch diese freiwillige kommunale Mehrbelastung die Erfüllung der kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben nicht in erheblicher Weise beeinträchtigt ist. Dies folgt schon aus § 90 Abs. 1 S. 1 GO LSA, wonach die Gemeinden ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen haben, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. Insoweit ist § 5 Abs. 1 S. 2 2. HS KAG LSA durch § 90 Abs. 1 S. 1 GO LSA determiniert. Ein vollständiger oder teilweiser Verzicht auf eine Entgelt-erhebung der zu einem Defizit bei der Gemeinde führt, ist daher von § 5 Abs.1 S. 2 2. HS KAG nicht gedeckt.
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Ebenso wenig können die Beschwerdeführerinnen erfolgreich einwenden, mit den Regelungen der §§ 5 Abs. 2a, S. 2 KAG LSA, § 23 Abs. 5 des Straßengesetzes für das Land Sachsen-Anhalt – StrG LSA –, § 7 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes zum Abwasserabgabengesetz – AG AbwAG LSA – und § 78 Abs. 3 Nr. 1 des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt – WG LSA – habe der Landesgesetzgeber aus landespolitischen Gründen gesetzliche Regelungen geschaffen, mit denen ihnen die Möglichkeit der kosten-deckenden Finanzierung kostrechnenden Einrichtungen genommen werde.
Mit diesen Einwänden machen die Beschwerdeführerinnen geltend, dass der Gesetzgeber ihnen bei der Erfüllung dieser Aufgaben finanzielle Mehrbelastungen auferlegt habe, um damit einen Entlastungseffekt für den Landeshaushalt zu bewirken. Bei den genannten gesetzlichen Regelungen handelt es sich zum Teil um Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises und zum Teil um pflichtige Aufgaben des eigenen Wirkungskreises. Damit berufen die Beschwerdeführerinnen sich auf eine Aufgabenverlagerung von der staatlichen auf die kommunale Ebene. Werden neue Pflichtaufgaben zur Erfüllung in eigener Verantwortung den Kommunen zugewiesen oder ihnen staatliche Aufgaben neu übertragen (Art. 87 Abs. 3 S.1 LVerf), so hat der Landesgesetzgeber dabei gleichzeitig die Deckung der Kosten zu regeln (Art. 87 Abs. 3 S. 2 LVerf). Führt die Aufgabenwahrnehmung zu einer Mehrbelastung der Kommunen, ist ein angemessener Ausgleich zu schaffen (Art. 87 Abs. 3 S. 3 LVerf). Ob eine neue Aufgabe übertragen wurde, ist durch einen Vergleich der Rechtslage vor und nach der Übertragung durch Bildung einer Aufgabendifferenz festzustellen. Die Besonderheit in der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt besteht darin, dass neben den Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises auch freiwillige Aufgaben, die in pflichtige umgewandelt werden, neue Aufgaben i.S.d. Art. 87 Abs. 3 LVerf sind. Eine zu einem Mehrbelastungs-ausgleich verpflichtende Aufgabendifferenz und damit eine neue Aufgabe liegt aber auch vor, wenn für Aufgaben des eigenen Wirkungskreises verbindliche Standards festgelegt werden oder eine bereits durch Gesetz übertragene Aufgabe durch ein weiteres Gesetz neu ausgeformt wird und dadurch eine neue finanzielle Belastung entsteht (vgl. Kluth, in: ders. [Hrsg.], Staats- und Verwaltungsrecht für Sachsen-Anhalt, 2005, S. 109). Mit den gesetzlichen Änderungen der §§ 5 Abs. 2a S. 2 KAG LSA, 23 Abs. 5 StrG LSA, 7 Abs. 2 AG AbwG LSA sowie § 78 Abs. 3 Nr. 1 WG LSA machen die Beschwerdeführerinnen somit eine solche von Art. 87 Abs. 3 LVerf erfasste Mehrbelastung geltend. Der in Art. 88 LVerf geregelt allgemeine Finanzausgleich ist für das Geltendmachen von solchen Mehrbelastungen das unzutreffende Verfahren. Art. 87 Abs. 3 LVerf stellt für Aufgaben-übertragungen im Sinne von Art. 87 Abs. 3 S. 1 LVerf eine spezialgesetzliche Regelung dar, die eine Anwendung von Art. 88 LVerf ausschließt.
