Urteil des Gerichtes
Entscheidungsvorblatt
Aktenzeichen: LVG 4/96 | Entscheidungsart: Urteil | Entscheidung vom: 17.09.1998 |
Verfahrensart | Kommunalverfassungsbeschwerde | |
entscheidungserhebliche Vorschriften |
ENeuOG Art. 4 RegG § 4 EU-VO 1191/69 EU-VO 1893/91 GG Art. 28 Abs 2 S 3 LSA-Verf Art. 2 Abs 3 LSA-Verf Art. 75 Nr 7 LSA-Verf Art. 87 Abs 1 LSA-Verf Art. 87 Abs 3 LSA-Verf Art. 88 LSA-VerfGG § 2 Nr 8 LSA-VerfGG § 51 LSA-ÖPNVG § 3 LSA-ÖPNVG § 10 LSA-ÖPNVG § 11 LSA-ÖPNVG § 12 LSA-ÖPNVG § 15 |
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Schlagworte | Personennahverkehr - Aufgabe, übertragene - Aufgabe, neue - Ausgleich, angemessener - Interessenquote - Aufgabenträger, besonderer - Bestellung - Finanzierung - Träger -Landesaufgabe - Grundausstattung - Konnexitätsprinzip - Kostendeckung, Regelung - Schienenverkehr - Wirkungskreis, eigener - Wirkungskreis, übertragener | |
Stichworte | Urteil | |
Leitsatz | 1.-->Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf gestattet nur, den Kommunen staatliche Aufgaben nach Weisung und - weitergehend als andere Landesverfassungen auch - Pflichtaufgaben zur eigenen Wahrnehmung aufzuerlegen, wenn für diese jeweils die Kostendeckung geregelt und Mehrbelastungen der Kommunen angemessen ausgeglichen werden. 2.-->Art. 87 Abs.3 LSA-Verf enthält einen besonderen Regelungsauftrag für den Gesetzgeber. Dieser erfüllt eine Schutzfunktion für die Kommunen in der Weise, dass er bei jeder Aufgabenübertragung die damit verbundenen finanziellen Belastungen berücksichtigen muss. Dabei sind die Kosten nachvollziehbar zu ermitteln und für die Kommunen sichtbar zu machen, in welcher Höhe sie an der Deckung der Kosten beteiligt werden. 3.-->Entscheidend ist die Eignung der Regelung zum Zweck der Berechnungssicherheit. Dabei müssen nicht alle Kosten, die bei den Kommunen im Zusammenhang mit der Aufgabe anfallen, seitens des Landes abgedeckt werden. Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn den Kommunen eine "Interessenquote" bei der Kostendeckung verbleibt. Die Höhe einer solchen Quote ist dem Ermessen des Gesetzgebers anheimgestellt. | |
Fundstellen | LVerfGE 9, 343 - NVwZ-RR 1999, 96 | |
Sonstiges | öffentlicher Nahverkehr | |
Zitiervorschlag |
VerfGSA, Urteil vom
17.09.1998 - LVG 4/96 -, www.verfassungsgericht-sachsen-anhalt.de |
Urteil
in dem Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahren
LVG 4/96
Tenor:
1.-->§ 15 LSA-ÖPNVG ist insoweit mit Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf nicht vereinbar, als er für die Kostenfaktoren des § 15 Abs. 3 LSA-ÖPNVG kein Verfahren zur Bestimmung der Kostenhöhe enthält.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.
2.-->Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Die außergerichtlichen Kosten trägt das Land zu zwei Fünfteln, der Beschwerdeführer zu drei Fünfteln.
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(Die grauen Ziffern über den Absätzen sind durchlaufende Absatznummern [Randnummern].)
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Tatbestand:
{RN:1}
1.-->Die am 23. Dezember 1996 eingelegte Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen verschiedene Bestimmungen des Gesetzes zur Gestaltung des Öffentlichen Personennahverkehrs im Land Sachsen-Anhalt, das am 1. Januar 1996 in Kraft getreten ist. Die beschwerdeführende Kommune ist der Auffassung, durch diese Bestimmungen in ihrem durch Art. 2 Abs. 3 sowie 87 Landesverfassung von Sachsen-Anhalt verbürgten Recht auf kommunale Selbstverwaltung beeinträchtigt zu sein.
{RN:2}
Das genannte Gesetz wurde veranlasst durch die Eisenbahn-Struktur-Reform der deutschen Eisenbahnen, die wiederum auf dem Bundesgesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz - ENeuOG) vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378) beruht. Die bisherigen Staatsbetriebe Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn wurden in eine privatrechtliche Aktiengesellschaft - die Deutsche Bahn AG - umgestaltet. Ihre Aufgabe ist es, auf privatwirtschaftlicher Grundlage Schienenverkehrsleistungen im Personenfern- und -nahverkehr sowie im Güterverkehr anzubieten. Nach der Übertragung auch des Eigentums an den Schienenwegen gehört es ebenfalls zu den Aufgaben der Deutschen Bahn AG, diese Schienenwege zu unterhalten und auszubauen.
