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Urteil des Gerichtes

Entscheidungsvorblatt

Aktenzeichen: LVG 1/96 Entscheidungsart: Urteil Entscheidung vom: 29.05.1997
Verfahrensart Organstreit
entscheidungserhebliche Vorschriften LSA-Verf Art. 7 Abs 1
LSA-Verf Art. 8 Abs 1
LSA-Verf Art. 42
LSA-Verf Art. 47
LSA-Verf Art. 48
LSA-Verf Art. 65
LSA-Verf Art. 72
LSA-Verf Art. 73
LSA-Verf Art. 75 Nr 1
LSA-VerfGG § 2 Nr 2
LSA-VerfGG § 33 Abs 1
LSA-VerfGG § 35 Nr 1
LSA-VerfGG § 35 Nr 3
LSA-VerfGG § 36 Abs 1
LSA-VerfGG § 36 Abs 3
LSA-FraktG § 3 Abs 1
LSA-AbgG § 47 Abs 1
LSA-LdTg-GO
VwGO § 88
Schlagworte Recht, eigenes - Antrag - Begehren - Frist -Zuständigkeit, eigene - Opposition - Fraktion - Vertrauen - Regierung - Verantwortlichkeit - Wahl - Sachprogramm - Stützen - Tragen - Dulden - Koalition - Vertrag - Abrede - Mehrheit - Minderheit - Misstrauensvotum - Geschäftsgrundlage - Abstimmungsverhalten - Abgeordneter - Zurechnung - Tolerieren - Alternative - Fernziel Stürzen - Opposition, Ausstattung - Chancengleichheit -
Stichworte Urteil
Leitsatz 1. "Opposition" im Sinne des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf sind die Mitglieder und Fraktionen des Landtages, welche die Landesregierung "nicht stützen". Die Auslegung des Hilfsbegriffs "stützen" wird in erster Linie durch die aus dem Demokratieprinzip abgeleiteten Grundsätze über die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament bestimmt. 2. Die Regierung "stützen" bedeutet, ihr "Vertrauen" geben durch eine "koalitionsähnliche Abrede". "Stützen" ist eine zweckgerichtete Handlung, die eine Regierung ins Amt bringen oder darin halten soll. Ein Verhalten, das zwar geeignet ist, eine Regierung im Amt zu halten, aber eine andere Zielrichtung hat, reicht nicht aus. Ebenso wenig genügt das einseitige Angebot zu stützen, wenn die Regierung dieses nicht annimmt. Die Regierung "stützt" nicht bereits, wer sie nur "duldet" oder "toleriert". 3. "Vertrauen" entsteht über die Wahl des Ministerpräsidenten, wenn zugleich die personelle Zusammensetzung der Regierung und deren Sachprogramm unterstützt wird, oder über eine positiv beantwortete, vom Regierungschef gestellte "Vertrauensfrage". 4. Wer ein "konstruktives Misstrauensvotum" nicht mitträgt, gibt dadurch nicht der amtierenden Regierung Vertrauen; denn Kern des "Misstrauensvotums" ist nicht (destruktiv), dem Amtsinhaber das Vertrauen zu entziehen, sondern (konstruktiv) einem anderen Kandidaten Vertrauen zu geben. 5. Die "Oppositionsfraktionen" sind frei in ihrer "Strategie", die Politik der Regierung zu beeinflussen oder die Regierung zu stürzen. Daher sind sie, auch wenn sie rechnerisch die Mehrheit im Parlament haben, nicht zu gemeinsamem Handeln verpflichtet. 6. Opposition entsteht, weil Abgeordnete oder Fraktionen sich nicht an der Regierungsverantwortung beteiligen wollen oder davon ausgeschlossen werden. Die Regierung "stützende" Bündnisse werden dagegen durch Abreden gebildet. Lässt sich eine solche Abrede nicht feststellen, so gehören die Abgeordneten oder die Fraktionen zur "Opposition". 7. Den Oppositionsstatus gibt nicht bereits auf, wer bei einzelnen Gesetzgebungsvorhaben und beim Haushalt "kooperiert". Die Zustimmung zu einer Sachfrage ist ebenso neutral wie die Wahrnehmung parlamentarischer Kontrollrechte gegenüber der Regierung. Ein Abgeordneter oder eine Fraktion "stützt" die Regierung erst dann, wenn die Kompromissfähigkeit im Einzelfall auf einer grundsätzlichen "koalitionsähnlichen Abrede" beruht, Vorhaben der Regierung mitzutragen, so dass die Zustimmung zu einem einzelnen Vorhaben kein Ergebnis eines "Drucks von außen" ist, sondern sich lediglich als "Kritik von innen" darstellt. 8. Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf verlangt, das Verhalten des Abgeordneten und einer Fraktion unabhängig voneinander zu beurteilen. Die Fraktion "stützt" nur, sofern Vertrauen gebende Handlungen von Abgeordneten (auch) ihr zugerechnet werden können.
Fundstellen LVerfGE 6, 281 - LKV 1998, 101
Sonstiges Opposition
Zitiervorschlag VerfGSA, Urteil vom 29.05.1997 - LVG 1/96 -,
www.verfassungsgericht-sachsen-anhalt.de

Urteil

in dem Organstreitverfahren

LVG 1/96

Antragsteller: CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt
Antragsgegner: Landtag von Sachsen-Anhalt

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Die der Antragstellerin entstandenen außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.

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(Die grauen Ziffern über den Absätzen sind durchlaufende Absatznummern [Randnummern].)
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Tatbestand

{RN:1}
Die Antragstellerin bestreitet dem Antragsgegner das Recht, die Fraktion der Partei des Demokratischen Sozialismus’ als „Oppositionsfraktion“ zu behandeln.

{RN:2}
1.-->Auf der Grundlage der Ergebnisse der zweiten Wahl am 26.6.1994 zum Landtag von Sachsen-Anhalt bildeten sich folgende vier Fraktionen:
Christlich-Demokratische Union (CDU):
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD):
Partei des Demokratischen Sozialismus’ (PDS):
Bündnis 90 / DIE GRÜNEN: 37 Abgeordnete,
36 Abgeordnete,
21 Abgeordnete,
5 Abgeordnete.

{RN:3}
Der Landesvorsitzende der PDS, der Landtagsabgeordnete Claus, hatte vor der Wahl im März 1994 erklärt, er sehe seine Partei am liebsten auf der Oppositionsbank, könne sich aber auch vorstellen, daß die PDS eine sozialdemokratische Minderheitsregierung dulde.

{RN:4}
Die Landesverbände der Parteien SPD und Bündnis 90 / DIE GRÜNEN kamen durch Vereinbarung vom Juli 1994 überein, eine Koalitionsregierung zu bilden. Der Vertrag enthält den Passus, zu seiner Durchsetzung solle um parlamentarische Mehrheiten geworben werden. Diese Koalitionsvereinbarung überbrachte der Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, Tschiche, der PDS-Fraktion vor der konstituierenden Sitzung des neuen Landtags.

{RN:5}
Die Landesverfassung sieht für die Wahl des Ministerpräsidenten eine geheime Abstimmung ohne Aussprache vor (Art. 65 Abs. 1); sie verlangt in den ersten beiden Wahlgängen die Mehrheit der Stimmen, bezogen auf die Gesamtzahl der Abgeordneten (Art. 65 Abs. 2 S. 1, 2), sieht eine Zwischenentscheidung über die vorzeitige Beendigung der Wahlperiode („Auflösung des Landtags“) vor, wenn auch im zweiten Wahlgang diese sog. „absolute“ Mehrheit nicht erreicht worden ist (Art. 65 Abs. 2 Satz 3), und läßt erst für einen dritten Wahlgang die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügen, wenn die Auflösung nicht beschlossen worden ist.

{RN:6}
In der konstituierenden Sitzung des Landtags vom 21.7.1994 waren 95 Abgeordnete anwesend; die vier damals fehlenden Abgeordneten gehören der PDS-Fraktion an.
Der Abgeordnete Dr. Höppner erhielt im ersten Wahlgang 40 Stimmen (bei 17 Enthaltungen und 38 Stimmen für den Gegenkandidaten Dr. Bergner), im zweiten Wahlgang 45 Stimmen (bei 13 Enthaltungen und 37 Stimmen für den Gegenkandidaten).
Den zweiten Wahlgang noch am selben Tag durchzuführen, hatte der Landtag in namentlicher Abstimmung auf Antrag der Koalitionsfraktionen mit 58 Stimmen (Koalitionsfraktionen und Fraktion der PDS) gegen 37 Stimmen (CDU-Fraktion) beschlossen.
Die Wahlperiode vorzeitig zu beenden, lehnte der Landtag (mit 37 gegen 58 Stimmen) ab.
Im dritten Wahlgang wurde der Abgeordnete Dr. Höppner mit 48 Stimmen (bei 10 Enthaltungen und 37 Stimmen für den Gegenkandidaten Dr. Bergner) zum Ministerpräsidenten gewählt.
Wegen weiterer Einzelheiten, insbes. wegen der Erklärung des gewählten Ministerpräsidenten, wird auf den Stenographischen Bericht über die 1. Sitzung des Landtags der 2. Wahlperiode (LdTg-StenBer 2/1 v. 21.7. 1994), wegen der Regierungserklärung und der Aussprache über sie auf die Niederschrift über die 3. Sitzung vom 8.9.1996 (LdTg-StenBer 2/3) Bezug genommen.
Ferner wird auf die Stenographischen Berichte über die folgenden Landtagssitzungen verwiesen: 24.11.1994 (LdTg-StenBer 2/9 [Debatte um die Entlassung des Wirtschaftsministers]), vom 20.1.1995 (LdTg-StenBer 2/13 [Wiederbesetzung des Ressorts]) und vom 31.8.1995 (LdTg-StenBer 2/25 [weitere Arbeit der Landesregierung]).

{RN:7}
Der Nachtragshaushalt für das Jahr 1994 sowie die Haushalte für die Jahre 1995 und 1996 wurden jeweils mit Mehrheit beschlossen; auf Antrag der CDU-Fraktion lehnte es der Landtag ab, einen Doppelhaushalt für 1997/98 aufzustellen. Wegen der Einzelheiten dieser Haushaltsdebatten wird auf die Stenographischen Berichte über die Landtagssitzungen vom 29.9.1994 (LdTg-StenBer 2/5), vom 3.11.1994 (LdTg-StenBer 2/7), vom 6.12.1994 (LdTg-StenBer 2/11), vom 9.3.1995 (LdTg-StenBer 2/16), vom 28.9.1995 (LdTg-StenBer 2/27), vom 13.12.1995 (LdTg-StenBer 2/32) und vom 8.2.1996 (LdTg-StenBer 2/35) Bezug genommen.

{RN:8}
Am 27.10.1994 fand ein Gespräch des Ministerpräsidenten mit der PDS-Fraktionsvorsitzenden statt.

{RN:9}
Wegen der Debattenbeiträge zu Gesetzesvorhaben wird auf die Stenographischen Berichte über die folgenden Landtagssitzungen Bezug genommen: vom 3.11.1994 und vom 15.12.1994 (LdTg-StenBer 2/7 und 2/10 [Finanzausgleich]), vom 9.2.1995 und vom 15.6.1995 (LdTg-StenBer 2/14 und 2/23 [Volksabstimmungsgesetz]).

{RN:10}
Auf dem Landesparteitag der PDS im Februar 1995 erklärte die PDS- Fraktionsvorsitzende Dr. Sitte, das Stimmverhalten sei in erster Linie sachbezogen, erst in zweiter Linie auch von den politischen Konsequenzen für die Stabilität des Regierungsbündnisses abhängig; mit der Sonderstellung der PDS im Landtag gehe die klassische Aufgabenteilung zwischen Regierung und Opposition nicht mehr auf; die oppositionelle PDS fühle sich dem heutigen Regierungsbündnis prinzipiell inhaltlich näher als dem anderen Oppositionsflügel.

{RN:11}
Am 9.5.1995 war der Ministerpräsident Gast bei der PDS-Fraktion.

{RN:12}
In einem Interview erklärte der Ministerpräsident („Neue Presse Hannover“ vom 20.6.1995), die Koalitionsfraktionen verfügten mit ihren 41 Abgeordneten über eine strategische Mehrheit und es sei immer gelungen, in Sachfragen auch eine sachliche Mehrheit zu finden; innerhalb der PDS-Fraktion lägen Zustimmung und Ablehnung dicht beieinander.

{RN:13}
2.-->Die Fraktionen der Antragstellerin und der PDS erhalten Zuschläge als „Oppositionsfraktionen“.

Art. 48 der Landesverfassung lautet:

(1) Die Fraktionen und die Mitglieder des Landtages, die die Landesregierung nicht stützen, bilden die parlamentarische Opposition.

(2) Die Oppositionsfraktionen haben das Recht auf Chancengleichheit in Parlament und Öffentlichkeit sowie Anspruch auf eine zur Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben erforderliche Ausstattung.

§ 3 Abs. 1 des Fraktionsgesetzes (vom 5.11.1992 - LSA-GVBl 768) lautet:

Fraktionen erhalten monatliche Zuschüsse, deren Höhe im Haushaltsplan festgelegt wird. Der Zuschuß setzt sich aus einem Grundbetrag für jede Fraktion, aus einem Betrag für jedes Mitglied und einem weiteren Zuschlag für jede Fraktion zusammen, die nicht die Regierung trägt (Oppositionszuschlag).

§ 47 Abs. 1 Satz 1 des Abgeordnetengesetzes (i. d. F. d. Bek. v. 21.7. 1994 [LSA-GVBl 908], geändert durch Gesetz vom 15.12.1994 [LSA-GVBl 1042]) hat den Wortlaut:

Die Fraktionen erhalten zur Durchführung ihrer Aufgaben Zuschüsse; Oppositionsfraktionen erhalten zusätzlich einen angemessenen Zuschlag.

{RN:14}
Das Begehren der Antragstellerin, der PDS keinen Oppositionszuschlag mehr zu zahlen, lehnte der Präsident des Antragsgegners im Benehmen mit dem Ältestenrat durch Schreiben vom 24.8.1995, auf das verwiesen wird, im wesentlichen mit der Begründung ab, der Oppositionsartikel der Verfassung müsse im Zusammenhang mit anderen Regelungen gesehen werden; die Landesverfassung gebe zwar einer Mehrheitsregierung den Vorzug, schließe aber die Minderheitsregierung nicht aus.

{RN:15}
Mit ihrem Entschließungsantrag vom 23.8.1995 (LdTgDrs. 2/1259) verlangte die Antragstellerin, der Landtag möge feststellen, daß die PDS-Landtagsfraktion keine Oppositionsfraktion i. S. des Art. 48 der Landesverfassung sei.
In der Beratung über diesen Antrag stellte die PDS-Fraktionsvorsitzende das „Magdeburger Projekt“ den Modellen absoluter Mehrheiten und großer Koalitionen in den anderen neuen Bundesländern als „dritte Regierungsform“ gegenüber, in welchem die Entscheidungsmacht nicht bei der Koalition liege, sondern der Ausgang der Abstimmung im Parlament oft genug offen sei, und warf der Antragstellerin „Schubladendenken der Machtpolitik“ vor. Sie hielt ferner Demokratie für einen Prozeß, betonte als allgemeines Politikprinzip, sach- und interessenbezogen im Sinn der Bürger(innen) zu entscheiden, und forderte die Antragstellerin auf, „Oppositionsgespräche“ mit der PDS zu führen, wenn denn die reine Lehre der Opposition durchgesetzt werden solle.
Der Landtag lehnte den Entschließungsantrag am 1.9.1995 mit Mehrheit ab. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Stenographischen Bericht über die Landtagssitzung vom 1.9.1995 (LdTg-StenBer 2/26) Bezug genommen.

{RN:16}
3.-->Die Antragstellerin hat am 15.2.1996 das Organstreitverfahren eingeleitet, als Streitgegenstand die „Aberkennung des Oppositionsstatus’ einer Fraktion“ benannt und als Antrag angekündigt, dem Antragsgegner aufzugeben, die PDS-Fraktion nicht mehr als Oppositionsfraktion zu behandeln sowie sie bei der Anwendung von Bestimmungen, welche an den Oppositionsstatus anknüpfen, nicht mehr zu berücksichtigen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 14.2.1996 und die dazu eingereichten Anlagen sowie auf die mit den späteren Schriftsätzen vom 4.11.1996 und vom 1.2.1997 überreichten weiteren Anlagen Bezug genommen.

{RN:17}
Die Antragstellerin macht geltend:
Die PDS-Fraktion sei dauerhaft als verläßliche „Stütze“ in das Regierungslager übergetreten. Damit sei die CDU-Fraktion die einzige parlamentarische Opposition, der nicht zugemutet werden könne, Befugnisse und Kompensationen, die allein der „Opposition“ zuständen, mit der PDS-Fraktion zu teilen.

{RN:18}
Der Antrag sei zulässig.
Die CDU-Fraktion sei in ihren eigenen Rechten aus Art. 48 LSA-Verf verletzt und in der Wirksamkeit ihres Oppositionshandelns unmittelbar gefährdet.
Bei der Enquête-Kommission „Schule mit Zukunft“ habe sie mit dem Anspruch, einzige Oppositionsfraktion zu sein, zwei Sachverständige benannt. Für einen nach dem zweiten zu bildenden neuen parlamentarischen Untersuchungsausschuß werde das Benennungsrecht für den Vorsitz und für dessen Vertretung davon abhängen, ob auch die PDS der Opposition zuzurechnen sei. Fraktionszuschüsse seien an den Oppositionsstatus geknüpft. Kämen sie einer Fraktion zugute, welche die Voraussetzungen nicht erfülle, so verstoße dies gegen das Willkürverbot und gegen die Chancengleichheit des Art. 48 LSA-Verf.
Der Antrag sei rechtzeitig eingegangen, weil der Antragsgegner das formell zur Entscheidung gestellte Begehren am 1.9.1995 abgelehnt habe. Es handele sich um keine bloße Verwaltungstätigkeit, für welche der Landtagspräsident zuständig sei.

{RN:19}
Der Antrag sei auch begründet.
Die PDS-Fraktion sei nicht (mehr) als „Opposition“ i. S. der Definition des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf anzusehen. Diese Voraussetzungen erfülle nur, wer nach seiner Grundeinstellung und seiner parlamentarischen Aktivität nicht zu den „stützenden“ Kräften gehöre. Was dieser Begriff meine, gehe deutlich aus den Materialien hervor. Im Verfassungsausschuß habe die Lehrmeinung von H.-P. Schneider eine prägende Bedeutung gehabt.
In kürzester Zeit sei die PDS-Fraktion vom passiven Dulden der Minderheitsregierung dazu übergegangen, die Politik der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen, welche sie zunehmend mehr schon im Vorfeld in ihre Entscheidungsprozesse einbezögen, zu unterstützen. Die Zusammenarbeit sei inzwischen so intensiv und verläßlich, daß der Ministerpräsident und die Fachminister sowie die Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen das Votum der PDS-Fraktion in der Regel bereits einholten, bevor im Kabinett oder im Koalitionsausschuß entschieden werde. Dies gelte namentlich für die Haushaltsberatungen. Über die Gegenleistungen für die Unterstützung verhandelten PDS sowie Koalition und Landesregierung in „Quasi-Koalitions-Gesprächen“ mit dem Ziel, für diese Legislaturperiode effektiv die Handlungsfähigkeit einer Mehrheitsregierung zu sichern.
Die PDS gehe nach ihren Beiträgen insbes. zum Entschließungsantrag nicht einmal selbst mehr davon aus, daß sie die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf erfülle. Dieser Eindruck habe sich bei den Haushaltsberatungen für 1996 sowie auf dem Landesparteitag der PDS am 27./28.1.1996 in Magdeburg verstärkt. Die Gegnerschaft reduziere sich auf die ominöse „Kraft der gesellschaftlichen Opposition“, welche die PDS selbst dann bleiben wolle, wenn sie förmlich in eine Koalition eingebunden wäre.
Die Oppositionsregelung sei vor dem Hintergrund parlamentarischer Demokratie zu verstehen. Wesentliches Prinzip sei, daß alle legislativen Akte einer ausreichenden parlamentarischen Mehrheit bedürften. Die Verfassung nehme eine Minderheitsregierung lediglich in Kauf, deren Erfolgschancen indessen dann davon abhingen, ob sie direkt und verläßlich auf die Gesetzgebung zugreifen könne. Wer der Regierung diese Hilfe oder überhaupt das von der Verfassung vorausgesetzte „Vertrauen“ gebe, könne nicht zugleich „Opposition“ sein. Der Regierung „vertraue“ auch, wer sie nur „toleriere“. Maßstab sei die Stimmabgabe. Beim Gesetzgebungsverfahren komme es nicht entscheidend auf das Verhalten während des Gesetzgebungsprozesses - auf eigene Vorlagen, Anträge - an, sondern darauf, ob die Regierungsvorlage schließlich die Zustimmung finde.

{RN:20}
Die Antragstellerin beantragt,
festzustellen, daß der Landtag von Sachsen-Anhalt das Recht der Antragstellerin auf zusätzliche Ausstattung auf ihren Oppositionszuschlag zu den Fraktionszuschüssen aus Art. 48 Abs. 2 der Landesverfassung und auf Chancengleichheit dadurch verletze, daß diese Ausstattung auch der Fraktion der PDS, die nicht Oppositionsfraktion sei, gewährt werde.

{RN:21}
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen,
und entgegnet:

{RN:22}
Der Antrag vom 14.2.1996 sei unzulässig, weil er ein Leistungsbegehren verfolge, während das Landesverfassungsgericht lediglich eine Feststellung treffen könne. Ein konkreter Verfassungsstreit könne nur den Anlaß des Verfahrens bilden, nicht dessen Gegenstand werden. Mit Rücksicht auf das Begehren, wie es zusätzlich in der Bezeichnung des Gegenstands zum Ausdruck komme, sei der Antrag auch nicht umdeutbar.
Für die allein möglichen Feststellungsanträge sei die Frist inzwischen abgelaufen.
Der Landtagspräsident habe es bereits am 24.8.1995 abgelehnt, Leistungen wegen des Oppositionsstatus' an die PDS-Fraktion einzustellen. Dies sei die Maßnahme i. S. des Art. 75 Abs. 1 LSA-Verf und des § 36 Abs. 1 LVerfG-LSA gewesen. Der Antrag sei auch dann verspätet erhoben, wenn von dem Datum 1.9.1995 ausgegangen werde, an dem der Entschließungsantrag abgelehnt worden sei. Die Frist könne nicht dadurch umgangen werden, daß auch spätere Zahlungen an die PDS berücksichtigt würden; Gegenstand sei nur die ursprüngliche Maßnahme, welche eine selbständige Beschwer enthalte. Bei den späteren Zahlungen handele es sich um reine Verwaltungsmaßnahmen, die nur im Streit mit dem Landtagspräsidenten angegriffen werden könnten.
Bei den Benennungsrechten fehle bereits die Antragsbefugnis, die sich ausschließlich aus Normen mit Rang unterhalb der Verfassung herleiteten. Soweit eine Verletzung der Chancengleichheit geltend gemacht werden solle, sei deren Gefährdung i. S. des § 36 Abs. 1 LSA-VerfGG ausgeschlossen: Daß die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses konkret bevorstehe, sei nicht ersichtlich. Für die Enquête-Kommission „Schule mit Zukunft“ sei der Antragstellerin eingeräumt worden, die von ihr vorgeschlagenen zwei Sachverständigen zu benennen. Angesichts des § 17 Abs. 3 Satz 4 GO-LdTg drohe ihr auch bei der Bildung der Enquête-Kommission „Zukunftsfähiges Sachsen-Anhalt“ keine Verletzung ihrer verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten.

{RN:23}
Der Antrag sei jedenfalls unbegründet.
Zu den Oppositionsfraktionen i. S. des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf gehörten unbezweifelbar diejenigen nicht, welche an der Regierung beteiligt seien. Für die Abgrenzung im einzelnen seien aber andere formale Kriterien wie die Wahl des Ministerpräsidenten - die geheim sei - oder eine „Vereinbarung“ - die vermieden werden könne - untauglich. Die Regelung des Oppositionsartikels lege nahe, auf das „Näheverhältnis“ zur Regierung abzustellen. Anzeichen für das „Stützen“ könnten sich daraus ergeben, in welchem Umfang die Fraktion in die Regierungspolitik eingebunden sei und zu den Politikressourcen Zugang habe. Weiter könne in Rechnung gestellt werden, inwieweit die Fraktion bereit sei, einen Machtwechsel herbeizuführen; dabei sei aber zu beachten, daß im Mehr-Fraktionen-Parlament diese Funktion komplexer erscheine als im klassischen Vorbild, denn die Parlamentspluralität führe auch zu einer Vielfalt der Machtstrategien. Typischerweise wollten sich Oppositionsgruppen im Parlament gerade auch den Eintritt in eine spätere Koalition offenhalten. Art. 48 Abs. 1 LVerfG-LSA verlange deshalb nicht notwendig den Sturz der Regierung um jeden Preis, sondern toleriere die ganze Breite oppositioneller Machtwechselstrategien, die sich unter den Sammelbegriffen „Kontrolle“, „Kritik“ und „Alternativenbildung“ zusammenfassen ließen.
Für die Beurteilung maßgeblich sei allein das tatsächliche Verhalten der Fraktion, nicht die politischen oder journalistischen Erklärungen zum Verhalten. Nach diesen Grundsätzen beurteilt, sei die PDS-Fraktion „Opposition“ geblieben.
Sie habe keinen Zugang zur Ministerialbürokratie und sei nicht in die interne Zusammenarbeit zwischen Regierungsfraktionen und Regierung einbezogen. Sie habe bei den Haushalten 1994-1996 bloß keine „Blockadepolitik“ betrieben, sondern versucht, ihre Politikfähigkeit durch einen konstruktiven Umgang mit den Regierungsfraktionen zu beweisen. Andererseits habe die PDS auch die Zusammenarbeit mit den Regierungsfraktionen verweigert, so im Zusammenhang mit der Änderung des Kommunalabgabengesetzes, und zum Teil zusammen mit der Antragstellerin der Regierung Vorschläge der Opposition aufgezwungen. Auch die Haushaltspläne der Regierung habe sie durch Änderungsanträge - zum Teil zusammen mit der Antragstellerin - modifiziert. Die PDS-Fraktion sei deshalb als konstruktiver politischer Gegner anzusehen. Daß die PDS im übrigen von den der Opposition bevorzugt angewandten Mitteln der parlamentarischen Kontrolle Gebrauch mache, zeigten ihre eigenen Gesetzentwürfe, ihr Antrags- und Abstimmungsverhalten sowie ihre Großen und Kleinen Anfragen.

{RN:24}
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 15.8.1996 beigefügten Anlagen verwiesen.

{RN:25}
Zur Ergänzung des Vortrags der Antragstellerin wird ferner auf den in der mündlichen Verhandlung vom 30.4.1997 überreichten Schriftwechsel zwischen dem Ministerpräsidenten und der CDU-Fraktion vom Oktober 1994 sowie auf die schriftliche Fixierung des Redebeitrags für diese Sitzung Bezug genommen.

{RN:26}
4.-->Die Landesregierung und die PDS-Fraktion hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

{RN:27}
Die Landesregierung hat sich nicht geäußert.

{RN:28}
Die PDS-Fraktion meint, der Antrag sei nicht zulässig.
Das Landesverfassungsgericht könne über den Antrag nicht entscheiden; es sei nicht ermächtigt, der PDS-Fraktion Oppositionsrechte abzuerkennen. Darauf ziele der Antrag; dessen ausdrückliche Intention sei politischer Natur. Er solle offenbar die Regierung Sachsen-Anhalts in „Schwierigkeiten“ bringen. Wegen dieser ausdrücklichen Zielrichtung könne er die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 LSA-VerfGG nicht erfüllen und auch nicht umgedeutet werden.
Im übrigen sei der Antrag jedenfalls nicht begründet.
§ 3 Abs. 1 Satz 1 des Fraktionsgesetzes gewähre den Zuschuß allen Fraktionen, welche die Regierung nicht „tragen“. Dies setze die aktive Teilnahme an der Regierung voraus. Aus der Verfassung folge nichts anderes. Der Begriff des „Stützens“ sei während der Beratungen im Verfassungsausschuß nicht präzisiert worden. Entscheidend sei das Bedürfnis gewesen, die Opposition überhaupt als Verfassungseinrichtung mit besonderen Rechten zu garantieren. Absicht sei aber nicht gewesen, die Opposition in deren Verhalten Regeln zu unterwerfen oder sie gar auf bestimmte Möglichkeiten einzuschränken. Das berühre anderenfalls die Oppositionsfreiheit. Die von der Antragstellerin vorgenommene Auslegung könne dazu führen, daß eine Fraktion, welche die Regierung nicht trage, gleichwohl nicht als Opposition behandelt werden dürfe.
Bei der Ministerpräsidentenwahl habe es den Mitgliedern der PDS-Fraktion freigestanden, für den Kandidaten Dr. Höppner zu stimmen. Es habe keinen Beschluß der Fraktion gegeben. Die Fraktion habe auch nicht etwa von Anfang an Gesetzesentwürfe mitgetragen. Bei den Haushaltsentwürfen habe sich die PDS an den Regierungsvorlagen gleichfalls nicht beteiligt. Die Regierung habe im übrigen allen Fraktionen eine umfassende Information in Aussicht gestellt. Erst nach der ersten Lesung habe es Verhandlungen gegeben, und zwar über die Änderungsanträge der PDS. Die Zustimmung habe darauf beruht, daß der Haushaltsausschuß wesentliche Anliegen übernommen habe.
Bei allen Abstimmungen hätten sich unterschiedliche Ergebnisse gezeigt. In der 14. Sitzung des Ältestenrats habe der Präsident des Antragsgegners bestätigt, daß bei der PDS-Fraktion ein uneinheitliches Abstimmungsverhalten zu beobachten sei. Äußerungen von Politikern oder einzelnen Abgeordneten der PDS seien für die Fraktion nicht bindend.

{RN:29}
5.-->Während dieses Verfahrens wurden der Nachtragshaushalt 1996 und der Haushalt 1997 mit Mehrheit verabschiedet. Wegen der Einzelheiten der Haushaltsdebatten wird auf die Stenographischen Berichte über die Landtagssitzungen vom 19.9.1996 (LdTg-StenBer. 2/44), vom 17.10.1996 (LdTg-StenBer. 2/46) und vom 12.12.1996 (LdTg-StenBer. 2/52), wegen der Einzelheiten der Debatten über weitere Gesetzesvorhaben auf die Stenographischen Berichte über die Landtagssitzungen vom 19.1.1995, vom 28.3. 1996 und vom 25.4.1996 (LdTg-StenBer. 2/12, 2/38 und 2/39 [Änderung des Kommunalabgabengesetzes]), vom 8.2.1996 und vom 30.5.1996 (LdTg-StenBer. 2/35 und 2/40 [Änderung des Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit]) sowie wiederum vom 30.5.1996 (LdTg-StenBer. 2/40 [Änderung des Kindertageseinrichtungengesetzes]) Bezug genommen. Schließlich wird auf die Stenographischen Berichte über die folgenden Sitzungen verwiesen: vom 8.3.1996 (LdTg-StenBer 2/37 [Regierungserklärung zur aktuellen wirtschaftlichen Lage]), vom 21.6.1996 (LdTg-StenBer 2/43 [Antworten auf Anfragen]), vom 14.11.1996 (LdTg-StenBer 2/49 [Mißbilligung der Regierung]) und vom 22.11.1996 sowie vom 26.11.1996 (LdTg-StenBer 2/50, 2/51 [beide zum „konstruktiven Mißtrauensvotum“]).

{RN:30}Gegen die Stimmen der PDS-Fraktion und mit den Stimmen der CDU-Fraktion verabschiedete der Landtag am 25.4.1996 das Gesetz über die Änderung des Kommunalabgabengesetzes. Die Änderung des Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit fand eine Mehrheit bei einer erheblichen Zahl von Gegenstimmen; zuvor hatte ein Änderungsantrag der CDU-Fraktion in namentlicher Abstimmung bei einer Enthaltung gegen die Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der PDS keinen Erfolg.

{RN:31}Gegen die Stimmen der Koalitionsfraktionen mißbilligte der Landtag am 14.11.1996 auf Antrag der CDU-Fraktion mangelndes Engagement der Landesregierung im Fall „SKET“ sowie eine „permanente Ignorierung“ der Landtagsentschließung vom 14.12.1995 (LdTgDrs 2/33/1682B, Punkt 2).

{RN:32}Der Antrag der CDU-Fraktion vom 18.11.1996 (LdTgDrs 2/2881), dem Ministerpräsidenten dadurch das Mißtrauen auszusprechen, daß er den Abgeordneten Dr. Bergner zum Ministerpräsidenten wählt, fand am 26.11. 1996 keine Mehrheit.

{RN:33}
6.-->Das Landesverfassungsgericht hat Beweis darüber erhoben (Beschluß vom 6.2.1997),

1. ob Absprachen zwischen der Regierung und / oder den Regierungsfraktionen mit der PDS-Fraktion bestehen, wonach die PDS-Fraktion ihre Bereitschaft zugesichert hat, dem Haushalt und den von den Koalitionsfraktionen verabredeten Gesetzesvorhaben zur erforderlichen parlamentarischen Mehrheit zu verhelfen,
2. gegebenenfalls:
wann, wo und zwischen welchen Personen eine solche Vereinbarung getroffen worden ist,
durch Vernehmung des Ministerpräsidenten Dr. Reinhard Höppner sowie der Fraktionsvorsitzenden der SPD, Dr. Rüdiger Fikentscher, der PDS, Dr. Petra Sitte, und von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, Hans-Jochen Tschiche, als Zeugen.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 25.4.1997 Bezug genommen.