{RN:36}
Soweit die Beschwerdeführerinnen geltend machen, der Ausfall von Gebühren durch den Gebührenschuldner wegen Nichtzahlung gehe aufgrund der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte auf ihre Kosten, vermögen sie nicht darzulegen, dass dies auf gesetzliche Regelungen zurückzuführen ist, die aus landespolitischen Erwägungen vom Gesetzgeber geschaffen worden sind. Darüber hinaus hat das Landesverfassungsgericht bereits mit Urteil vom 14.09.2004 (– LVG 7/03 –, LVerfGE 15, 359) festgestellt, dass es sich dabei um ein allgemeines finanzielles Risiko handelt, das die Gemeinden bei der Geltendmachung von Gebührenforderungen ebenso tragen müssen wie alle anderen staatlichen und privaten Gläubiger der nicht mehr zahlungsfähigen Schuldner. Soweit die Beschwerdeführerinnen schließlich geltend machen, dass Rechtsanwalts-, Berater-, Gutachter-, und Gerichtskosten nicht gebührenfähig seien, vermögen sie damit ebenfalls nicht zu belegen, dass diese Umstände auf landespolitische Erwägungen des Gesetzgebers zu Lasten der Gemeinden zurückzuführen sind. Es ist im Gebührenrecht allgemein anerkannt, dass sich aus dem der Benutzungsgebühr eigentümlichen Austauschverhältnis, in dem sich Leistung und Gegenleistung gegenüberstehen, eine Grenze der gebührenrecht-lichen Ansatzfähigkeit von Kosten ergibt. Die gebührenrechtliche Ansatzfähigkeit von Kosten setzt dementsprechend grundlegend voraus, dass sie durch die Einrichtung selbst bedingt sind. Dazu gehören nicht die Kosten gerichtlicher und außergerichtlicher Rechtsberatung, die einer Gemeinde aus Anlass von Rechtsbehelfsverfahren verschiedener Gebührenschuldner gegen Gebührenbescheide entstehen. Derartige Kosten weisen nicht den erforderlichen engen sachlichen Bezug zur eigentlichen Leistung auf, die die Gemeinden durch ihre öffentliche Einrichtung erbringen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.05.1997 – 2 S 3246/94 –, zitiert nach juris, m.w.N.). Im Übrigen regeln das Gerichtskostenrecht und andere die Kosten der Rechtsverfolgung zuweisende Tatbestände diesen Bereich abschließend (LVerfG, Urt. v. 14.09.2004, a.a.O., 377). Dies gilt auch für die übrigen von den Beschwerdeführerinnen aufgeführten Kosten.
{RN:37}
Soweit die Beschwerdeführerinnen geltend machen, es sei nicht systemgerecht, lediglich den Verwaltungshaushalt, nicht aber den Vermögenshaushalt zur Bedarfsermittlung heranzuziehen, weil die Ausgaben im Vermögenshaushalt, die durch den Einsatz anderer Haushaltsmittel als Krediteinnahmen entstehen – insbesondere durch den Einsatz von gemeindlichem Vermögen in Gestalt von Grundstücksveräußerungen – dadurch unberück-sichtigt blieben, vermögen sie damit nicht darzulegen, dass dies nicht sachgerecht ist. Die gesetzgeberische Entscheidung ist insoweit vertretbar, weder offensichtlich fehlerhaft noch widerspricht sie der verfassungsrechtlichen Wertordnung. Wie oben dargelegt, verpflichtet Art. 88 LVerf den Gesetzgeber für eine aufgabenbezogene Grundausstattung der Gemeinden zu sorgen. Vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist es gedeckt, wenn er zur Ermittlung des Bedarfs der Gemeinden auf den Verwaltungshaushalt abstellt. Der Verwaltungshaushalt ist derjenige Teil des Haushaltsplans der kommunalen Körperschaften, der die nicht vermögenswirksamen Posten enthält. Auf der Ausgabenseite werden alle laufenden Ausgaben wie Personalausgaben, sachliche Verwaltungs- und Betriebskosten, Zinsen und Umlagen dargestellt. Der Vermögenshaushalt ist derjenige Teil des Haushalts-plans der kommunalen Gebietskörperschaften, der alle das Vermögen oder die Schulden verändernden Ausgaben und Einnahmen enthält; auf der Ausgabenseite besonders alle Investitionen, Rücklagenzuführungen, Kredittilgungen sowie etwaige Zuführungen zum Verwaltungshaushalt, auf der Einnahmenseite besonders Kreditaufnahmen, Rücklagen-entnahmen, Zuschüsse und Zuweisungen Dritter für Investitionen, Erlöse aus Vermögens-veräußerungen sowie etwaige Zuführung vom Verwaltungshaushalt. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, die Bedarfsermittlung auf der Basis des tatsächlichen Ausgabeverhaltens der Gemeinden in den Jahren 2005 bis 2007 durchzuführen. Es ist nicht zu beanstanden, dafür die im Verwaltungshaushalt widergespiegelten Ausgaben zugrunde zu legen und die Zuführungen vom Vermögenshaushalt an den Verwaltungshaushalt sowie die Zuführungen aus dem Verwaltungshaushalt an den Vermögenshaushalt außer Betracht zu lassen (vgl. Deubel, Der kommunale Finanzausgleich in Sachsen-Anhalt, Bestandsaufnahme und Perspektive bis zum Jahr 2020, Bad Kreuznach 2012, S. 50). Dies gilt um so mehr, als die Beschwerdeführerinnen lediglich auf theoretisch mögliche Einzelfälle verweisen und – wie oben dargelegt – der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, einen gemeindescharfen Finanzausgleich durchzuführen.
{RN:38}
Soweit die Beschwerdeführerinnen die Bedarfsermittlung des Landesgesetzgebers als unvollständig ansehen, da Soll-Fehlbeträge aus den Vor- und Vorvorjahren nicht berück-sichtigt worden seien, kann das Landesverfassungsgericht nicht feststellen, dass das vom Gesetzgeber gewählte System nicht sachgerecht ist. Die gesetzgeberische Entscheidung, diese Fehlbeträge als nicht berücksichtigungsfähige periodenfremde Aufwendungen anzusehen, ist vertretbar, weder offensichtlich fehlerhaft noch widerspricht sie der verfassungsrechtlichen Wertordnung. Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, dass es sich bei diesen Fehlbeträgen um notwendige Ausgaben handele, zu deren Ausgleich sie verpflichtet seien (Verweis auf § 23 GemHVO). Zwar hat das Land nach Art. 88 Abs.1 LVerf dafür zu sorgen, dass die Gemeinden über Finanzmittel verfügen, die zur angemessenen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Wie oben bereits dargelegt, kann Art. 88 Abs.1 LVerf aber nicht als ein Anspruch der Gemeinden verstanden werden, dass das Land jedwede Unterdeckung des Kommunalhaushalts auszugleichen habe. Nach Art. 87 Abs.1 LVerf verwalten die Gemeinden ihre Angelegenheiten in eigener Verantwortung, insbe-sondere in finanzieller Eigenverantwortung. Nach Auffassung des Bundesverfassungs-gerichts besteht das Wesen der gemeindlichen Finanzhoheit nicht darin, dass die Gemeinden frei schalten können wie sie wollen, sondern darin, dass sie verantwortlich disponieren und bei ihren Maßnahmen auch ihre Stellung innerhalb der Selbstverwaltung des modernen Verwaltungsstaates und die sich daraus ergebende Notwendigkeit des Finanzausgleichs in Betracht ziehen (BVerfG, Beschl. v. 21.05.1968 – 2 BvL 2/61 –, RdNr. 57, zitiert nach juris). Daraus folgt nicht nur die Befugnis, sondern auch die Verpflichtung zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft. Demgemäß ist es die Pflicht der Gemeinden, ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. Daher konnte der Gesetzgeber die Forderung der Beschwerde-führerinnen, bei der Bedarfsermittlung insbesondere auch die Fehlbeträge aus Vorjahren zu berücksichtigen – und in der Folge über den kommunalen Finanzausgleich auszugleichen –, unabhängig davon, aus welchem Grund, in welcher Höhe und auf Basis welches Aufgaben¬spektrums diese Fehlbeträge angefallen sind, ohne Verfassungsverstoß zurückweisen. Reichen die kommunalen Finanzmittel nicht aus, um eine angemessene Aufgabenerfüllung sicherzustellen, sind zunächst die Gemeinden in der Pflicht ihre Altfehlbeträge durch eine besonders sparsame Haushaltswirtschaft, den Einsatz von Vermögenserlösen oder durch Mehreinnahmen aus überdurchschnittlichen Realsteuerhebesätzen auszugleichen. Erst