{RN:3}
Teil des Gesetzespakets zur Bahnreform ist ein Gesetz, das speziell den öffentlichen Personennahverkehr neugestaltet, nämlich das in Art. 4 des ENeuOG enthaltene Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (Regionalisierungsgesetz - RegG). § 1 RegG legt dabei fest, dass die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehrs eine Aufgabe der Daseinsvorsorge ist. Die Stellen, denen diese Aufgabe zukommt, sind vom Landesgesetzgeber erst zu bestimmen. In § 3 des RegG wird festgelegt, dass zur Stärkung der Wirtschaftlichkeit der Verkehrsbedienung im öffentlichen Personennahverkehr die Zuständigkeiten für Planung, Organisation und Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs möglichst zusammenzuführen sind. Die Länder haben auch insoweit das Nähere zu regeln. Sie können diese Aufgabe jedoch delegieren. § 4 RegG verknüpft die EG-Verordnung Nr. 1191/69 (ABl. EG Nr. 156 S. 1) in der Fassung der Verordnung Nr. 1893/91 (ABl. EG Nr. I. 169 S. 1) mit dem nationalen Recht. Danach können mit Verkehrsunternehmen Verträge über gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen abgeschlossen werden; des Weiteren können ihnen solche Leistungen gegen finanziellen Ausgleich auferlegt werden. Auch insoweit werden Finanzierungsregelungen mit der Aufgabenträgerschaft im öffentlichen Personennahverkehr verbunden, ebenso wird bestimmt, dass es Sache der Länder ist zu regeln, wer zuständige Behörde im Sinn der EG-Verordnung ist.
{RN:4}
Folge dieser bundes- wie EG-rechtlichen Vorgaben war der Erlass von Landesgesetzen zur Organisation und Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs. Das in Ausführung dieser Vorgaben vom Landtag von Sachsen-Anhalt verabschiedete Gesetz zur Gestaltung des Öffentlichen Personennahverkehrs im Land Sachsen-Anhalt vom 24.11.1995 (LSA-GVBl., S.., S. 339) - LSA-ÖPNVG - enthält als wesentliche Bestimmungen folgende Passagen:
"§ 1
Grundsätze des Öffentlichen Personennahverkehrs:
(1) Öffentlicher Personennahverkehr ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Die Sicherstellung einer dem öffentlichen Interesse entsprechenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen und Erschließung des Landes mit Anlagen des Öffentlichen Personennahverkehrs ist eine Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung. Die Kommunen werden bei der Wahrnehmung der Aufgabe vom Land Sachsen-Anhalt unterstützt.
..."
{RN:5}
weiter:
"§ 3
Aufgabenträger
(1) Die Landkreise und kreisfreien Städte gewährleisten in ihrem Gebiet eine dem öffentlichen Interesse entsprechende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen und Erschließung mit Anlagen des Öffentlichen Personennahverkehrs. Sie sind Aufgabenträger für den Öffentlichen Personennahverkehr im Sinne von § 8 Abs. 3 des Personenbeförderungsgesetzes und von § 1 Abs. 2 des Regionalisierungsgesetzes (Aufgabenträger). Sie sind zuständige Stelle im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 4 des Personenbeförderungsgesetzes."
{RN:6}
Für den Schienenpersonennahverkehr gelten die besonderen Regelungen des Teils 2 des LSA-ÖPNVG.
{RN:7}
Danach liegt die Organisation und Gewährleistung des Schienenpersonennahverkehrs im Lande Sachsen-Anhalt beim Land als dem "Besonderem Aufgabenträger":
"§ 10
Organisation und Gewährleistung des Schienenpersonennahverkehrs
(1) Das für Verkehr zuständige Ministerium ist zuständige Behörde im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes. Die Bestellung oder Vereinbarung der Verkehrsleistungen erfolgt nach Maßgabe von § 15 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes. Im Übrigen ist § 5 entsprechend anzuwenden.
(2) Das für Verkehr zuständige Ministerium bedient sich bei der Wahrnehmung der Aufgabe nach Absatz 1 der Nahverkehrsservice-Gesellschaft des Landes Sachsen-Anhalt, an der sich die Aufgabenträger beteiligen können. ..."
"§ 11
Besonderer Aufgabenträger
(1) Bis zur Gewährleistung des Schienenpersonennahverkehrs durch die Aufgabenträger nach § 3 wird diese Aufgabe von dem für Verkehr zuständigen Ministerium wahrgenommen (Besonderer Aufgabenträger). § 15 ist so lange entsprechend anzuwenden. ...
(2) Die Aufgabenträger und der Besondere Aufgabenträger haben zur Übernahme der Gewährleistung des Schienenpersonennahverkehrs eine einvernehmliche Lösung anzustreben. Soweit bis zum 31. Dezember 2002 keine einvernehmliche Lösung zustande gekommen ist, hat die Landesregierung die Fähigkeit der Zusammenschlüsse nach § 2 Abs. 2 beziehungsweise des Zweckverbandes nach § 3 Abs. 3 zur Gewährleistung des Schienenpersonennahverkehrs zu prüfen. Verfügen diese über die notwendige Leistungsfähigkeit, wird die Landesregierung ermächtigt, ihnen durch Verordnung die Gewährleistung des Schienenpersonennahverkehrs zu übertragen. Diese Verordnung hat gleichzeitig die Finanzierung der Aufgabe zu regeln."