{RN:34}
Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

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Entscheidungsgründe

{RN:35}
Der Antrag ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

{RN:36}
1.--> Das Landesverfassungsgericht ist zur Entscheidung über den Gegenstand befugt (1.1.). Der Antrag ist als sog. „Organklage“ statthaft (1.2.). Die Antragstellerin macht eine denkbare Verletzung ihrer (Verfassungs-) Rechte geltend (1.3.). Gegenstand ist ein fristgerechtes Feststellungsbegehren (1.4.), das eine Maßnahme des Antragsgegners zum Anlaß hat (1.5.). Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind erfüllt (1.6.).

{RN:37}
1.1.-->Die Befugnis des Landesverfassungsgerichts, über das Begehren der Antragstellerin zu entscheiden, folgt aus der Verfassung selbst. Ohne Bedeutung ist, aus welchem Motiv die Antragstellerin den Streit vor das Verfassungsgericht bringt. Daß die Entscheidung des Gerichts Auswirkungen auf das politische Geschehen hat, reicht angesichts der Rechtsschutzgarantie nicht aus, den Streit als einen „rein politischen“ unentschieden zu lassen.

{RN:38}
1.2.-->Es handelt sich um einen „Organstreit“ i. S. des Art. 75 Nr. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt - LSA-Verf - vom 16.7.1992 (LSA-GVBl 600) und § 2 Nr. 2 des Gesetzes über das Landesverfassungsgericht - LSA-VerfGG - vom 23.8.1993 (LSA-GVBl, S. 441), geändert durch Gesetze vom 14.6.1994 (LSA-GVBl, S. 700) und vom 22.10.1996 (LSA-GVBl 332), an welchem der Antragsgegner nach § 35 Nr. 1 LSA-VerfGG und die Antragstellerin nach § 35 Nr. 3 LSA-VerfGG als „Fraktion“, ein von der Verfassung selbst (vgl. Art. 47 LSA-Verf) mit eigenen Rechten ausgestatteter Teil des Landtags, i. S. des § 2 Nr. 2 LSA-VerfGG „beteiligt“ sein können. Die Regelungen des einfachen Gesetzes halten sich im Rahmen des Art. 75 Nr. 1 LSA-Verf.

{RN:39}
Soweit Art. 75 Nr. 1 LSA-Verf und §§ 2 Nr. 2; 36 Abs. 1 LSA-VerfGG auf verfassungsrechtliche „Zuständigkeiten“ und nicht auf Verfassungs„Rechte“ abstellen, ist bereits geklärt (LVfG-LSA, Urt. v. 22.2.1996 - LVG 8/95 -, LVerfGE 3, 261 [269]), daß daraus keine Einschränkung gegenüber den Regelungen über die Organklage im Bundesrecht hergeleitet werden kann (vgl. dazu etwa: BVerfG, Beschl. v. 3.11.1982 - 2 BvH 3/80 -, BVerfGE 62, 194 [201], m. w. Nachw.; Urt. v. 18.12.1984 - 2 BvE 13/83 -, BVerfGE 68, 1 [65]; Urt. v. 14.1.1986 - 2 BvE 14/83, 4/84 -, BVerfGE 70, 324 [350]; Urt. v. 16.7.1991 - 2 BvE 1/91 -, BVerfGE 84, 304 [318]; Beschl. v. 10.3.1992 - 2 BvH 3/90 -, BVerfGE 85, 353 [358]; Beschl. v. 22.12.1992 - 2 BvQ 14/91, 2 BvH 6/91 -, BVerfGE 88, 63 [67 f]; Urt. v. 12.7.1994 - 2 BvE 3/92, 5,7,8/93 -, BVerfGE 90, 286 [342 ff]).

{RN:40}
1.3.-->Die Antragstellerin kann durch eine gegenwärtige Maßnahme in der ihr durch Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf oder durch den allgemeinen Gleichheitssatz garantierten „Chancengleichheit“ betroffen sein. Daß eine solche Rechtsverletzung nur möglich erscheint, reicht für die Zulässigkeit des Antrags aus.

{RN:41}
Auch soweit die Antragstellerin neben dem Anspruch auf „Oppositionsausstattung“ oder „Chancengleichheit“ der Verfassung (Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf) einfache Landesgesetze (§ 3 Abs. 1 Satz 2 des Fraktionsgesetzes - LSA-FraktG - vom 5.11.1992 [LSA-GVBl 768]; vgl. auch § 47 Abs. 1 des Abgeordnetengesetzes Sachsen-Anhalt - LSA-AbgG - i. d. F. d. Bek. v. 21.7.1994 [LSA-GVBl 908], geändert durch Gesetz vom 15.12. 1994 [LSA-GVBl 1042]) zitiert, beruft sie sich letztlich auf Verfassungsrecht i. S. des Art. 75 Nr. 1 LSA-Verf und § 36 Abs. 1 LSA-VerfGG; denn die Gewährung dieser Leistung und damit die Anwendung der einfach-gesetzlichen Bestimmungen ist von der Vorgabe des Art. 48 LSA-Verf abhängig.

{RN:42}
Allerdings können eigene Rechte der Antragstellerin nicht verletzt sein, soweit es um den durch § 3 Abs. 1 Satz 2 LSA-FraktG näher bestimmten „Ausstattungsanspruch“ aus Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf geht; denn diese Leistungen erhält sie, weil der Anspruch nur voraussetzt, daß die Antragstellerin selbst „Oppositionsfraktion“ ist. Die ihr dann zustehende Leistung wird in ihrer Höhe nicht dadurch geschmälert, daß auch eine andere Fraktion diese Förderung erhält; denn § 3 Abs. 1 Satz 2 LSA-FraktG bestimmt die Höhe nach objektiven Kriterien für jeden Fall gesondert und verteilt nicht etwa einen festen Ausgangsbetrag unter „Konkurrenten“. Ein „Abwehrrecht“ folgt aus Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf, 2. Variante, nicht; denn an dem Rechtsverhältnis einer anderen Fraktion mit dem Antragsgegner ist die Antragstellerin nicht unmittelbar beteiligt.
Es mag auch zweifelhaft erscheinen, ob sich eine Fraktion, die selbst den ihr nach Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf, 2. Variante, zustehenden Anspruch voll durchsetzen kann, die Leistung an eine andere Fraktion unter Hinweis auf die ausdrücklich und besonders in Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf, 1. Variante, geregelte „Chancengleichheit“ abwehren kann. Immerhin zieht Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf dem Wortlaut nach („sowie“) zwei getrennte Folgerungen aus dem nach Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf zu beurteilenden „Oppositionsstatus“: einerseits das Recht auf Chancengleichheit „in Parlament und Öffentlichkeit“ sowie andererseits eine Förderung der Fraktion, und beide sollen die Arbeitsfähigkeit der „Oppositionsfraktion“ erhöhen. Gedachter „Gegner“ ist hierbei aber „die Regierung“, nicht notwendig eine andere Fraktion. Da Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf begrifflich die Zugehörigkeit zur „Opposition“ voraussetzt, ist leichter denkbar, „Chancengleichheit im Parlament“ innerhalb mehrerer „Oppositionsfraktionen“ zu begründen, als anzunehmen, mit dieser Verfassungsbestimmung solle auch die Feststellung durchgesetzt werden, eine andere Fraktion gehöre gar nicht zur „Opposition“. Um einer (konkurrierenden) Fraktion die besonderen „Oppositions“-Rechte aus Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf zu bestreiten, müßte dann wohl ergänzend mitgedacht werden, daß durch die „Ausstattung“ auch Vorteile ausgeglichen werden sollen, welche „Regierungsfraktionen“ dadurch haben, daß ihnen das Wirken der Regierungsmitglieder insbesondere bei der Öffentlichkeitsarbeit zugute kommt, weil die Regierung und der sie tragende Teil des Parlaments faktisch als Einheit erscheinen (vgl. zu dieser Fragestellung etwa: BVerfG, Urt. v. 14.1.1959 - 2 BvE 2,3/58 -, BVerfGE 10, 4 [16] bei „Redezeit“; Urt. v. 2.3.1977 - 2 BvE 1/76 -, BVerfGE 44, 125 [150] zur „Öffentlichkeitsarbeit“ der Regierung, welche den Mehrheitsparteien zu Hilfe kommt; vgl. zur Rechtfertigung von verfassungsrechtlichen „Oppositionsartikeln“ mit diesem Gegensatz zwischen Regierung und Opposition immerhin gerade auch: Hans-Peter Schneider, Die parlamentarische Opposition im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 1974 - im folgenden: „Opposition“ -, S. 67, 70 ff, 76, 88, m. w. Nachw.).

{RN:43}
Dies kann indessen offenbleiben; denn jedenfalls müßte es als „ungleiche“ Behandlung gelten, wenn eine die Regierung „stützende“ Fraktion faktisch dieselbe Ausstattung erhielte, die gerade nur einer „Oppositionsfraktion“ zustehen soll. Die besonderen Rechte aus Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf würden dadurch in einer von der Verfassung nicht gewollten Art und Weise entwertet. Dies wird am deutlichsten, wenn eine Fraktion, aus deren Reihen der Ministerpräsident gewählt worden ist, zugleich die Förderung nach Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf erhielte. Gerade wenn die besonderen Zuschüsse aus Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf, 2. Variante, einen „Chancenausgleich“ bewirken sollen, liegt es nahe, diesen Teil der „Oppositionsrechte“ nur als besonderen Fall der im übrigen durch Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf, 1. Variante, garantierten (allgemeinen) Chancengleichheit anzusehen.

{RN:44}
Legte man Art. 48 Abs. 2 LVerfG nicht dergestalt im Zusammenhang und damit den Begriff „Chancengleichheit im Parlament“ erweiternd aus, dann wäre ein Rückgriff auf den allgemeinen Gleichheitsheitssatz unausweichlich, wie er insbes. in den Art. 7, 8, 42 LSA-Verf seinen Ausdruck gefunden hat (so bereits LVfG-LSA, Urt. v. 27.10.1994 - LVG 14,17,19/94 - LVerfGE 2, 345 [358]; Urt. v. 27.10.1994 - LVG 18/94 -, LVerfGE 2, 378 [388]; Urt. v. 22.2.1996 - LVG 8/95 -, LVerfGE 3, 261 [270]).

{RN:45}
Als besondere Förderungsmaßnahme um der Anerkennung der „Opposition“ im parlamentarischen System willen bedarf der Zuschuß gerade auch im Verhältnis zu den anderen Fraktionen der Rechtfertigung; denn deren eigene Rechte auf Gleichbehandlung setzen voraus, daß gleiche Leistungen nur unter gleichen Voraussetzungen gewährt werden und Ungleichbehandlungen auf der verfassungsrechtlich anerkannten Sondersituation beruhen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat einer Gruppe im Deutschen Bundestag das eigene Recht zuerkannt, die Ausstattung anderer Teile des Parlaments mit besonderen Haushaltsmitteln auf die Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz prüfen zu lassen (BVerfGE 84, 304 [319]; vgl. auch: BVerfG, Urt. v. 9.4.1992 - 2 BvE 2/89 -, BVerfGE 85, 264 [297]: zur Chancengleichheit der einzelnen Partei bei der Parteienfinanzierung sowie zu deren „Wettbewerbslage“).

{RN:46}
1.4.-->Gegenstand des Verfahrens ist ausschließlich ein Feststellungsbegehren, das auch fristgerecht geltend gemacht worden ist.

{RN:47}
Maßgeblich ist das „Begehren“, nicht die Formulierung des nur angekündigten Antrags. Das ergibt sich aus dem über § 33 Abs. 2 LSA-VerfGG entsprechend anwendbaren § 88 VwGO. Erst in der mündlichen Verhandlung hat das Gericht auf sachdienliche „Anträge" hinzuwirken (§ 86 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 33 Abs. 2 LSA-VerfGG). Der Rückgriff auf die Verwaltungsgerichtsordnung ist nicht ausgeschlossen; denn für den „Antrag“ enthält das Landesverfassungsgerichtsgesetz keine eigenständige Regelung. Soweit §§ 16 Abs. 1, 2; 21 Abs. 1; 36 LSA-VerfGG den Begriff „Antrag“ verwenden, meinen sie den Rechtsbehelf, der vor dem Verfassungsgericht ergriffen werden kann, aber nicht die mit demselben Wort gekennzeichnete konkrete Umschreibung des prozessualen Anspruchs innerhalb der Antragsschrift.

{RN:48}
Die beiden angekündigten „Anträge“ i. S. der §§ 82 Abs. 1 Satz 2; 86 Abs. 3 VwGO (i. V. m. § 33 Abs. 2 LSA-VerfGG) und der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag umschreiben dasselbe „Begehren“ (i. S. des entsprechend heranzuziehenden § 88 VwGO).

{RN:49}
Maßgeblich für die Auslegung ist das im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel (Kopp, VwGO, 10. Aufl., § 88 RdNr. 3; Redeker / von Oertzen, VwGO, 11. Aufl., § 88 RdNr. 1; BVerwG, Urt. v. 22.5.1980 - BVerwG 2 C 30.78 -, BVerwGE 60, 144 [149], m. w. Nachw.; BVerfG, Beschl. v. 29.10.1975 - BVerfGE 40, 272 [275], zur Auslegung des Revisionsbegehrens unter Beachtung des Art. 19 Abs. 4 GG; vgl. auch Schmid in Sodan / Ziekow, VwGO, § 88 RdNr. 7).

{RN:50}
Schon dem Gesamtinhalt der Antragsschrift ist zu entnehmen, daß es der Antragstellerin um die Wahrung eigener Rechte ging und daß sie vor allem den Grundsatz der Chancengleichheit als verletzt angesehen hat.
Zwar hat der Antragsgegner zu Recht darauf hingewiesen, daß es dem Landesverfassungsgericht nicht zukommen kann, ein „Leistungsurteil“ zu erlassen. Dabei kann offenbleiben, ob dies bereits die Stellung der Verfassungsgerichte in der gewaltenteilenden Demokratie oder die besonderen verfassungsrechtlichen Bestimmungen über den Organstreit in Sachsen-Anhalt verbieten; denn jedenfalls beschränkt § 38 Satz 1 LSA-VerfGG das insoweit auch an einfaches Recht gebundene Landesverfassungsgericht auf den bloßen Feststellungsausspruch. Die Antragsschrift und das übrige Prozeßverhalten lassen aber nicht die Auslegung zu, die Antragstellerin habe gleichwohl über diese Vorschrift hinaus (nur oder doch „in erster Linie“) eine Leistung verlangt.

{RN:51}
Da auf das „Begehren“ i. S. des § 88 VwGO abzustellen ist, handelt es sich bei dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag um keinen „anderen“ Gegenstand als den von Anfang an geltend gemachten.
Damit erledigt sich der Gedanke, ob eine Antragsänderung entsprechend § 91 Abs. 1 VwGO (i. V. m. § 33 Abs. 3 LSA-VerfGG) anzunehmen ist oder ob die Antragstellerin ihr Begehren (teilweise) zurückgenommen hat (§ 92 VwGO i. V. m. § 33 Abs. 2 LSA-VerfGG).

{RN:52}
Das Begehren ist schließlich auch fristgerecht geltend gemacht worden; denn für diese Beurteilung kommt es nicht auf den in der mündlichen Verhandlung gestellten oder den zuvor mit Schriftsatz vom 22.10.1996 angekündigten Antrag an, sondern auf die das Begehren bereits beschreibende Antragsschrift vom 14.2.1996.

{RN:53}
Sie hat die Sechs-Monats-Frist des § 36 Abs. 3 LSA-VerfGG auch dann gewahrt, wenn als die entscheidende „Maßnahme“ i. S. des § 36 LSA-VerfGG bereits die Ablehnungsentscheidung des Landtagspräsidenten vom 24.8.1995 angesehen wird. Dies ist das Ereignis, das die Frist zum erstmöglichen Zeitpunkt in Lauf gesetzt haben kann.

{RN:54}
1.5.-->Die in § 36 Abs. 1 LSA-VerfGG vorausgesetzte „Maßnahme“ ist vom Antragsgegner zu verantworten und nicht gesondert allein dem Präsidenten des Landtags als dem Leiter der „Landtagsverwaltung“ eigenständig zuzurechnen.
Die Aufgabe einer „Auszahlungsstelle“ für Fraktions- und Oppositionszuschüsse kommt dem Landtagspräsidenten zwar nach Art. 49 Abs. 3 LSA-Verf im Rahmen der „Verwaltung“ zu; sie betrifft aber die rein abgeleitete Anwendung einfachen Gesetzesrechts. Wie sich aus den übrigen Bestimmungen der Verfassung über die Aufgaben des Präsidenten ergibt (vgl. etwa Art. 44 Abs. 2; 45; 49 Abs. 2; 52 Abs. 2; 55; 56 Abs. 5 LSA-Verf), kommen dem Präsidenten in erster Linie das Hausrecht sowie die Ordnungsbefugnis als Bestandteile der Sitzungsleitung im Verhältnis zu den Abgeordneten, zur Landesregierung und zu außenstehenden Personen zu. Soweit es sich nicht um reine Verwaltungsaufgaben oder um das Außenvertretungsrecht für den Landtag handelt, kann dieser durch die in Art. 46 Abs. 1 LSA-Verf vorbehaltene Geschäftsordnung Regelungen treffen (vgl. insoweit auch Art. 49 Abs. 2 Satz 1 LSA-Verf).

{RN:55}
Dieser Ansatz wird durch die konkrete „Geschäftsordnung des Landtages von Sachsen-Anhalt“ vom 21.7.1994 - GO-LdTg -, i. d. F. der Änderung vom 29.9.1994, zuletzt geändert am 4.5.1995 (LdTg-StenBer 2/20, TOP 6, S. 1336), bestätigt; § 5 Abs. 3 Satz 2 GO-LdTg verlangt bei „Verwaltungsangelegenheiten von erheblicher Bedeutung“ die Beteiligung des Ältestenrats an der Entscheidungsfindung. So ist auch im hier anhängigen Fall verfahren worden.

{RN:56}
Gerade weil das Verfahrensrecht durch den Landtag beeinflußt werden kann, darf auch nicht als ausgeschlossen angesehen werden, daß sich der Landtag im Plenum mit einer wichtigen Frage befaßt und dadurch den Kern des Streits zur Entscheidung „an sich zieht“. Im Vorfeld dieses Verfassungsstreits hat der Landtag deshalb auch nicht auf die Entscheidung des Präsidenten und damit auf dessen Allein-Zuständigkeit verwiesen, sondern „in der Sache entschieden“.

{RN:57}
Wenigstens wegen dieser Besonderheit ist jedenfalls auch seine Regelung Gegenstand des Streits geworden. Da die Frage der reinen Auszahlung wesentlich davon abhing, wie der „Oppositionsbegriff“ ausgelegt wurde und weil der Antragsgegner hierzu entschieden hat, stellt sich der Vorgang als Fortsetzung eines zunächst bei der Landtags-„Verwaltung“ begonnenen Verfahrens dar.

{RN:58}
1.6.-->Die Antragsschrift erfüllt die formellen Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 LSA-VerfGG und wahrt die allgemeinen Anforderungen des § 19 LSA-VerfGG.

{RN:59}
Die Bezeichnung des Art. 48 LSA-Verf als verletzte Verfassungsnorm reicht auch dann aus, wenn tatsächlich nicht diese, sondern nur der allgemeine Gleichheitssatz verletzt sein sollte; denn § 36 Abs. 2 LSA-VerfGG verlangt nur die Bezeichnung der „Vorschrift, die verletzt sein soll“, und läßt damit ausreichen, daß die Anwendung dieser Bestimmung überhaupt in Erwägung zu ziehen ist (vgl. i. ü. zu den Anforderungen, das verletzte Recht zu bezeichnen: LVfG-LSA, LVerfGE 2, 345 [361]).


{RN:60}
2.-->Am Maßstab der vorzunehmenden Auslegung des „Oppositionsartikels“ (2.1.) ist die PDS-Fraktion „Oppositionsfraktion“ i. S. des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf geworden und hat diesen Status nicht verloren (2.2.).

{RN:61}
2.1.-->Die Inhalte der in Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf verwendeten Begriffe des „Stützens“ (Hilfsbegriff) oder der „Opposition“ (Hauptbegriff) lassen sich nicht bereits eindeutig nach dem Wortlaut (2.1.1.) oder auf der Grundlage einer einhelligen oder wenigstens überwiegenden Lehrmeinung oder Rechtsprechung (2.1.2.) bestimmen, stehen aber auch nicht schon aufgrund des Sinnzusammenhangs mit anderen Verfassungsregelungen (2.1.3.) oder nach der Entstehungsgeschichte (2.1.4.) eindeutig fest, sondern müssen aus objektiven Kriterien gewonnen werden und dabei ein Mindestmaß an Anwendungssicherheit des Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf erlauben (2.1.5.).

{RN:62}
2.1.1.-->Der Wortsinn des Hauptbegriffs „Opposition“ im Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf liegt nicht schon durch den Inhalt der verwendeten Hilfsbegriffe fest; denn es kommt dafür wesentlich auf den Begriffsinhalt des Wortes „stützen“ an, dessen Sinn nicht eindeutig ist.

{RN:63}
Der Verfassungstext selbst definiert den Hilfsbegriff nicht. Der Landtag, der als Verfassungsgeber die „Opposition“ mit „die Regierung nicht ,stützen’“ umschrieben hat, benutzt als einfacher Gesetzgeber für die Regelung des Oppositionszuschusses das Wort „tragen“ (§ 3 Abs. 1 LSA-FraktG). Auch wenn der Vorrang der Verfassung vor dem einfachen Gesetz zu beachten ist, hat der Gesetzgeber offenbar beide Begriffe für inhaltsgleich gehalten.

{RN:64}
Davon ist im Ergebnis auch auszugehen, wenn der allgemeine Wortsinn der beiden Verben ermittelt wird.
Allerdings haben die aus diesen abgeleiteten Substantive im fachspezifischen Sprachgebrauch unterschiedliche Bedeutungen:
„Träger“ meint vor allem in der Bautechnik, der Physik und Chemie sowie im Nachrichtenwesen (vgl. dazu: Brockhaus-Enzyklopädie, 19. Aufl., 22. Bd., S. 295 f) Teile oder Stoffe zur Aufnahme von Streckenlasten oder (anderen) Stoffen oder Nachrichten, aber auch (physikalisch / chemisch:) ein Gerüst für Wirkstoffe; „Stütze“ ist als bautechnischer Begriff davon abweichend definiert als Bauteil, der Belastung von oben nach unten weiterleitet (Brockhaus-Enzyklopädie, 19. Aufl., 21. Bd., S. 386).
Diese besonderen Bedeutungsinhalte geben allerdings für die verfassungsrechtliche Auslegung keine Hilfe.

{RN:65}
Nach Grimm (J. und W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, dtv-Ausgabe, Bd. 21, Sp. 1047 ff) geht das heutige Verb „tragen“ auch auf die Bedeutung „halten“ zurück (a. a. O., Sp. 1047, 1051, 1065 ff) und kann sogar im Sinne von „stützen“ verwendet werden (a. a. O., Sp. 1078 f). Ein „Träger“ kann deshalb nicht nur ein „Baustein“, sondern gerade auch eine Person sein, die etwas „hält“ (a. a. O., Sp. 1119). Das Verb „stützen“ meint, etwas oder jemanden von außen oder unten her zu „unter-stützen“, was gleichgesetzt ist mit „tragen“, „halten“, „unterstützen“ (Grimm, a. a. O., Bd. 20, Sp. 773). Beim Begriff „stützenlos“ (a. a. O., Sp. 782) ist ausdrücklich als Beispiel angegeben: „die landtägliche regierung“.

{RN:66}
Diesem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht, daß auch die lexikalischen Definitionen für „Opposition“ durchaus gleichwertig den Hilfsbegriff „tragen“ anstelle von „stützen“ verwenden, sofern diese Elemente als für die Begriffsbestimmung überhaupt bedeutsam angesehen worden sind.

{RN:67}
Nach Grimm (a. a. O., Bd. 13, Sp. 1313, 1314) ist „Opposition“ allerdings nur die „gegen die herrschende Partei im Staate oder in der Kirche sich geltend machende Richtung, eine widersetzliche Partei“. Nach Brockhaus (Enzyklopädie, 19. Aufl., 16. Bd, S. 219) handelt es sich um den Teil des Parlaments, der den die Regierung „tragenden“ Abgeordneten entgegensteht.

{RN:68}
Andere stellen lediglich auf die „Beteiligung“ an der Regierung ab (so Duden-Bedeutungswörterbuch und -Herkunftswörterbuch; Köbler, Etymologisches Rechtswörterbuch, S. 294; Köbler / Pohl, Deutsch-Deutsches Rechtswörterbuch, S. 363; Köst, Juristisches Wörterbuch, 6. Aufl., S. 343). Creifelds (Rechtswörterbuch, 13. Aufl., S. 897), der in erster Linie gleichfalls die Beteiligung an der Regierung in den Vordergrund stellt, rechnet indessen auch solche Gruppen nicht zur „Opposition“, welche die Regierung „stützen“ oder „tolerieren“.

{RN:69}
Der Wortsinn des Hilfsbegriffs „stützen“ legt zwar eine Gleichsetzung mit „halten“ oder „unterstützen“ nahe, läßt damit aber einmal offen, ob das Weiterregieren (i. S. von an der Macht „halten“) gewollt sein muß oder der bloße Erfolg ausreicht, und bleibt zum zweiten offen sowohl für eine Auslegung, die aus mehreren Einzelfällen ein Gesamturteil bildet, als auch für eine weite Handhabung, die jeden Einzelfall punktuell untersucht. Bei einer solch weiten Auslegung müßte für jede Wahl oder Abstimmung im Landtag - u. U. sogar für mehrere Ereignisse desselben Tages - unterschiedlich beantwortet werden, welche Fraktion im Einzelfall „gestützt“ hat.

{RN:70}
Daß eine solche Betrachtung der „Oppositionsregelung“ nicht gerecht werden kann, ist angesichts der Folgerungen offenkundig, die Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf daraus zieht. Könnten die Fragen der Chancengleichheit noch punktuell beantwortet werden, so ist jedenfalls der außerdem gewährte „Oppositionsbonus“ auf gewisse Dauer angelegt. Auch wenn die Rechtsfolgenelemente des Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf nicht herangezogen werden können, um den Inhalt des Tatbestandsbegriffs zu bestimmen, beeinflussen sie doch die Auslegung deshalb, weil die Folgen einen Rückschluß auf den Zweck der Regelung erlauben; die Leistungen sollen nicht „punktuell“ für eine jeweilige Tätigkeit, sondern „berechenbar“ einer Fraktion wegen ihrer Gesamterscheinung („Opposition als Institution“) gewährt werden.

{RN:71}
Die zum Hauptbegriff der „Opposition“ gegebenen Definitionen beantworten die beiden aufgeworfenen Fragen (auch subjektives Element einerseits, enge oder weite Auslegung andererseits) gleichfalls nicht eindeutig:
Soweit sie an die Frage der Regierungsbeteiligung anknüpfen, verwenden sie bereits einen anderen Hilfsbegriff, der enger erscheint, als der im spezifisch sachsen-anhaltischen Verfassungstext verwendete; soweit auch Tolerieren für ausreichend gehalten wird, ist der eingeführte Hilfsbegriff eher weiter als „Stützen“.

{RN:72}
2.1.2.-->Eine eindeutige Inhaltsbestimmung des Hilfs- oder des Hauptbegriffs haben auch Rechtsprechung und verfassungsrechtliche Literatur nicht vorgenommen.

{RN:73}
Da die Bundesverfassung keine Regelung über die „Opposition“ kennt, liegt keine präzisierende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor; zum Hauptbegriff ist lediglich entschieden: Bildung und Ausübung von „Opposition“ sei ein wesentliches Konstruktionsmerkmal parlamentarischer Demokratie (BVerfG, Urt. v. 23.10.1952 - 1 BvB 1/51 -, BVerfGE 2, 1 [13], dann st. Rspr.; vgl. etwa noch: BVerfGE 70, 324 [363]); es sei die Aufgabe der „Opposition“, ja geradezu ihre Pflicht, ihre politischen und verfassungsrechtlichen Bedenken geltend zu machen (BVerfG, Urt. v. 7.3.1953 - 2 BvE 4/52 -, BVerfGE 2, 143 [171]). Die für Sachsen-Anhalt durch Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf positiv entschiedene Frage, ob sich die „Opposition“ gegenüber der Regierung auf Chancengleichheit berufen könne, ist für die Bundesverfassung offen geblieben (BVerfGE 10, 4 [16]). Nicht zur Begriffsbestimmung der „Opposition“, sondern im Rahmen seiner Rechtsprechung zur Bedeutung der Parteien hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, diese stellten die Verbindung zwischen Volk und politischer Führung her und hielten sie aufrecht, soweit sie die Regierung „stützten“, und bildeten „als Parteien der Minderheit“ die politische Opposition (BVerfG, Urt. v. 19.7.1966 - 2 BvF 1/65 -, BVerfGE 20, 56 [101]; Beschl. v. 9.2.1982 - 2 BvK 1/81 -, BVerfGE 60, 53 [66 f]). Das Begriffsmerkmal „stützen“ ist nicht näher erläutert.

{RN:74}
Für die Bundesländer Berlin und Brandenburg, deren Verfassungsrecht die „Opposition“ nicht definiert, sondern sie und ihr Recht auf Chancengleichheit lediglich anerkennt, liegt noch keine einschlägige Rechtsprechung zum „Oppositions begriff“ vor (vgl.: VfGH Berlin, Beschl. v. 22.11. 1993 - VerfGH 18/92 -, LVerfGE 1, 160 [167]; Urt. v. 28.7.1994 - VerfGH 47/92 -, LVerfGE 2, 43 [56]; VfG Brandenburg, Urt. v. 10.11.1994 - VfGBbg 4/94 -, LVerfGE 2, 201 [210]).

{RN:75}
Die staatsrechtliche Literatur hat sich - ausgehend vom Vorbild in England (Lord Bolingbroke, spirit of patriotism, 1736) - bei ihrer Auseinandersetzung vorwiegend von einem Bild leiten lassen, in welchem eine Mehrheitsfraktion „die Regierung stellt“ und eine Minderheitsfraktion dazu in Opposition steht. Soweit auch Parlamente mit mehr als zwei Fraktionen behandelt sind, ist zwar bedacht, daß auf beiden Seiten an die Stelle nur einer Fraktion auch eine Mehrheit von Fraktionen treten kann, aber zugleich vorausgesetzt, daß die „Regierungsfraktionen“ zusammen jedenfalls die Mehrheit bilden und die Minderheit in Opposition bleiben muß (vgl. insbesondere die Darstellungen bei: Peters, Die Opposition in der parlamentarischen Demokratie, in ÖZöR 10 [1960], S. 424 ff; Gehrig, Parlament - Regierung - Opposition, 1969; Hereth, Die parlamentarische Opposition, in Geschichte und Staat, Bd. 147, 1969; H. P. Schneider, Die parlamentarische Opposition im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 1974; derselbe, Das parlamentarische System, in Benda / Maihofer / Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. - im folgenden „Handbuch“ -, § 13 [S. 537 ff]; derselbe, Verfassungsrechtliche Bedeutung und politische Praxis der parlamentarischen Opposition, in Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989 - im folgenden „Schneider / Zeh“ -, § 38 [S. 1055 ff]; derselbe, Parlamente, Wahlen und Parteien, in Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Teilband III, S. 122 ff; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 18. Aufl., RdNrn. 157, 169; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., 1984, Bd. I, § 23 [S. 1022 ff]; Badura, Die parlamentarische Demokratie, in Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 1987, Bd. I, § 23 [S. 953 ff]).

{RN:76}
Die Zuordnung der Fraktionen nach „Regierungs mehrheit“ und „Opposition“ liegt erkennbar auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde (BVerfGE 20, 56 [101]; 60, 53 [66 f]).

{RN:77}
Hintergrund dieser Überlegung ist die Erfahrung mit dem Deutschen Bundestag, in welchem die Parteien, die in sämtlichen Sitzungsperioden im Parlament vertreten waren, untereinander jeweils koalitionsfähig waren, so daß diejenige Partei in die Opposition gehen mußte, die nicht an der Regierung beteiligt wurde und diese deshalb auch prinzipiell weder stützte noch trug. Wesentliches Merkmal für die Zugehörigkeit zur „Regierungsmehrheit“ war in der Regel die förmliche Bindung durch einen Koalitionsvertrag, im Ausnahmefall der sog. „Großen Koalition“ jedenfalls durch Bildung eines „Koalitionsausschusses“ (H. P. Schneider / W. Zeh, Koalitionen, Kanzlerwahl und Kabinettsbildung, in Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, S. 1323 [RdNr. 71 zu § 48]).

{RN:78}
Peters (ÖZöR 10 [1960], 424 [426]) hat sogar für „begrifflich notwendig“ gehalten, daß die „Opposition“ aus nur einer Minderheit bestehe, und hat deshalb in die „regierungsbildende Mehrheit“ auch diejenigen Gruppen oder Abgeordneten einbezogen, die eine „Minderheitsregierung“ nur „tolerieren“ und ihr „nicht die Macht zu entwinden suchen“.

{RN:79}
Dieser Grundannahme folgt das Landesverfassungsgericht indessen nicht, weil die Verfassungen sowohl des Bundes als auch einzelner Bundesländer verfassungsrechtliche Situationen zulassen, in welchen die Regierung „in die Minderheit gerät“ oder sich in dieser Rolle von Anfang an befindet, wie die Untersuchung von Finkelnburg (Die Minderheitsregierung im deutschen Staatsrecht, 1982) und die Kommentierung von Herzog (in Maunz / Dürig, GG, Art. 63 RdNrn. 53 ff) nachgewiesen haben.