dann, wenn es den Kommunen nicht möglich ist, trotz der vorgenannten Maßnahmen ausreichend eigene Mittel bereit zu stellen und die Ausübung ihres Selbstverwaltungsrechts gefährdet ist, greift die Finanzierungspflicht des Landes aus Art. 88 Abs.1 LVerf ein. Einen solchen Nachweis haben die Beschwerdeführerinnen nicht erbringen können und werden sie auch nicht erbringen können. Aus dem Gutachten „Der kommunale Finanzausgleich in Sachsen-Anhalt“ (a.a.O., S. 3) ergibt sich nämlich, dass zum einen auf der kommunalen Ebene in Sachsen-Anhalt für die laufende Aufgabenerfüllung deutlich mehr Finanzmittel eingesetzt werden als in den beiden Ländervergleichsgruppen (Ländervergleichsgruppe 1: Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein; Ländervergleichsgruppe 2: Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen). Zum anderen leisten sich die Gemeinden in Sachsen-Anhalt besonders niedrige Hebesätze bei den Realsteuern, obwohl die Realsteuerkraft der Gemeinden in Sachsen-Anhalt deutlich höher liegt als in den drei östlichen Vergleichs¬ländern (S. 15). Zwar ist den Gemeinden zuzubilligen, dass die Bewältigung der Altfehlbeträge aus eigener Kraft (rd. 620 Millionen Euro nach der Jahresrechnung 2009, [S. 58]) in den einzelnen Gemeinden zu großen Durchsetzungsproblemen in der Bevölkerung führen könnte. Deshalb unterstützt das Land die Gemeinden außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs mit den Programmen STARK II und STARK III bei der Bewältigung ihrer Altschulden. Bei einer kommunalen Verschuldung von 2,42 Mrd. Euro zum 31.12.2011 bietet das Programm STARK II in den nächsten Jahren für mehr als die Hälfte dieser Schulden eine äußerst zinsgünstige Anschlussfinanzierung und einen zusätzlichen sofortigen Tilgungszuschuss von 30 % der jeweiligen Restvaluta (S. 16). Im Übrigen steht es dem Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums aus politischen Erwägungen frei, - wie im genannten Gutachten (S. 57, 58) aufgezeigt - außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs ähnlich dem STARK II weitere unterstützenden Maßnahmen zu beschließen, bei denen das Land eine gezielte Hilfestellung für Kommunen mit besonders hohen Altfehlbeträgen leistet.
{RN:39}
Hinsichtlich der Einnahmenseite ist die Ermittlung des Gesetzgebers nur insoweit zu beanstanden, als der Gesetzgeber Bedarfszuwendungen an die verschiedenen Gemeinden als Einnahmen berücksichtigt hat. Im Übrigen stehen die Annahmen des Gesetzgebers mit der Verfassung im Einklang.
{RN:40}
Zutreffend machen die Beschwerdeführerinnen geltend, es sei systemwidrig, die an bedürftige, kreisangehörige Gemeinden geleisteten Bedarfszuweisungen der Gesamtheit der Gemeinden als Einnahmen bedarfsmindernd zuzurechnen. Bedarfszuweisungen dienen nicht der Abdeckung allgemeiner kommunaler Aufwendungen, sondern sind individuelle Zahlungen an Kommunen „zur Milderung oder zum Ausgleich außergewöhnlicher Belastungen und Notlagen“ (§ 17 Abs. 1 S. 1 FAG 2009). Das Landesverfassungsgericht vermag sich nicht der Auffassung der Landesregierung anzuschließen, dass das Land diese Belastung über die allgemeinen Finanzzuweisungen ein zweites Mal auszugleichen habe, wenn die gewährten Bedarfszuweisungen im Rahmen der Bedarfsbestimmung unberücksichtigt blieben. Bedarfszuwendungen werden den betroffenen Gemeinden zur Reduktion der periodenfremden Altfehlbeträge aus den Vorjahren der Basisjahre gezahlt. Sie können nicht als laufende Einnahmen angesehen werden. Wenn es – wie oben dargelegt – systemgerecht ist, die Begleichung der Altfehlbeträge nicht als gemeindliche Ausgaben anzusehen, gebietet die Systemgerechtigkeit auch die Reduktion der Altfehlbeträge durch Bedarfszuwendungen nicht als periodengerechte Einnahmen anzusehen (so auch Deubel, a.a.O., S. 50).