{RN:8}
Schließlich:
"§ 12 Plan des Schienenpersonennahverkehrs
(1) Der Besondere Aufgabenträger entwickelt den Plan des Schienenpersonennahverkehrs, soweit die Gewährleistung des Schienenpersonennahverkehrs nicht nach § 11 Abs. 2 übergegangen ist. ...
(2) Der Besondere Aufgabenträger leitet das Aufstellungsverfahren ein, indem er seine Planungsabsicht den übrigen Aufgabenträgern mitteilt. Die Mitteilung ist mit der Aufforderung zu verbinden, Vorschläge für den Entwurf des Plans des Schienenpersonennahverkehrs zu unterbreiten. Die Aufgabenträger hören die in § 7 Abs. 1 Genannten vor Abgabe ihrer Vorschläge an. Der Plan des Schienenpersonennahverkehrs hat die Vorschläge der übrigen Aufgabenträger zu beachten. Sofern von den Vorschlägen nicht nur unwesentlich abgewichen werden soll, ist der Entwurf des Plans des Schienenpersonennahverkehrs mit den übrigen Aufgabenträgern zu erörtern.
(3) Der Plan des Schienenpersonennahverkehrs ist unverzüglich erstmals aufzustellen. Er ist in geeigneten Zeiträumen, mindestens alle fünf Jahre, fortzuschreiben. Für wesentliche Änderungen und Ergänzungen des Plans des Schienenpersonennahverkehrs gelten die Vorschriften über seine Aufstellung entsprechend.
(4) Solange der Plan des Schienenpersonennahverkehrs für den Planbereich eines Nahverkehrsplanes gemäß § 6 gültig ist, beschränkt sich dieser auf den Straßenpersonennahverkehr. Der Plan des Schienenpersonennahverkehrs ist für den Nahverkehrsplan verbindliche Vorgabe; seine Berücksichtigung ist in ihm darzulegen.
(5) Bei Übergang der Aufgabe nach § 11 Abs. 2 ist die Planung für den Schienenpersonennahverkehr in den Nahverkehrsplan einzubeziehen. ..."
{RN:9}
Teil 4 des ÖPNVG enthält die Regelungen über die Finanzierung des Personennahverkehrssystems:
"§ 15 Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs
(1) Die Finanzverantwortung für den Öffentlichen Personennahverkehr obliegt dem Aufgabenträger.
(2) Die dem Land aus dem Regionalisierungsgesetz zufließenden Mittel sind für den Öffentlichen Personennahverkehr, insbesondere für den Schienenpersonennahverkehr, zu verwenden. Sie werden im Hinblick auf die Gewährleistung einer dem öffentlichen Interesse entsprechenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im Öffentlichen Personennahverkehr durch landeseigene Mittel ergänzt. Die Mittel nach Satz 1 dürfen nicht zur Finanzierung bisher schon vom Land wahrgenommener Aufgaben verwendet werden. Das Land stellt aus den Mitteln nach § 8 Abs. 2 des Regionalisierungsgesetzes Mittel für Investitionen des Schienenpersonennahverkehrs in angemessenem Umfang nach Maßgabe des Ansatzes im Landeshaushaltsplan zur Verfügung.
(3) Der Aufgabenträger erhält vom Land Zuweisungen nach Maßgabe des Ansatzes im Landeshaushaltsplan
{BS:}
1. Zur Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs (Vorhaltekosten des Öffentlichen Personennahverkehrs),
2. zur Lastentragung von Fehlbeträgen aus Verpflichtungen nach der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 oder für Zahlungen im Hinblick auf wirtschaftlich vergleichbare Verträge im Sinne des § 5 Abs. 1,
3. für Kooperationshilfen,
4. für die Aufstellung von Nahverkehrsplänen,
5. für Investitionen in Infrastruktur und Fahrzeuge.
{BE:}
(4) Der Aufgabenträger erhält vom Land Zuweisungen nach Maßgabe des Ansatzes im Landeshaushaltsplan für zusätzliche Kosten auf Basis der Nahverkehrspläne für
1. Mehrkosten für die Errichtung von Taktverkehren,
2. Information und Marketing zum gesamten Angebot des Öffentlichen Personennahverkehrs im Nahverkehrsraum und seinen Schnittstellen zu benachbarten Nahverkehrsräumen,
3. die qualitative Verbesserung des Öffentlichen Personennahverkehrs im Sinne einer für die Fahrgäste attraktiven, ökologischen Alternative zum motorisierten Individualverkehr.
(5) Das für Verkehr zuständige Ministerium wird ermächtigt, durch Verordnung die Aufteilung der Zuweisungen nach Absatz 3 Nrn. 1 bis 4 unter Beachtung des Grades der Wahrnehmung der Aufgabenträgerschaft und der Qualität der Gewährleistung zu regeln. Die Verordnung kann vorsehen, dass ein Teil der Mittel vom Land für spezielle Förderungen, wie Anlauffinanzierungen, Modellversuche und die Errichtung von Verkehrskooperationen, vergeben werden kann. Weiterhin kann sie Mittel für überregional durchgebundene Nahverkehre sowie für die Aufgabenwahrnehmung nach § 10 Abs. 2 Satz 1 und § 11 Abs. 1 Satz 5 vorsehen.