{RN:80}
Die zum Grundgesetz getroffenen Aussagen können für die Auslegung der Landesverfassung deshalb herangezogen werden, weil diese in den wesentlichen Punkten, die eine „Minderheitsregierung“ zur Folge haben, mit der Bundesverfassung vergleichbar ist:

{RN:81}
Wie nach Art. 62 GG besteht auch nach Art. 64 Abs. 1 LSA-Verf zwar eine „Regierung“ als Kollegium; aber nur der Regierungschef und nicht auch die Minister bedürfen des Vertrauens des Parlaments (Art. 63, 64 GG einerseits, Art. 65 Abs. 1, 3 LSA-Verf andererseits). Obgleich als Regelfall vorgesehen ist, daß der Regierungschef mit der Mehrheit der Mitglieder des Parlaments gewählt wird, lassen beide Verfassungen in einem letzten Wahlgang auch eine sog. „einfache Mehrheit“ genügen (Art. 63 Abs. 4 GG wie Art. 65 Abs. 2 LSA-Verf), also weniger, als die Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten ausmacht. Auch für den zweiten Fall entsprechen sich die Verfassungslagen: Ein Regierungschef, dem das Parlament das Vertrauen entzieht, bleibt gleichwohl so lange im Amt, bis ein anderer mit „absoluter Mehrheit“ zum neuen Regierungschef gewählt wird (Art. 67 Abs. 1 GG wie Art. 72 Abs. 1 LSA-Verf).

{RN:82}
Die Möglichkeit einer „Minderheitsregierung“ bedeutet zugleich, daß dann rein rechnerisch die „Opposition“ die Mehrheit hat. Da Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf ohne Einschränkung auf das Verhältnis der einzelnen Fraktion (oder des einzelnen Abgeordneten) zur Regierung abstellt, muß die Definition auch die Fälle der „Minderheits-Regierungen“ mit zwangsläufiger „Mehrheits-Opposition“ erfassen. Daß eine solche Mehrheit trotzdem wegen ihrer Heterogenität unfähig sein kann, einen neuen Regierungschef durchzusetzen, hält zutreffend auch Hans-Peter Schneider der Ausgangsthese von Peters entgegen (H. P. Schneider, Opposition, S. 118 f).

{RN:83}
Ähnlich wie schon bei den Wörterbüchern ist auch bei den Definitionsversuchen in den Abhandlungen über „Opposition“ keine Einheitlichkeit zu erkennen. Im wesentlichen lassen sich aber zwei Gruppen bilden, deren erste nach „Beteiligung“ an der Regierung fragt und deren zweite auch danach, ob die Regierung auf andere Weise „getragen“, „gestützt“ oder nur „toleriert“ wird.

{RN:84}
Ausgangsbeispiel für die erste Ansicht ist die das Verhältnis der Parteien zum Staat regelnde Badische Verfassung vom 22.5.1947 (Regierungsblatt der Landesregierung Baden 1947, 129 [139]). Sie hatte den Parteien Gründung und Betätigung garantiert und dann mittels ihres Art. 120:

(1) Parteien müssen sich als mitverantwortlich für die Gestaltung des politischen Lebens und für die Lenkung des Staates fühlen, gleichgültig, ob sie an der Bildung der Landesregierung mitbeteiligt sind oder zu ihr in Opposition stehen.

(2) Haben sie sich an der Bildung der Regierung beteiligt, so ist es ihre Pflicht, das Interesse des Landes über das Interesse der Partei zu stellen. Sie müssen bereit sein, die Verantwortung abzugeben, sobald sich eine neue Mehrheit bildet.

(3) Stehen sie in Opposition zur Regierung, so obliegt es ihnen, die Tätigkeit der Regierung und der an der Regierung beteiligten Parteien zu verfolgen und nötigenfalls Kritik zu üben. Ihre Kritik muß sachlich, fördernd und aufbauend sein. Sie müssen bereit sein, gegebenenfalls die Mitverantwortung in der Regierung zu übernehmen.

versucht, die gesellschaftlichen Kräfte gleichsam in die staatliche Organisation einzubinden und ihnen zu diesem Zweck im Gemeinwohl-Interesse vor allem Pflichten aufzuerlegen. Darin und nicht in der Abgrenzung von „Regierungs-“ zu „Oppositionsfraktionen“ liegt der Schwerpunkt.

{RN:85}
An diese die unterschiedlichen Rollen der Parteien umschreibende Bestimmung hat Carlo Schmid erkennbar angeknüpft und unter „Opposition“ die „Gruppe des Parlaments“ verstanden, „die an der Regierungsbildung und an der Führung der Regierungsgeschäfte nicht beteiligt ist, sei es, weil eine anders denkende Mehrheit sie nicht haben will, sei es, weil sie selber nicht glaubt, mit anderen Parteien zusammen eine Mehrheit bilden zu können“ (Carlo Schmid, Die Opposition als Staatseinrichtung, in „Der Wähler“ 5 [1955], S. 498).

{RN:86}
Die Haltung, sich bei der Regierungsbildung selbst auszuschließen, oder der Umstand, von anderen ausgeschlossen worden zu sein, ist auch für Peters (ÖZöR 10 [1960], 424 [426]) wesentliches Merkmal für die Zugehörigkeit zur „Opposition“.

{RN:87}
Sicherlich handelt es sich bei der „Beteiligung“ an einer Regierung - von der Partei her, nicht einer Fraktion als Teil des Parlaments her verstanden - um den immer noch wichtigsten und auch offensichtlichsten Fall einer „Unterstützung“. Allerdings verwendet die Landesverfassung von Sachsen-Anhalt den Begriff der „Beteiligung“ nicht und beschreibt die Beziehung auch nicht aus der Sicht der Partei, sondern von Teilen des Parlaments (der Fraktion bzw. des Abgeordneten).

{RN:88}
Soweit „Opposition“ aus der Sicht nicht der Parteien im Gesellschaftsleben, sondern von Parlamentsteilen und deren Haltung zur Regierung definiert worden ist, findet sich das Wort „tragen“ neben „stützen“, ohne daß damit erkennbar andere Inhalte verbunden werden.

{RN:89}
Reich (Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, Art. 48 RdNr. 1) hält den Begriff „nicht stützen“ nur für die negative Umschreibung eines von den bisher an der Regierung nicht beteiligten Fraktionen getragenen, konstruktiven Mißtrauensvotums. „Stützen“ bedeute, ein solches Votum nicht anzustreben.

{RN:90}
Meyer (Die Stellung der Parlamente in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, in Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, S. 125, 144, 147 [RdNrn. 19, 68, 78 zu § 4]) unterscheidet nach der Regierungsfunktion „regierungstragende Fraktion[en] und Opposition“.

{RN:91}
Nach Stern (a. a. O., § 23 III 1 [S. 1038]) „tragen und stützen“ die parlamentarische(n) (Mehrheits-)Fraktion(en) die Regierung in der Gesetzgebung und sonstigen parlamentarischen Beschlußfassung; ihr (ihnen) stehen die „die Regierung nicht unterstützenden“ Fraktionen als Opposition gegenüber. Diese sei die Gruppierung (Fraktion), welche die Regierung und die sie „stützenden“ Fraktion(en) im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ordnung politisch bekämpfe (a. a. O., § 23 III 3 b [S. 1039]).

{RN:92}
Hans-Peter Schneider hat in seinen zahlreichen Beiträgen sich im wesentlichen Kern gleichende, sich aber gleichwohl unterscheidende Umschreibungen von Opposition gegeben und in den Beratungen zu Art. 40 der Verfassung des Freistaates Sachsen vom 27.5.1992 (SäGVBl 243), mit der Formulierung

Das Recht auf Bildung und Ausübung parlamentarischer Opposition ist wesentlich für die freiheitliche Demokratie. Die Regierung nicht tragende Teile des Landtages haben das Recht auf Chancengleichheit in Parlament und Öffentlichkeit.

erklärt, niemand könne die parlamentarische Opposition konkret definieren; deshalb müsse man eine Formulierung wie in Sachsen-Anhalt finden (Verfassungs- und Rechtsausschuß des Sächsischen Landtags, Protokoll der 7. Klausurtagung vom 31.1.1992, S. 23, Gesamtseitenzahl 883). Auch Stern (a. a. O., § 23 III 2 [S. 1038]) meint, was unter Opposition zu verstehen sei, lasse sich leicht beschreiben, aber schwieriger definieren.

{RN:93}
Neben dem an Peters und Carlo Schmid erinnernden „Arbeitsbegriff“, parlamentarische Opposition meine die Gesamtheit aller nicht an der Regierung „beteiligten“, aber potentiell regierungsfähigen Gruppen im Parlament (H. P. Schneider, Opposition, S. 121; derselbe, Handbuch, S. 577 [RdNr. 98 zu § 13]), findet sich die Formulierung, die Opposition stehe „den die Regierung tragenden Abgeordneten und Fraktionen“ als Alternative gegenüber (a. a. O., S. 593 [RdNr. 133 zu § 13]). Während das in dem Arbeitsbegriff verwendete Element der „Nichtbeteiligung“ später (H. P. Schneider, Handbuch, S. 577 [RdNr. 98 zu § 13]) zum Bestandteil der Definition erhoben und als Ausschluß von den Machtbefugnissen des Art. 65 GG umschrieben ist, diente Art. 65 GG ursprünglich nur als „Orientierungsrahmen“ (H. P. Schneider, Opposition, S. 120) für den „Arbeitsbegriff“ (a. a. O., S. 121), und zwischen beide Passagen war im Anschluß an Peters (ÖZöR 10 [1960], 424 [426]) gestellt (a. a. O., S. 120, mit Fußn. 355), daß nicht zuletzt auf die politische Einstellung der Fraktion selbst abzuheben sei, so daß auch Gruppen, welche die Regierungstätigkeit in personeller oder sachlicher Sicht aktiv unterstützten oder passiv duldeten, nicht zur Opposition rechnen könnten. An anderer Stelle (H. P. Schneider, in Schneider / Zeh, S. 1070/1071 [RdNr. 33 zu § 38]) ist dem Grundbegriff der Verzicht auf Duldung einer Minderheitsregierung hinzugefügt; dies bedeute, daß der Regierungschef mitgewählt werde, ein Machtwechsel unmittelbar nicht beabsichtigt sei, was dazu führe, „dadurch indirekt die Regierung“ zu „stützen“ (a. a. O., S. 1070 [RdNr. 33 zu § 38]).

{RN:94}
Badura (in Isensee / Kirchhof, Bd. I, § 23 [S. 962], RdNr. 18; vgl. auch Staatsrecht, 1986, Abschn. E RdNr. 19) versteht Opposition als Minderheit, die einer die Regierung und einer diese stützenden Mehrheit gegenüberstehe, ohne daß „Stützen“ als eigenständiger Begriff definiert wäre. Allerdings ist vorausgeschickt, es gehöre - ähnlich wie bei Peters - „zur inneren Logik der parlamentarischen Demokratie, daß die Regierung sich auf eine Mehrheit in der Volksvertretung stützt“ (derselbe bei Isensee / Kirchhof, a. a. O.). Damit sind dieselben Einschränkungen zu machen, die bereits oben wegen der Struktur der Landesverfassung mit Ministerpräsidentenwahl auch durch einfache Mehrheit und lediglich „konstruktivem Mißtrauensvotum“ zur Lehransicht von Peters erhoben worden sind.

{RN:95}
Soweit Hans-Peter Schneider und Peters zusätzlich den Begriff des „Tolerierens“ verwenden, den sie mit „passivem Dulden“ gleichzusetzen scheinen (vgl. H. P. Schneider, Opposition, S. 120 mit Fußn. 355; zuvor bereits Peters, ÖZöR 10 [1960], 424 [426]; vgl. auch H. P. Schneider, in Schneider / Zeh, S. 1070 [RdNrn. 32, 33 zu § 38]), muß angemerkt werden, daß dieser Begriff dem Verfassungsverständnis zur Zeit der Weimarer Verfassung entsprach, nach der die Reichsregierung vom Reichspräsidenten eingesetzt wurde, aber zusätzlich für ihre Amtsführung vom Vertrauen des Reichstags abhängig war (vgl. Art. 53; 54 Satz 1 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11.8.1919 [RGBl 1383] - WV -); außerdem mußte jedes Mitglied der Regierung zurücktreten, wenn ihm der Reichstag das Vertrauen entzog (Art. 54 Satz 2 WV). Anstelle eines ausdrücklichen Vertrauensbeschlusses nach Art. 54 Satz 1 WV wurde auch für verfassungsgemäß gehalten, daß eine Reichstagsmehrheit die Amtsführung der Regierung jedenfalls nicht durch ein Mißtrauensvotum in Frage stellte, weil Art. 54 Satz 1 WV (anders als Art. 54 Satz 2 WV für das Mißtrauen; vgl. dazu Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. Aufl., Art. 54 Anm. 3 [S. 319 f]) keine besonderen Förmlichkeiten verlange; diese abgeschwächte Form eines Vertrauensvotums galt als „Tolerieren“ (E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 6, S. 330 ff, mit Beispielsfällen; vgl. auch Bd. 7, S. 802; vgl. ferner Finkelnburg, a. a. O., S. 7/8; BVerfGE 62, 1 [37]). Insoweit konsequent meint Schneider zur Situation in der Weimarer Republik, die Minderheitsregierungen seien „von der Duldung sämtlicher ,oppositioneller’ Fraktionen gegen die extremen Gruppen abhängig“ gewesen (H. P. Schneider, Opposition, S. 61). Der Begriff „tolerieren“ ist aber deshalb nicht übertragbar, weil sich die Verfassungslage entscheidend geändert hat. Eine Regierung kann - auch als „Minderheitsregierung“ - erst ins Amt gelangen, wenn der Regierungschef durch formelle Wahl wenigstens eine einfache Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt hat (vgl. Art. 63 Abs. 2-4 GG, Art. 65 Abs. 2 LSA-Verf); der Bundespräsident hat im Gegensatz zum Reichspräsidenten nach der Bundesverfassung kein Einsetzungs-, sondern nur ein Vorschlagsrecht (vgl. Art. 63 Abs. 1 GG). Ein wesentlicher Unterschied ist ferner, daß kein Mitglied der Regierung mehr durch „Vertrauensentzug“ unmittelbar „gestürzt“ werden kann (so noch Art. 54 Satz 2 WV); vielmehr kann auch ein „Mißtrauen“ gegen einen einzelnen Minister verfassungsrechtlich nur dann durchgesetzt werden, wenn eine (absolute) Mehrheit einen neuen Regierungschef wählt (Art. 67 Abs. 1 GG und ebenso Art. 72 Abs. 1 LSA-Verf); dann endet zugleich das Amt aller bisherigen Minister (inhaltlich gleich: Art. 69 Abs. 2 GG und Art. 71 Abs. 1 Satz 3 LSA-Verf).

{RN:96}
Soweit sich die verfassungsrechtliche Literatur mit gerade der gegen eine Minderheitsregierung stehenden (Mehrheits-)Opposition beschäftigt hat, ist der Begriff des „Stützens“ gleichfalls teils gar nicht benutzt, teils nicht definiert.

{RN:97}
Finkelnburg (a. a. O.) zeigt für die Minderheitsregierung die Gefahr auf, außerhalb der ihr als Regierung zukommenden Verfassungskompetenz (dazu a. a. O., S. 11 ff) gleichwohl nicht umfassend handlungsfähig zu sein, weil sie im Parlament nicht über die Mehrheit der Stimmen verfüge (a. a. O., S. 13, 15), und erwähnt schließlich nur ergänzend aus Anlaß der seinerzeitigen konkreten Berliner Verhältnisse eines von einigen Abgeordneten der F.D.P. tolerierten CDU-Senats, dieser besitze in Wahrheit einen „stillen Teilhaber an der Regierungsmacht, der ihm jederzeit zur notwendigen parlamentarischen Mehrheit verhelfen kann“ (a. a. O., S. 15), so daß dieser Ausnahmefall dem gewonnenen Ergebnis nicht widerspreche. Finkelnburg meint, die (echte) Minderheitsregierung sei zwar denkbar, sie müsse aber weitestgehend auf den Willen der Parlamentsmehrheit Rücksicht nehmen, ohne daß die (damals bekannten) Länderverfassungen und das Grundgesetz ausreichende Instrumentarien zur Überwindung dieser Schwäche böten, was ein großes Maß staatsmännischen Verantwortungsbewußtseins auf seiten sowohl der Regierung als auch des Parlaments voraussetze (a. a. O., S. 17).

{RN:98}
Was zu der Annahme führen muß, die Minderheitsregierung habe einen „stillen Teilhaber“, ist nicht präzisiert. Allerdings dürfte dem Zusammenhang zu entnehmen sein, wesentliches Merkmal sei, daß sich die Minderheitsregierung „jederzeit“ darauf „verlassen“ kann, die Mehrheit zu finden. Eine Besonderheit der von Finkelnburg beschriebenen Berliner Situation war, daß der F.D.P.-Parteitag eine Koalition mit dem Kabinett v. Weizsäcker ausgeschlossen hatte, aber vier von sieben F.D.P.-Abgeordneten die Regierung gleichwohl unterstützten (vgl. dazu Puhl, Die Minderheitsregierung nach dem Grundgesetz, Schriften zum Öffentlichen Recht, Bd. 501, 1986, S. 26 f). Damit konnte sich die Regierung zwar auf bestimmte einzelne Abgeordnete „unbedingt verlassen“, nicht aber auf eine „stützende“ Fraktion.

{RN:99}
Puhl (a. a. O.) spricht von einer Minderheitsregierung, die er für die Bundesverfassung mit jeder Regierung gleichsetzt, deren Chef ein Minderheitskanzler ist, wenn die Regierung nicht das gegenwärtige Vertrauen der Mehrheit der Mitglieder des Parlaments besitzt, und meint mit „Vertrauen“ die Bereitschaft der Abgeordneten, die Personen und das Sachprogramm der Regierung parlamentarisch zu unterstützen (a. a. O., S. 20, 236). Er hat in seiner Untersuchung für die damaligen Länderparlamente insbesondere die Konstellation vor Augen, daß durch den Einzug einer neuartigen Gruppe in die Parlamente - damals der GRÜNEN - eine Situation entsteht, in welcher die etablierten Parteien - außer als „Große Koalition“ - nicht mehr „regierungsfähig“ sind, weil ihnen die notwendige Mehrheit fehlt, andererseits aber keine etablierte Partei eine Koalition mit dem nicht für koalitionsfähig gehaltenen Neuling eingehen will (a. a. O., S. 29, zuvor, S. 25 ff).

{RN:100}
Herzog (in Maunz / Dürig, GG, Art. 63 RdNrn. 53 ff) behandelt beide Fälle (nur mit einfacher Mehrheit gewählter „Minderheitskanzler“ und Kanzler, welcher seine ursprüngliche Mehrheit verloren hat) gleich (a. a. O., RdNr. 54), bestätigt die volle Rechtsstellung der Regierung (a. a. O., RdNr. 55), sieht gleichfalls die Schwäche im Fehlen einer verläßlichen parlamentarischen Mehrheit für die Umsetzung von Politik (a. a. O., RdNr. 56), hält aber die Aussichten einer Minderheitsregierung, sich die notwendigen Gesetze zu verschaffen, durchaus nicht für aussichtslos (a. a. O., RdNr. 56, 57, 58, 59), weil eine vollständige Blockade der Gesetzgebung durch die Opposition erfahrungsgemäß nicht möglich sei (a. a. O., RdNr. 59), und sieht einen gewissen Druck in der drohenden Parlamentsauflösung, der dazu führen könne, einen Regierungschef überhaupt in das Amt zu bringen und ihn - wenn auch nicht immer durch die gleichen Mehrheiten - zu unterstützen (a. a. O., RdNr. 54).

{RN:101}
Für die Frage, ob es sich um eine Minderheitsregierung handelt oder ob diese zur Mehrheitsregierung wird, stellt Herzog (a. a. O., RdNr. 54, [Abschn. c)]) darauf ab, ob eine Koalition vereinbart oder eine „Zusage zu unbedingter parlamentarischer Unterstützung“ gegeben wird.

{RN:102}
2.1.3.-->Für die Auslegung des Begriffs „Opposition“ geben die übrigen Verfassungsregelungen gewisse Anhaltspunkte; indessen vermögen sie nicht schon eindeutig festzulegen, wie der Hilfsbegriff „stützen“ auszulegen ist.

{RN:103}
Ausgangspunkt hat zu sein, daß es für Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf auf das Verhältnis einer bestimmten Fraktion oder von einzelnen Abgeordneten zur Regierung ankommt, die ihrerseits für ihren Bestand vom Vertrauen der Mehrheit im Parlament abhängig ist (Art. 65 Abs. 2; 72 Abs. 1; 73 Abs. 1 LSA-Verf) und ihre Politik erfolgreich nur mit den für die Gesetzgebung notwendigen Mehrheiten umsetzen kann (Art. 77 Abs. 1; 51 Abs. 1 LSA-Verf); das gilt gerade auch für den Haushalt (Art. 93 Abs. 2 Satz 1 LSA-Verf), der vom Parlament mit Gesetzgebungsmehrheit beschlossen wird.

{RN:104}
Allerdings ist systematisch zu unterscheiden:
Gesetzgebung (Kompetenz, sog. „formelle Gesetze“ zu erlassen) und Budgetrecht sind eigenständige Rechte des Landtags. Er hat dabei die Entscheidungsmacht und steht als Parlament gleichberechtigt neben der mit „vollziehender Funktion“ ausgestatteten Regierung sowie der Rechtsprechung (sog. „Grundsatz der Gewaltentrennung“ aus Art. 20 Abs. 2 GG als „tragendes Organisationsprinzip des Grundgesetzes“; vgl. insoweit BVerfG, Urt. v. 18.12.1953 - 1 BvL 106/53 -, BVerfGE 3, 225 [247]; Urt. v. 17.7.1984 - 2 BvE 11,15/83 -, BVerfGE 67, 100 [130]; entsprechend dem sog. Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 GG bindender Inhalt auch der Landesverfassung; vgl. hier i. ü.: Art. 2 Abs. 2 LSA-Verf).
Die Entscheidungsmacht im „vollziehenden“ Bereich liegt bei der Regierung (vgl. Art. 64 Abs. 1 Satz 1 LSA-Verf). „Mitwirkungs-“Möglichkeiten des Landtags bestehen hier aus Anlaß der Regierungsbildung sowie allgemein nach dem Grundsatz der sog. „parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung“, der wie das „Mehrheitsprinzip“ das Demokratiegebot des Art. 20 Abs. 1 GG (BVerfG 2, 1 [12/13]) konkretisiert; die entsprechenden Bestimmungen der Landesverfassung (Art. 2 Abs. 1, 2 LSA-Verf) sind wegen Art. 28 Abs. 1 GG in gleichem Sinn auszulegen.

{RN:105}
Wie sich aus einerseits dem Unterschied zwischen sachbezogener Gesetzgebung und personenbezogener Abhängigkeit sowie andererseits aus den Begriffen des „Vertrauens“ (Art. 73 Abs. 1 LSA-Verf) bzw. des „Mißtrauens“ (Art. 72 Abs. 1 LSA-Verf) ergibt, beinhaltet nicht jede Zustimmung zu einem Gesetz notwendig auch den „Vertrauensbeweis“, der für die Wahlentscheidungen nach Art. 65 Abs. 2; 72 Abs. 1 LSA-Verf oder den Beschluß nach Art. 73 Abs. 1 LSA-Verf typisch ist, mag auch der politische Erfolg des Regierungsprogramms rein faktisch davon abhängen, in welchem Umfang der Landtag dieses bei der Gesetzgebung mitträgt. Anders ist es nur, wenn die „Vertrauensfrage“ des Art. 73 Abs. 1 LSA-Verf mit einer Regierungsvorlage für eine Sachentscheidung verbunden wird (vgl. den nur in der Bundesverfassung besonders geregelten Fall, der den sog. „Gesetzgebungsnotstand“ auslösen kann [Art. 81 Abs. 1 Satz 2 GG]).

{RN:106}
Nur im Rahmen der „Verantwortlichkeit“ der Regierung gegenüber dem Parlament läßt sich davon sprechen, daß die Regierung rechtlich des „Vertrauens“ der Mehrheit bedarf; das sind die Instrumente der Wahl, der Vertrauensfrage und des sog. „Mißtrauensvotums“. Ausschließlich im Rahmen der „personenbezogenen“ Abhängigkeit vom Parlament hat auch das Bundesverfassungsgericht Vertrauen als besondere Art der Stimmabgabe erwähnt, welche förmlich und gegenwärtig die Zustimmung des Abgeordneten zu Person und Sachprogramm des Regierungschefs bekundet und damit darauf schließen läßt, daß er bereit ist, ein zumindest in Umrissen vorgezeichnetes Regierungsprogramm oder ein konkretes Verhalten grundsätzlich zu „unterstützen“ bzw. - im Fall des Mißtrauensvotums - zu „dulden“ (BVerfGE 62, 1 [37/38, 61]).

{RN:107}
Soweit mit der Wahlentscheidung für den Regierungschef auch ein Sachprogramm gebilligt wird, geht es doch nur um das „Vertrauen“ in die Person des Kandidaten, dieser werde das versprochene Sachprogramm nach seinen Kräften erfüllen, mithin um eine durch Stimmabgabe ausgedrückte „Erwartung“, die sich deutlich vom Gesetzesbeschluß für ein konkretes Vorhaben unterscheidet.

{RN:108}
Dieser Denkansatz legt zumindest nahe, eher den Entscheidungen des Landtags im Rahmen der Art. 65, 72, 73 LSA-Verf Bedeutung für die Auslegung des Begriffs „stützen“ im Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf beizumessen als einer Teilhabe an einzelnen Mehrheiten im Gesetzgebungsverfahren.

{RN:109}
Allerdings bestehen zwei Unsicherheiten:
Der Oppositionsbegriff stellt auf die Einstellung der Abgeordneten oder Fraktionen zur Regierung ab; die Entscheidungen nach Art. 65, 72, 73 LSA-Verf beziehen sich aber nur auf den Ministerpräsidenten. Die „Regierung“ als Kollegium i. S. des Art. 64 Abs. 1 Satz 2 LSA-Verf bildet der gewählte Ministerpräsident endgültig nach seinen Vorstellungen; denn er allein beruft die Minister, die keines weiteren Vertrauens durch das Parlament mehr bedürfen (Art. 65 Abs. 3 LSA-Verf). Damit riskiert ein Ministerpräsident, der sich nicht an Vorabsprachen hält oder der Erwartungen nicht erfüllt, zwar - als „politische“ Sanktion - ein Mißtrauensvotum nach Art. 72 Abs. 1 LSA-Verf; hingegen ist die Regierung rechtlich unangreifbar gebildet, wenn er nach seinem politischen Ermessen die übrigen Mitglieder berufen hat. Dieser Zusammenhang läßt dann aber offen, ob sich die Frage des „Stützens“ erst stellt, wenn die Regierung endgültig gebildet ist, oder aber ob „Regierung“ i. S. des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf mit „Ministerpräsident“ i. S. der Art. 65, 72, 73 LSA-Verf gleichzusetzen ist.

{RN:110}
Eine weitere Unsicherheit liegt darin begründet, daß der Ministerpräsident weder nach dem Wortlaut der Verfassung noch nach den Grundsätzen über seine „parlamentarische Verantwortlichkeit“ das Vertrauen der Fraktionen benötigt, sondern ausschließlich der Abgeordneten als Einzelpersonen. Gleichwohl wirft Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf nicht nur für sie, sondern gleichberechtigt auch für die Fraktionen die Frage ihres Verhältnisses zur Regierung auf. Dem ersten Anschein nach ist das Fraktionsverhalten sogar von größerer Bedeutung als das der Abgeordneten; denn nur die Fraktion erhält den sog. „Oppositionsbonus“.

{RN:111}
2.1.4.-->Die Materialien zu Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf führen hierbei und bei den oben außerdem aufgeworfenen Fragen zu keiner eindeutigen Klärung; denn sie ergeben, daß im Vordergrund die Aufnahme eines „Oppositionsartikels“ überhaupt gestanden hat, es aber nicht um die Einzelheiten der Definition von „Opposition“ gegangen ist.
Dieser Befund relativiert die Bedeutung der vom Bundesverfassungsgericht für die einfache Gesetzesauslegung mit engen Vorgaben versehene, für die Verfassungsauslegung weiter gehandhabte Frage, in welchem Umfang der Wille des sog. „historischen Gesetzgebers“ für die Auslegung maßgeblich sein kann (BVerfGE 62, 1 [45], m. w. Nachw.). Für Verfassungstexte darf die Entstehungsgeschichte jedenfalls dann berücksichtigt werden, wenn sich - wie hier - für die Auslegung einer Verfassungsnorm noch keine festen Grundsätze haben bilden können (BVerfGE 62, 1 [45], m. w. Nachw.).

{RN:112}
Im einzelnen:
Der am 4.4.1990 von der Arbeitsgruppe „Neue Verfassung der DDR“ des „Zentralen Rundes Tisches“ Berlin-Niederschönhausen vorgelegte Entwurf einer „Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik“ sah die Opposition im Art. 51 Abs. 2 Satz 1 als notwendigen Bestandteil einer demokratischen Verfassung an und formulierte im Art. 51 Abs. 2 Satz 2 (zitiert nach: JöR n.F. 39 [1990], 350 ff) nur:

Sie steht der Regierungsmehrheit als Alternative gegenüber und hat das Recht auf Chancengleichheit.

{RN:113}
Der erste, von der „Arbeitsgruppe Landtag, Unterabteilung Verfassung“ erarbeitete Entwurf einer „Verfassung Sachsen-Anhalt“ von 1990 enthielt nur eine Regelung über Fraktionen, nicht aber über die Opposition (vgl. Art. 52 Abs. 2, in JöR n. F. 39 [1990], 455 ff). Auch im zweiten Entwurf aus dem Jahr 1990 fehlt eine eigene Regelung; es findet sich nur ein Auftrag an das Parlament, das Recht der Opposition auf Chancengleichheit durch die Geschäftsordnung zu sichern (vgl. Art. 52 Abs. 2; 54 in JöR n. F. 40 [1991/1992], 441 ff).

{RN:114}
Von den in einem dritten Vorbereitungsabschnitt eingebrachten Entwürfen für eine Verfassung Sachsen-Anhalts enthielt der Gemeinschaftsentwurf der CDU / F.D.P. keinen „Oppositionsartikel“ (vgl. LdTgDrs 1/253; JöR n. F. 41 [1993], 219 ff); der Entwurf der Fraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN nahm die ehemalige Formulierung des „Runden Tisches“ wieder auf, behielt aber das Recht auf Chancengleichheit einer Regelung durch Geschäftsordnung vor (Art. 46 Abs. 2; vgl. LdTgDrs 1/78; JöR 41 [1993], 205 ff). Im SPD-Entwurf (LdTgDrs 1/260; JöR n. F. 41 [1993], 228 ff) war als Art. 32 formuliert:

(1) Die Fraktionen, die die Landesregierung nicht stützen, bilden die parlamentarische Opposition.

(2) Die Oppositionsfraktionen haben das Recht auf Chancengleichheit in Parlament und Öffentlichkeit sowie Anspruch auf eine zur Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben erforderliche Ausstattung.

{RN:115}
Auf der Grundlage dieser Vor-Entwürfe und der Beschlüsse des Verfassungsausschusses mit Stand vom 24.9.1991 brachten die Fraktionen der CDU, SPD, F.D.P., PDS und Bündnis 90 / DIE GRÜNEN am 1.4.1992 einen gemeinsamen Entwurf für die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt ein (LdTgDrs 1/1334), der erneut im Verfassungsausschuß behandelt wurde und als Entwurf einer Verfassung dem Landtag vorlag (LdTgDrs 1/1579; JöR n. F. 41 [1993], 245 ff); Art. 47 des Gemeinschaftsentwurfs enthielt bereits die dem Art. 32 des SPD-Entwurfs entsprechende Formulierung, in die im Absatz 1 nach „Fraktionen“ lediglich noch eingefügt war „und die Mitglieder des Landtages“.

{RN:116}
Mit dieser Änderung ist der Verfassungstext in Kraft getreten. Die „Mitglieder des Landtages“ sind nach den Beratungen im Verfassungsausschuß lediglich deshalb eingefügt worden, weil außer den in eine Fraktion eingebundenen Abgeordneten auch fraktionslose Abgeordnete die Opposition (mit-)bilden könnten (vgl. Niederschriften des Verfassungsausschusses - hier zitiert nach der dreibändigen „Zusammenstellung“ des Landtags über die Materialien zur Verfassung [= „Z“, Band und Seite] - „III/16“ vom 25.4.1991 [Blum in Z 1, 261] und „IV/6“ vom 18.7.1991. S. 70 [Prof. Dr. Starck in Z 2, 780]).

{RN:117}
Der Ausgleich hingegen sollte ganz bewußt nur den Fraktionen als „Organisationszuschlag“ zustehen (vgl. Niederschrift „III/11“ vom 25.4.1991 [Prof. Dr. Schneider in Z 1, 256; Prof. Dr. Starck in Z 1, 256]; Niederschrift „IV/8“ vom 18.7.1991, S. 72 [Prof. Dr. Schneider in Z 2, 782]) und ihnen nach Auffassung von Schneider als „Institution“, nicht um ihrer Oppositions-„Funktion“ willen gewährt werden (Niederschrift vom 20.5.1992, S. 12, = Z 2, 1028).

{RN:118}
In den Erläuterungen zum Oppositionsbegriff findet sich „stützen“ neben „tragen“ (vgl. Niederschriften „III/13“ vom 25.4.1991 [Prof. Dr. Schneider in Z 1, 258]; „IV/7“ vom 18.7.1991, S 71 [Berlit in Z 2, 781]; vom 20.5.1992, S. 11 f [Nitsche in Z 2, 1027 f]), ohne daß dabei inhaltliche Unterschiede erkennbar werden.