{RN:41}
Soweit die Beschwerdeführerinnen geltend machen, der Gesetzgeber habe fälschlicherweise die Gesamtheit der Gewerbesteuereinnahmen aller Gemeinden als Einnahmen zugeordnet, obwohl der weitaus größere Teil nur auf wenige Gemeinden entfalle, und der Gesetzgeber daher bei den Einnahmen nicht auf den Durchschnitt, sondern auf eine „gebrochene Reihe“ hätte abstellen dürfen, vermögen sie damit nicht durchzudringen. Das vom Gesetzgeber zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Gemeinden gewählte Verfahren sieht – wie bereits dargelegt – vor, dass das Ausgabeverhalten der Gemeinden in den Jahren 2005 bis 2007 ermittelt und daraus ein durchschnittliches Ausgabeverhalten der Gemeinden gebildet wird. Das durchschnittliche Ausgabeverhalten wurde dabei keiner Wertung mit Blick auf die Angemessenheit der (sächlichen und Personal-) Ausgaben unterzogen. Der Gesetzgeber hat damit unterstellt, dass der Durchschnitt der Ist-Ausgaben der Jahre 2005 bis 2007 die Ausgaben repräsentiere, die erforderlich und angemessen waren. Es entspricht daher dem von Gesetzgeber gewählten System auch auf der Einnahmenseite die durchschnittlichen steuerlichen Einnahmen der Gemeinden der Bedarfsermittlung zugrunde zu legen. Auf der Einnahme¬seite anders zu verfahren als auf der Ausgabeseite, wäre im Gegenteil systemwidrig. Darüber hinaus gilt, dass Art. 88 LVerf – wie bereits dargelegt – den Gesetzgeber nicht verpflichtet, einen gemeindescharfen Finanzausgleich vorzunehmen.
{RN:42}
Die Beschwerdeführerinnen sehen ferner einen Systembruch darin, dass bei der vorgenommenen Prognose für die Ermittlung des Kostenanstiegs lediglich eine prozentuale Erhöhung des Saldos von Ausgaben und Einnahmen vorgenommen worden sei. Dadurch werde die Einnahmensituation insofern verfälscht, als vorweg bereits eine Schätzung der Steuerentwicklung vorgenommen und auf diese Schätzung noch einmal der Saldoerhöhungsfaktor aufgeschlagen worden sei.
In diesem Zusammenhang räumt die Landesregierung ein, dass die Steuerschätzung von Mai 2009 im Rahmen der Bedarfsprognose für 2011 tatsächlich zweimal berücksichtigt wurde (einmal bei der Bedarfsprognose für 2010, die den Ausgangswert der Bedarfsprognose für 2011 bilde; ein weiteres Mal bei der Bestimmung des Prognosekorrektivs „Steuerentwicklung" für 2011). Diese Vorgehensweise des Gesetzgebers sei aber aufgrund der Gesamtsystematik der Prognosemethode systemgerecht und auch zweckmäßig. Er habe diese Methode in Anbetracht fehleranfälliger Alternativen als geeignet einschätzen dürfen, um den kommunalen Finanzbedarf für 2011 möglichst genau prognostizieren zu können. Die Beschwerdeführerinnen zeigen weder auf, dass diese Ansicht des Gesetzgebers sachlich nicht vertretbar noch offensichtlich fehlerhaft ist, noch der verfassungsrechtlichen Wertordnung widerspricht.