(6) Das für Verkehr zuständige Ministerium erstellt nach Maßgabe des jeweiligen Haushaltsansatzes und unter Berücksichtigung der Investitionspläne der Aufgabenträger ein Investitionsprogramm, das alle Investitionen des Landes sowie alle vom oder über das Land zu vergebenden Zuwendungen für Investitionen für den Öffentlichen Personennahverkehr von fünf Jahren umfasst und jährlich fortgeschrieben wird...
(7) Sonstige gesetzliche Ausgleichsleistungen bleiben unberührt. ..."
{RN:10}
2.-->Nach Ansicht des Beschwerdeführers verletzt das Gesetz in mehreren zentralen Bestimmungen sein Selbstverwaltungsrecht aus Art. 2 Abs. 3; 87 LSA-Verf:
{RN:11}
Die Kommunalverfassungsbeschwerde sei zulässig, da der Beschwerdeführer eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts aus Art. 2 Abs. 3, 87 LSA-Verf durch §§ 15, 12, 10 Abs. 1 S. 2 u. 1 LSA-ÖPNVG geltend mache. Die Finanzierungsregelung des § 15 LSA-ÖPNVG betreffe die Rechtsstellung des Antragstellers unmittelbar, ebenso die defizitäre Regelung der Mitwirkungsrechte in § 12 LSA-ÖPNVG, zudem verletze den Antragsteller die in § 10 Abs. 1 LSA-ÖPNVG geregelte Bestellerfunktion für den Schienenpersonennahverkehr. Diese Bestellerfunktion werde bereits mit Erlass des Gesetzes von vornherein und auf Dauer in die exklusive Zuständigkeit des zuständigen Ministeriums gelegt und damit dem Antragsteller vorenthalten. Ihm werde ohne Umsetzungsmaßnahme jede Einwirkung auf die Bestellerfunktion versagt. Die Verletzung sei auch gegenwärtig: §§ 15, 12 LSA-ÖPNVG hätten mit In-Kraft-Treten am 1.2.1996 Wirkung geäußert, auch bei §§ 10 Abs. 1, 2 S. 1, 11 LSA-ÖPNVG sei dies der Fall, da bereits mit dem Inkrafttreten dieser Vorschriften ein definitiver Ausschluss des Antragstellers erfolgt sei. Ein Verweis auf spätere Klagemöglichkeiten greife nicht, der Antragsteller sei auf die hier erstrebte Rechtsschutzmöglichkeit beschränkt. § 15 LSA-ÖPNVG verletze das Recht auf Selbstverwaltung in der besonderen Ausprägung des Rechts auf finanzielle Eigenverantwortung nach Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf. Das LSA-ÖPNVG weise den Landkreisen und kreisfreien Städten umfangreiche und detaillierte Pflichtaufgaben im Rahmen des öffentlichen Personennahverkehrs zu, ohne in § 15 LSA-ÖPNVG für eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 87 Abs. 3 S. 2 und 3 LSA-Verf entsprechende Kostenerstattung zu sorgen. § 12 LSA-ÖPNVG verletze das Selbstverwaltungsrecht aus Art. 87 Abs. 1 und 2 LSA-Verf. Die Bestimmung sehe vor, dass die Kreise ihre Planung für den öffentlichen Personennahverkehr nicht nach eigenem Ermessen gestalten können, sondern den Schienenpersonennahverkehrsplan, den der Besondere Aufgabenträger Land ausarbeite, als zwingende und detailgenaue Vorgabe für seine Nahverkehrsplanung gelten lassen müssen. Insoweit werde der Planungsspielraum des Antragstellers auf Null reduziert, ohne dass ihm ein hinreichend qualifiziertes Mitwirkungsrecht an der Schienenpersonennahverkehrsplanung eingeräumt würde. § 10 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 LSA-ÖPNVG verletzten das Selbstverwaltungsrecht aus Art. 87 Abs. 1 und 2 LSA-Verf. § 11 LSA-ÖPNVG sehe vor, dass spätestens nach Ablauf des Jahres 2002 die Kreise die Gewährleistung des Schienenpersonennahverkehrs als Selbstverwaltungsaufgabe übernähmen. Dabei behalte sich jedoch der Besondere Aufgabenträger Land gem. § 10 Abs. 1 LSA-ÖPNVG die Ausübung der wichtigen und finanziell überaus bedeutsamen Bestellerfunktion für Schienenverkehrsleistungen über diesen Zeitpunkt hinaus weiter vor.
{RN:12}
Die Kommunalverfassungsbeschwerde sei auch begründet.