{RN:119}
In seinen Beratungen ist der Verfassungsausschuß vom Normalfall der Mehrheitsregierung ausgegangen, gegen die eine Minderheit opponiert. Thematisiert wurde, daß der Verfassungstext die Möglichkeit einer All-Parteien-Regierung nicht ausschließen dürfe (Niederschrift „III/10“ vom 25.4.1991 [Prof. Dr. Starck in Z 1, 255]); ohne daß dies allerdings problematisiert worden ist, wurde lediglich festgestellt, der Sonderfall sei nicht erfaßt, daß eine Minderheitsregierung von Teilen der Opposition geduldet werde (Niederschrift „III/6“ vom 14.3.1991 [Blum in Z 1, 26]). Andererseits wies Starck darauf hin, Opposition müsse keinesfalls „gebünelt“ erscheinen, sondern könne geradezu ein Interesse daran haben, nicht so aufzutreten (Niederschrift „III/9“ vom 25.4.1991 [Prof. Dr. Starck in Z 1, 254]). Schneider verlangte zwar von der Opposition, daß sie den Ministerpräsidenten nicht mitwähle (Niederschrift vom 20.5.1992, S. 12 = Z 2, 1028) und daß sie ihre Kontrolle mit dem Ziel ausübe, die Regierung abzulösen (Niederschrift „III/14“ vom 25.4.1991 in Z 1, 259), räumte aber ein, es sei ein politisches Ziel, das u. U. erst durch eine Neuwahl erreicht werden könne (Niederschrift „III/16“ vom 25.4.1991 in Z 1, 261).

{RN:120}
Wie sich sowohl aus den Beratungen (vgl. insoweit Niederschriften vom 25.4.1991, „III/8,9,12,15,17“ = Z 1, 253 f, 257, 260, 262 [Prof. Dr. Schneider, Prof. Dr. Starck, Dr. Höppner], vom 18.7.1991, „IV/5“ [Dr. Höppner in Z 2, 779, am Ende]) als auch aus der Einbringungsrede des Vorsitzenden des Verfassungsausschusses (LdTg-StenBer 1/31 v. 9.4.1992, Vorabdruck, S. 236 ff, 243 [Dr. Höppner]) ergibt, war es dem Verfassungsausschuß ein wesentliches Anliegen, durch den Verfassungstext die Abkehr von den „Block-Parlamenten“ mit ihrem Schein-Parlamentarismus zu dokumentieren; andererseits hielt man auch die Zeit aufgrund des wissenschaftlichen Dialogs für reif, die Rechte der Opposition ausdrücklich festzuschreiben.

{RN:121}
2.1.5.-->Das Landesverfassungsgericht geht davon aus, daß „Stützen“ i. S. des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf eng mit dem Begriff des „Vertrauens“ verknüpft ist und daß die für den Normalfall einer „Minderheits-Opposition“ gegen eine „Mehrheits-Regierung“ zu entwickelnden Grundsätze“ (2.1.5.1.) auch im umgekehrten Fall einer „Mehrheits-Opposition“ gegen eine „Minderheits-Regierung“ zu gelten haben (2.1.5.2.).

{RN:122}
2.1.5.1.--> „Stützen“ bedeutet, „Vertrauen“ zu „geben“ (2.1.5.1.1.); das Handeln des einzelnen Abgeordneten gilt nicht ohne weiteres zugleich als Handlung der Fraktion (2.1.5.1.2.).

{RN:123}
2.1.5.1.1.-->Der Hilfsbegriff „stützen“ erfaßt wegen seines voluntativen Elements nur Handlungen, die bezwecken, eine Regierung zu bilden oder im Amt zu „halten“; hinter dieser Anforderung bleiben Handlungen zurück, die lediglich in ihrer Auswirkung geeignet sind, dies zu leisten, oder die für einen solchen Erfolg nur ursächlich sind. Das entspricht am ehesten dem allgemeinen Sprachgebrauch des Hilfsbegriffs, und zwar gerade dann, wenn dessen Nebenbedeutungen „tragen“ oder „unterstützen“ mitgedacht werden. Das subjektive Element darf auch deshalb nicht vernachlässigt werden, weil die Handlungen, welche die Regierung „stützen“, solche sind, die „Personen“ in deren Amt bringen oder darin halten sollen; deren Tätigkeit wird von subjektiven „Erwartungen“ getragen, welche die „Vertrauensentscheidung“ determinieren. Dies ist die Grundlage der „Verantwortlichkeit“ in den Fällen der Wahlentscheidung nach Art. 65 Abs. 2 LSA-Verf, der Stimmabgabe über die Vertrauensfrage nach Art. 73 Abs. 1 LSA-Verf wie auch (im Ansatz) beim sog. „Mißtrauensvotum“, für die zusammen sich der Begriff eingebürgert hat, die Regierung bedürfe „des Vertrauens“ (vgl. etwa: Badura, in Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. I, 1987, S. 960 [RdNr. 12 zu § 23]) und „Vertrauen“ sei ein sowohl von politischen Umständen, aber auch gerade von „persönlichen“ Auffassungen des Abgeordneten abhängiger staatsrechtlicher Tatbestand (Badura, a. a. O., S. 960 f [RdNr. 13 zu § 23]).

{RN:124}
Solches „Vertrauen“ ist dann zugleich eine einzelnen Rechtsträgern zurechenbare Handlung; sie „stützt“ die „verantwortlichen“ Personen. Diesen Hintergrund verliert der Begriff „stützen“ auch dann nicht, wenn er vom ursprünglichen Verhältnis des einzelnen Abgeordneten zur „Regierung“ auf das im Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf völlig gleichartig behandelte der „Fraktion“ zur „Regierung“ übertragen wird.

{RN:125}
Daß die Landesverfassung den eher eine dienende, helfende Haltung kennzeichnenden Hilfsbegriff („stützen“) statt eines auf eine Teilhabe (an politischer Macht) deutenden („beteiligt“) verwendet, verlangt der Systemzusammenhang. Wegen der Funktionstrennung zwischen Landtag und Regierung kann eine Fraktion als solche nicht Teil der Regierung, sondern allein des Parlaments sein. Nur die dahinter stehende politische Partei ist allenfalls an beiden Institutionen sowie an einer Parlamentsmehrheit „beteiligt“; Fraktionen sind - auch wenn Art. 47 LSA-Verf dies nicht als notwendig voraussetzt - in der Regel Zusammenschlüsse von Abgeordneten derselben Partei und repräsentieren diese gleichsam im Parlament. Nach W. Schmidt (Chancengleichheit der Fraktionen unter dem Grundgesetz, „Der Staat“, Bd. 9 [1970], S. 481 [488]) sind „Fraktionen nichts anderes als die Parteien im Parlament“. Damit respektiert „stützen“ einerseits den Grundsatz der Gewaltentrennung, kennzeichnet aber andererseits den durch die Partei hergestellten Zusammenhang im gemeinsamen politischen Konzept, den auch das Bundesverfassungsgericht für wesentlich gehalten hat (BVerfGE 20, 56 [101]; 60, 53 [66 f]).

{RN:126}
In demselben Umfang, in welchem ein Abgeordneter oder eine Fraktion die Regierung „unterstützt“, kann diese sich auf die ihr „vertrauenden“ Personen oder die Fraktion „abstützen“. Dieses Bild, das zunächst nur für die Abgeordneten-Mehrheit oder für eine einzelne Mehrheitsfraktion gilt, paßt genau so für eine Fraktion als Teil einer Parlamentsmehrheit. Es kennzeichnet den Grundinhalt von „Vertrauen“ als gegenseitiger Basis, so daß „unter-“stützen mit Vertrauen „geben“ und „ab-“stützen mit Vertrauen „nehmen“ gleichzusetzen ist.

{RN:127}
Die Regierung stützt sich auf eine für sie „verläßliche“, über die Einzelabrede für jedes Einzelprojekt hinausreichende und in diesem Sinn „dauerhafte“ Mehrheit.
Mit dem „Unterstützen“ verbinden die Abgeordneten und die Fraktion zugleich die Erwartung, die Regierung werde ein Sachprogramm umsetzen, das auf einer wenigstens im wesentlichen übereinstimmenden politischen Grundüberzeugung der Regierungs- und der Fraktionsmitglieder beruht. Da der Abgeordnete und die Fraktion ihre „Unterstützung“ beenden können, gewinnen sie faktisch Einfluß auf die Zusammensetzung der Regierung und deren Amtsausübung. Dieser Einfluß kann in einem weiten Sinn als „Beteiligung“ an der Regierung bezeichnet werden. Deshalb ist gerade Schneider zuzustimmen, der die „Opposition“ in erster Linie als „an der Regierung nicht beteiligt“ ansieht, weil sie keinen („politischen“) Einfluß auf die Richtlinienkompetenz des Regierungschefs, die Ressortverantwortungen der Minister oder überhaupt auf die Zusammensetzung des Kabinetts hat (H. P. Schneider, Opposition, S.121; derselbe, Handbuch, S. 577 [RdNr. 98 zu § 13]).
Diesen „faktischen Teilhabevorsprung“ der die Regierung „stützenden“ Fraktionen soll Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf zugunsten der von dieser politischen Teilhabe ausgeschlossenen „Opposition“ ausgleichen.

{RN:128}
„Vertrauen“ entsteht über die Wahl des Regierungschefs (Art. 65 Abs. 2 LSA-Verf) und über eine positiv beantwortete, vom Regierungschef gestellte Vertrauensfrage (Art. 73 Abs. 1 LSA-Verf).

{RN:129}
„Unterstützt“ wird aber in beiden Fällen nicht „die Regierung“, sondern nur der Regierungschef, worauf bereits oben hingewiesen war. Dieser vermeintliche Systembruch ist für den Regelfall durch Auslegung zu überwinden.

{RN:130}
Für die Landesverfassung von Sachsen-Anhalt kann die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Bundesverfassung (BVerfGE 62, 1 [37]) herangezogen werden, weil sich die Regelungen gleichen. Mittels seiner Wahlstimme für den Ministerpräsidenten (Art. 65 Abs. 2 LSA-Verf) oder mittels seiner Stimme für die von diesem gestellte Vertrauensfrage (Art. 73 Abs. 1 LSA-Verf) „gibt“ der Abgeordnete „Vertrauen“ normalerweise auch für die übrigen, vom Regierungschef abhängigen Minister (Art. 65 Abs. 3 LSA-Verf) und damit für die Regierung insgesamt (Art. 64 Abs. 1 LSA-Verf). Seine Stimmabgabe umfaßt in diesem Regelfall die „Erwartung“, der Regierungschef werde nach seiner Wahl die übrigen Mitglieder entsprechend seinen Ankündigungen oder anders abschätzbaren Kriterien berufen (Art. 65 Abs. 3 LSA-Verf). Zwar ist die „vollziehende Gewalt“ insgesamt „parlamentarisch verantwortlich“, d. h. vom Vertrauen einer Mehrheit der Abgeordneten abhängig, und „vollziehende Gewalt“ hat nach Art. 64 Abs. 1 Satz 1 LSA-Verf die Landesregierung als Kollegium; nach der Verfassungslage kann der Abgeordnete der „Regierung“ i. S. des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf das diese „stützende“ Vertrauen aber nur dadurch aussprechen, daß er den Ministerpräsidenten wählt und davon ausgeht, dieser werde „erwartungsgemäß“ handeln.

{RN:131}
Allerdings läßt der auf die „Regierung“ abstellende Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf zu, daß nicht jede Stimme für den Ministerpräsidenten auch als „Vertrauens-Beweis“ für die Regierung und deren Sachprogramm insgesamt gewertet werden muß, sondern bloße „Verlegenheitslösung“ sein kann, im äußersten Fall weil der Abgeordnete nur im eigenen Interesse handelt und den Bestand des Landtags und damit das eigene Mandat erhalten will.

{RN:132}
Ein Abgeordneter, der sich weigert, überhaupt einen Ministerpräsidenten zu wählen, riskiert immerhin, daß sich eine Mehrheit von Abgeordneten für die Auflösung des Landtags entscheidet (Art. 65 Abs. 2 Satz 3 LSA-Verf). Ein Abgeordneter, der dem bereits amtierenden Ministerpräsidenten die Stimme verweigert, riskiert die Auflösung des Landtags auf Antrag des Regierungschefs ohne Mehrheit (Art. 73 Abs. 1 LSA-Verf).
Mit Recht haben deshalb Herzog (in Maunz / Dürig, GG, Art. 63 RdNr. 54) und Mahnke (LSA-Verf, Art. 65 RdNr. 7) in diesen Regelungen ein Druckmittel gesehen, das den Abgeordneten dazu bewegen kann, sich gegen seine innere Einstellung trotzdem zu beugen und einen der vorgeschlagenen Kandidaten „aus Not“ zu wählen.

{RN:133}
Da „Stützen“ als „Handlung“ auch den Willen voraussetzt, der Regierung „Vertrauen“ zu „geben“, kann schon zweifelhaft sein, ob eine solche „erzwungene“ Stimmabgabe bereits den Ministerpräsidenten nur rein faktisch an die Macht bringt. Jedenfalls kann nicht angenommen werden, daß ein solcher Abgeordneter einer Regierung insgesamt oder gar noch deren wesentlichem Programm „Unterstützung“ gewähren will; denn er verbindet mit seiner Stimme schon keinerlei „Erwartung“ für die Regierungsbildung nach Art. 65 Abs. 3 LSA-Verf mehr. Ein so „handelnder“ Abgeordneter zahlt den Preis, daß er um des Verbleibs im Landtag willen regiert „wird“, aber er „stützt“ nicht und ist deshalb gezwungen, seinen Einfluß „als Opposition“ geltend zu machen.
Auf ihn kann sich auch die Regierung nicht „abstützen“; denn die einmalige Stimmabgabe für den Regierungschef läßt nicht erwarten, daß sich die Regierung bei ihrem Sachprogramm auf diesen Abgeordneten „verlassen“ kann.

{RN:134}
Mit Recht hat Herzog (bei Maunz / Dürig, a. a. O., Art. 63 RdNr. 54) Abgeordnete des Bundestags der „Opposition“ zugerechnet, wenn sie zwar den Kanzler mitgewählt haben, aber anschließend die Regierung und deren Programm nicht unterstützen.
Die „Vertrauen“ bildende Handlung ist für die Anwendung des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf in diesem Umfang „teilbar“; denn der Vertrauensgeber bestimmt nach seinen „Erwartungen“, wie weit seine „Unterstützung“ reichen soll; daraus ergibt sich zugleich, wie weit die „Verläßlichkeit“ reicht. Diese Möglichkeit, inhaltlich einzuschränken, klingt auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur „provozierten Vertrauensfrage“ des Art. 68 GG an; denn das Gericht hat die gegen den zuvor mit Mehrheit gewählten Kanzler abgegebenen Stimmen für verfassungsgemäß gehalten, obgleich das Hauptziel nicht „Mißtrauen“ war, sondern zu einer Neuwahl zu gelangen, weil das dem Kanzler zuvor erteilte „Vertrauen“ nur ein Notprogramm habe tragen sollen und von der Bedingung abhängig gewesen sei, Neuwahlen einzuleiten (BVerfGE 62, 1 [38, 53 ff, 59, 61]).

{RN:135}
Wird zwischen dem Vertrauen für einerseits einen Regierungschef und andererseits der mit dessen Wahl verknüpften „Erwartung“ (in dessen Regierungsbildung und das Regierungs[sach]programm) differenziert, so zwingt das andererseits nicht auch, zwischen einem „Einsetzungsakt“ (Wahl des Ministerpräsidenten) und einem späteren „Vertrauensakt“ für die Regierung zu unterscheiden sowie - darauf aufbauend - wie bei der Weimarer Verfassungslage späteres „Tolerieren“ dem „Stützen“ im Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf gleichzuachten; denn der oben abgelehnte Vergleich verbietet sich auch hier. Die Konstruktion ist deshalb entstanden, weil der Reichskanzler von zwei ihn „stützenden“ Handlungen unterschiedlicher Verfassungsorgane (Reichspräsident und Reichstag [Mehrheit von Abgeordneten]) abhängig war, der Ministerpräsident hingegen allein des Vertrauens einer ihn „stützenden“ (normalerweise „absoluten“, im Ausnahmefall der Minderheitsregierung eben gerade auch „relativen“) Mehrheit im Landtag bedarf. Damit geht es bei der oben vorgenommenen Differenzierung bloß um die Reichweite einer einzigen Handlung.

{RN:136}
Systematische Gründe oder Gemeinwohl-Gesichtspunkte zwingen zu keiner Korrektur dieses Ergebnisses (vgl. insoweit den Ansatz bei BVerfGE 62, 1 [42, 51]); denn eine etwa drohende „Blockade“ zwischen einem amtierenden Ministerpräsidenten, der keine Mehrheit für sein Sachprogramm findet, und einem Landtag, dessen Mehrheit „destruktiv“ bleibt, weil er den Ministerpräsidenten nicht zu stürzen vermag (Art. 72 Abs. 1 LSA-Verf), kann der Ministerpräsident beenden, indem er die Vertrauensfrage stellt und bei deren Verneinung die Auflösung des Landtags verlangt (Art. 73 Abs. 1 LSA-Verf); der Landtag kann sich mit qualifizierter Mehrheit selbst auflösen (Art. 60 Abs. 1 LSA-Verf).

{RN:137}
Aufklärbar ist nicht immer, ob der Abgeordnete hat in vollem Umfang „Vertrauen geben“ oder „in Opposition bleiben“ wollen; denn jedenfalls die Wahl des Ministerpräsidenten ist geheim (Art. 65 Abs. 1 LSA-Verf).
Rückschlüsse als Indizien bis hin zu einem „Beweis des ersten Anscheins“ sind allerdings möglich, wenn und soweit dem Abgeordneten bestimmte Äußerungen oder Erklärungen zugerechnet werden können oder weil sich der Abgeordnete wegen seiner „Einbindung in seine Fraktion“ deren Willensbildung zurechnen lassen muß.

{RN:138}
2.1.5.1.2.-->Daß eine Fraktion „stützt“, ist nicht schon allein mit dem Verhalten ihrer Mitglieder zu belegen, weil Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf beide als selbständige Rechtsträger behandelt. „Vertrauensgeber“ wiederum können die Fraktionen aus eigener Macht nicht sein, soweit gerade die Wahlentscheidungen beurteilt werden, sondern nur die Abgeordneten als Teil einer Mehrheit. Das verlangt eine besondere „Zurechnung“ an die Fraktion, wenn auch sie selbst i. S. des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf „stützen“ soll. In diesem Sinn setzt das „Stützen“ bei der Fraktion eine „eigene Handlung“ voraus. Selbst wenn eine Mehrheit von Angehörigen derselben Fraktion „für die Regierung stimmt“ - und dies trotz Art. 65 Abs. 1 LSA-Verf nachweisbar wäre -, könnte allein dieser Umstand noch nicht als Fraktionsverhalten gewertet werden. Die Verfassung sieht in der Fraktion nur ein Instrument, vor allem die parlamentarische Willensbildung zu unterstützen (Art. 47 Abs. 2 Satz 2 LSA-Verf), und behandelt sie zu diesem Zweck als selbständige Gliederung mit eigenen Rechten (Art. 47 Abs. 2 S. 1, 2 LSA-Verf).

{RN:139}
Die Zurechnung erfordert damit eine interne Willensbildung innerhalb der Fraktion, um die „fremde“ Handlung ihrer Mitglieder zugleich als ihre „eigene“ gelten zu lassen. Das erscheint vor allem auch deshalb nötig, weil die Landesverfassung immerhin die Eigenständigkeit des Abgeordneten als des „Vertrauens-Gebers“ für die Wahlentscheidung nach Art. 65 Abs. 2 LSA-Verf zusätzlich dadurch betont, daß sie diese wichtige Abstimmung geheim hält (Art. 65 Abs. 1 LSA-Verf), und dadurch sogar in Kauf nimmt, daß sich Abgeordnete nicht „fraktionskonform“ verhalten.

{RN:140}
Auch Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf läßt keinen Rückschluß darauf zu, daß -über das durch Art. 47 LSA-Verf umschriebene Verhältnis zwischen der Fraktion und ihren Mitgliedern hinaus - bereits die (vermutete) Stimmabgabe einzelner Abgeordneter der Fraktion zugerechnet werden kann; denn die Definition führt den Abgeordneten neben der Fraktion auf und läßt für beide gerade eine unterschiedliche Zuordnung zu. Soweit die Materialien darauf deuten, die Einfügung der „Mitglieder des Landtages“ in diese Bestimmung meine nur die „fraktionslosen“ Abgeordneten, während die anderen als durch ihre Fraktion repräsentiert zu gelten hätten, hat dies keinen Niederschlag im Wortlaut gefunden und ist auch mit den Regelungen der Art. 65, 73 LSA-Verf systematisch nicht zu vereinbaren, die allein eine Abgeordneten- und keinerlei Fraktionskompetenz(en) kennen: Die hier zu beurteilenden Wahlen und Abstimmungen sind ausschließlich unabhängigen (vgl. Art. 41 Abs. 2 LSA-Verf) Abgeordneten als Entscheidungsträgern anvertraut. Die Bündelung dieser Willensbildung ist (davon unabhängig) allein der Fraktion überlassen (vgl. Art. 47 Abs. 2 Satz 2 LSA-Verf).

{RN:141}
Ein Rückschluß auf das für Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf wesentliche Verhalten der Fraktion ist nur möglich, soweit diese die Willensbildung ihrer Abgeordneten für die Wahlentscheidung bewußt hat „binden“ wollen und sie versucht hat zu „strukturieren“. Daß der „unabhängige“ Abgeordnete daran rechtlich tatsächlich nicht gebunden ist, bleibt hierfür ohne Belang.

{RN:142}
Hinzu kommt: Von den Verfassungsbestimmungen über eine drohende Auflösung des Landtags geht nicht nur Druck auf einzelne Abgeordnete aus, überhaupt einen Ministerpräsidenten zu wählen, sondern auch auf die ihre Gesamtpartei repräsentierende Fraktion, wenn zu befürchten ist, daß sie nach einer drohenden Neuwahl die gegenwärtige Position nicht wiedererlangen kann oder doch befürchten muß, nicht denselben politischen Einfluß nehmen zu können. Auch ein solcher Umstand kann - worauf Herzog zutreffend hingewiesen hat (in Maunz / Dürig, GG, Art. 63 RdNr. 54 [Abschn. c)]) - für eine Fraktion Anlaß sein, zwar den Ministerpräsidenten „mitzuwählen“, sich aber anschließend nicht an der Regierung zu „beteiligen“ und die „Oppositionsrolle“ anzunehmen.

{RN:143}
Da die Fraktion in diesem Fall höchstens den Ministerpräsidenten „unterstützt“, falls sie ihren Abgeordneten empfiehlt, ihn nur ins Amt zu bringen, um der Verfassung Genüge zu tun und die Neuwahl zu vermeiden, nicht aber auch seine Regierungsbildung oder gar sein Programm zu billigen, kann sich ein „Vertrauen“ wiederum (wie schon oben beim Abgeordneten ausgeführt ist) allenfalls auf den Ministerpräsidenten beziehen und umfaßt nicht den üblichen vollen „Vertrauensbeweis“ für die Regierung, die als „vollziehende Gewalt“ insgesamt vom Vertrauen abhängig ist. Da „Vertrauen“ und „Stützen“ kongruent sein müssen, verläßt die Fraktion in diesem Fall ihre „Oppositionsrolle“ nicht, da auch für die Teilbarkeit des „Vertrauens“ bei der Zurechnung an die Fraktion dieselben Grundsätze gelten, wie sie oben für den Abgeordneten entwickelt worden sind.

{RN:144}
Schließen aber weder die (vermutete) Mitwirkung von Abgeordneten als den Mitgliedern einer bestimmten Fraktion noch sogar eine dieser zuzurechnende Wahlempfehlung ausschließlich für die Wahl des Ministerpräsidenten die „Oppositionsrolle“ aus, dann bedarf es zur Begründung des „Stützens“ einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Erklärung dahin, daß die Fraktion die Regierung insgesamt und deren Politik mittrage.

{RN:145}
Der stärkste Hinweis auf eine „Zusammenarbeit“ zwischen mehreren Fraktionen und der Regierung ist der „Koalitionsvertrag“, dessen Bindungswirkung umstritten ist, der aber die für die Anwendung des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf erforderliche „Zurechnung“ für die „stützenden“ Handlungen der Fraktionsmitglieder zulasten der Fraktion zu liefern vermag (vgl. zum Charakter von „Koalitionsvereinbarungen“ i. e.: H. P. Schneider, Alternativ-Kommentar zum Grundgesetz, Art. 63 RdNr. 3, m. w. Nachw. in Fußn. 4; Herzog, in Maunz / Dürig, GG, Art. 63 RdNrn. 9 ff; Pieroth in Jarass / Pieroth, GG, 3. Aufl., Art. 65 RdNr. 3, m. w. Nachw.; vgl. auch: H. P. Schneider / W. Zeh, Koalitionen, Kanzlerwahl und Kabinettsbildung, in Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, S. 1311 [RdNr. 39 zu § 48]: „Zweck, nicht nur die Mitglieder der Regierung, sondern auch die Mehrheitsfraktionen an ein bestimmtes politisches Sach- und Personalprogramm zu binden“). Diese Vereinbarung kann auch dann der Fraktion zugerechnet werden, wenn diese einen von der hinter ihr stehenden Partei abgeschlossenen „Vertrag“ ohne weiteres übernimmt. Die Zurechnung wird unterbleiben müssen, wenn die Fraktion erkennbar das von der Partei ausgehandelte Ergebnis nicht tragen will. Für den einzelnen Abgeordneten als Fraktionsmitglied stellt sich diese Frage nicht, weil seine Beziehung zur Regierung wegen Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf eigenständig zu klären ist.

{RN:146}
Eine Fraktion kann i. S. des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf „stützen“, wenn sie zu einer bestehenden Koalition ihren „Beitritt“ erklärt oder wenn aus ihrem Gesamtverhalten darauf geschlossen werden kann, sie wolle künftig die Zusammensetzung der Regierung und deren Politik „mittragen“.
Eine einseitige Erklärung reicht aber noch nicht aus:
Da nicht nur die Fraktion in der „Opposition“ bleibt, die sich selbst nicht an der Regierung beteiligen will, sondern auch diejenige in die „Opposition“ gedrängt wird, mit der die andere(n) Fraktion(en) nicht zusammenarbeiten wollen, verlangt „Stützen“ auch, daß die Regierung den „Vertrauens-Beweis“ entgegennimmt, um davon künftig Gebrauch zu machen. Darin zeigt sich die Parallele zum „Koalitionsvertrag“, der gleichfalls Übereinstimmung voraussetzt.

{RN:147}
Der Hilfsbegriff „Stützen“ verlangt andererseits nicht, daß eine Fraktion mit Angehörigen ihrer politischen Richtung personell in der Regierung vertreten - und damit „an ihr beteiligt“ - ist; denn es reicht aus, daß die Fraktion einer bestimmten Zusammensetzung der Regierung insgesamt „Vertrauen“ entgegenbringt (vgl. auch BVerfGE 62, 1 [37], für die gleiche Problematik bei der Bundesverfassung).

{RN:148}
Solche Erklärungen über eine politische Zusammenarbeit müssen sich die beteiligten Fraktionen für die Anwendung des Art. 48 LSA-Verf zurechnen lassen, wenn und weil der in Aussicht genommene Regierungschef durch die erforderliche Mehrheit der Abgeordnetenstimmen tatsächlich gewählt worden ist. Welchem „Lager“ die einzelne Stimme zuzurechnen ist, bedarf (wegen Art. 65 Abs. 1 LSA-Verf) dann - nach den Grundsätzen des Beweises des „ersten Anscheins“ - keiner Klärung mehr.

{RN:149}
Ist „Stützen“ i. S. des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf ein „Vertrauensfall“, dann werden die Folgen des Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf entsprechend seinem Sinn handhabbar; denn sie lassen sich für eine notwendige relative Dauer abschätzen. Zwar werden die Vertrauens-„Beweise“ nach Art. 65, 73 LSA-Verf nur punktuell zu einem bestimmten Zeitpunkt abgegeben; sie vermögen aber zugleich Beginn und Ende der für den Hilfsbegriff des „Stützens“ wesentlichen „Vertrauens lage“ zu markieren. Eine Fraktion ist keine „Stütze“ mehr, sobald sie sich aus Anlaß einer Abstimmung nach Art. 73 Abs. 1 LSA-Verf dafür ausspricht, dem Regierungschef das Vertrauen entziehen zu wollen, oder sobald sie auf andere Weise den (nach außen erkennbaren) „Koalitionsbruch“ - etwa durch ausdrückliche Ablehnung eines Gesetzesvorhabens wegen Vertrauensentzugs (vgl. dies als Gegenstück zur Möglichkeit des Ministerpräsidenten, mit einem Gesetzesvorhaben die Vertrauensfrage nach Art. 73 LSA-Verf zu verbinden) oder durch eine „Aufkündigung“ ihrer „verläßlichen“ Bereitschaft, zu den notwendigen Mehrheiten für das Sachprogramm der Regierung beizutragen - herbeiführt.

{RN:150}
2.1.5.2.-->Diese Grundsätze sind auf den Fall einer von der Verfassung zugelassenen „Mehrheits-Opposition“ übertragbar und lassen auch verschiedenartige „Strategien“ mehrerer „Oppositions-“Fraktionen (konkurrierend) nebeneinander zu (2.1.5.2.1.). Maßgeblich für den „Übertritt“ in das „Regierungslager“ ist auch hier allein ein „Vertrauenstatbestand“ (2.1.5.2.2.). Dieser kann nicht in der Ablehnung eines „Mißtrauens-“Antrags nach Art. 72 Abs. 1 LSA-Verf gesehen werden (2.1.5.2.3.) und ergibt sich in der Regel auch nicht aus der Art, wie parlamentarische Kontrollrechte ausgeübt werden (2.1.5.2.4.), oder aus der Zustimmung zu Gesetzesvorhaben, sofern diese nicht „koalitionsähnlich“ erwartet werden darf (2.1.5.2.5.).

{RN:151}
2.1.5.2.1.-->Da „Opposition“ begrifflich nicht nur als Minderheit denkbar ist, unterscheidet sich der Fall des Minderheits-Kabinetts mit „Mehrheits-Opposition“ vom eben dargestellten Normalfall der Mehrheits-Regierung mit Minderheits-Opposition allein dadurch, daß die Opposition hier rein rechnerisch stärker ist als die Zahl der Abgeordneten, welche die Regierung „stützen“.

{RN:152}
Anders als eine „Koalition“ benötigt die „Opposition“ für ihre allein parlamentarische Arbeit aber auch dann keine gemeinsame Basis, keinen Vertrag oder sonstiges Bündnis; denn „Opposition“ wird nicht „gebildet“, sondern „entsteht“: es handelt sich um den Teil des Parlaments, der - aus welchen Gründen auch immer - an der Regierung (in dem beschriebenen, die politische Mitverantwortung kennzeichnenden, weiten Sinn) „nicht beteiligt“ ist.

{RN:153}
Die Verfassung stellt jeder „Oppositionsfraktion“ gesondert jeweils selbständig alle Mittel zur Verfügung, die dem Parlament insgesamt oder einer Fraktion als Teil des Landtags dazu dienen sollen, die Regierung zu kontrollieren. Es sind - außer dem „Mißtrauensvotum“ - dieselben Befugnisse, die sogar den „Regierungsfraktionen“ (im prinzipiell gleichen Umfang) zustehen. Jede Fraktion macht davon nach ihrer eigenen politischen Einstellung (tendenziell unterschiedlichen) Gebrauch.

{RN:154}
Sonderrechte hat die „Opposition“ nur nach Art. 48 Abs. 2 LSA-Verf, deren Wahrnehmung allerdings gleichfalls keinerlei „Kooperation“ verlangt. Unter mehreren Fraktionen wird auch keine (etwa die stärkste) herausgehoben; die Landesverfassung kennt keine „Oppositions-“ oder sonstige „Meinungsführerschaft“.

{RN:155}
Die Verfassung hält den Grundsatz, „Opposition“ nur „entstehen“ zu lassen, auch beim sog. „Fernziel“ durch. Soweit es zur Aufgabe der „Opposition“ gehört, die amtierende Regierung „abzulösen“, enthält Art. 72 Abs. 1 LSA-Verf nur die Möglichkeit, dieses Ziel „konstruktiv“ zu erreichen, verbietet aber damit keinesfalls zugleich „destruktive“ Eigenständigkeit. Die Bestimmung über das „Mißtrauensvotum“ enthält damit nicht das verfassungsrechtliche Gebot, sämtliche „Oppositionsfraktionen“ seien um des „gemeinsamen Fernziels“ willen verpflichtet, alles in ihrer Macht Stehende zu versuchen, um „konsensual“ die Regierung zu stürzen. Jede Fraktion darf vielmehr ihren eigenen Weg suchen, um das „Fernziel“ eines Regierungswechsels zu erreichen.

{RN:156}
Meyer (in Schneider / Zeh, S. 161 [RdNr. 118 zu § 4]) hält es zutreffenderweise geradezu für verfassungsrechtlich unzulässig, „die Opposition“ als eine Einheit zu betrachten. Davon dürften sich Schneider und Zeh unterscheiden; denn sie gehen von einem „verfassungs rechtlichen Auftrag“ aus, den politischen Machtwechsel herbeizuführen (H. P. Schneider / W. Zeh, Koalitionen, Kanzlerwahl und Kabinettsbildung, in Schneider / Zeh, S. 1303 [RdNr. 22 zu § 48]). Selbst ein solcher „Auftrag“ - bestände er denn als rechtliche Verpflichtung - kann aber nicht schon über den Wortlaut des Art. 72 Abs. 1 LSA-Verf hinaus auch eine „Verpflichtung zum Sturz“ begründen.