{RN:43}
Soweit die Beschwerdeführerinnen geltend machen, als Einnahmen seien unzulässigerweise auch die Familienleistungsausgleichzahlungen aus den Jahren 2005 bis 2007 angerechnet worden, obwohl diese sich in Jahren 2010 und 2011 nicht mehr bedarfsmindernd auswirken könnten, da sie aufgrund des Haushaltsbegleitgesetzes 2007 weggefallen seien, vermögen sie damit einen Systembruch des Gesetzgebers nicht zu belegen. Da der Gesetzgeber sich nicht in der Lage gesehen hat, die tatsächlich anfallenden Ausgaben und die tatsächlich anfallenden Einnahmen der Gemeinden für die Jahre 2010 und 2011 zu ermitteln, hat er – wie dargelegt – ohne Verfassungsverstoß ein Berechnungs¬system gewählt, das aus den tatsächlichen durchschnittlichen Ausgaben und Einnahmen der Jahre 2005 bis 2007 prognostisch auf die Ausgaben und Einnahmen der Jahre 2010 und 2011 schließt. Es ist systemgerecht, wenn der Gesetzgeber Einnahmen aus den Jahren 2005 bis 2007 bedarfsmindernd in die fiktive Berechnung einstellt, obwohl sie 2010 und 2011 nicht mehr angefallen sind. Denn auch die Ausgaben der Gemeinden aus den Jahren 2005 bis 2007, die in den Jahren 2010 und 2011 nicht mehr angefallen sind, hat er als bedarfserhöhende Ausgaben der Gemeinden in den Jahren 2010 und 2011 fiktiv angesetzt,
{RN:44}
Soweit die Beschwerdeführerinnen meinen, § 2 Abs. 3 S. 2 und 3 FAG 2009 sei ver-fassungswidrig, weil die Finanzausgleichsmasse künftig nicht um Mittel gekürzt werden dürfe, die keinen Bezug zu der aufgabenäquivalenten Finanzausstattung der Gemeinden hätten, vermögen sie auch damit keinen Verfassungsverstoß zu belegen.
In § 2 Abs. 2 S. 2 2. HS FAG 2009 ist lediglich geregelt, dass für die auf das Ausgleichs¬jahr 2011 folgenden Ausgleichsjahre die angemessene kommunale Finanzausstattung zur Erfüllung der Aufgaben der Gemeinden rechtzeitig zu ermitteln und anzupassen und dabei der Rückgang der Sonderbedarfs- und Bundesergänzungszuweisungen zu berücksichtigen ist. Es kann bereits nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerinnen durch diese Regelung in ihren Rechten verletzt werden. § 2 Abs. 3 S. 2 und 3 FAG 2009 gebieten als Gesetzesbefehl nur die „Berücksichtigung“ der Rückgänge. Der Begriff der Berücksichtigung ist in seiner Schlussfolgerung weder positiv noch negativ und kann nicht nur so einseitig ausgelegt werden, dass die Berücksichtigung zwingend zum Nachteil der Gemeinden zu erfolgen hat.
Im Übrigen lässt sich – wie oben dargelegt – aus der Landesverfassung kein Anspruch der Gemeinden auf eine Sicherstellung einer angemessenen Finanzausstattung aus Art. 88 Abs.1 LVerf unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Landes herleiten. Es ist sachlich vertretbar, weder offensichtlich fehlerhaft noch widerspricht es der verfassungsrechtlichen Wertordnung, wenn der Gesetzgeber sich dafür entscheidet, auch proportional die kommunale Finanzebene als „Schicksalsgemeinschaft“ zu beteiligen, wenn dem Land die zur Verfügung stehenden Finanzen aus Sonderbedarfs- und Bundeszuweisungen gekürzt werden.
{RN:45}
Soweit die Beschwerdeführerinnen weiter die in § 16 Abs. 1 S. 1 FAG 2009 festgelegte Höhe der Investitionspauschale als verfassungswidrig ansehen, weil der Gesetzgeber bei der Bemessung keine sachgerechten Maßstäbe zugrunde gelegt habe, trifft dies ebenfalls nicht zu. Bereits in seinem Urteil vom 13.07.1999 (LVG 20/97 a.a.O., S. 451) hat das Landesverfassungsgericht entschieden, dass sich aus Art. 88 Abs.1 LVerf kein „Bestandschutz“ dergestalt herleiten lässt, dass eine einmal in bestimmter Höhe gewährte Zuweisung nicht gekürzt werden darf.