{RN:13}
§ 15 LSA-ÖPNVG sei verfassungswidrig:
Die Finanzhoheit der Kommunen sei eine Ausprägung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, sie enthalte ein Recht auf angemessene, d.h. aufgabengerechte Finanzausstattung. Maßstab sei Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf. Voraussetzung der Kostendeckung sei das Bestehen von Pflichtaufgaben in eigener Verantwortung oder von staatlichen Aufgaben nach Weisung. Die Aufgabenzuweisung an die Kommunen erfolge durch Landesgesetz, hierbei komme dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zu, es seien Sachgründe nötig. Hier würden Teilaufgaben auferlegt, und zwar in der Form einer Zuweisung von Pflichtaufgaben in eigener Verantwortung als Selbstverwaltungsaufgabe i. S. v. Art. 87 Abs. 3 S. 1, 1. Alt. LSA-Verf. Es handle sich auch um die Zuweisung einer neuen Aufgabe, aus dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik lasse sich nichts anderes herleiten. Zumindest als Pflichtaufgabe sei die Aufgabe neu. Sie sei durch Gesetz auferlegt; Pflichtaufgaben seien immer enger reglementiert. Eine solche Detailregelung bedeute aber stets eine neue Aufgabe. Die Kostendeckungsregelung trenne zwischen Art. 87 Abs. 3 S. 2, 3 und Art. 88 LSA-Verf als einer zentralen, quantitativen Sicherung als Globalsicherung der Finanzen der Kommunen. Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf diene demgegenüber als zweiter Pfeiler der aufgabenorientierten Finanzausstattung nach dem Konnexitätsprinzip. Vorliegen müsse die Gleichzeitigkeit der Regelung einer Kostendeckung; Art. 87 LSA-Verf komme insoweit eine "Warnfunktion" zu. Formal sei im Gesetz die Finanzierung geregelt, fraglich sei aber, ob sie den Vorgaben des Art. 87 Abs. 3 S. 2, 3 LSA-Verf entspreche. Folge sei die Notwendigkeit eines angemessenen Ausgleichs für alle entstehenden Kosten ohne Rücksicht auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen. Es bestehe ein Ermessensspielraum für den Gesetzgeber bei der Art und Weise des Finanzausgleichs. Dieser müsse aber klar erkennbar sein. Die Anforderungen des Art. 87 LSA-Verf seien im Gesetz nicht erfüllt worden. Zum Beispiel genüge ein schlichter Haushaltsvorbehalt nicht. Folge sei, dass § 15 LSA-ÖPNVG und die Aufgabenübertragung nach dem LSA-ÖPNVG verfassungswidrig seien; das Junktim des Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf sei nicht erfüllt.
{RN:14}
Auch § 12 LSA-ÖPNVG sei verfassungswidrig:
Nach der Landesverfassung bestehe eine Vermutung für die Allzuständigkeit der Kreise (im Gegensatz zu Art. 28 Abs. 2 S. 2 GG). Die Planung nach § 12 LSA-ÖPNVG sei eine überörtliche Angelegenheit der Kreisebene und unterliege dem Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie. Das Land beschränke diese durch §§ 11, 6, 12 Abs. 4 LSA-ÖPNVG. Folge sei eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen und ein Eingriff in den Kernbereich. Eine historische Auslegung im Hinblick auf die Gesetzeslage der Deutschen Demokratischen Republik verbiete sich. Zwar liege - folge man der Subtraktionsmethode des Bundesverfassungsgerichts - kein Eingriff in den Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts vor, es liege jedoch ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot bei Wahrung des äußeren Bereichs des Selbstverwaltungsrechts vor. Eine Kompensation dieses Defizits der Kommunen an Kompetenz über Mitwirkungsrechte fehle.
{RN:15}
Schließlich sei auch § 10 Abs. 1 S. 2 LSA-ÖPNVG nicht mit der Landesverfassung vereinbar: § 10 LSA-ÖPNVG tangiere ebenfalls den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 3; 87 Abs. 1 und 2 LSA-Verf. Das Vorenthalten der Bestellerfunktion betreffe den Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie; denn auch der Schienenpersonennahverkehr falle in den geschützten Aufgabenbereich des Antragstellers. Die Nichtübertragung der Bestellerfunktion sei daher verfassungswidrig, es bleibe den Landkreisen nur eine Restkompetenz.
{RN:16}
3.-->Der Landtag hat keine Stellungnahme abgegeben.
{RN:17}
Die Landesregierung hält die Kommunalverfassungsbeschwerde hinsichtlich § 10 LSA-ÖPNVG für unzulässig, hinsichtlich der §§ 12 und 15 LSA-ÖPNVG für unbegründet. Die Landesregierung erachtet die Rüge der Verfassungswidrigkeit von § 10 LSA-ÖPNVG als unzulässig, da der Beschwerdeführer von der Regelung nicht in seinen Rechten berührt werde. Der Schienennahverkehr gehöre aktuell nicht zu den Aufgaben der Kreise. Zudem gelte § 11 Abs. 2 S. 1 LSA-ÖPNVG, wonach ein Einvernehmen anzustreben sei (s. auch § 11 Abs. 2 S. 2 u. 3 LSA-ÖPNVG). Adressat dieser Vorschrift sei nicht der Beschwerdeführer, sondern der Träger eines erst noch zu bildenden Nahverkehrsraums oder ein Zweckverband.