{RN:157}
Außerdem ist das konstruktive „Mißtrauensvotum“ nicht die einzige Möglichkeit, auf die Zusammensetzung der Regierung Einfluß zu nehmen, nur die einzige gegen den Willen des amtierenden Ministerpräsidenten. Dieser könnte nämlich durchaus seine Regierung auf der Grundlage des Art. 65 Abs. 3 LSA-Verf umbilden. Schon diese Konkurrenz macht deutlich, daß die Verfassung die „Opposition“ nicht verpflichtet, das „Fernziel“ gerade gemeinsam durchzusetzen. Ein solches Gebot läßt sich auch weder aus dem Grundsatz „parlamentarischer Verantwortlichkeit der Regierung“ oder sonst aus dem „Demokratiegebot“ herleiten; denn diesen Verfassungsprinzipien ist mit der Abhängigkeit der Regierung vom „Vertrauen“ des Landtags und mit den Regeln über die Gesetzgebung genügt. Die Garantie von „Opposition“ setzt gleichfalls nicht voraus, daß innerhalb der laufenden Legislaturperiode nur auf „Sturz der Regierung“ hinzuarbeiten ist. Auch wenn es die wesentliche Aufgabe der Opposition ist, „politische Alternativen“ zu bilden, belegt dies keine Rechtspflicht zum Regierungssturz.
Nach alledem erweist sich das Schlagwort als unrichtig: „Wer nicht stürzt, stützt.“

{RN:158}
Die „Oppositionsfraktion“ bestimmt ferner allein nach ihrer Vorstellung, in welchen Politikfeldern sie die Regierung bekämpft und in welchen sie nach ihrem Eigenverständnis und nach ihrer Grundkonzeption sachbezogen kooperieren will. Andererseits ist die Bereitschaft zu „konstruktiver Zusammenarbeit“ keineswegs „zwingend“ - wie Schneider zu Recht meint (H. P. Schneider, Opposition, S. 76) - mit dem Oppositionsbegriff zu verbinden, weil Opposition eher im Gegenteil von der „konkreten Gegenposition zu dominanten Kräften“ lebe. Aus dieser grundsätzlichen Einordnung ist wiederum für die „Mehrheits-Opposition“ nichts zu gewinnen, deren „Gegenkraft“, einer „Minderheits-Regierung“, die Dominanz gerade fehlt.

{RN:159}
Sowohl beim „Fernziel“ als auch bei der „Strategie“ können mehrere Fraktionen innerhalb der „Opposition“ ohne weiteres nicht nur unterschiedlicher Auffassung sein, sondern sich sogar als Konkurrenten gegenseitig zu behindern suchen, ohne bereits deswegen - jeder für sich - die „Oppositionsrolle“ zwangsläufig aufzugeben.

{RN:160}
Da außerhalb des Art. 72 Abs. 1 LSA-Verf auch der amtierende Ministerpräsident politisch gezwungen sein kann, seine Regierung auf der Basis des Art. 65 Abs. 3 LSA-Verf umzubilden, kann die einzelne „Oppositionsfraktion“ das „Fernziel“ nicht nur durch „Sturz“, sondern gerade auch mit dem Bestreben verfolgen, selbst in die Regierung einzutreten, wie Hereth (Die parlamentarische Opposition in der Bundesrepublik Deutschland) für die Oppositionsrolle der SPD im Deutschen Bundestag vor deren Eintritt in die sog. „Große Koalition“ im Jahr 1966 überzeugend nachgewiesen hat. Um den Regierungswechsel mit oder ohne den Sturz des amtierenden Regierungschefs vorzubereiten, kann sich die Fraktion - aus ihrem verfassungsrechtlichen „Oppositionsstatus“ heraus, der dadurch unangetastet bleibt - entschließen, nicht die Regierung oder einzelne Mitglieder anzugreifen, sondern die praktische Politik der Regierung zu ändern (a. a. O., S. 63), damit deren „Sachprogramm“ nach eigenem Ermessen zu beeinflussen und der Regierung den eigenen Willen aufzuzwingen (a. a. O., S. 16, 76). Die Chance hierfür hat die „Oppositionsfraktion“ desto eher, je mehr das Parlament in verschiedene Gruppen mit jeweils unterschiedlichen Zielsetzungen zerfallen ist (a. a. O., S. 63).

{RN:161}
Hereths Aussagen zur Strategie sind mit der Auslegung des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf vereinbar, obwohl er bei seinem Oppositionsbegriff davon ausgeht, daß eine die Regierung nicht „tragende“ Parlamentsgruppe nicht an der Regierung „beteiligt“ ist; denn er verlangt zusätzlich, daß diese Gruppe sich der Regierung „bewußt entgegenstellt“, sie „kritisiert“ und „Alternativen bildet“ (a. a. O., S. 10). Damit knüpft er letztlich gleichfalls an die Zielrichtung („nicht stützen“) an und bezieht in seine Strategie-Überlegungen jedenfalls kein Mittel ein, das als „Vertrauensbeweis“ zur personellen Zusammensetzung der Regierung oder zu gerade deren Sachprogramm gewertet werden muß. Dies wird dadurch bestätigt, daß auch Schneider einer von ihm so bezeichneten „loyalen“ oder „kooperativen“ Opposition durchaus die Möglichkeit offenläßt, „mit der Regierung zusammenzuarbeiten und so die eigenen politischen Ziele schon vor ihrer möglichen Regierungsübernahme zu verwirklichen“ (H. P. Schneider, Opposition, S. 108). Damit grenzt er eine der denkbaren Oppositionsstrategien (vgl. deshalb auch z. B. Opposition, S. 114) von insbesondere der „absoluten“ Variante ab, die sich etwa gegen eine bestimmte Gesellschaftsordnung, eine Wirtschaftsform oder ein Bildungssystem wendet (a. a. O., Opposition, S. 107 f). Das gilt insbesondere für sog. „Weltanschauungs- oder Interessenparteien“, die in einer Massendemokratie regelmäßig in der Minderheit sind (für das Beispiel BHE [= Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten] vgl. Gehrig, a. a. O, S. 141 f).

{RN:162}
Hereth, der es - wie Schneider (vgl. etwa H. P. Schneider, Handbuch, S. 578 [RdNr. 99 zu § 13]; derselbe, Schneider / Zeh, S. 1070 [RdNrn. 32, 33 zu § 38]) - für das Hauptziel der „Opposition“ hält, die Regierung im Amt abzulösen (Hereth, a. a. O., S. 10, 12), hat keinen Zweifel an der „Oppositionszugehörigkeit“ der damaligen SPD-Bundestagsfraktion gelassen; dies auch nicht etwa deshalb, weil sie versucht hat, die damals amtierende (Bundes-)Regierung durch eine neue unter ihrer Beteiligung abzulösen (a. a. O., S. 77 f; vgl. immerhin insoweit auch H. P. Schneider, Opposition, S. 122).

{RN:163}
2.1.5.2.2.-->Eine „Oppositionsfraktion“ kann allerdings nicht nur (wie im Normalfall bei einer Mehrheitsregierung) die schon vorhandene „Regierungsmehrheit“ verbreitern, sondern auch einer bisherigen Minderheitsregierung erst zur Mehrheit verhelfen. Da hierfür die Wahl eines anderen Regierungschefs nicht Bedingung ist, geschieht dies nach den Regeln des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf dadurch, daß die Fraktion aus dem Lager der „nicht stützenden“ Fraktionen in das der „stützenden“ wechselt. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf kann keine Fraktion „beiden Lagern“ zugerechnet werden; denn entweder „stützt“ sie die Regierung oder sie gehört zur „Opposition“.

{RN:164}
Diesem Fall ähnlich und nur systematisch von ihm zu unterscheiden ist die Konstellation, daß eine Regierung in erster Linie durch Koalitionspartner „gestützt“ wird, gleichwohl keine „verläßliche“ Mehrheit besitzt und eine weitere Fraktion zusätzlich ihre „Unterstützung“ von Anfang an erklärt; dann handelt es sich um eine Mehrheitsregierung i. S. des zunächst erörterten „Normalfalls“, der dann eine „Minderheits-Opposition“ gegenübersteht. Der Unterschied ist danach allein, ob die „Unterstützung“ bereits zum Zeitpunkt der Wahl des Ministerpräsidenten (und im vollen Umfang) vorliegt oder nicht.

{RN:165}
Eine Fraktion, die einer Minderheitsregierung zur Mehrheit verhilft, wechselt das „Lager“ nicht schon dadurch, daß sie punktuell oder wiederholt mit den die Regierung stützenden Fraktionen eine „Gesetzgebungsmehrheit“ bildet, sondern erst dann, wenn sie außerdem (nunmehr) die Regierung „stützt“. Diese Frage beurteilt sich allein nach den für die Auslegung des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf entwickelten Regeln, setzt deshalb zunächst einen „Vertrauensbeweis“ voraus und weiter, daß dieser der Fraktion und nicht nur einzelnen Abgeordneten zugerechnet werden kann. Dies verlangt eine wenigstens „koalitionsähnliche“ Handlung.

{RN:166}
Daß die Regierung „gestützt“ wird, muß positiv festgestellt werden können. Ist das nicht möglich, spricht die Vermutung für die weitere Zugehörigkeit zur „Opposition“. Das folgt daraus, daß sich aus der Zahl der Abgeordneten eine positive Mehrheit für den „Vertrauensbeweis“ finden muß und daß „Regierungsmehrheiten“ gebildet werden, während „Opposition“ entsteht.

{RN:167}
Solche erkennbaren Handlungen sind insbesondere die Erklärung, die Fraktion werde dem Vertrauensantrag nach Art. 73 Abs. 1 LSA-Verf zustimmen, der Abschluß eines Koalitionsvertrags durch die Fraktion oder die hinter ihr stehende Partei oder einseitige, der Fraktion zuzurechnende und die Unterstützung für die Zukunft „verläßlich“ zusagende Erklärungen. Wie schon oben zum „Vertrauen-Nehmen“ festgestellt ist, muß sich aus dem Verhalten ergeben, daß sich die Regierung (nunmehr auch) auf diese Fraktion („ab-“)stützen kann.

{RN:168}
Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf setzt auch hier voraus, daß sich die Regierung „abstützen“ will. Anderenfalls bleibt die „stützungswillige“ Fraktion in die „Opposition“ gedrängt, und der versuchte „Lager-Übertritt“ ist nicht gelungen.

{RN:169}
Die „Minderheitsregierung“ erlangt deshalb eine „verläßliche“ parlamentarische Mehrheit mit Hilfe einer bisherigen „Oppositionsfraktion“ entgegen Schneider (Opposition, S. 120; Schneider / Zeh, S. 1070 [RdNrn. 32, 33 zu § 38]) nicht schon dadurch, daß sie lediglich „passiv geduldet“ oder nur „toleriert“ wird, weil das Merkmal „stützen“ bei Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf nicht erfolgs-, sondern zielgerichtet auszulegen ist und eine (evtl. nur zurechenbare) Handlung voraussetzt. Daran fehlt es, wenn „Dulden“ oder „Tolerieren“ nicht auf ein „Vertrauen-Geben“ (für die personelle Zusammensetzung der Regierung und deren „Sachprogramm“) schließen lassen. Allein das „verursachte Ergebnis“ - daß die Regierung sich im Amt „hält“ - reicht nicht aus, zumal auch Schneider einräumt, die Regierung werde im Fall der „Duldung“ nur „indirekt [ge]stützt“ (H. P. Schneider, in Schneider / Zeh, S. 1070 [RdNr. 32 zu § 38]).

{RN:170}
2.1.5.2.3.-->Anders als bei der positiven Beantwortung der vom Regierungschef gestellten „Vertrauensfrage“ (Art. 73 Abs. 1 LSA-Verf) wechselt eine „Oppositionsfraktion“ nicht dadurch in das „Unterstützungslager“, daß sie den von einer anderen „Oppositionsfraktion“ eingebrachten sog. „Mißtrauensantrag“ nach Art. 72 Abs. 1 LSA-Verf nicht mitträgt.

{RN:171}
Der wesentliche Teil des nicht korrekt bezeichneten „Mißtrauens“-Votums ist nämlich nicht („destruktiv“) ein dem bisherigen Amtsinhaber gegenüber ausgesprochener „Vertrauens entzug“, sondern („konstruktiv“) das dem Nachfolge-Kandidaten zu „gebende Vertrauen“. Diese, dem Kandidaten gegenüber vorzunehmende „Stütz-Handlung“ ist aber nach denselben Grundsätzen zu beurteilen, die gelten müßten, wenn dieser sich nach Art. 65 Abs. 1 LSA-Verf hätte (als erster Regierungschef) wählen lassen wollen: Dem neuen Regierungschef, der von ihm zu ernennenden Regierung und deren Sachprogramm muß „Vertrauen gegeben“ werden. Allenfalls wenn sie sich in diesem Ausnahmefall entschließt, den Sturz gemeinsam herbeizuführen, benötigt „die Opposition“ eine einheitliche Strategie und einen koalitionsähnlichen Zusammenhalt, verliert aber beim Erfolg des „Mißtrauensvotums“ auch genau deshalb (gemeinsam) ihre bisherige Oppositionsrolle, weil sie jetzt die (neue) Regierung „stützt“. Andererseits muß eine „Oppositionsfraktion“ selbst beim „konstruktiven Mißtrauensvotum“ nicht unbedingt mit einer weiteren „Oppositionsfraktion“ zusammenarbeiten, sondern kann auch versuchen, den Sturz des bisherigen Ministerpräsidenten mit Hilfe von Kräften zu erreichen, die ihn bislang getragen haben.

{RN:172}
Hat eine weitere (Oppositions-)Fraktion zu dem von einer agierenden ersten vorgeschlagenen (neuen Regierungschef-)Kandidaten hingegen genauso wenig „Vertrauen“ wie zu dem bisherigen Amtsinhaber, dann kann sie den Nachfolger nicht „unterstützen“ und verweigert bei der Abstimmung nach des Art. 72 Abs. 1 LSA-Verf allein deshalb die Wahlstimmen ihrer Abgeordneten. Dies mag den Amtsinhaber faktisch im Amt halten; aber das reicht für ein „Stützen“ i. S. des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf nicht aus, weil ihm gegenüber kein „Vertrauen“ „gegeben“ wird und deshalb seine „Unterstützung“ nicht gewollt ist.

{RN:173}
Das Ergebnis wird zudem durch folgende Kontroll-Überlegung erhärtet: Wäre es anders, dann hätte es die agierende Fraktion in der Hand, ihren Kandidaten durchzusetzen, obwohl ihre eigenen Kräfte nicht ausreichten und obwohl die „gezwungene Fraktion“ zu dem Kandidaten (ebenfalls) kein Vertrauen hat. Die agierende könnte sogar die weitere Fraktion aus der „Oppositionsrolle“ drängen, gleichgültig ob diese mitstimmte oder nicht, denn entweder „stützt“ sie den Kandidaten oder „duldet“ den Amtsinhaber.

{RN:174}
Die „Richtung“ der Handlung „Vertrauensgabe“ unterscheidet die Konstruktion des Art. 72 Abs. 1 LSA-Verf von derjenigen des Art. 73 Abs. 1 LSA-Verf: Die „Vertrauensfrage“ wird allein gegenüber dem Amtsinhaber beantwortet; das „konstruktive Mißtrauen“ ist aber nur dadurch möglich, daß einem anderen „Vertrauen“ gegeben wird. Eine bisher zur „Opposition“ rechnende Fraktion, welche - ihr zurechenbar - die Vertrauensfrage nach Art. 73 Abs. 1 LSA-Verf befürwortet, „wechselt die Seiten“ und „stützt“ fortan die Regierung (zusätzlich).

{RN:175}
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Wortwahl deutlich differenziert: Es verwendet das Wort „stützen“, um die Vertrauenssituation zu kennzeichnen, und spricht nur von „dulden“, wenn die Fraktion das konstruktive Mißtrauensvotum nicht unterstützt (vgl. BVerfGE 62, 1 [37/38, 61]).

{RN:176}
2.1.5.2.4.-->Die verfaßten Kontrollrechte des Parlaments wie das Informationsrecht aus Art. 53; 62 LSA-Verf, das Recht, Untersuchungsausschüsse (Art. 54 LSA-Verf) oder Enquête-Kommissionen (Art. 55 LSA-Verf) einzusetzen, und die abgeleiteten Befugnisse, die sich in den zwei Gruppen Kritik und Kontrolle (H. P. Schneider, Handbuch, S. 578 [RdNr. 100 zu § 13]; Stern, a. a. O., § 23 III 5 [S. 1044]) zusammenfassen lassen, können den Begriff „stützen“ i. S. des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf nicht erläutern, weil sie dem einzelnen Abgeordneten, der Fraktion oder dem Parlament als Ganzem bzw. unter Wahrung von Quoren unabhängig davon zustehen, ob der diese Rechte ausübende Abgeordnete oder die davon Gebrauch machende Fraktion dem „Regierungs-“ oder dem „Oppositionslager“ angehört. Diese „Parlamentsrechte“ sind im Ansatz für die Abgrenzung nach Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf gleichsam „wertneutral“.
Das gilt nicht für die dritte Gruppe „Alternativenbildung“ (vgl. H. P. Schneider, a. a. O.); die damit zusammenhängenden Fragen betreffen die bereits gesondert betrachteten „Oppositionsstrategien“ und die Auslegung des Art. 72 Abs. 1 LSA-Verf.

{RN:177}
Nur ausnahmsweise könnten Rückschlüsse daraus gezogen werden, daß eine bestimmte Gruppe im Parlament von den Kontrollrechten überhaupt keinen oder einen ausschließlich „regierungsfreundlichen“ Gebrauch macht. Dann aber muß es sich um Indizien handeln, die darauf schließen lassen, daß die Fraktion - „koalitionsähnlich“ - Kontrolle „von innen“ und nicht - wie bei der Opposition üblich - „von außen“ betreibt.

{RN:178}
Im übrigen ist ohne Belang, ob eine bestimmte Fraktion „fleißig“ ist oder auf welchen Politikfeldern sie den Schwerpunkt ihrer (dann eben auch „Oppositions-“)Arbeit setzt. Dies ist allein von der durch sie selbst bestimmten „Strategie“ abhängig.

{RN:179}
2.1.5.2.5.-->Differenzierter ist das Verhalten bei der Gesetzgebung zu beurteilen.

{RN:180}
Ausgangspunkt ist zwar auch hier, daß die punktuelle oder sogar wiederholte Zustimmung einer Fraktion zu Gesetzen wegen der systematischen Unterscheidung der eigenen Gesetzgebungszuständigkeit des Parlaments von andererseits der „Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament“ für die Frage des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf an sich „wertneutral“ ist; dies schließt aber nicht aus, daß sich aus einer „permanenten Zustimmung“ Indizien dafür herleiten lassen können, daß die Fraktion darüber hinaus die Regierung „stützt“. Diese Frage beantwortet sich nicht aufgrund statistischer Häufigkeit, sondern allein nach den für die Auslegung des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf entwickelten Regeln und setzt deshalb einen „Vertrauensbeweis“ voraus; dies verlangt eine wenigstens „koalitionsähnliche“ Handlung.

{RN:181}
Aus dem Grundsatz, die Staatsleitung stehe Regierung und Parlament „zur gesamten Hand“ zu (im Anschluß an Friesenhahn, Parlament und Regierung im modernen Staat, VVDStRL 16 [1958], S. 9 [38]), folgt nichts anderes; denn er vermag nur zu erläutern, daß die politische Gruppe, welche die Regierung stellt, auf Parlamentsmehrheiten angewiesen ist, weil sie ihre Politik gerade auch durch Gesetzgebung umsetzen muß und weil sie einen Haushalt benötigt. Damit ist aber nur eine materiale Teilhabe des Gesamtparlaments am Staatsganzen beschrieben, ohne daß zugleich die Opposition als „Teilmenge“ gegenüber dem Rest des Parlaments abgegrenzt wird. Die Regierung ist zwar für bestimmte Vorhaben auf eine Parlamentsmehrheit angewiesen, aber nur politisch und nicht rechtlich auf eine feste, „verläßliche“. Schneider (H. P. Schneider, Entscheidungsdefizite der Parlamente, AöR 105 [1980], S. 4 [15]) meint sogar, das Bild der „Staatsleitung zur gesamten Hand“ laufe Gefahr, eher einer Verwischung der politischen Verantwortlichkeiten Vorschub zu leisten.

{RN:182}
Inhalt der Abstimmung über einen Gesetzesvorschlag ist kein jeweils neuer „Vertrauensbeweis“ für die Regierung, sondern die konkrete Regelung eines Politikgegenstands. Grundsätzliche Einstellungen der politischen Gruppen, die sich auch in Regierung einerseits und Fraktionen andererseits widerspiegeln, werden dabei im Parlament „kontrovers“ erörtert, um akzeptable Lösungen erreichen. Dabei mag sich eine unterschiedliche „Nähe“ zur Regierungsposition zeigen; im Vordergrund steht aber die Entscheidung über die Sachfrage, nicht über die Regierung.

{RN:183}
Die Verfassung gewährleistet nicht nur die Entscheidung als Abstimmung (Art. 51 LSA-Verf), sondern vor allem auch die vorangehende „Verhandlung“ (vgl. Art. 50 Abs. 1 LSA-Verf), welche die Abstimmung vorbereiten und das Abstimmungsverhalten beeinflussen soll. Das Verhandeln von Argument und Gegenargument sowie die öffentliche Diskussion dienen dem Ausgleich widerstreitender Interessen und sind die wesentlichen Elemente des demokratischen Parlamentarismus’ (BVerfGE 70, 324 [355]). Sind Diskussion, Überzeugungsbildung und der Wille, eigene Standpunkte durchzusetzen, wesentlich für diesen Prozeß, dann kann für die Frage des „Stützens“ i. S. des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf jedenfalls nicht allein ausschlaggebend sein, ob eine „Oppositionsfraktion“ einer Regierungs- oder Koalitionsvorlage am Ende der Beratung zugestimmt hat, insbesondere dann nicht, wenn sie es unternommen hat, eigene Vorstellungen in der Beratung durchzusetzen. Immerhin fanden sogar im ersten Deutschen Bundestag 83,9 % der Gesetzesvorlagen die Zustimmung der damals oppositionellen SPD, weil diese der Ansicht war, wenigstens einen Teil ihrer Vorstellungen umgesetzt zu haben oder durch das Abstimmungsergebnis in ihrer Grundanschauung nicht beeinträchtigt zu sein (Gehrig, a. a. O, S. 135 f). Indiz für eine vom „Sachprogramm der Regierung“ politisch unabhängige Position ist insbesondere, daß die Fraktion eigene Vorlagen erarbeitet, eingebracht und durchzusetzen versucht hat. Ein wesentlicher Teil parlamentarischer Sacharbeit wird als Vorbereitung für die spätere „Verhandlung“ und Abstimmung im Landtag in den Fachausschüssen geleistet (Art. 46 Abs. 2 LSA-Verf). Diese haben als unabhängige Institutionen ein „beträchtliches Eigengewicht“ (Hereth, a. a. O., S. 58, 71) und können deshalb von der „Oppositionsfraktion“ für ihre eigenen Zwecke gleichsam instrumentalisiert werden.

{RN:184}
Sofern sich eine „Oppositionsfraktion“ entschlossen hat, ihre eigenen Vorstellungen durch Veränderung der Regierungspolitik durchzusetzen, gelingt ihr dies am ehesten durch die Ausschußarbeit (vgl. Hereth, a. a. O., S. 78 ff). Dies kann ohne Auswirkung auf die Position nach Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf dazu führen, daß die Fraktion je nach dem Grad des erzielten oder von ihr für erzielbar gehaltenen Kompromisses auch einer Vorlage zustimmt, die von der Regierung eingebracht worden war, was als „kooperatives“ Verhalten gewertet werden mag (a. a. O., S. 80 ff). Bei dieser Strategie liegt der Schwerpunkt der (gleichwohl von einer „Oppositionsfraktion“ geleisteten) Arbeit im „Verhandeln“ über den konkreten Politikgegenstand (a. a. O., S. 85 ff), ohne daß damit bereits das „Regierungssachprogramm“ insgesamt befürwortet wird.

{RN:185}
Noch innerhalb einer solchen „beeinflussenden Strategie“ und nicht bereits außerhalb der „Oppositionsrolle“ liegt neben einer Mitarbeit an Gesetzen auch diejenige am Haushalt(sgesetz). Dieser Auffassung steht nicht schon entgegen, daß der Haushaltsplan als „Wirtschaftsplan und zugleich ein staatsleitender Hoheitsakt in Gesetzesform“ (BVerfGE 70, 324 [355]) eine mit den anderen Gesetzen nicht unbedingt vergleichbare besondere Bedeutung hat, wie sich auch verfahrensrechtlich an dem sog. „Bepackungsverbot“ (Art. 93 Abs. 4 LSA-Verf) einerseits sowie andererseits daran zeigt, daß er ausschließlich von der Regierung eingebracht werden kann (Art. 93 Abs. 3 LSA-Verf) und nicht auch „aus der Mitte des Landtags“ oder durch Volksbegehren (Art. 77 Abs. 2 LSA-Verf); denn für seinen Inhalt, der die Regierung schließlich bindet, gelten die für die Gesetzgebung vorgesehenen Regeln, insbesondere diejenigen über die Mitwirkung von Ausschüssen sowie diejenigen über die „Verhandlung“ vor der Abstimmung im Parlament. Damit können alle Abgeordneten und Fraktionen gleichberechtigt und rechtlich gleichgewichtig auf den Inhalt des Haushaltsgesetzes wie sonst auf Gesetze Einfluß nehmen, und zwar unabhängig von der Zugehörigkeit zum „Regierungs-“ oder „Oppositionslager“.

{RN:186}
Zwar meint Gehrig (a. a. O, S. 283 f), auch wenn jeder Regierungsentwurf durch das Parlament Änderungen erfahre, ständen doch substantielle Änderungen einem Mißtrauensvotum gleich und kämen deshalb in einem „funktionierenden parlamentarischen System nicht vor“; gleichwohl räumt er ein, daß es sich hierbei nur um eine „politische“, keine auch „rechtliche“ Bewertung handele (a. a. O., S. 284).

{RN:187}
Eine aus einer Koalition hervorgegangene Minderheitsregierung, die als solche über keine Mehrheit im Parlament verfügt, wird nicht bereits dadurch zur „faktischen Mehrheitsregierung“, daß sie wiederholt Mehrheiten in Sachfragen gefunden hat. Der Hilfsbegriff des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf („stützen“) kann nicht mit Hilfe eines Zusatzbegriffs „Parlamentskoalition“ erläutert werden (a. A.: Plöhn, [Mehrheitswechsel in Sachsen-Anhalt - Modellfall oder Sackgasse? -, Verlag Peter Lang, Frankfurt/M, 1996]). Ein die Auslegung des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf erhellender Gegensatz zwischen „Regierungskoalitionen“ (nach Plöhn, a. a. O., S. 69 ff [77], gleichzusetzen mit „unter den im Kabinett vertretenen Parteien“) und „Parlamentskoalitionen“ (nach Plöhn, a. a. O., S. 74 ff [77]: „sowohl in Personal- als auch in Sachfragen möglich“) besteht in Wahrheit nicht. Dazu ist der Begriff der „Regierungskoalition“ zu eng; denn er stellt auf die „Beteiligung“ an der Regierung ab. Andererseits ist der Begriff der „Parlamentskoalition“ zu unscharf; denn er beurteilt nur ein Ergebnis, kann aber nicht erklären, ob dieses auch auf einem für das „Stützen“ wesentlichen (zusätzlichen) „Vertrauensbeweis“ gerade gegenüber der Regierung beruht.

{RN:188}
Die Untersuchung von Schütt-Wetschky (Verhältniswahl und Minderheitsregierungen. Unter besonderer Berücksichtigung Großbritanniens, Dänemarks und der Bundesrepublik Deutschland, ZParl 1987 [18. Jahrg., Heft 1], S. 94 [104 ff]), auf die Plöhn sich bei der Begriffsbildung und für seine Untersuchung beruft (Plöhn, a. a. O., S. 74), spricht eher für die hier vertretene Ansicht; denn dort ist die Bewertung mit einerseits „parlamentarisch gestützt“ und andererseits „parlamentarisch“ nur „geduldet“ gerade davon abhängig, ob sich eine Regierung „von Streitfrage zu Streitfrage“ um die Mehrheit bemühen muß, „wobei offen ist, ob es überhaupt zur Mehrheitsbildung kommt“ (Schütt-Wetschky, a. a. O., S. 105: dann „bloß toleriert“), oder ob es gelingt, eine „Vereinbarung“ auszuhandeln, die es ermöglicht, daß eine „Mehrheit von Abgeordneten kontinuierlich zu Kompromissen ... bereit“ ist (so - unter besonderem Hinweis auf die Regierung Jörgensen in Dänemark, mit konträrem Ergebnis für den Zeitraum vor und nach 1981 -: Schütt-Wetschky, a. a. O., S. 105 f). Dies wird dadurch bestätigt, daß Schütt-Wetschky (a. a. O., S. 106) zwar den „Berliner Fall“ [Kabinett v. Weizsäcker; vgl. bereits oben]) im Einklang mit der hier und von Finkelnburg (a. a. O.) vertretenen Lösung für (parlamentarisch) „gestützt“ gehalten hat, nicht aber die Minderheitsregierung in Hamburg, weil keine Einigung auf ein Sachprogramm stattgefunden hatte.

{RN:189}
Die Grenze zwischen der beschriebenen, die „Oppositionsrolle“ aufrecht erhaltenden Strategie einerseits zu andererseits einer parlamentarischen „Unterstützung“ der Regierung „durch Gesetzgebung“ wird erst überschritten, wenn die Zustimmung der Fraktion zu einem von der Regierung oder der sie stützenden Gruppe von Abgeordneten eingebrachten Gesetzesvorschlag nicht Ergebnis eines der Regierung („von außen“) „abgetrotzten Kompromisses“ ist, sondern - trotz allem vorgebrachten „Änderungsverlangen“ (über eine „Kritik von innen“) - nur das Einzelergebnis einer „koalitionsähnlich verläßlichen“ Umsetzung von grundsätzlich einvernehmlich abgestimmter Politik.
Zwar bedarf es hierfür keines ausdrücklichen „Vertrags“, wohl aber einer der Koalitionsvereinbarung wenigstens ähnlichen Abrede, welche die Regierung erwarten lassen kann, ihre Politik werde nicht „von außen bekämpft“, sondern „von innen (mit-)getragen“. „Koalitionsähnlich“ ist dabei nur die Geschäftsgrundlage, welche sich aus einer über konkrete Einzelvorhaben hinaus weiter reichenden, eben „grundsätzlichen“ Übereinstimmung ergibt.

{RN:190}
2.2.-->Die PDS-Fraktion ist „Oppositionsfraktion“ i. S. des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf geworden (2.2.1.) und es bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geblieben (2.2.2.).

{RN:191}
2.2.1.-->Weder das Wahlverfahren in der konstituierenden Sitzung des Landtags noch das Ergebnis der Beweisaufnahme führt zu der Feststellung, die PDS-Fraktion sei gar nicht „Opposition“ i. S. der Landesverfassung geworden.

{RN:192}
Die PDS-Fraktion hat nicht bereits deshalb die Regierung i. S. des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf „gestützt“, weil zu vermuten ist, daß der Ministerpräsident im dritten Wahlgang entscheidende Stimmen auch von PDS-Abgeordneten erhalten hat.

{RN:193}
Das wegen der namentlichen Abstimmung nachweisbare Stimmverhalten der Abgeordneten und damit auch der Fraktionen bei der Frage, ob ein zweiter Wahlgang bereits am Tag des ersten durchgeführt werden solle, deutet darauf, daß in gleicher Weise auch bei der späteren, nicht namentlich abgestimmten Auflösungsfrage (Art. 65 Abs. 2 S. 3, 4 LSA-Verf) die 37 Stimmen der Antragstellerin geschlossen abgegeben worden sind. Aber auch dies läßt allenfalls vermuten, daß der Ministerpräsident im dritten Wahlgang nur mit (einzelnen) Stimmen von PDS-Abgeordneten gewählt worden sein kann; das ist indessen nicht aufklärbar, weil die Wahl geheim war (Art. 65 Abs. 1 LSA-Verf).

{RN:194}
Unabhängig davon könnte das Stimmverhalten einzelner, namentlich nicht bekannter PDS-Abgeordneter nicht zugleich als „Stützhandlung“ der Fraktion gelten; denn es fehlt an einem besonderen Umstand, welcher die Zurechnung an die Fraktion bewirkt:

{RN:195}
Wenn die Vermutung, es hätten sämtliche CDU-Abgeordneten gegen den Kandidaten Dr. Höppner gestimmt, aus dem früheren Abstimmungsverhalten gewonnen wird, hat „die PDS-Fraktion“ nicht einmal mehrheitlich den Kandidaten Dr. Höppner mitgewählt; denn es genügten bereits sieben von 21 PDS-Abgeordneten, um die 41 „Basisstimmen“ der Koalition auf die im dritten Wahlgang festgestellten 48 Stimmen für den Ministerpräsidenten zu erhöhen.

{RN:196}
Auch die vor der Wahl abgegebenen Äußerungen des PDS-Landesvorsitzenden (und -Abgeordneten) Claus bewirken keine „Zurechnung“; denn diese Erklärung hatte kein über eine bloße „Tolerierung“ hinausreichendes „Vertrauen“ in Aussicht gestellt, das allein „stützendes“ Verhalten begründen könnte.
Aus dem Zusammenhang ergibt sich, daß der Landesvorsitzende der PDS eine „Oppositionsrolle“ zugeschrieben hatte, mit welcher er höchstens ein „Gewähren-Lassen“ als gleichsam äußerste Grenze für vereinbar hielt, keinesfalls aber eine „(Mit-)Verantwortung“ für die künftige Politik der Regierung.