Darüber hinaus gebietet die bereits erwähnte „Schicksalsgemeinschaft“ zwischen Kommunen und Land, die schon im Bereich der angemessenen Aufgabenerfüllung den Finanzausgleich von der Leistungsfähigkeit abhängig macht, erst recht im Bereich der Investitionen, dass das Land Kürzungen von Sonderbedarfs- und Bundesergänzungen um 120 Millionen Euro im Jahr 2010 und weitere 113 Millionen Euro im Jahr 2011 anteilig an die Gemeinden weitergibt.
In diesem Rahmen hat sich der Gesetzgeber entschieden, die Kommunen zu 22,3 % und sich selbst zu 77,7 % am Rückgang der Bundesergänzungszuweisungen zu beteiligen. Daraus hat er einen kommunalen Anteil am Rückgang für 2010 in Höhe von 26,7 Millionen Euro und für 2011 in Höhe von weiteren 25,2 Millionen Euro errechnet. Die Höhe der prozentualen Beteiligung wird von den Beschwerdeführerinnen im Übrigen nicht angegriffen.
Er hat sodann die Höhe der Investitionspauschale für 2010 und 2011 auf jeweils 180 Millionen begrenzt. Diese Begrenzung hat er auch damit gerechtfertigt, dass er die Mindestausstattung der Gemeinden bezüglich der kommunalen Investitionsmaßnahmen auch über die allgemeinen Zuweisungen nach § 12 FAG 2009 sowie durch zusätzliche Investitionsmittelzuflüsse aus Einzelplänen der Ressorts und dem Konjunkturpakt II weiter erhöht und bei der Bedarfsberechnung über die Pflichtzuführung zum Vermögenshaushalt die kommunalen Ausgaben für die Kreditfinanzierung von Investitionsmaßnahmen berücksichtigt habe. Diese Vorgehensweise kann ebenso wenig wie die Wahl einer Pauschale in Anbetracht des verfassungsrechtlich gebotenen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers als offensichtlich fehlerhaft, noch als sachlich unrichtig, noch als der verfassungsrechtlichen Wertordnung widersprechend angesehen werden.
{RN:46}
Das Landesverfassungsgericht stellt gemäß den §§ 51 Abs. 2, 50, 41 S. 1 LVerfGG die Unvereinbarkeit des § 2 Abs. 1 FAG 2009 mit der Landesverfassung fest und sieht davon ab, die Nichtigkeit der Verteilungsregelung auszusprechen. Der Landesgesetzgeber kann dem gesetzgeberischen Defizit auf verschiedene Weise begegnen: Er kann den Einfluss des Bevölkerungsrückgangs auf den Aufwand bei der gemeindlichen Aufgabenerfüllung gänzlich unberücksichtigt lassen oder nach einer Neuermittlung in einer derzeit nicht feststellbaren Größenordnung die Auswirkungen des Bevölkerungsrückgangs erneut in die Aufwandsermittlung einbeziehen. Die Unvereinbarkeitsvariante zu wählen, erscheint auch deshalb angemessen, weil die Wirkungen des kommunalen Finanzausgleichs als Bestandteil der gesamten Finanzwirtschaft des Landes und der Kommunen aufgrund einer nachträglichen verfassungsgerichtlichen (Ergebnis-)Kontrolle rückwirkend praktisch nicht beseitigt werden können (ThürVerfGH, Urt. v. 21.06.2005 – VerfGH 28/03 –, RdNr. 202, zitiert nach juris).
Der Landesgesetzgeber ist gehalten, die unwirksame Verteilungsregelung mit Wirkung ab dem 01.01.2014 zu ändern.
{RN:47}
Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 32 Abs. 1 LVerfGG. Da sich die Verfassungsbeschwerde nur zum Teil als begründet erwiesen hat, erscheint es angemessen, den Beschwerdeführerinnen die notwendigen Auslagen nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu erstatten, § 32 Abs. 3 LVerfGG.

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Das Gericht

Der Sitz des Landesverfassungsgerichts ist Dessau-Roßlau.