{RN:18}
Die übrigen Rügen seien unbegründet:
Eine institutionelle Schutzwirkung des Art. 2 Abs. 3; 87 Abs. 1 LSA-Verf sei erst bei Aushöhlung des kommunalen Finanzwesens gegeben. Eine Garantie der Finanzausstattung der Kommunen sei im Sinne einer Ausstattungsgarantie grundsätzlich zu bejahen. Diese werde durch Art. 88 Abs. 2 und 3 LSA-Verf operationalisiert, sei aber im Zusammenhang mit einer plural strukturierten Zusammensetzung kommunaler Einnahmen zu sehen; denn neben dem Bund hätten die Länder eine besondere Verantwortung für die Finanzausstattung. Das Land komme seiner Verpflichtung aus Art. 88 Abs. 1 S. 1 LSA-Verf mehrfach nach. Notwendig sei eine Gesamtrechnung aller Einnahmen und Ausgabenverpflichtungen aus übertragenen Hoheitsaufgaben, pflichtiger wie freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben. Folge sei, dass Art. 88 Abs. 1 LSA-Verf keine Garantie für die Deckung von Kosten aufgrund spezifischer Aufgaben enthalte. Das Konzept einheitlicher Finanzgarantie lasse grundsätzlich keinen Raum für Ansprüche von Kommunen auf Erstattung von Kosten für bestimmte Aufgaben. Es bestehe nur ein Anspruch auf eine allgemeine, aufgabenunabhängige Mindestausstattung. Die Verfassungspflicht aus Art. 88 Abs. 1 LSA-Verf aktualisiere sich erst dann als Anspruch der Kommunen, wenn die Untergrenze für eine funktionsfähige Finanzausstattung insgesamt unterschritten wäre und die Kommunen damit strukturell handlungsunfähig würden. § 15 LSA-ÖPNVG bleibe nicht hinter den rechtlichen Anforderungen des Art. 87 Abs. 3 S. 2, 3 LSA-Verf zurück: Art. 87 LSA-Verf biete eine über Art. 88 LSA-Verf hinausgehende Sicherheit für die Finanzausstattung der Kommunen. Danach sei Art. 87 Abs. 3 S. 2, 3 LSA-Verf aufgabenakzessorisch konzipiert, dies jedoch nur im Sinne einer Bewahrung der Kommunen vor Auszehrung durch die Übertragung von Aufgaben und einer Abwehr beliebiger Umlenkung von Aufgaben, so dass etwa für die freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben kein finanzieller Spielraum mehr bleibe. Ihm komme daher die Funktion zu, Aufgabenwanderungsprozesse, die aufgrund Art. 87 Abs. 3 S. 1 LSA-Verf grundsätzlich zulässig seien, von den dazu komplementären finanziellen Regelungen abhängig zu machen.
{RN:19}
Diese Vorgaben des Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf seien beim öffentlichen Personennahverkehr (im folgenden ÖPNV) zu beachten: Der ÖPNV sei eine Aufgabe im Rahmen der Selbstverwaltung (§ 1 Abs. 1 S. 2 LSA-ÖPNVG); er sei eine pflichtige Aufgabe (§ 6 LSA-ÖPNVG) mit planerischer Gestaltungsfreiheit sowie eine Gewährleistungsaufgabe (§ 3 Abs. 1 S. 2 LSA-ÖPNVG). Jedoch bestehe keine ins Detail gehende Regelung, es beständen für die Kommunen vielmehr Gestaltungsspielräume, welche nur einer Rechtsaufsicht unterlägen. Dabei sei kein Formenmissbrauch der Überbürdung von Aufgaben nach Weisung in Form nominell pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben zu beobachten. Zum Bestand der nach 1990 wieder eingeführten kommunalen Selbstverwaltung gehöre der ÖPNV in seiner Gänze nicht. Er sei allenfalls eine freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe. Die Aufgabendefinition des § 3 Abs. 1 LSA-ÖPNVG stehe dem Gesetzgeber nach Maßgabe des Art. 87 Abs. 1 LSA-Verf zu, eine Verletzung "geborener" Selbstverwaltungsaufgaben als Kernaufgaben komme daher nicht in Betracht. Erst durch das Gesetz sei der ÖPNV zu einer Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung geworden.
{RN:20}
Die Landesverfassung habe sich für ein dualistisches Aufgabenmodell entschieden, Art. 87 Abs. 3 S. 2 LSA-Verf beziehe sich sowohl auf pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben wie auf übertragene staatliche Aufgaben. Die Bestimmung trete nicht isoliert neben die Verpflichtung nach Art. 88 Abs. 1 LSA-Verf, vielmehr verleihe sie bei der Beteiligung an höherstufiger Planung materielle Rechte auf Berücksichtigung der Belange der Kommunen bei Entscheidungen. Es existiere keine Zwangsbindung an den Plan des Schienennahverkehrs, den Kommunen verblieben eigene Gestaltungsräume. Der Plan umfasse zwar verbindliche Vorgaben (§ 12 Abs. 4 S. 2 LSA-ÖPNVG), diese seien aber nur zu "berücksichtigen" (§ 12 Abs. 4, S. 2, 2. Hs. LSA-ÖPNVG). Es bestehe daher keine strikte Planungsleitlinie, sondern nur ein Optimierungsgebot. Damit sei eine Gefahr der Überformung eigener planerischer Gestaltungsvorstellungen der Kommunen gebannt. Die Funktion des Landes nach § 10 Abs. 1 LSA-ÖPNVG verstoße aktuell nicht materiell gegen das Recht der kommunalen Selbstverwaltung.