{RN:197}
Die PDS-Fraktion muß sich das evtl. Wahlverhalten einiger ihrer Mitglieder auch nicht deshalb zurechnen lassen, weil die Fraktion vor der Wahl Kenntnis von der „Koalitionsvereinbarung“ erhalten hatte, welche Grundlage für die Politik der „künftigen Regierung Höppner“ sein sollte.

{RN:198}
Die PDS-Fraktionsvorsitzende Dr. Sitte ist nach ihrer Aussage zum erstenmal im Oktober 1994 mit dem Ministerpräsidenten zusammengetroffen, und der Besuch des Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN vor der konstituierenden Sitzung hatte in erster Linie atmosphärischen Charakter (Niederschrift über die Beweisaufnahme vom 25.4. 1997, S. 5). Es seien auch keine Verhandlungen über die Regierungszusammensetzung oder über die Inhalte geführt worden (Niederschrift, S. 5). Dr. Sitte hat ausgeschlossen, daß es bei Übergabe der Koalitionsvereinbarung zu einer „Vereinbarung“ mit dem Fraktionsvorsitzenden Tschiche gekommen sei, „gemeinsam“ Verantwortung zu übernehmen. Sie hat vielmehr deutlich gemacht, die PDS, die mit einigem Gewicht in den Landtag eingezogen sei, habe sich vor allem durch den Gang der Verhandlungen über die Regierungsbildung politisch ausgegrenzt gefühlt und durch das Verhalten des Fraktionsvorsitzenden Tschiche die bislang vermißte Anerkennung ihrer politischen Bedeutung erfahren.

{RN:199}
Dies wird durch die Aussage des Ministerpräsidenten bestätigt, der seinerseits Verhandlungen mit der PDS vor seiner Wahl ausgeschlossen hat (Niederschrift, S. 2, mit Anlage). Das entspricht seinen früheren Erklärungen in der Öffentlichkeit (vgl. etwa: „Berliner Zeitung“ vom 22.4.1996; „Süddeutsche Zeitung“ vom 1.11.1995).

{RN:200}
Zwar ging die PDS-Fraktionsvorsitzende offenbar davon aus (vgl. etwa die Berichterstattung in der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom 20.7.1994: „Tschiche brach das Eis zur PDS-Fraktion“), Dr. Höppner werde zum Ministerpräsidenten gewählt werden; der Artikel läßt aber auch mangelnde Geschlossenheit der PDS-Fraktion erkennen und berichtet im übrigen, die Fraktionsvorsitzende habe nur die Bereitschaft signalisiert, „über die Koalitionsvereinbarung ... zu sprechen“. Mit diesem Ausschnitt und der weiteren Passage wird die Aussage Dr. Sitte nicht widerlegt, die „Koalitionsvereinbarung“ sei die Mindestvoraussetzung gewesen, um überhaupt Gespräche über Einzelprojekte zwischen Koalition und PDS zu führen. Daß die PDS-Fraktion keine generelle Billigung eines Sachprogramms beschlossen habe, hat Dr. Sitte unwidersprochen vor allem damit erklärt, daß den Parteigremien ein erhebliches Maß von Mitbestimmung zukomme und daß die Fraktion diese Rückbindung an die Willensbildung innerhalb der Partei habe respektieren wollen.

{RN:201}
Die Folgerungen von Plöhn (vgl. a. a. O. bes. S. 55 f, 80, 86, 120), wonach sowohl die Koalition durch ihre Koalitionsaussage als auch die PDS politische Gegner der CDU seien, gibt dem Gespräch zwischen den Fraktionsvorsitzenden Tschiche und Dr. Sitte kein für die Anwendung des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf entscheidendes Gewicht; denn damit kann allenfalls erklärt werden, daß die PDS-Abgeordneten auf keinen Fall den CDU-Kandidaten Dr. Bergner zum Ministerpräsidenten wählen würden, sondern allenfalls den SPD- und Koalitions-Kandidaten Dr. Höppner. Dabei bleibt aber offen, wie diese unterschiedliche „Nähe“ der PDS zu den beiden Kandidaten bewertet werden muß. Nicht schon (negativ) aus der Gegnerschaft zum CDU-Kandidaten beurteilt sich, ob sich die PDS auf „Tolerieren“ beschränken oder darüber hinaus „Vertrauen geben“ würde. Von bloßem „Tolerieren“ geht aber offenbar auch Plöhn aus (a. a. O., S. 56), wenn er von der Klärung Tschiches spricht, ob PDS-Abgeordnete die Wahl „behindern“ wollten.

{RN:202}
Daß die PDS keine „Fraktionsempfehlung“ für die Wahl Dr. Höppners zum Ministerpräsidenten beschlossen hat, ergibt sich auch aus der Stellungnahme der PDS-Fraktion für dieses Verfahren.

{RN:203}
Ohne Bedeutung ist, ob vor der konstituierenden Sitzung nur die PDS-Fraktion oder auch die CDU-Fraktion von dem Inhalt der Koalitionsvereinbarung informiert worden ist; denn auch wenn „die Koalition“ dies unterlassen hätte, könnte dieser Umstand allenfalls ein Indiz dafür sein, daß sie davon ausging, Dr. Höppner werde eher von der PDS als von der CDU „geduldet“ (= „toleriert“) werden.
Für eine solche Einschätzung sprach nicht nur, daß die beabsichtigte Politik sich bewußt von der bisherigen der 1. Legislaturperiode abkehren wollte, die von den CDU-geführten Regierungen verantwortet worden war, sondern auch, daß eine „kleine Koalition“ beabsichtigt war, die als deutliche Absage an eine „große Koalition“ verstanden werden mußte, welche die politische Mitbestimmung der CDU zugelassen hätte. Hinzu kam, daß die CDU als stärkste Fraktion gerade auch Anspruch auf die Regierungsleitung erhoben hatte und deshalb die „Gegenkandidatur“ politisch abzuwehren bestrebt war.

{RN:204}
All dieses vermag aber nur zu erklären, daß die CDU-Fraktion aus allein ihrer Interessenlage heraus nicht daran interessiert sein konnte, dem politischen Gegner das Feld zu überlassen. Damit ist nicht zugleich schon der Nachweis erbracht, die PDS-Fraktion müsse gleichsam zwangsläufig „Partnerin“ der Koalition werden, wenn der Koalitionskandidat auch Stimmen aus ihrem Lager erhalten würde; denn auch dann blieb offen, ob der künftigen Regierung Dr. Höppners „Vertrauen gegeben“ oder ob diese nur „toleriert“ werden sollte.

{RN:205}
Daß die PDS-Fraktion bei der Wahl des Ministerpräsidenten tatsächlich i. S. des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf „gestützt“ hat, wird auch nicht bereits durch das Schlagwort vom sog. „Magdeburger Modell“ belegt; denn damit wird lediglich der politische Sachverhalt bezeichnet, daß die Regierung auf „Mehrheiten“ im Parlament hofft, die sich aus Abgeordneten der Koalitionsfraktionen auf der einen und der PDS-Fraktion (nicht immer und nicht notwendig geschlossen) auf der anderen Seite zusammensetzen. Es handelt sich damit um einen lediglich „politischen Begriff“, für dessen konkreten Sachverhalt die rechtliche Bewertung am Maßstab des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf offen ist; denn - ohne seine „Schlagkraft“ in der Auseinandersetzung unter Beteiligten und Gegnern sowie in der Öffentlichkeit einzubüßen - kann er sowohl das „Modell Minderheitsregierung“ kennzeichnen, bei dem die PDS-Fraktion „Opposition“ bleibt, als auch ein „Modell unechter Mehrheitsregierung“, bei dem die PDS-Fraktion „stützt“.

{RN:206}
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß Regierungsmitglieder, Landtagsabgeordnete der Koalition oder die PDS-Fraktion in Landtagsdebatten mit der Wortwahl „Magdeburger Modell“ eine auf eine „unechte Mehrheitsregierung“ zielende Bedeutung verbunden haben. Soweit der Ministerpräsident in seinem Bericht über die Entlassung des Wirtschaftsministers Dr. Gramke (LdTg-StenBer 2/9 v. 24.11.1994, S. 475 [476]) von dessen „Fehleinschätzung“ spricht, die amtierende Landesregierung sei nur ein kurzes Zwischenspiel auf dem Weg zu einer anderen Konstellation [gemeint: „Große Koalition“], vielmehr sei der „Magdeburger Weg“ ernst gemeint und auf Dauer angelegt, ist dies ausdrücklich auf die „rot-grüne Landesregierung“, also auf das „Modell Minderheitsregierung“ bezogen, ohne daß dabei die Rolle der PDS erwähnt wird. Die Replik der PDS-Fraktionsvorsitzenden (Dr. Sitte, LdTg-StenBer 2/9, a. a. O., S. 479), die zwar das „für die Bundesrepublik in dieser Form“ wegen der Rolle der PDS „neue“ Regierungsprojekt, aber gerade auch insbesondere den PDS-Einfluß als ursächlich für die Entlassung des bisherigen Wirtschaftsministers ansieht, bestätigt dies, zumal zugleich erhebliche Bedenken gegen den Nachfolger Dr. Schucht geltend gemacht werden, dessen Nominierung (aus Sicht der PDS) „eher von der CDU als von der SPD [habe] erwartet“ werden können.

{RN:207}
Schließlich läßt sich aus dem Verhalten des Empfängers, des später gewählten Ministerpräsidenten, nichts gegen die Richtigkeit der von Dr. Sitte gemachten Aussage herleiten, die durch den „Vermittler Tschiche“ überbrachte Koalitionsvereinbarung habe den Umfang der „Tolerierung“ begrenzt, sei aber nicht verbindliche „Basis“ für eine beabsichtigte „Unterstützung“ gewesen.

{RN:208}
Der Ministerpräsident hat sich im Anschluß an seine Wahl auf die Absicht der Koalitionspartner bezogen, die Sacharbeit nicht auf eine die Regierung von vornherein tragende Mehrheit zu stützen, sondern „ein Maß an Zusammenarbeit zu organisieren, das Solidarität bei der Problemlösung“ im einzelnen schaffe, und dafür um Mitarbeit und um Mitstreiter geworben (LdTg-StenBer 2/1 v. 21.7.1994, S. 25). Dies steht eher in der Tradition der „Runden Tische“ und ist auch vom Vorsitzenden der CDU-Fraktion, dem Abgeordneten Dr. Bergner, so benannt und kommentiert worden (LdTg-StenBer 2/1 v. 21.7. 1994, S. 19 [im Zusammenhang mit der Debatte um die Auflösung des Landtags]). Arbeit am historischen „Runden Tisch“ läßt aber gerade punktuelle Problemlösungen unter Einbeziehung des politischen Gegners zu und setzt nicht denknotwendig feste „Mehrheiten“ voraus, welche bestimmte „Personen“ verläßlich auf Dauer „stützen“.

{RN:209}
Diese Aussage steht nicht im Widerspruch zur Regierungserklärung (Ministerpräsident Dr. Höppner, LdTg-StenBer 2/3 v. 8.9.1996, S. 33), wonach die Regierung davon ausging, die Wähler hätten den „politischen Wechsel“ gewollt; denn mit der folgenden Passage, die gebotenen Chancen sollten auch dann wahrgenommen werden, wenn es unmöglich erscheine, knüpft der Regierungschef an seine frühere Äußerung an und bezieht sich dann ausdrücklich auf die Erfahrungen des Herbstes 1989 (a. a. O., S. 33 f). Die PDS-Fraktionsvorsitzende hatte in der Aussprache die Rolle ihrer Fraktion als „Opposition“ in einer „Verantwortung“ beschrieben (Dr. Sitte, LdTg-StenBer 2/3 v. 8.9.1996, S. 65, l. Sp.), welche sie dadurch geprägt sah, daß „Diskussionen über Alternativen“ mit dem Ziel geführt werden sollten, „Akzeptanz“ zu finden und sie „durchzusetzen“ (a. a. O., S. 65, r. Sp.). Um dies zu erreichen, wolle die PDS „mit parlamentarischen Kräften, Verbänden, Organisationen parlamentarisch und insbesondere außerparlamentarisch Druck auf die Regierung aus[üben], um sie zu Änderungen zu zwingen“ (a. a. O., S. 65, r. Sp.).

{RN:210}
Bei diesem Hintergrund ist die von der Antragstellerin betonte Äußerung der PDS-Fraktionsvorsitzenden in der Debatte um die vorzeitige Landtagsauflösung (Dr. Sitte, LdTg-StenBer 2/1 v. 21.7.1994, S. 22 [in der konstituierenden Sitzung des Landtags]) nicht als „Stützverhalten“ zu werten: Das Motiv, „schnell stabile politische Verhältnisse“ zu schaffen und „eine in Kürze arbeitsfähige Landesregierung“ zu etablieren, läßt sich gerade auch mit einer bloßen „Tolerierungs-“Geschäftsgrundlage vereinbaren; denn die Rednerin konnte dafür werben, unter den Kandidaten nach dem Gesichtspunkt des „kleinsten Übels“ zu wählen, so daß auf jeden Fall „instabile Verhältnisse“ verhindert werden, die zu einer Neuwahl mit ungewissem Ausgang (auch für die Erwartungen gerade der PDS) führen können.

{RN:211}
Dieses Verhalten steht im Einklang mit der Äußerung innerhalb der Aussprache zur Regierungserklärung, wonach die Koalitionsvereinbarung zusammen mit der Regierungserklärung zwar als „Ausdruck eines gegenüber der CDU-F.D.P.-Politik ernstzunehmenden Reformgeistes“ gewürdigt ist, indessen auch klargestellt wird, es gebe nicht nur „ein Reformprojekt, von dem alle anderen abzuleiten“ seien, und die Koalitionsvereinbarung zeige nur „eine Reihe von Ansätzen“ (Dr. Sitte, LdTg-StenBer 2/3 v. 8.9.1996, S. 66).

{RN:212}
Daß die zwischen SPD und Bündnis 90 / DIE GRÜNEN abgeschlossene „Koalitionsvereinbarung“ keine auch die PDS-Fraktion umfassende „gemeinsame Basis“ gewesen ist, wird durch die Zeugenaussagen bestätigt.
Die PDS-Fraktionsvorsitzende hat sie als eine Art Grenze angesehen, über welche hinaus die Regierung nicht gehen könne, wenn sie in einem Einzelfall bei der PDS um Stimmen für ein bestimmtes Vorhaben werbe (Niederschrift, S. 4 und 5).
Der Ministerpräsident hat (unter Hinweis auf die ihn zitierende „dpa-“Meldung vom 23.12.1996 hin, die PDS habe ihr Wort gehalten) erklärt, es gebe auch in diesem Punkt keine Abrede mit der PDS (Niederschrift über die Beweiserhebung, S. 2, mit Anlage).

{RN:213}
Dieses Ergebnis wird durch die dem Fraktionsvorsitzenden Tschiche zugeschriebenen Äußerungen nicht in Zweifel gezogen, wonach die ursprünglich erklärte Absicht, sich für das Sachprogramm „wechselnde Mehrheiten“ zu besorgen, lediglich eine „Schutzbehauptung“ für die „Gesamt-Bundesrepublik“ gewesen sei („Sächsische Zeitung“ vom 27.6. 1996); denn dieses Zitat steht in einem lediglich durch indirekte Rede übermittelten Teil, und der Fraktionsvorsitzende Tschiche hat auf Befragen erklärt (Niederschrift, S. 6), er habe wechselnde Mehrheiten durchaus für möglich gehalten, aber es habe sich bald herausgestellt, daß die Koalition mit wenigen Ausnahmen auf die PDS angewiesen gewesen sei.

{RN:214}
Dieser Aussage steht die Berichterstattung im Anzeigenblatt „Elbe-Report“ (vom 13.10. 1996) nicht entgegen, wonach der Zeuge gesagt haben soll [referiert ist in indirekter Rede], „faktisch gebe es ... keine Minderheitsregierung“, sondern ein „Bündnis mit der PDS“; denn der Bericht bezieht sich nicht auf die Einschätzung zum Zeitpunkt der Wahl, sondern bewertet einen Zeitraum von zwei Jahren, so daß das Schwergewicht auf der Mitteilung liegt, die Landesregierung habe sich nicht „je nach Lage abwechselnd auf die CDU oder die SPD stütze[n]“ können. Der Bericht läßt nicht vermuten, daß sich der Fraktionsvorsitzende um eine den Sachverhalt wertende juristisch präzise Begrifflichkeit bemüht hat, sondern daß es ihm darauf ankam, die ursprünglichen Erwartungen mit der jetzigen Realität zu vergleichen. Diese hat er in seiner Aussage vor Gericht als „von einer Koalition wesentlich verschieden“ beschrieben, und er hat hinzugefügt, erst aus den Verhandlungen im Parlament habe sich ergeben, was aus dem einzelnen Vorhaben werde. Damit kennzeichnet der in der Presse verwendete Begriff des „Bündnisses“ eher eine rein faktische Notwendigkeit, sich auf Kompromisse mit der PDS einzulassen.

{RN:215}
Die „veröffentlichte Meinung“ belegt allenfalls auch Unterschiede in der Bedeutung des Schlagworts vom „Magdeburger Modell“. Während dabei üblicherweise ein bestimmter „Mehrheitsbeschaffer“, nämlich die PDS-Fraktion, mitgedacht ist, deuten die Äußerungen des Ministerpräsidenten - vom „Runden Tisch“ ausgehend - eher auf eine Gleichsetzung mit dem „Modell Minderheitsregierung“, für welche auch die CDU-Fraktion als „Mehrheitsbeschaffer“ in Frage kommt.

{RN:216}
2.2.2.-->Die PDS-Fraktion hat ihren „Oppositionsstatus“ nicht nachträglich verloren. Die Presseveröffentlichungen, auf die sich die Antragstellerin zur Untermauerung ihrer These berufen hat, können diesen Nachweis nicht erbringen (2.2.2.1.). Es läßt sich keine „koalitionsähnliche Abrede“ feststellen, welche die parlamentarischen Änderungsbegehren der PDS-Fraktion gegenüber den Regierungsvorhaben als bloße „Kritik von innen“ erscheinen läßt (2.2.2.2.). Besondere Abstimmungen oder Debattenbeiträge rechtfertigen nicht schon - für sich genommen - die Feststellung, die PDS-Fraktion habe der Regierung Dr. Höppners „Vertrauen“ durch Zustimmung zum Personal- oder Sachprogramm der Koalition „gegeben“ (2.2.2.3.).

{RN:217}
2.2.2.1.-->Die als Anlagen überreichten Pressemitteilungen hat das Landesverfassungsgericht als nicht erheblich für seine Entscheidung angesehen, soweit sie keine eigenständigen, über das durch Stenographische Berichte des Landtags belegte Verhalten hinausreichenden Tatsachen enthalten oder soweit sie nicht ausdrücklich bei der Beweisaufnahme als „Vorhalt“ gedient haben:

{RN:218}
Presseveröffentlichungen, welche das Verhalten der PDS-Fraktion als die Regierung „(unter-)stützend“ beschreiben, enthalten nur eine Wertung, welche nicht auf dem Maßstab des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf beruht, sondern im wesentlichen gleichzusetzen ist mit „tolerieren“ oder „dulden“ (vgl. etwa: „FOCUS“ vom 25.7.1994). Die Gleichsetzung dieser Begriffe wird besonders deutlich im Vergleich von Presseartikeln über dasselbe Geschehen oder innerhalb desselben Presseorgans (vgl. insoweit etwa: „Wernigeröder Zeitung“ vom 16.2.1994 und „Magdeburger Volksstimme“ vom 17.3.1994 sowie vom 20.6.1994).

{RN:219}
Bei den „Verhandlungen“ ist nicht danach unterschieden, ob sie einzelne Vorhaben betreffen oder darüber hinaus auf eine grundsätzliche, die Mehrheit über Einzelvorhaben hinaus sichernde Abrede gezielt haben (vgl. insoweit etwa: „Express“ vom 26.8.1994; „Neues Deutschland“ vom 27.2. 1995). Das gilt insbesondere für die Berichte über Haushaltsdebatten (vgl. etwa: „Magdeburger Volksstimme“ vom 4.8.1995 und vom 12.8.1995; „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 12.8.1995, 18.9.1995 und vom 1.12.1995; „dpa Sachsen-Anhalt“ vom Januar 1996).

{RN:220}
Ohne Abgrenzungswert sind Berichte über Äußerungen von PDS-Mitgliedern, welche deren Grundhaltung belegen, eine CDU-Regierung zu verhindern oder die Koalitionsregierung nicht „ohne Not“ scheitern zu lassen (vgl. etwa: „Neues Deutschland“ vom 17.3.1994; „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 29.8.1994 und vom 2.9.1994; „Der Tagesspiegel“ vom 27.2.1995; „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 9.12.1994; „Presse-Service“ der PDS-Fraktion [Anlage 20 der Antragstellerin]); denn eine „koalitionsähnliche Abrede“ wird nicht bereits durch eine politische Gegnerschaft zur CDU belegt, sondern es kommt auf die Qualität der Beziehungen von Koalition und PDS zueinander an.

{RN:221}
Auch Artikel, die aufgrund von Äußerungen einzelner Politiker aus Regierung oder Parlament die „Normalität“ des „Reformmodells“ betonen oder von „Stabilität“, „Zuverlässigkeit“ oder „Verläßlichkeit“ berichten (vgl. etwa: „dpa Sachsen-Anhalt“ vom Juni 1995; „DER SPIEGEL“ vom 30.10. 1995; „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 29.12.1995; „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 6.3.1996; „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 6.4.1996; „Neues Deutschland“ vom 10.6.1996; „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 24.6.1996; „Neues Deutschland“ vom 26.6.1996; „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 12.10.1996; „DLF [Informationen am Morgen] vom 15.11.1996; „dpa-Gespräch“ vom Dezember 1996; „Berliner Zeitung“ vom 2.1.1997), enthalten - soweit es sich nicht um bloße Wertungen handelt - keine Tatsachen, die sich nicht bereits aus den Landtagsdebatten ergäben.

{RN:222}
Gleichermaßen unerheblich bleiben Bewertungen des „Magdeburger Modells“, auch soweit sie sich mit dem Einfluß der PDS beschäftigen (vgl. etwa: „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 5.9.1995; „Neues Deutschland“ vom 11.9.1995; „Frankfurter Allgemeine“ vom 29.1.1996; „Junge Welt“ vom 19.2.1996; „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 22.5.1996) oder die innerparteiliche Auseinandersetzung betreffen (vgl. etwa: „Neue Presse Hannover“ vom 20.6.1995; „Magdeburger Sonntag“ vom 10.9.1995; „Neues Deutschland“ vom 14.9.1995; „Fernseh-/Hörfunkspiegel Inland II“ vom 24.10.1995; „Süddeutsche Zeitung“ vom 1.11.1995; „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 15.1. 1996; „Magdeburger Volksstimme“ vom 27.1.1996; „Frankfurter Allgemeine“ vom 29.1.1996; „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 30.9.1996; „Magdeburger Volksstimme“ vom 1.10.1996; „Junge Welt“ vom 17.10. 1996 und vom 20.1.1997).

{RN:223}
Ohne Relevanz für die gegenwärtige Haltung der PDS zum „Magdeburger Modell“ sind Berichte, die zum Gegenstand haben, welche Rolle die PDS künftig haben könnte, ob „Verträge“ möglich erscheinen oder ob sogar eine „Koalition“ in Frage käme (vgl. dazu etwa: „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 15.1.1996 [Regieren, wenn es zum Tolerieren nicht mehr reicht]; „ZDF-Heute-Journal“ vom 16.1.1996; „Neues Deutschland“ vom 22.1. 1996; „Welt am Sonntag“ vom 28.1.1996; „Magdeburger Volksstimme“ vom 29.1.1996; „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 9.7.1996 [Anspruch auf Mitsprache]; „Magdeburger Volksstimme“ vom 26.7.1996; „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 5.8.1996, vom 7.8.1996, 19.8.1996 und vom 24.8. 1996).

{RN:224}
2.2.2.2.-->Es läßt sich keine „koalitionsähnliche Abrede“ feststellen, welche die parlamentarischen Änderungsbegehren der PDS-Fraktion gegenüber den Regierungsvorhaben als bloße „Kritik von innen“ erscheinen läßt.
Die Beweisaufnahme läßt eine solche Feststellung nicht zu (2.2.2.2.1.). Dieses Ergebnis wird durch das dokumentierte Verhalten der PDS-Fraktion im Parlament nicht in Frage gestellt (2.2.2.2.2.).

{RN:225}
2.2.2.2.1.-->Die Beweisaufnahme hat die ausdrücklich oder mit Hilfe von Indizien aufgestellten Behauptungen nicht bestätigt, es gebe eine den einzelnen Mehrheitsbeschlüssen des Landtags zugrunde liegende „koalitionsähnliche Absprache“, die der Regierung oder den sie tragenden Koalitionsfraktionen einerseits und der PDS-Fraktion andererseits zugerechnet werden kann. Dies ergibt sich aus den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen.

{RN:226}
Der Ministerpräsident hat betont, mangels einer generellen Absprache müsse sich die Regierung ihre Mehrheiten im Parlament von Fall zu Fall suchen; um dieser Mehrheitsbeschaffungen für einzelne Gegenstände willen seien Gespräche mit einzelnen Abgeordneten der PDS-Fraktion geführt worden (Niederschrift, S. 2, Anlage).

{RN:227}
Die Fraktionsvorsitzende der PDS hat das Fehlen einer die Regierungsarbeit insgesamt tragenden Unterstützungsabrede zusätzlich damit belegt, daß die Fraktion - was auch die Grundlage ihres Handelns sei - in wichtigen politischen Fragen jeweils die Meinungsbildung innerhalb der Partei berücksichtige, daß es aber im Parteivorstand oder beim Parteitag zu keinem Zeitpunkt eine Mehrheit für eine solche Vereinbarung gegeben hätte (Niederschrift, S. 4).

{RN:228}
Auch die beiden anderen Fraktionsvorsitzenden haben eine solche generelle Vereinbarung ausgeschlossen (Tschiche, Niederschrift, S. 6; Fikentscher, Niederschrift, S. 6).

{RN:229}
Der Ministerpräsident und die PDS-Fraktionsvorsitzende haben übereinstimmend verneint (Niederschrift, S. 2, 4), daß es bei Gelegenheit des „Vier-Augen-Gesprächs“ im Oktober 1994 zu einer generellen Abrede gekommen sei. Dr. Sitte hat dem Besuch, wie sie bei ihrer Vernehmung erläutert hat (Niederschrift, S. 4), vor allem atmosphärischen Charakter beigemessen, weil sich die PDS-Fraktion trotz ihrer Bedeutung im Parlament bislang ausgegrenzt gefühlt habe. Dies dürfte die als wörtliches Zitat wiedergegebene Darstellung in der „Magdeburger Volksstimme“ (vom 28.10. 1994) erklären, das „Eis“ sei „gebrochen“.

{RN:230}
Nichts anderes hat sich auf den Vorhalt der Antragstellerin hin ergeben, der Ministerpräsident habe (vgl. z. B. ZDF-Heute-Journal vom 16.1.1996; vgl. Niederschrift, S. 3) von einer „Geschäftsgrundlage“ gesprochen; denn der Zeuge hat erklärt, daß damit die Arbeit einer Minderheitsregierung zutreffend beschrieben werde, die um Mehrheiten bemüht sein müsse (Niederschrift, S. 3). Die konkrete (wohl auf einer wörtlichen Übertragung beruhende) Textstelle im ZDF-Heute-Journal kann dies nicht widerlegen; denn sie ist offen für eine mit der Aussage übereinstimmende Auslegung: Der Ausdruck „ordentliche Geschäftsgrundlage“ findet sich in einem Zusammenhang, in welchem zuvor ausgeführt ist, es sei trotz der Schwierigkeit der Partner, die allerdings die Regierung „nicht über den Tisch gezogen“ hätten, gelungen, „die sachliche Politik“ zu betreiben, „welche wir in der Koalitionsvereinbarung vereinbart haben“; der Sinnzusammenhang legt nahe, daß mit „wir“ die Koalitionsfraktionen gemeint gewesen sind.

{RN:231}
Auf Vorhalt des Berichts über seinen ersten Gastbesuch bei der PDS-Landtagsfraktion in der „Magdeburger Volksstimme“ (vom 10.5.1995) hat der Ministerpräsident ausdrücklich auf seine zuvor gemachten Aussagen Bezug genommen und erklärt, der Haushaltsplanentwurf beruhe auf einer Meinungsbildung innerhalb der Koalition; diese klare Linie habe der Artikel eher verwischt. Aus der Zeitungsmeldung ergibt sich indessen auch nichts für eine übergreifende Vereinbarung, sondern der Journalist meint eher, „Spektakuläres“ habe es bei dem einstündigen Termin nicht gegeben; er berichtet dann lediglich, die PDS solle in die Haushaltsberatungen „rechtzeitig“ einbezogen werden; der Ministerpräsident hatte nach dem Artikel zudem lediglich zugesichert, „Eckdaten“ des Haushalts bekanntzugeben.

{RN:232}
Daß solche „Informationsangebote“ jeweils zur Vorbereitung der Fraktionen auf die Haushaltsberatungen gemacht worden sind, ergibt sich aus der Aussage Dr. Sitte (Niederschrift, S. 4).

{RN:233}
Anderes ist auch aus dem Vorhalt nicht zu gewinnen, es hätten bereits im Vorfeld Haushaltsberatungen mit der PDS stattgefunden („Magdeburger Volksstimme“ vom 4.8.1995: „Minister kritisiert ,Gruselliste’: Mit der Axt gewütet“); denn der Ministerpräsident hat solche Gespräche nicht ausgeschlossen, sich aber zugleich auch auf den Grundsatz berufen, es habe sich um eine Mehrheitssuche aus konkretem Anlaß gehandelt. Die Berichterstattung in der Zeitung gibt keinen Anlaß, dies in Frage zu stellen; denn allein aus Gesprächen mit der PDS vor der „Klausurtagung“ der Landesregierung läßt sich nicht herleiten, es habe einen über diesen Anlaß hinausreichenden generellen Konsens gegeben. Das anzunehmen, liegt schon deshalb nicht nahe, weil der Zeitungsbericht gerade auch die Unterschiede in den Positionen der Regierung und der PDS herausstellt und sowohl „härtere Verhandlungen“ als auch die Bindung der PDS an die Grundsätze ihres Parteiprogramms betont.

{RN:234}
Eine generelle Abrede ist auch nicht dadurch bewiesen, daß der Finanzminister (aus Anlaß des Haushalts 1996; vgl. Vorhalt in der Niederschrift, S. 3) im Kabinett über zwischen den Fraktionen geführte Gespräche berichtet hat.

{RN:235}
Sowohl der Ministerpräsident (Niederschrift, S. 3) als auch die PDS-Fraktionsvorsitzende (Niederschrift, S. 4) haben verneint, daß die Abgeordneten Bullerjahn (SPD) und Gallert (PDS), die zugleich Fraktionsgeschäftsführer sind, den „Durchbruch in der Datsche“ des (PDS-)Abgeordneten und Landesvorsitzenden Claus „im Auftrag“ der (Koalitions-)Regierung bzw. der (PDS-)Fraktion versucht haben. Dr. Sitte hat zudem darauf verwiesen, die vor der „Klausurtagung“ der Landesregierung in Barleben geführten Gespräche mit der PDS hätten rein informellen Charakter gehabt, wenngleich wohl die Koalition gern bereits Zusagen erhalten hätte.

{RN:236}
Ebenso wenig kann festgestellt werden, daß ein „enger Führungszirkel“ als vereinbarte Institution besteht (vgl. Vorhalt der Äußerung in der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom 23.6.1995 [„Verzwicktes Spiel mit roter Karte“]), zumal dort lediglich aus der Sicht von Abgeordneten beschrieben wird, sie fühlten sich durch „Verhandlungen fünf Minuten vor zwölf“ unter Druck gesetzt. Selbst wenn der Ministerpräsident aus Anlaß solcher Einzelverhandlungen in die Ergebnisse eingebunden wird, stellt dies seine Grundaussage nicht in Frage, daß jeweils Mehrheiten für bestimmte Vorhaben der Minderheitsregierung gefunden werden müssen.

{RN:237}
Nicht bestätigt hat sich auch der behauptete Konsens darüber, die „Tolerierung“ durch die PDS sei davon abhängig, daß die Koalition keine wesentlichen Entscheidungen mit der CDU treffe (vgl. Vorhalt des Berichts der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom 7.3.1996 [Höppner will immer zuerst mit der PDS reden]). Der Ministerpräsident hat eine solche Zusage verneint (Niederschrift, S. 3). Die PDS-Fraktionsvorsitzende hat zwar bestätigt, daß ihre Fraktion dies zur Forderung erhoben und „als politische Herausforderung“ auch ernst gemeint habe (Niederschrift, S. 5); sie hat sich jedoch an keine Zusage des Ministerpräsidenten erinnern können (Niederschrift, S. 5). Soweit der Regierungssprecher Fink nach diesem Artikel darauf verwiesen hat, es „bleibe bei der bisherigen Praxis“, eine Übereinkunft zunächst mit der PDS zu suchen, vermag dies allenfalls die Lage zu kennzeichnen, daß die PDS eher für Mehrheiten zur Verfügung steht als die CDU; zusätzlich kann daraus noch auf das Interesse der PDS geschlossen werden, ihre Einflußmöglichkeit zu erhalten. Dies alles rechtfertigt aber die Feststellung noch nicht, es bestehe eine Übereinkunft über das Personal- und Sachprogramm der Regierung.

{RN:238}
Nichts anderes ergibt die in dem Presseartikel dem PDS-Abgeordneten Gallert zugeschriebene Äußerung, bei wichtigen Fragen solle mit der PDS ein „Kompromiß angestrebt“ werden.