{RN:21}
Im Übrigen schränke die Regelung in § 10 LSA-ÖPNVG die Selbstverwaltungskompetenz auch nicht sachwidrig oder unverhältnismäßig ein: Der Schienenverkehr sei in die Nahverkehrsplanung einzubeziehen, § 12 Abs. 5 LSA-ÖPNVG. Damit könnten dessen Träger in erheblichem Umfang gestaltend auf dessen Qualität einwirken, somit konzeptionell und gestaltend mitentscheiden. Die Schwerpunkte lägen bei den Kommunen, dem Land als Besteller bleibe im wesentlichen eine Dienstleistungsfunktion. Der Verbleib gerade dieser Aufgabe beim Land sei sachgerecht: die Deutsche Bahn AG betreibe den Schienenpersonennahverkehr nahezu monopolartig. In ihrer Anbieterfunktion könne sie diese Macht gegenüber einer Vielzahl von Bestellern ausspielen. Daher sei eine Koordination durch das Land unumgänglich.
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Entscheidungsgründe:
{RN:22}
1.-->Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit sie sich gegen die Bestimmungen der §§ 12 und 15 des Gesetzes zur Gestaltung des Öffentlichen Personennahverkehrs im Lande Sachsen-Anhalt - LSA-ÖPNVG - vom 24.11.1995 (LSA-GVBl., S. 339) wendet (1.1). Im Übrigen ist sie unzulässig (1.2).
{RN:23}
1.1-->Der Landkreis Schönebeck ist beschwerdeberechtigt und hinsichtlich der Regelungen der §§ 12 und 15 LSA-ÖPNVG auch beschwerdebefugt.
{RN:24}
1.1.1-->Art. 75 Nr. 7 der Landesverfassung Sachsen-Anhalt - LSA-Verf - vom 16.7.1992 (LSA-GVBl., S.. 600) eröffnet den Kommunen und Gemeindeverbänden i. V. m.. §§ 2 Nr. 8, 5 des Gesetzes über das Landesverfassungsgericht - LSA-VerfGG - vom 23.8.1993 (LSA-GVBl., S.. 441), geändert durch Gesetz vom 14.6.1994 (LSA-GVBl., S.. 700) und vom 22.10.1996 (LSA-GVBl., S.. 332) im Falle einer Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 LSA-Verf durch Landesgesetz die Verfassungsbeschwerde. Der Landkreis Schönebeck ist nach Art. 87 Abs. 1 LSA-Verf eine Kommune I. S. d.. Art. 75 Nr. 7 LSA-Verf, §§ 2, 51 Abs. 1 LSA-VerfGG. Die Verfassungsbeschwerde hat einen zulässigen Beschwerdegegenstand, da sie sich als Rechtssatzverfassungsbeschwerde gegen einzelne Regelungen des LSA-ÖPNVG richtet.
{RN:25}
1.1.2-->Der Landkreis Schönebeck ist beschwerdebefugt, da er durch die Regelungen der §§ 12 und 15 LSA-ÖPNVG selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen sein kann. Nach § 12 Abs. 4 S. 2 LSA-ÖPNVG stellt der vom Land als vorläufiger Besonderer Aufgabenträger gemäß § 12 Abs. 1 LSA-ÖPNVG zu entwickelnde Schienenpersonennahverkehrsplan für die kommunale Planung eine verbindliche Vorgabe dar. Dieser Plan wurde inzwischen auch erlassen (s. die Bekanntmachung des Ministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr vom 9.1.1998 - 42 - 30600, LSA-MBl Nr. 21/1998 vom 22.4.1998 -, S. 727). Die Planungshoheit der Kommune in ihrem Wirkungskreis ist grundsätzlich ein integraler Bestandteil der Selbstverwaltung. Eine gesetzliche Einschränkung der Planungshoheit bedarf der aufgrund einer Güterabwägung zu treffenden Feststellung, dass schutzwürdige überörtliche Interessen diese Einschränkung erfordern (dazu BVerfG, Beschl. v. 7.10.1980 - 2 BvR 584, 598, 599, 604/76 - BVerfGE 56, 298 ff., 309 ff.). Es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Regelung des § 12 Abs. 4 S. 2 LSA-ÖPNVG die Planungshoheit der Kommunen unverhältnismäßig einschränkt.
{RN:26}
Gemäß Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf kann der Landesgesetzgeber den Kommunen Aufgaben übertragen, wenn ein angemessener Ausgleich für die finanzielle Mehrbelastung geschaffen wird. In § 15 LSA-ÖPNVG hat der Gesetzgeber für die Übertragung des Öffentlichen Personennahverkehrs als Pflichtaufgabe auf die Kommunen das Verfahren des Kostenausgleichs geregelt. Selbst wenn dem Gesetzgeber bei der Art und Weise der Kostenregelung ein Gestaltungsspielraum zusteht, so erscheint es vor dem Hintergrund der Finanzhoheit als wesentlicher Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung möglich, dass das Verfahren einen angemessenen Kostenausgleich nicht sicherstellt. Zum Selbstverwaltungsrecht gehört nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 15.10.1985 - 2 BvR 1808-1810/82 -, BVerfGE 71, 25, 36 m. w. N.) und der Verfassungsgerichte der Länder (VerfGH NW, Urt. v. 6.7.1993 - VfGH 9,22/92 -, DVBl. 1993, 1205; VerfGH RP, Urt. v. 18.3.1992 - VGH 2/91 -, DVBl. 1992, 981; StGH BW, Urt. v. 14.10.1993 - GR 2/92 -, VBlBW 1994, 15; NdsStGH, Beschl. v. 13.8.1995 - StGH 2,3,6-10/93 -, DVBl. 1995, 1175; BayVfGH, Entschdg. v. 27.2.1997 - Vf. 17-VII-94 -, BayVBl. 1997, 303) die Finanzhoheit der Kommunen. Basis dafür ist die Landesverfassung, die eine finanzielle Grundausstattung der Gemeinden vorsieht.