{RN:239}
Die Berichterstattung vom 26.6.1996 („Neues Deutschland“; vgl. Vorhalt, Niederschrift, S. 3), wonach der Ministerpräsident von einer „verläßlichen Basis“ für seine Regierung ausgeht, widerspricht seiner Aussage deshalb nicht, weil der Artikel ihn zugleich mit der weiteren Bemerkung zitiert, er halte „diese Art der PDS-Opposition“ für nicht weniger anstrengend, „weil man oft genug Abstriche machen muß“; dies deutet eher auf punktuelle Mehrheitssuche.

{RN:240}
Die Beweisfrage ist auch nicht mit Rücksicht auf den vorgehaltenen (Niederschrift, S. 3) Bericht der „Berliner Zeitung“ (vom 2.1.1997: „Magdeburger Modell ist für Bonn abwegig“) zugunsten der Antragstellerin zu beantworten. Der Ministerpräsident hat klargestellt, daß er unter dem „Modell“, das „getragen“ wird, dasjenige einer Minderheitsregierung verstehe, die sich ihre Mehrheiten von Fall zu Fall suchen müsse, sowie daß das (verglichen mit dem Informationsstand der „Öffentlichkeit:) „frühere“ Wissen um Mehrheiten aus der normalen Regierungstätigkeit komme (Niederschrift, S. 3), welche den Werdegang der einzelnen Vorlage begleite.
Auch mit der weiteren Passage dieses Artikels („Berliner Zeitung“ a. a. O.) wird kein „koalitionsähnliches“ „Stützen“ i. S. des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf belegt: Danach bestehe „keine Notwendigkeit“, „irgend etwas schriftlich zu fixieren“, weil sich die rot-grüne Minderheitsregierung über zwei Jahre hindurch als „stabil“ erwiesen habe; denn diese Antwort bezog sich auf die Frage, ob es nicht „einfacher“ sei, einen „Tolerierungsvertrag“ zu schließen oder eine „Koalition“ zu vereinbaren, um damit die PDS in eine „Zusammenarbeit“ „fester ein[zu]binden“. Die Antwort hierauf kennzeichnet danach nur das Ergebnis einer „stabil“ gebliebenen (Minderheits-)Regierung, ohne die Ursachen dafür anders zu beschreiben, als dies in der Aussage zum Ausdruck kommt.

{RN:241}
Die Aussagen erscheinen plausibel; denn sie sind mit dem insbesondere durch die Erklärungen der Beteiligten vor dem Landtag von Sachsen-Anhalt vermittelten Gesamtbild (vgl. dazu auch 2.2.2.2.2.) vereinbar. Das Landesverfassungsgericht hat keinen Anlaß, die Richtigkeit der Zeugenaussagen in Zweifel zu ziehen. Soweit die Zeugen Darstellungen in Presseberichten kommentiert oder relativiert haben, gibt das Gericht der Zeugenaussage größeres Gewicht, weil sie in einem förmlichen Verfahren auf konkrete Nachfrage hin gegeben worden ist.

{RN:242}
2.2.2.2.2.-->Die „Oppositionsrolle“ der PDS-Fraktion ist auch nicht schon zu verneinen, weil sich Gesetzgebungs- und Haushaltsvorschläge der Regierung im Ergebnis rein faktisch wiederholt als „mehrheitsfähig“ erwiesen haben. Die Zustimmung zu den einzelnen Vorhaben ist vielmehr - wie sich gezeigt hat - im Grundsatz „wertneutral“; auch eine Summe von Zustimmungen kann - für sich genommen und absolut gesetzt - noch keinen entscheidenden Hinweis auf eine vereinbarte, den Grund legende Basis liefern.

{RN:243}
Das dem widersprechende Ergebnis von Plöhn (a. a. O., S. 100 ff, bes. 102) beruht auf einem anderen, von Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf abweichenden Prüfungsmaßstab, der von einer „Parlamentskoalition“ neben einer „Regierungskoalition“ ausgeht (a. a. O., S. 69 ff [bes. S. 77]). Anders als nach Plöhn kommt dem Umstand kein entscheidendes Gewicht zu, daß Regierungsvorlagen im Ergebnis die Zustimmung von PDS-Abgeordneten gefunden haben; denn dieser Ansatz läßt Veränderungen während des parlamentarischen Verfahrens, insbesondere durch die Ausschußarbeit, unberücksichtigt. Die von Plöhn (a. a. O., S. 81, 86, 102) lediglich auf Presseberichte gestützte Behauptung, es sei eine Zusammenarbeit vereinbart worden, hat die Beweisaufnahme nicht bestätigt.

{RN:244}
Die Einzelwürdigung des PDS-Verhaltens bei Haushaltsberatungen [unten a)] und Gesetzesbeschlüssen [unten b)] sowie die Bewertung, wie „Kontrollrechte“ ausgeübt worden sind [unten c)], läßt die Annahme zu, die PDS-Fraktion habe die „Tolerierungs-“Geschäftsgrundlage nicht überschritten und „Kritik von außen“ geübt. Das ergibt sich nicht zuletzt aus der folgenden Grundeinschätzung:

{RN:245}
In der 2. Legislaturperiode stehen den im wesentlichen konsensual agierenden Koalitionsfraktionen, welche keine Mehrheit haben, tendenziell zwei „Mehrheitsbeschaffer“ gegenüber, die aus programmatischen Gründen politisch nicht zusammenarbeiten können und gleichsam die auch innerhalb der Koalition vorhandenen Richtungen verstärken. Diese Situation hat Plöhn zutreffend dahin beschrieben, daß die Regierung und die „Regierungsfraktionen“ faktisch eine „Mitte-“Position innehaben und aus dieser heraus „Flügel-“Positionen umwerben (a. a. O., S. 79), während üblicherweise eine die „Außen-“Position besetzende Gruppe um die „Mitte“ wirbt (vgl. insoweit die Rolle der F.D.P. in der Bundespolitik als „Zünglein an der Waage“). Plöhn kann auch darin gefolgt werden, daß die Minderheitsregierung in Sachsen-Anhalt eben diesen „strategischen Vorteil“ einer tendenziell „starken“ Position der Mitte durch ihre eigene Grundaussage gegen eine der „Flügel-“Fraktionen (CDU) gemindert hat; danach ist „die Koalitionsregierung strukturell ... darauf angewiesen“, daß gerade „die PDS an ihrem Sturz nicht mitzuwirken bereit ist“ (a. a. O., S. 78). Entgegen Plöhn (a. a. O., S. 78) wird aber „die Landtagsfraktion der PDS“ durch diesen Umstand allein nicht schon „integraler Bestandteil der Regierungs mehrheit“; denn „Opposition“ kann auch die Fraktion sein, deren „Strategie“ nicht um jeden Preis - vor allem um den einer „starken Verhandlungsposition gegenüber der Regierung“ willen - den „Sturz“ der Regierung zum Ziel hat, weil sie sonst gegen eigene Interessen zu handeln gezwungen wäre. Nach dieser durch Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf geforderten Korrektur an dem empirischen Ansatz von Plöhn bleibt erhalten:

{RN:246}
Einer durch Koalitionsvertrag und äußeren Druck tendenziell „geschlossen“ aus der „Mitte“ heraus die Regierung „tragenden“ Koalition steht die Antragstellerin im Grundsatz „ferner“ als die PDS-Fraktion. Gleichwohl stehen der „Koalition“ die „Flügel-“Fraktionen bei einzelnen Politikfeldern (vgl. die Äußerung des Innenministers, zitiert nach Plöhn, a. a. O, S. 79; vgl. auch den Debattenbeitrag des Vorsitzenden der Antragstellerin zum „konstruktiven Mißtrauensvotum“ [LdTg-StenBer 2/50 v. 22.11.1996, S. 3831 ff]) mit ihren Vorstellungen zur Lösung konkreter Fragen im Einzelfall unterschiedlich nahe.

{RN:247}
Dies mag einerseits erklären, daß der Ministerpräsident seinen früheren Ansatz (LdTg-StenBer 2/1 v. 21.7.1994, S. 25 [„Werben um Sachlösungen“]) gerade nach Scheitern des „konstruktiven Mißtrauensvotums“ wiederholt hat (vgl. Debattenbeitrag in LdTg-StenBer 2/51 v. 26.11.1996, S. 3854 [mit dem Symbol „ausgestreckter Hand“: konstruktive Zusammenarbeit nach vorn]), andererseits aber auch, daß die „umworbenen Mehrheitsbeschaffer“ die Konkurrenz-Angebote des jeweils anderen auszuschalten versuchen (vgl. in diesem Zusammenhang den Streit um die „[Anti-]Reform-Koalition“ und die Drohung mit der „Aufkündigung des ,Magdeburger Modells’“ aus Anlaß des Zusammengehens der Koalition mit der CDU bei der Änderung des Kommunalabgabengesetzes; vgl. Claus [PDS], LdTg-StenBer 2/38 v. 28.3.1996, S. 2846).

{RN:248}
Zugleich sind hierdurch Stärken und Schwächen von drei nebeneinander stehenden Parlamentsgruppen bedingt, der „Koalition“ als „Trägerin“ der Regierung, sodann der CDU- und der PDS-Fraktion:
Die Stärke der Minderheitsregierung ist, daß ihr von den Gruppen außerhalb der Koalition die PDS näher steht, die den Sturz nicht „ohne Not“ beabsichtigt, andererseits aber auch keine Regierungs[mit]verantwortung übernehmen will. Außerdem ist der Regierung grundsätzlich aus ihrer „Mittelrolle“ heraus auch ein Zusammengehen mit der CDU möglich, die sie aber durch ihre bewußte Entscheidung für die „kleine Koalition“ ausgegrenzt hat, die ihr deshalb ferner und folglich bei Sachfragen tendenziell eher nicht zur Verfügung steht. Das Vorhandensein der CDU ist andererseits ein wichtiger Faktor, um der PDS bei „überzogenen Forderungen“ mit der CDU-Option zu „drohen“.

{RN:249}
Die Stärke der PDS-Position ist, daß sie als „näherstehender“ Mehrheitsbeschaffer eigene Forderungen mit der Drohung einer „Verweigerung“ oder „Aufkündigung“ künftiger Tolerierung durchsetzen kann, indessen an die Grenzen dieser „Druckmittel“ gerät, wenn sich die Regierung mit der CDU arrangieren kann. Die eigene Position wird desto stärker, je weniger Kompromisse die Koalition mit der CDU erreichen kann. Um diese Position zu festigen, sucht sie die Zusammenarbeit zwischen Koalition und CDU zu verhindern.

{RN:250}
Die Schwäche der PDS- und gleichermaßen der CDU-Position ist, daß beide Fraktionen keine gemeinsame „Strategie“ entwickeln können, um so die Stärkefaktoren der Minderheitsregierung an der Wurzel zu beseitigen.
Zu der eben beschriebenen Schwäche kommt bei der CDU-Position hinzu, daß sie als Mehrheitsbeschaffer nur „ersatzweise“ gebraucht wird, was ihre Einflußmöglichkeiten im Vergleich zur PDS-Fraktion schmälert und sie tendenziell „oppositioneller“ werden läßt.

{RN:251}
An dieser Einschätzung ändert der von der Antragstellerin überreichte Briefwechsel vom Oktober 1994 mit dem Ministerpräsidenten nichts; denn er vermag nur zu belegen, daß die Regierung auch der CDU Gespräche angeboten hatte (13.10.1994), daß die Antragstellerin aber wegen ihrer eben beschriebenen Situation meinte, davon keinen Gebrauch machen zu sollen (28.10.1994).

{RN:252}
Das Ergebnis wird auch nicht durch die Begründung zum Leitantrag „Opposition mit gestaltender Verantwortung“ für den 4. Landesparteitag vom 28./29.9.1996 (Anlage 99 der Antragstellerin) in Frage gestellt; das gilt auch, soweit dort einzelne Zeiträume plakativ bewertet werden (zunächst „kooperative Zusammenarbeit“, gefolgt von „kritischer Begleitung“, Einbruch durch „Anti-Reform-Allianz“, die zur „Stagnation“ führt, sowie zur Forderung nach einem „Kompromiß zwischen Koalition und PDS“, von dessen Zustandekommen die Weiterführung des „Magdeburger Modells“ abhängen soll); denn dies kennzeichnet sowohl Anspruch als auch Grenzen der PDS-Position im Landtag und bestätigt eher die oben vorgenommene Ableitung als daß daraus Argumente für das Gegenteil gewonnen werden können.

{RN:253}
Die vor diesem Hintergrund zu würdigende parlamentarische Tätigkeit der PDS(-Fraktion) schließt trotz aller kritischen „Begleitung“ (vgl. etwa Claus [PDS], LdTg-StenBer 2/10 v. 15.12.1994, S 592 [aus Anlaß der Diskussion um das Finanzausgleichsgesetz]) nicht aus, daß um gerade „eigener“ Politikvorstellungen willen, die aufzugeben vor der Parteibasis nicht gerechtfertigt werden könnte, die Regierung eher „von außen bekämpft“ als „von innen (mit-)getragen“ wird, was als entscheidendes Abgrenzungskriterium dafür zu gelten hat, ob aus sachbezogenen parlamentarischen Abstimmungen zugleich auf eine „Vertrauensgabe“ geschlossen werden darf.

{RN:254}
Im einzelnen:

{RN:255}
a)-->Das Verhalten der PDS-Fraktion bei der Haushaltsgesetzgebung zwingt nicht zu der Feststellung, daß sie die Regierung i. S. des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf „stützt“.

{RN:256}
Das Verhalten der PDS-Fraktion beim Nachtragshaushalt 1994 läßt ausreichend Raum für die Beurteilung, die PDS-Fraktion habe sich um einen eigenen Standort bemüht, aus dem sich „ihr Abstimmungsverhalten“ ableiten läßt, und im übrigen die Regierung lediglich „toleriert“:
Bei der ersten Lesung des Nachtragshaushalts 1994 hatte der PDS-Sprecher begrüßt, daß gerade die Vorschläge der PDS „endlich auf fruchtbaren Boden gefallen“ seien und daß sich die größere Regierungsfraktion „unserem Standpunkt angeschlossen“ hatte (Dr. Krause [PDS], LdTg-StenBer 2/5 v. 29.9.1994, S. 241).

{RN:257}
Der zweiten Lesung lagen außer dem bereits ursprünglich eingebrachten CDU-Änderungsantrag (LdTgDrs 2/195) neben weiteren CDU-Änderungsanträgen (LdTgDrs 2/290, 291, 293-295, 299, 300) auch solche der PDS (LdTgDrs 2/292, 296-298) zugrunde.

{RN:258}
Die Zustimmung von Teilen der PDS-Fraktion beruhte nach den ihr zuzurechnenden Erklärungen vor allem darauf, daß sie meinte, aus „pragmatischen Gründen“ in einem „Minimalkonsens“ einen „Handlungsspielraum“ geben zu sollen (Dr. Sitte, LdTg-StenBer 2/7 v. 3.11.1994, zu TOP 4, S. 369 [372]). Umstritten waren insbesondere der Einzelplan 03 [Ministerium des Innern], der eine Mehrheit von 42 gegen 34 Stimmen bei 17 Enthaltungen (LdTg-StenBer 2/7, a. a. O, S. 385) findet, der Einzelplan 07 [Bildung und Kultur], bei dem der PDS-Änderungsantrag (LdTgDrs 2/292) in namentlicher Abstimmung bei Enthaltungen der CDU (LdTg-StenBer 2/7, a. a. O., S. 385 f) angenommen wird, der Einzelplan 08 [Wirtschaft und Technologie], bei welchem der CDU-Änderungsantrag (LdTgDrs 2/294) in namentlicher Abstimmung bei Enthaltung der PDS keine Mehrheit findet (LdTg-StenBer 2/7, a. a. O., S. 387 f), sowie der Einzelplan 20 [Hochbauten], bei welchem der PDS-Änderungsantrag (LdTgDrs 2/296) in namentlicher Abstimmung bei CDU-Enthaltungen mehrheitsfähig ist (LdTg-StenBer 2/7, a. a. O., S. 389).

{RN:259}
Die Debatte um den Haushalt 1995 zwingt zu keiner anderen Beurteilung:
In der ersten Lesung (LdTg-StenBer 2/11 v. 6.12.1994, zu TOP 16) kritisiert die Fraktionsvorsitzende, Akzente einer „rot-grünen Reformpolitik“ seien unterentwickelt geblieben, und macht die Zustimmung der PDS davon abhängig, daß „sich eine Richtungsentscheidung für das Reformprojekt erkennbar abzeichne“; dazu sei wenigstens notwendig, daß „erste wichtige Eckpunkte der Koalitionsvereinbarung umsetzbar“ würden (Dr. Sitte, LdTg-StenBer 2/11, a. a. O., S. 688 [689]); sie sieht es als die Aufgabe einer „Kontrahentin“ wie der PDS an, die offenbar zu schwache Regierung auf den von ihr selbst propagierten Weg „vorwärtszudrängen“, meint, die CDU stehe der Regierungspolitik viel näher, und hält aus Regierungssicht die Rolle der PDS für viel schwieriger als diejenige der „Kontrahentin CDU“, weil sich die PDS-Fraktion „nicht in diesem Nullzustand einnisten“, sondern ihre Chance wahrnehmen wolle, ihre „Ansprüche geltend zu machen“.
Der zweiten Lesung für die Haushaltsberatung 1995 lagen außer Entschließungsanträgen der PDS- (LdTgDrs 2/710), der CDU-Fraktion (LdTgDrs 2/729) und der Koalitionsfraktionen (LdTgDrs 2/689 [zum Haushaltsgesetz]) neben Änderungsanträgen der Koalitionsfraktionen (LdTgDrs 2/709, 730, 743-747) solche der PDS- (LdTgDrs 2/701-708, 710, 734) und der CDU-Fraktion (LdTgDrs 2/711-728, 731-733) zugrunde (LdTg-StenBer 2/16 v. 9.3.1995, TOP 3).
In der Debatte über den Einzelplan 02 [Staatskanzlei] bestätigt die PDS-Fraktionsvorsitzende ihre in der ersten Lesung zum Ausdruck gekommene Grundeinstellung (Dr. Sitte, LdTg-StenBer 2/16, a. a. O., S. 1036), die Fraktion habe prinzipiell PDS-Positionen verfolgt und zugleich darauf gedrungen, daß die Landesregierung in möglichst vielen Punkten ihre eigene Koalitionsvereinbarung umsetze. Soweit sie ferner ausführt, der „Machtwechsel in Sachsen-Anhalt“ sei „unterstützt“ worden, um dem „Reformprojekt ... eine Chance zu geben“ (a. a. O., S. 1036, r. Sp., unten), deutet schon die Wortwahl auf eine bloße Tolerierung; im übrigen muß diese Stelle im Zusammenhang mit den übrigen Aussagen des Redebeitrags gesehen werden, der die PDS-Position zwar „im Grenzbereich zwichen Landesparlament und Regierung“ sieht, die sich über „Gespräche“ verwirkliche (a. a. O., S. 1036, r. Sp., Mitte), diese Verbindungen aber mit dem „Politikansatz Sachbezogenheit“ rechtfertigt, der als „kritisch-konstruktive und zugleich konsequente Opposition“ verstanden werde (a. a. O., S. 1036, l. Sp.).

{RN:260}
Diese Haltung hat nicht den von der Antragstellerin in Anspruch genommenen eindeutigen Gehalt. Zwar ist damit eine „politische Nähe“ umschrieben, die aber die Grenze einer bloßen „Tolerierung“ nicht überschreiten muß, weil in erster Linie die Grundposition der PDS nicht aufgegeben werden soll. Die PDS will eigenen Einfluß auf die vom Landtag zu verantwortende „Sachpolitik“ nehmen und sieht die Möglichkeit dafür wohl bei der vorhandenen, zum Verhandeln „gezwungenen“ Koalitions(minderheits)regierung, nicht aber im Zusammengehen mit der CDU (durch „gemeinsame Oppositionspolitik“); sie kann befürchten, diese Position, aus der heraus sie „Ansprüche“ geltend macht, zu verlieren, sobald es zu einer auf eine breite Mehrheit gegründeten „großen Koalition“ käme. Eine solche Grundeinstellung ist mit einer Würdigung vereinbar, die den Standort von Kritik „außen“ beläßt und deshalb mit einer bloßen „Kritik von innen“ nicht gleichgesetzt werden muß.

{RN:261}
Daß der Finanzausschuß die ursprüngliche Vorlage der Regierung verändert hat, wird in dem Beitrag des Berichterstatters (Dr. Kupfer [CDU], LdTg-StenBer 2/16, a. a. O., S. 1025 f) deutlich; er markiert auch die vor allem zwischen (CDU,) Koalition und PDS streitige Frage des „Verfassungsschutzes“ (a. a. O., S. 1026) sowie die Kritik der CDU zu den „Lehrerstellen“ (a. a. O., S. 1027). An der Kontroverse zwischen dem Finanzminister und der PDS-Fraktionsvorsitzenden (Schäfer, LdTg-StenBer 2/16, a. a. O., S. 1029: Anträge vom „linken Stürmerflügel ohne Deckungsvorschlag“) und an den von der PDS erhobenen Forderungen (Dr. Sitte, a. a. O., S. 1037 ff) zeigen sich zusätzlich die politischen Gegensätze.

{RN:262}
Auch der Redebeitrag des Fraktionsvorsitzenden Tschiche, der die „Koalition der Vernunft“ lobt und eine „strukturelle Mehrheit“ entdeckt (LdTg-StenBer 2/16, a. a. O., S. 1040 f), kann nicht ausschließlich für die von der Antragstellerin für zutreffend gehaltene Wertung in Anspruch genommen werden; denn der Redner sieht in der parlamentarischen Arbeit vor allem auch „eine unglaubliche Aufwertung des Parlaments“, was eher bei einer „Regierung in der Minderheit“ verständlich erscheint, die von „Verhandlungen“ über Mehrheiten im Einzelfall abhängig ist. Dies wiederum wird durch die Schlußäußerung der PDS-Fraktionsvorsitzenden bestätigt, die meint, die PDS-Fraktion habe „sich in noch keiner Haushaltsberatung insgesamt mit derart vielen landespolitischen Entwicklungsvorstellungen verwirklichen“ können (Dr. Sitte, LdTg-StenBer 2/16, a. a. O., S. 1040). Diese Ansicht der PDS-Fraktionsvorsitzenden wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Presse berichtet, andere PDS-Abgeordnete hätten die Forderungen der PDS eher als zurückhaltend angesehen („Magdeburger Volksstimme“ vom 10.5.1995); denn dies ist lediglich ein Beleg für die in der PDS vorhandenen unterschiedlichen Standpunkte zur Rolle der Partei im Parlament, zumal im selben Bericht mitgeteilt ist, künftige „Haushaltsverhandlungen“ dürften „nicht einfacher werden“.

{RN:263}
Die Würdigung durch den Ministerpräsidenten (LdTg-StenBer 2/16, a. a. O., S. 1091) schließlich, der einerseits „den Koalitionsfraktionen“ seinen besonderen Dank ausspricht und andererseits den Hoffnungen eine Absage erteilt, die „Koalition“ könne zerbrechen, lassen gleichfalls keinen eindeutigen Schluß zugunsten der Antragstellerin zu; denn mit „Koalitionsfraktionen“ sind an beiden Stellen nur die Fraktionen SPD und Bündnis 90 / DIE GRÜNEN gemeint, wie der Zusammenhang ergibt, und die weitere Schlußfolgerung, die Regierung sei handlungsfähig, ist eher eine positive Umschreibung des Ergebnisses, die Minderheitsregierung sei jedenfalls nicht daran gescheitert, daß kein Haushalt hat beschlossen werden können.

{RN:264}
Beim Haushalt 1996 läßt sich keine Veränderung der beschriebenen Grundposition erkennen:
Zwar betont der SPD-Fraktionsvorsitzende in der ersten Lesung, der Haushaltsentwurf sei Ausdruck eines politischen Programms; dies ist aber nur auf die durch die Koalition vereinbarte Politik bezogen, und außerdem hebt er die „maßgeblich sozialdemokratische Handschrift“ hervor (Dr. Fikentscher, LdTg-StenBer 2/27 v. 28.9.1995, TOP 1, S. 1912). Die PDS-Fraktionsvorsitzende warnt im wesentlichen vor dem „Verzicht auf Reformpolitik“ (Dr. Sitte, LdTg-StenBer 2/27, a. a. O., S. 1912 [1914 ff]).
Der zweiten Lesung lagen außer Entschließungsanträgen der Koalitionsfraktionen (LdTgDrs 2/1723), der CDU- (LdTgDrs 2/1710) und der PDS-Fraktion (LdTgDrs 2/1687, 1689) und Änderungsanträgen der SPD-Fraktion (LdTgDrs 2/1716) sowie der Koalitionsfraktionen (LdTgDrs 2/1686, 1717-1720, 1727) Änderungsanträge sowohl der PDS-Fraktion (LdTgDrs 2/1683-1685, 1688neu) als auch der CDU-Fraktion (LdTgDrs 2/1690-1709, 1735) zugrunde (LdTg-StenBer 2/32 v. 13.12.1995, TOP 2, S. 2270 ff).

{RN:265}
Der Berichterstatter (Dr. Kupfer [CDU], LdTg-StenBer 2/32, a. a. O., S. 2270) macht deutlich, Einsparvorschläge der Regierung seien nicht mehrheitsfähig gewesen; dies habe ein neues Gesamtkonzept der Koalition erfordert (a. a. O., S. 2271).

{RN:266}
Nach dem Debattenbeitrag der PDS-Fraktionsvorsitzenden zum Einzelplan 02 [Staatskanzlei] (Dr. Sitte, LdTg-StenBer 2/32, a. a. O., S. 2264 ff) hatte sich ihre Fraktion dem Begehren der Koalition verschlossen, eine „Generallinie bereits im Vorfeld [zu] akzeptieren“ (a. a. O., S. 2264), und dagegen die bisherige Grundeinstellung der PDS gesetzt (a. a. O., S. 2265). Allerdings hätten bei diesem Haushalt „konstruktive Konfliktverhandlungen“ Ergebnisse gebracht (a. a. O., S. 2285, r. Sp.). Der Haushalt sei in den Sitzungen des Finanzausschusses „umstrukturiert“ worden (a. a. O.), so daß es - von den Schwerpunkten der PDS aus - „positive Leistungen“ gebe (a. a. O., S. 2287); die PDS sei deshalb für den Entwurf „in besonderer Weise verantwortlich“ (a. a. O., S. 2288). Diese hervorgehobenen Passagen kennzeichnen den Kern des Gesamtbeitrags, der die für Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf entscheidende Grenze zum „Stützen“ nicht überschreitet. Dies wird auch durch den Teil der Rede nicht bewirkt, der sich mit dem „Magdeburger Modell“ beschäftigt (a. a. O., S. 2290); denn der Haushaltskompromiß wird nur als Zusammenarbeit „einer Mehrheit von Abgeordneten“ beschrieben, und außerdem ist angekündigt, der Grad der „persönlichen Zustimmung“ werde unterschiedlich sein.

{RN:267}
Die Vorstellung der Landesregierung, einen Doppelhaushalt 1997/98 zu verabschieden, ist auch an den Stimmen der PDS gescheitert (vgl. Dr. Sitte, LdTg-StenBer 2/35 v. 8.2.1996, TOP 9, S. 2610 f; Abstimmung über die [CDU-]LdTgDrs 2/1831 in LdTg-StenBer 2/35 , a. a. O., S. 2611 f).

{RN:268}
Die erste Lesung des Nachtragshaushalts 1996 liefert keine selbständigen Erkenntnisse (LdTg-StenBer 2/44 v. 19.9.1996, TOP 1a, S. 3384 ff), weil sie zeitlich mit derjenigen über den Haushalt 1997 zusammenfällt (LdTg-StenBer 2/44 v. 19.9.1996, TOP 2) und die Rede der PDS-Fraktionsvorsitzenden sich darauf beschränkt, sich gegen Versuche von Nötigung zu wehren, die inhaltlichen Aussagen aber der Diskussion um den Haushalt 1997 vorbehält (Dr. Sitte, a. a. O., S. 3391).

{RN:269}
In der zweiten Lesung (LdTg-StenBer 2/46 v. 17.10.1996, TOP 4, S. 3597 ff) lagen nur Änderungsbegehren der CDU-Fraktion (LdTgDrs 2/2657-2662) vor (LdTg-StenBer 2/46, a. a. O., S. 3598), und der Nachtragshaushalt wurde „bei zahlreichen Gegenstimmen und Enthaltungen mit Mehrheit beschlossen“ (LdTg-StenBer 2/46, a. a. O., S. 3606); dieses Ergebnis gibt dem PDS-Abgeordneten Dr. Lüderitz indessen Anlaß zu einer kritischen Erklärung für sein eigenes Abstimmungsverhalten, die er zugleich in Namen des PDS-Abgeordneten Kasten abgibt und die „Zustimmung bei der PDS und bei der CDU“ findet (LdTg-StenBer 2/46, a. a. O., S. 3606). Die PDS-Fraktionsvorsitzende hatte in ihrem Debattenbeitrag (Dr. Sitte, LdTg-StenBer 2/46, a. a. O., S. 3602 f) die von ihr für notwendig gehaltenen Kreditaufnahmen vor allem damit gerechtfertigt, daß sonst Streichungen bei den sozialen Ausgaben, bei der Lehrer(innen)gleichstellung, der Schulreform und bei Leistungen nach dem Kindertagesstättengesetz hätten hingenommen werden müssen. Damit bleibt die PDS-Haltung auf vorgezeichneten, wiederholt für wichtig gehaltenen eigenen Politiklinien, ohne als „Unterstützung der Regierungsposition“ angesehen werden zu müssen. Eine von der Regierung abgesetzte Position läßt auch der Eingangsbericht erkennen (Dr. Kupfer [CDU], Berichterstatter des Ausschusses für Finanzen, LdTg-StenBer 2/46, a. a. O., S. 3598), wonach die PDS den Haushaltsplan 1996 nicht habe zeitnah korrigieren wollen, um der Regierung nicht die Verantwortung für den laufenden Haushaltsvollzug abzunehmen oder zu erleichtern.

{RN:270}
Beim Haushalt 1997 zeigt sich für die erste Lesung (LdTg-StenBer 2/44 v. 19.9.1996, TOP 2, S. 3396 ff) bei den Vorlagen ein ähnliches Bild wie für den Nachtragshaushalt 1996; es lagen nur Gegenanträge der CDU-Fraktion vor (LdTgDrs 2/2613). Die PDS-Fraktionsvorsitzende greift vor allem die Auswirkungen der Bundespolitik an (a. a. O., S. 3415 ff), kritisiert indessen auch, daß eine „aktive Form des Widerstands“ mittels „andere[r] Haushaltsansätze in den Ländern“ nicht erkennbar sei, daß „sich gerade die Landesregierung ziemlich einfallslos gezeigt“ und „wesentliche Positionen des Haushalts von 1996 verlassen“ habe (a. a. O., S. 3417); sie wendet sich dann gegen „den Versuch der Landesregierung, Reformprojekte und Sicherung kommunaler Selbstverwaltung einer höchst fragwürdigen Scheinkonsolidierung des Haushalts zu opfern“ (a. a. O.). Dieser Beitrag entspricht dem bislang von der PDS gezeigten Verhalten. Er wird auch nicht dadurch umgewertet, daß der Ministerpräsident „Kooperation statt Konfrontation“ anmahnt, insoweit Unterschiede in den Redebeiträgen zu erblicken meint (a. a. O., S. 3422) und erwartet, durch intensives Bemühen von Landesregierung und Fraktionen eine solide Mehrheit finden zu können (a. a. O., S. 3423); denn beide Beiträge kennzeichnen unterschiedliche Ausgangspositionen einer um Mehrheiten bemühten Landesregierung einerseits und einer eigene Vorstellungen entwickelnden Fraktion andererseits.

{RN:271}
Zum Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes und zum eigentlichen Haushaltsgesetz 1997 lagen in der zweiten Lesung Änderungsanträge sowohl der CDU- als auch der PDS-Fraktion vor (vgl. i. e. LdTg-StenBer 2/52 v. 12.12. 1996, TOP 1 [a) und b)], S. 3857).

{RN:272}
Nach der Darstellung des Berichterstatters (Dr. Kupfer [CDU], LdTg-StenBer 2/52 a. a. O., S. 3858 ff) handelt es sich bei dem „Haushaltsbegleitgesetz“, welches Leistungsgesetze ändern solle (vgl. a. a. O., S. 3859) um ein Novum, und die Empfehlungen des Ausschusses für Finanzen weichen teilweise beträchtlich von den in der ersten Lesung übergebenen Regierungsvorlagen ab, dabei seien gravierende Änderungen „am Finanzminister vorbei“ (a. a. O., S. 3858) vorgenommen worden. Die Koalitionsfraktionen hätten „in Vorbereitung dieser Ausschußsitzungen zuammen mit einer befreundeten Partei“ Schwerstarbeit geleistet (a. a. O.). Insbesondere Änderungen am Finanzausgleichsgesetz mit drastischen Reduzierungen von Finanzzuweisungen an die Gemeinden seien auf Widerstand von CDU und PDS getroffen; die CDU-Fraktion habe sich zudem gegen die zu bildenden „Sondervermögen“ gewandt (a. a. O., S. 3859).

{RN:273}
Der Debattenbeitrag der PDS-Fraktionsvorsitzenden hebt nochmals Kritik an CDU, SPD und Teilen von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN hervor (Dr. Sitte, LdTg-StenBer 2/52, a. a. O., S. 3875) und weist auf „den Streit der letzten Monate und Wochen zwischen den Koalitionsfraktionen, der Landesregierung und der PDS-Fraktion“ (a. a. O.) hin. Soweit die PDS-Sprecherin Vorwürfe dann besonders gegenüber der CDU-Fraktion erhebt, die versuche, „die politische Konstellation des Magdeburger Modells parteipolitisch zu instrumentalisieren“ (a. a. O.), steht dies im Zusammenhang mit der Beschreibung von unterschiedlichen Oppositionsstrategien, einer „kooperativen“ der PDS und einer „konfrontativen“ der CDU (a. a. O.). Daß das Haushaltsergebnis auf keiner von Anfang an bestehenden Gemeinsamkeit „innerhalb des ,Magdeburger Modells’“ beruht hat, macht die PDS-Fraktionsvorsitzende deutlich, indem sie dem ursprünglichen Entwurf erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen SPD- und CDU-Positionen zuschreibt und meint, „das Gesicht des Magdeburger Modells“ habe „Falten bekommen, auch Zornesfalten“, was ein „abgestimmtes Pflegeprogramm“ erfordere (a. a. O.). Für das erzielte Ergebnis sei wesentlich die Prioritätenliste der PDS geworden (a. a. O., S. 3875 ff).

{RN:274}
b)-->Nichts anderes läßt sich auf der Grundlage von Debatten über wichtige, von der CDU-Fraktion (fast ausnahmslos) abgelehnte Gesetzesvorhaben der Regierung feststellen.

{RN:275}
Überwiegendes spricht dafür, das Finanzausgleichsgesetz (FAG), das zu den für die PDS-Politik besonders wichtigen „kommunalpolitischen“ Gesetzen gehört (vgl. die Zeugenaussage Dr. Sitte), habe Stimmen von PDS-Abgeordneten nicht „wie aus einer Koalition heraus“, sondern erst nach einem „Konfliktverfahren“ erhalten:

{RN:276}
In der ersten Lesung (LdTg-StenBer 2/7 v. 3.11.1994, zu TOP 8) weist der PDS-Abgeordnete Claus (a. a. O., S. 398) auf „erhebliche Schwierigkeiten“ sowie darauf hin, daß „Reformen auch bei den Kommunen ankommen“ müßten; er fordert, der (Koalitions-)Entwurf müsse noch erheblich verändert werden, und erwägt sogar, ob sich nicht CDU und PDS auf einen Entwurf einigen könnten, „den die Landesregierung dann irgendwie tragen muß“.

{RN:277}
Der zweiten Debatte, die der Endabstimmung vorausging, lagen die Gesetzentwürfe der CDU (LdTgDrs 2/78) und der Koalitionsfraktionen (LdTgDrs 2/251) sowie außer Entschließungsanträgen der CDU (LdTgDrs 2/79) und der PDS (LdTgDrs 2/445) Änderungsanträge dieser Fraktionen (LdTgDrs 2/432 [CDU] und 2/444 [PDS] neben solchen der Koalitionsfraktionen (LdTgDrs 2/433, 443) zugrunde.

{RN:278}
Zwar erklärt der PDS-Sprecher in dieser zweiten Debatte nunmehr (Claus, LdTg-StenBer 2/10 v. 15.12.1994, TOP 7, S. 591 f), die Abgeordneten seiner Fraktion würden „den SPD-Anträgen“ weitgehend zustimmen oder sich enthalten, rechtfertigt dies aber erstens damit, daß es mit der PDS-Linie unvereinbare Standpunkte der CDU gegeben habe, und zweitens damit, daß sich seine Fraktion um erhebliche Veränderungen des Koalitionsentwurfs bemüht habe und in mehreren „Konfliktberatungen“ mit den Koalitionsfraktionen „bis an den Rand des mit dieser Regierung verhandelbaren Spielraums“ gegangen sei.

{RN:279}
Eine solche Absprache über eine Sachfrage, welche der CDU-Abgeordnete Scharf bereits als „Koalitionsvereinbarung“ gewertet hatte (Zuruf in LdTg-StenBer 2/10, a. a. O, S. 592), läßt aber Teilvorbehalte gegen das Vorhaben nicht bloß als eine „koalitionsähnliche“ Kritik „von innen“ erscheinen, sondern gerade auch die Deutung als Versuch zu, der Regierung „von außen“ in einer Sachfrage einen Kompromiß „aufzuzwingen“. Diese Wertung wird nicht durch den Redeteil in Frage gestellt, der die „Absicht“ beschreibt, „diese Landesregierung auf lange Sicht kritisch zu begleiten“ (Claus, a. a. O.). Die „Begleitung“ ist auch bei bloßem „Tolerieren“ denkbar; das wiederum hängt davon ab, wie weit sich „Kritik-“Ansätze verwirklichen lassen.

{RN:280}
Nichts anderes ergibt sich beim „Gesetz über das Verfahren bei Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (Volksabstimmungsgesetz)“.

{RN:281}
In der ersten Beratung (LdTg-StenBer 2/14 v. 9.2.1995, TOP 11, 920 ff) erklärt der PDS-Abgeordnete Claus (LdTg-StenBer, a. a. O., S. 921), trotz der Kritikpunkte sei der Koalitionsentwurf dadurch legitimiert, „daß das Volksabstimmungsverhinderungsgesetz der CDU nun wirklich beseitigt werden muß“; allerdings werde sich die PDS im Ausschuß für erhebliche Korrekturen des „Gesetzentwurf[s] eines CDU-tolerierten Innenministers“ einsetzen; dabei hoffe sie, „daß Sie in diesem Falle nicht darauf setzen, mit der CDU eine Annäherung in der Mitte zu suchen“. Soweit in diesem Redebeitrag die politische Gegenposition zur CDU zum Ausdruck kommt, richtet sie sich gegen die bisherige, CDU-geführte Regierung im früheren Landtag und belegt nicht schon dadurch auch, daß die CDU-Fraktion des neuen Landtags nunmehr als „die einzige Opposition“ angesehen werden muß. Der Redebeitrag läßt vielmehr als Wertung zu, die PDS-Fraktion wolle lediglich eine in Fragen der Innenpolitik von ihr so eingeschätzte besondere Nähe der Regierung bzw. der SPD zur CDU-Position verhindern und ihren „eigenen“ Einfluß auf den Regierungsentwurf (als Sachlösung) wahren.

{RN:282}
Der zweiten Lesung lagen außer Änderungsanträgen der CDU-Fraktion (LdTgDrs 2/1034) sowie „mehrerer Abgeordneter“ (LdTgDrs 2/1048) auch Änderungsverlangen der PDS-Fraktion (LdTgDrs 2/1050) zugrunde (LdTg-StenBer 2/23 v. 15.6.1995, TOP 4, S. 1581 ff).

{RN:283}
Der PDS-Abgeordnete Claus meint, von der früher geäußerten Kritik sei nicht viel zurückzunehmen; das Hauptinteresse sei aber nach wie vor, das frühere CDU-Gesetz zu beseitigen, weil es Volksinitiativen verhindere (a. a. O., S 1585). Von der an die Koalition und an die CDU gegebenen Wunschliste sei nur einiges aufgenommen worden (a. a. O., S. 1585); die Fraktion werbe um Zustimmung für ihre Änderungsanträge, werde sich aber im übrigen weitgehend enthalten, weil sie Mißtrauen in die CDU-Fraktion setze (a. a. O., S. 1586).

{RN:284}
Dies läßt die Bewertung zu, mit dieser Einstellung bekräftige die PDS einerseits ihren schon in der ersten Lesung gezeigten eigenen Weg sowohl gegen den Entwurf als auch vor allem gegen das geltende Gesetz und gebe andererseits zugleich der Sorge Ausdruck, es könne zu einem Zusammengehen „von Koalition und CDU-Fraktion“ kommen. Soweit in dem Redebeitrag auch markiert ist, die PDS helfe der Regierung über manche Hürde hinweg (Claus, LdTg-StenBer 2/23, a. a. O., S. 1585), muß diese „Hilfe“ nicht als generelle „Stützung“ gewertet werden, sondern kann - eher „erfolgsbezogen“ - ebenso als Hinweis auf eine bereits in der Vergangenheit wiederholte Mehrheitsbeschaffung bei einzelnen Sachfragen verstanden werden.

{RN:285}
Die Abstimmung läßt kein einheitliches Vorgehen der PDS erkennen: Der Entwurf wird schließlich mit 41 gegen 24 Stimmen bei 16 Enthaltungen angenommen (LdTg-StenBer 2/23, a. a. O., S. 1589). Dabei entsprächen 41 Stimmen der vollen Zahl der Koalitionsabgeordneten, 24 Stimmen erreichten die Zahl von 37 CDU-Abgeordneten nicht, und 16 Enthaltungen wären weniger als die Stärke der PDS-Fraktion (21 Abgeordnete).

{RN:286}
Wesentlich neue Erkenntnisse sind auch durch die Debatte über das Änderungsgesetz zum Kommunalabgabenrecht nicht zu gewinnen, das schließlich in einer dritten Beratung mit einer aus den Koalitionsfraktionen und der CDU-Fraktion bestehenden Mehrheit beschlossen worden ist (LdTg-StenBer 2/39 v. 25.4.1996, TOP 3, S. 2949):

{RN:287}
Ausgangsgrundlagen waren der in der 12. Sitzung des Landtags (LdTg-StenBer 2/12 v. 19.1.1995, TOP 3, S. 764 ff) eingebrachte Entwurf der PDS (LdTgDrs 2/479) sowie der in der 30. Sitzung (LdTg-StenBer 2/30 v. 9.11.1995, TOP 6, S. 2172 ff) eingebrachte Regierungsentwurf (LdTgDrs 2/1556), die jeweils in erster Lesung dem Innenausschuß überwiesen worden waren, der Regierungsentwurf auch dem Ausschuß für Umwelt, Energie und Raumordnung (LdTgDrs 2/31/1589B).

{RN:288}
In der zweiten Beratung über beide Gesetzesvorlagen (LdTg-StenBer 2/38 v. 28.3.1996, TOP 2, S. 2843 ff) kommt es gleichwohl zu keiner Sachabstimmung, weil die SPD-Fraktion die Rücküberweisung in den Ausschuß beantragt, nachdem feststeht, daß die CDU-Fraktion im Plenum die auf einer Annäherung zwischen SPD- und CDU-Positionen beruhende Beschlußvorlage des Ausschusses nicht mittragen wird (Hoffmann, a. a. O., S. 2846 ff); die Rücküberweisung wird mehrheitlich beschlossen (LdTg-StenBer 2/38, a. a. O., S. 2852).

{RN:289}
Die PDS-Fraktion hatte ihre Mitwirkung im Innenausschuß nach einem Streit um den Begriff der „Sozialverträglicheit“ der Abgaben aufgegeben (Hoffmann [SPD, als Berichterstatter des Ausschusses für Inneres], LdTg-StenBer 2/38, a. a. O., S. 2843); gleichwohl sieht der PDS-Sprecher die Möglichkeit, einen „neuen Kompromiß zwischen Koalition und PDS“ auszuhandeln, nachdem „eine Antireformallianz ... gescheitert“ sei (Claus, LdTg-StenBer 2/38, a. a. O., S. 2845; vgl. auch a. a. O., S. 2846, l. Sp.). Dieser Begriff sowie die weiteren Formulierungen, die CDU habe „doch nur den Crash von Magdeburg als Bedingung“ gesetzt (a. a. O., S. 2845) und die PDS sei „bereit, auch unpopuläre Entscheidungen mitzutragen“ (a. a. O., S. 2846), lassen sich nicht schon als Ringen um den Bestand eines die PDS einschließenden („koalitionsähnlichen“) Bündnisses verstehen, sondern gerade auch als Bestätigung der bisherigen PDS-Positionen gegenüber der eine Minderheitsregierung tragenden Koalition; dafür spricht immerhin, daß die Bereitschaft, Entscheidungen „mitzutragen“ zusammen mit dem Satz davor gelesen werden muß: „Wir wollen tatsächliche Reformalternativen durchsetzen.“ (a. a. O., S. 2846). Außerdem betont der Redner, die PDS habe sich erst der Zusammenarbeit entzogen, als die Koalition nicht einmal mehr ihren eigenen Entwurf habe verteidigen wollen (a. a. O., S. 2846, l. Sp.); die Fraktion habe sich zu den angebotenen „Konfliktverhandlungen“ mit der Koalition vor allem auch dadurch bewegen lassen, daß ein Kompromiß der Koalition mit der CDU habe verhindert werden sollen (a. a. O., S. 2846, r. Sp.). Dies bewegt sich noch auf der oben beschriebenen Grundposition, die durch die sie balancierenden Gegenkräfte beeinflußt wird, und kann auch dahin verstanden werden, daß die PDS um ihren Einfluß besorgt war, ohne den sie Sachänderungen nicht durchsetzen kann. Die SPD-Fraktion versteht ihr Zusammengehen mit der CDU in einer Sachfrage ausdrücklich nicht als Beginn der von der PDS beschworenen „Anti-Reform-Allianz“, sondern weiterhin als Teil einer „sachorientierten“ Politik (Hoffmann, a. a. O., S. 2848, l. Sp., unten) und bleibt damit auf dem vom Ministerpräsidenten eingeschlagenen Kurs der Mehrheitssuche nach beiden Seiten.

{RN:290}
Der dritten Beratung (LdTg-StenBer 2/39 v. 25.4.1996, TOP 3, S. 2942 ff) lagen außer den bisherigen Materialien und der neuen Beschlußempfehlung des Ausschusses (LdTgDrs 2/2071neu) neben einem Antrag „mehrerer Abgeordneter“ (LdTgDrs 2/2178) und einem gemeinsamen Änderungsantrag der CDU-Fraktion und der Koalitionsfraktionen (LdTgDrs 2/2182) mehrere Änderungsanträge der PDS-Fraktion (LdTgDrs 2/2188-2202, 2204) zugrunde.

{RN:291}
Der PDS-Sprecher nennt die Träger der späteren Mehrheitsentscheidung „KAG-Koalitionäre“ (Dr. Schuster, LdTg-StenBer 2/39, a. a. O., S. 2944) und macht damit deutlich, daß der Begriff der „Koalition“ auch von ihm in erster Linie als „Schlagwort“ benutzt wird; er begründet im übrigen die den Änderungsanträgen zugrunde liegende PDS-Position. Der SPD-Fraktionsvorsitzende kündigt an, seine Fraktion werde den PDS-Änderungsanträgen nicht zustimmen (Dr. Fikentscher, LdTg-StenBer 2/2946, a. a. O., S. 2946). Das Gesetz wird in namentlicher Abstimmung mit 71 gegen 18 Stimmen angenommen (LdTg-StenBer 2/39, a. a. O., S. 2951 f).

{RN:292}
Auch die im zeitlichen Zusammenhang mit der Kommunalabgabenrechtsnovelle stehende Änderung des Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit (GKG) vermittelt keine neuen Erkenntnisse:
Die auf einer Vorlage der Landesregierung beruhende Änderung (LdTgDrs 2/1882) war in der ersten Lesung (vor dem Gesetzesbeschluß über die Kommunalabgabenrechtsänderung) in den Ausschuß verwiesen worden (LdTg-StenBer 2/35 v. 8.2.1996, TOP 5, S. 2598).

{RN:293}
In der 40. Sitzung fand die zweite, abschließende Lesung des GKG-Änderungsgesetzes statt (LdTg-StenBer 2/40 v. 30.5.1996, TOP 5, S. 3067 ff), der kein Änderungsantrag der PDS-Fraktion zugrunde lag.

{RN:294}
Der PDS-Sprecher wendet sich vor allem gegen Vorstellungen der CDU-Fraktion, die Austrittsmöglichkeiten der Gemeinden aus den Zweckverbänden einzugrenzen (Dr. Schuster, LdTg-StenBer 2/40, a. a. O., S 3078), sowie gegen den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen (LdTgDrs 2/2301), den Regierungspräsidien die Entscheidung zu übertragen, ob ein Austritt wirksam ist (LdTg-StenBer 2/40, a. a. O., S. 3078). Der CDU-Änderungsantrag (LdTgDrs 2/2309) wird in namentlicher Abstimmung im wesentlichen mit den Stimmen der Koalition und der PDS abgelehnt (LdTg-StenBer 2/40, a. a. O., S. 3079). Nachdem der Änderungsantrag der Koalition angenommen ist, findet auch das Gesetz selbst die Mehrheit der Stimmen (LdTg-StenBer 2/40, a. a. O., S. 3080). Fragen zum „Magdeburger Modell“ sind nicht diskutiert; das Abstimmungsverhalten zu dieser Sachfrage läßt sich mit einer Grundlinie vereinbaren, die auf keinen Fall bei den Austrittsmöglichkeiten nachgeben will und deshalb die Zuständigkeitsverschiebung von der unteren auf die höhere Kommunalaufsichtsbehörde „in Kauf nimmt“.

{RN:295}
Die Änderung des aus dem Jahr 1991 stammenden Gesetzes zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen geht auf einen Regierungsentwurf zurück (LdTgDrs 2/1640); er trägt nach den Äußerungen des Berichterstatters in der zweiten Lesung (Prof. Dr. Böhmer [CDU], LdTg-StenBer 2/40 v. 30.5.1996, TOP 4, S. 3054) nach einer Vorbereitung durch die PDS im außerparlamentarischen Bereich die Handschrift der PDS-Sprecherin und stellt sich als Kompromiß aus ursprünglich divergierenden Interessen dar. Die PDS-Sprecherin betont diesen Kompromiß-Charakter (Dr. Hein, LdTg-StenBer 2/40, a. a. O., S. 3055) und kündigt an (a. a. O., S. 3056), die PDS werde sich auch künftig widersetzen, wenn der erreichte Finanzierungsstandard verschlechtert werde. Der Rücküberweisungsantrag und die Änderungsanträge der CDU-Fraktion (LdTgDrs 2/2307, 2308) werden mehrheitlich abgelehnt, die Gesetzesvorlage in Form der Ausschußbeschlußvorlage wird mit Mehrheit beschlossen (LdTg-StenBer 2/40, a. a. O., S. 3066 f). Die Debattenbeiträge zeigen, daß die PDS-Fraktion von einer „eigenen“ Position her den „Kompromiß“ gesucht und auf dieser Grundlage der Regierungsvorlage im Ergebnis (nach Ausschußarbeit) zur Mehrheit verholfen hat.

{RN:296}
c)-->Soweit es um die Ausübung von parlamentarischen Kontrollrechten gegenüber der Regierung geht, läßt sich nicht erkennen, daß die PDS-Fraktion sich zurückgehalten hat, um die Regierung zu schonen, oder daß sie diese Rechte mit dem offenkundigen Ziel ausgeübt hat, die Arbeit der Regierung zu unterstützen.

{RN:297}
Nach einer von der Landtagsverwaltung verfaßten und unwidersprochen gebliebenen Aufstellung mit Stand vom 12.8.1996 (vgl. Anlage 7 zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 15.8.1996) liegt die PDS-Fraktion mit sechs großen und 365 kleinen Anfragen zwar unterhalb der für die CDU-Fraktion ermittelten Quote (16 bzw. 568), aber deutlich über derjenigen für die beiden Koalitionsfraktionen zusammen (2 bzw. 190).

{RN:298}
Ähnliches ergibt die Aufstellung von Gesetzentwürfen. Nach der auch insoweit unwidersprochen gebliebenen Aufstellung des Antragsgegners (vgl. Anlage 3 zum Schriftsatz vom 15.8.1996) erreichen die Initiativen der PDS-Fraktion (15) nicht den Umfang der Regierungsvorlagen (39), sind aber der Aktivität der CDU-Fraktion (14) vergleichbar.

{RN:299}
Nicht ohne Berücksichtigung bleiben kann in diesem Zusammenhang ferner das Abstimmungsverhalten der PDS-Fraktion; danach können die Stimmen der PDS-Abgeordneten nicht einfach der Zahl der Koalitionsabgeordneten angefügt werden. Die unwidersprochen gebliebene Aufstellung des Antragsgegners (Anlage 6 zum Schriftsatz vom 15.8.1996, dort Nr. 1.2) belegt vielmehr einerseits, daß die PDS-Fraktion ganz oder in Teilen häufig gegen die durch Abgeordnete der Koalition vertretenen Ansichten gestanden und andererseits auch zusammen mit der CDU-Fraktion wiederholt mehrheitlich gegen die Koalition gestimmt hat (vgl. etwa Hochschulhaushalt, SKET, Regionalentwicklung, Investitionszuweisung an Kommunen).

{RN:300}
2.2.2.3.-->Schließlich ist das Verhalten bei besonderen Abstimmungen nicht schon als „Vertrauen“ für Zusammensetzung und Programm der Regierung zu werten:

{RN:301}
Aus der Debatte (LdTg-StenBer 2/13 v. 20.1.1995, TOP 20, S. 860 ff) zur Abstimmung über den Antrag der CDU-Fraktion, das Verhalten des Ministerpräsidenten im Zusammenhang mit der Besetzung des Wirtschaftsressorts zu mißbilligen (LdTgDrs 2/2503), läßt sich keine solche Billigung herleiten:

{RN:302}
Einerseits hat sich der PDS-Sprecher (Dr. Süß, LdTg-StenBer 2/13, a. a. O., S. 865) der Kritik angeschlossen, weil der designierte Wirtschaftsminister sein Amt zu spät antrete und weil dies die Haushaltsentscheidungen beeinflussen könne; andererseits hat er den Kritikpunkt für nicht bedeutsam genug gehalten und gemeint, „öffentliches Schaulaufen“ helfe niemandem (a. a. O.). Ein gewichtiges Indiz dafür, daß die PDS „Vertrauen“ in die Personalpolitik des Regierungschefs setzt oder gar den designierten Minister unterstützen will, ist darin nicht zu sehen.

{RN:303}
Weder die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zu „Schwerpunkten der weiteren Arbeit der Landesregierung“ in der 25. Sitzung des Landtags noch die anschließende Debatte (LdTg-StenBer 2/25 v. 31.8. 1995, TOP 1, S. 1721 ff, 1733 ff) belegen ein „Überwechseln“ der PDS-Fraktion in das „Lager der Koalition“.

{RN:304}
Die Regierungserklärung bezeichnet einzelne Vorhaben der Landesregierung, welche sie umsetzen will.

{RN:305}
Der Debattenbeitrag der PDS-Fraktionsvorsitzenden (LdTg-StenBer 2/25, a. a. O., S. 1747 ff), den der Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN anschließend „verblüfft“ als „eine Art zweite[r] Regierungserklärung“ bewertet (LdTg-StenBer 2/25, a. a. O., S. 1749), betont gerade in diesem Verständnis gewollte Eigenständigkeit der PDS „neben“ der die Regierung tragenden Koalition. Der Beitrag selbst geht nicht über frühere Darstellungen hinaus und kennzeichnet keine Bewegung in Richtung auf ein „Bündnis“ mit den Koalitionsfraktionen. Das gilt auch für die Formel von der „Oppositionspolitik mit gestalterischer Verantwortung“ (LdTg-StenBer 2/25, a. a. O., S. 1748, r. Sp.), die den bisherigen Standort beschreibt, von einer Stelle außerhalb der Koalition Einfluß zu nehmen. Soweit sich die PDS den „Druck“ zurechnet, „um Vorhaben aus Koalitionsvereinbarungen auf den Weg zu bringen“ (a. a. O.), wird damit nicht die Koalitionsvereinbarung zur gemeinsamen Basis, sondern es bleibt ganz ausdrücklich bei einer betont „selbstbestimmten“ (a. a. O., unter „drittens“; vgl. - weitergehend in den Forderungen - auch unter „viertens“ und „fünftens“) Rolle, die „ausgewählte Regierungsvorhaben“ „unterstützt“ (a. a. O., unter „erstens“) und dabei danach unterscheidet, in welchem Maß PDS-Forderungen berücksichtigt sind (a. a. O., unter „zweitens“). Diesen „Druck von außen“ stellt die Formel nicht in Frage, die PDS sei „Kontrahentin oder Partnerin“ (a. a. O., S. 1748, l. Sp.). Angesichts der konkreten Ausführungen kann auch die Eingangspassage über das „Magdeburger Projekt“ (a. a. O., S. 1747) nicht dahin verstanden werden, es habe eine Einigung auf das „Magdeburger Modell“ als gemeinsame Programmatik stattgefunden, so daß dadurch eine die Regierung i. S. des Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf „stützende“ Mehrheit entstanden sei. Zwar wird die Verständigung auf dieses „Projekt“ nicht als „zufällig“ angesehen, wohl aber das Modell selbst als „Sonderfall“ einer Minderheitsregierung und als Alternative für die PDS beschrieben, eine „große Koalition“ zu verhindern, zumal „die CDU für die SPD insgesamt eigentlich immer noch das kleinere Übel“ sei (a. a. O., r. Sp.). Nicht zuletzt sieht die PDS-Fraktionsvorsitzende ihren Einfluß auf die Landesregierung als Vehikel an, „um Landespolitik gegenüber dem republikweit dominanten Kurs eines neokonservativen Staatsumbaus ein[zu]setzen“ (a. a. O., S. 1748, r. Sp.). Damit wird eher eine von außen nur beeinflussende als eine Binnen-Rolle beschrieben, wie sie einer Koalitionsfraktion eigen wäre. Dieser grundsätzliche Standpunkt wird auch nicht dadurch verlassen, daß die PDS-Fraktionsvorsitzende auf der Grundlage der Entwicklungen von einer „neue[n], produktive[n] Grundeinstellung zum Magdeburger Regierungsprojekt“ (a. a. O., S. 1749) ausgeht.

{RN:306}
Die Bewertung durch den Fraktionsvorsitzenden Tschiche (LdTg-StenBer 2/25, a. a. O., S. 1749) bestätigt dies eher („zweite Regierungserklärung“), als daß sich aus seiner Einschätzung Argumente für die Gegenposition herleiten ließen. Das gilt auch, soweit er einen Veränderungsprozeß bei den Parteien, insbes. bei der PDS, feststellt.

{RN:307}
Weder aus dem Umstand, daß der Antrag der CDU-Fraktion zum (fehlenden) Oppositionsstatus der PDS mit den Stimmen dieser Fraktion abgelehnt worden ist (LdTg-StenBer 2/26 v. 1.9.1995, TOP 20, S. 1862), noch aus den Debattenbeiträgen lassen sich eindeutige Rückschlüsse auf ein „Stützen“ der Regierung ziehen.

{RN:308}
Die PDS-Fraktionsvorsitzende wiederholt lediglich die bisherige Linie der Fraktion; das gilt auch, soweit sie den bekannten Regierungsmodellen das „Magdeburger Modell“ ausdrücklich gegenüberstellt (Dr. Sitte, LdTg-StenBer 2/26, a. a. O., S. 1860 f); denn sie betont das „sach- und interessenbezogene“ „Politikprinzip“ (a. a. O., S. 1861). In der Formulierung, die Verfassung müsse geändert werden, wenn sie die Wirklichkeit [wohl: „gestaltender Opposition“] nur unvollkommen widerspiegele (a. a. O., S. 1860), liegt kein „Eingeständnis“, die Oppositionsrolle bereits aufgegeben zu haben, sondern eher die „Rechtsbedingung“: Wenn denn „gestaltende Opposition“ von dem geltenden Verfassungstext nicht erfaßt würde, dann müsse dieser eben geändert werden.

{RN:309}
Ein „Überwechseln“ der PDS-Fraktion in das „Regierungslager“ läßt sich auch mit der Debatte über die „Regierungserklärung zur aktuellen wirtschaftlichen Lage in Sachsen-Anhalt“ (LdTg-StenBer 2/37 v. 8.3.1996, TOP 1, S. 2753 ff) oder der anschließenden Beratung über die „wirtschaftspolitischen Ziele“ der Regierung (LdTg-StenBer 2/37 v. 8.3.1997, TOP 2, S. 2775 ff) nicht belegen:

{RN:310}
Der Ausschnitt aus der Rede des PDS-Abgeordneten Dr. Süß, die PDS habe „ja vieles unterstützt und mitgetragen“ (LdTg-StenBer 2/37, a. a. O., S. 2770), bezieht sich auf staatliche Beihilfen und damit konkrete Maßnahmen der Wirtschaftsförderung. Er kann aber auch schon deshalb nicht als „Unterstützung“ etwa wenigstens der Wirtschaftspolitik angesehen werden, weil in dieser Rede neben der Landesregierung gerade der Wirtschaftsminister besonderer Kritik durch die PDS ausgesetzt ist. In gleichem Sinn ist deshalb auch der weitere Ausschnitt (a. a. O., S. 2770) zu verstehen, „Berechenbarkeit“ zähle zum Investitionsklima eines Landes; denn damit wird eine Verknüpfung im selben Satz mit der „Gewißheit“ [hier: für die konkrete unternehmerische Entscheidung] hergestellt, daß sich „ehrliches Engagement auszahlt und lohnt“. Dieser Deutung steht auch die Schlußpassage nicht entgegen, die PDS werde dem CDU-Fraktionsvorsitzenden „nicht helfen, ... diese rot-grüne Koalition zu stürzen“ (a. a. O., S. 2773); denn „die Opposition“ bedarf keiner „gemeinsamen“ Strategie, die auf den Sturz der amtierenden Regierung zielt.

{RN:311}
Der Beitrag der PDS-Abgeordneten Blenkle zum Tagesordnungspunkt 2 derselben Sitzung (LdTg-StenBer 2/37 v. 8.3.1996, TOP 2, S. 2780) setzt die erhebliche Kritik an der Wirtschaftspolitik (aus Anlaß der Situation bei den Magdeburger Armaturenwerken [MAW]) fort.

{RN:312}
„Stützendes“ Verhalten kann nicht deshalb festgestellt werden, weil der Mißbilligungsantrag der CDU-Fraktion (LdTgDrs 2/2377) in der 43. Sitzung des Landtags nur im Punkt 3 (Aufforderung zu künftiger unverzüglicher und vollständiger Antwort auf Abgeordnetenfragen und parlamentarische Anfragen [LdTgDrs 2/43/2377B]) mehrheitliche Zustimmung erfahren hat, nachdem die PDS-Fraktion die getrennte Abstimmung verlangt hatte (Gallert, LdTg-StenBer 2/43 v. 21.6.1996, TOP 35, S. 3364 [3366 f]); denn die beiden vorausgegangenen Punkte (LdTgDrs 2/2377, Nrn. 1 und 2) betrafen lediglich Anlässe zu der unter 3 verlangten Forderung für ein künftiges Verhalten, und diese Forderung ist von der PDS unterstützt worden.

{RN:313}
Die auf Antrag der CDU-Fraktion beschlossene Mißbilligung der Regierung (LdTg-StenBer 2/49 v. 14.11.1996, TOP 12, S. 3798) kann die Feststellung nicht begründen, weil sie bei nur zwei Enthaltungen eine Mehrheit gefunden und gerade auch von PDS-Abgeordneten gegen die Koalitionsfraktionen mitgetragen worden ist (vgl. den Debattenbeitrag von Blenkle [PDS], a. a. O., S. 3795).

{RN:314}
Die Weigerung der PDS, den „konstruktiven Mißtrauensantrag“ der CDU zu unterstützen und dadurch die Regierung Dr. Höppners zu stürzen, kann nicht als „Vertrauensbeweis“ gegenüber dem Ministerpräsidenten und damit zugleich gegenüber der Regierung gewertet werden. Das verbietet der Regelungsgehalt des Art. 72 LSA-Verf, der kein echtes „Mißtrauens-“ Votum gegenüber dem amtierenden Regierungschef zuläßt, sondern dessen Regierung nur dadurch beendet, daß eine (absolute) Mehrheit einem anderen Kandidaten „Vertrauen gibt“.

{RN:315}
Daß von „der Opposition“ gerade keine „gemeinsame“ Sturzstrategie verfolgt werden muß, weil sonst die „Teile der Opposition“ gezwungen würden, gegen ihre eigenen Interessen zu handeln, wird durch die Zielrichtung des CDU-Antrags deutlich bestätigt: Gewollt war keineswegs die von beiden Seiten für politisch unvorstellbar gehaltene Bildung einer gemeinsamen Regierung aus CDU und PDS, sondern eine Regierung aus CDU und (wenigstens Teilen der) SPD (vgl. die Debattenbeiträge Dr. Bergners, LdTg-StenBer 2/50 v. 22.11.1996, S. 3831 [3834, 3835, jew. r.Sp., 3836]; Dr. Fikentschers, a. a. O., S. 3836 [3837 r. Sp.]; Dr. Sitte, a. a. O., S. 3841 [3843, mit Zwischenruf Dr. Bergners]). Gleichfalls bestätigt wird, daß eine „Oppositionsfraktion“ (hier die CDU) mit Hilfe der Mittel über die „parlamentarische Verantwortlichkeit“ (hier: Art. 72 Abs. 1 LSA-Verf) bestrebt sein kann, in die Regierungsverantwortung gerade mit der Hilfe von bislang den amtierenden Regierungschef tragenden politischen Kräften (hier Teilen der SPD) zu gelangen.

{RN:316}
Damit setzt sich die seit Konstituierung des 2. Landtags bestehende „Alternativenbildung“ („große“ statt „kleiner“ Koalition; Stellenwert der PDS-Einflußmöglichkeiten) fort, ohne daß diese allein der Antragstellerin zuzurechnende „Strategie“ damit notwendig Einfluß darauf hat, wie die verfassungsrechtliche Rolle der (innerhalb der [Mehrheits-]Opposition durchaus konkurrierenden) PDS nach Art. 48 Abs. 1 LSA-Verf zu bewerten ist.

{RN:317}
Nach alledem ließ sich keine Feststellung treffen, daß das Verhalten der PDS-Fraktion im Landtag auf einer „koalitionsähnlichen Abrede“ beruht, die die Grenze vom „Tolerieren“ zum „Stützen“ überschritten hat. Damit ist das Begehren der Antragstellerin unbegründet geblieben; der Feststellungsantrag war deshalb abzulehnen.

{RN:318}
3.-->Die Kostenentscheidung beruht auf § 32 Abs. 1, 3 LSA-VerfGG.
Da der Antrag keinen Erfolg hat, muß das Land Sachsen-Anhalt die notwendigen Auslagen der Antragstellerin nicht erstatten.
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Das Gericht

Der Sitz des Landesverfassungsgerichts ist Dessau-Roßlau.