{RN:27}
Der Beschwerdeführer ist durch die Regelungen der §§ 12 und 15 LSA-ÖPNVG auch gegenwärtig und unmittelbar betroffen, da sich die Belastung unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und kein weiterer Vollzugsakt erforderlich ist.
{RN:28}
1.2-->Soweit der Beschwerdeführer mit seiner Kommunalverfassungsbeschwerde die Regelung des § 10 LSA-ÖPNVG angreift, ist die Beschwerde mangels Beschwerdebefugnis unzulässig. Der Landesgesetzgeber greift mit der Regelung nicht in den eigenen Wirkungskreis der Kommunen ein. Der schienengebundene Personennahverkehr ist seiner Natur nach überörtlich.
{RN:29}
Zwar hat der Landesgesetzgeber den Kommunen durch § 3 LSA-ÖPNVG die Aufgabe der Gewährleistung eines Öffentlichen Personennahverkehrs als Selbstverwaltungsaufgabe übertragen, allerdings hat er sich dabei in §§ 10 und 12 LSA-ÖPNVG die Bestellerfunktion und die Gewährleistungsfunktion vorbehalten. Da diese Funktionen nicht übertragen worden sind, sind sie, entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, auch nicht entzogen worden.
{RN:30}
Gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 LSA-ÖPNVG hat das Land als Besonderer Aufgabenträger mit den übrigen Aufgabenträgern des Öffentlichen Personennahverkehrs eine einvernehmliche Regelung anzustreben, die derzeit noch nicht erfolgt ist. Sollte das Einvernehmen bis zum 31.12.2002 scheitern, kommt eine Übertragung der besonderen Aufgaben auf die Zusammenschlüsse nach § 3 Abs. 2 LSA-ÖPNVG oder die Zweckverbände nach § 3 Abs. 3 LSA-ÖPNVG in Betracht. Der Beschwerdeführer wird also weder gegenwärtig noch unmittelbar durch die Regelung des § 10 LSA-ÖPNVG betroffen.
{RN:31}
1.3-->Diese landesrechtliche Verfassungsbeschwerde ist nicht durch die bundesrechtliche Rüge ausgeschlossen, Art. 28 Abs. 2 GG sei verletzt (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG); denn das Bundesverfassungsgericht kann gegen Landesgesetze subsidiär nur dann angerufen werden, wenn und soweit keine Verfassungsbeschwerde zu einem Landesverfassungsgericht erhoben werden kann (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG).
{RN:32}
Art. 28 Abs. 2 GG verdrängt auch nicht in Verbindung mit Art. 31 GG die Garantie aus Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 LSA-Verf, denn das Bundesrecht enthält nur die Mindestgarantie kommunaler Selbstverwaltung und schließt inhaltsgleiches oder weiter-gehendes Landesverfassungsrecht nicht aus (LVerfG LSA, Urt. v. 31.5.1994, - LVG 2/93 -, LVerfGE 2, 227; s. a. BVerfG, Beschl. v. 15.10.1997 - 2 BvN 1/95 -, NJW 1998, 1296 ff.).
{RN:33}
2.-->Die Verfassungsbeschwerde hat teilweise Erfolg, soweit sie sich gegen die Finanzierungsbestimmungen des § 15 Abs. 3 und 4 LSA-ÖPNVG richtet (2.1); soweit sie sich gegen § 12 LSA-ÖPNVG richtet, ist sie zurückzuweisen (2.2).
{RN:34}
2.1-->Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf enthält eine im Vergleich zu Art. 88 LSA-Verf besondere Finanzgarantie (2.1.1). § 15 LSA-ÖPNVG ist mit Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf unvereinbar, soweit durch das Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr "neue" Aufgaben übertragen werden (2.1.2). Die teilweise Unvereinbarkeit des § 15 Abs. 3, 4 LSA-ÖPNVG mit Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf führt nicht zur Nichtigkeit der übrigen Bestimmungen des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr, sondern verpflichtet den Landesgesetzgeber, die unvollkommene Regelung über Zuweisungen an die Kommunen zu vervollständigen (2.1.3).
{RN:35}
2.1.1-->Die systematische Stellung des Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf und der Wortlaut insbesondere des Satzes 2 dieser Bestimmung schließen es aus, diese Anordnung lediglich als Unterfall einer einheitlichen Finanzierung der Kommunen durch das Land nach Art. 88 LSA-Verf anzusehen. Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf gestattet es nur dann, den Kommunen neue Aufgaben aufzuerlegen, wenn für diese jeweils die Kostendeckung geregelt und Mehrbelastungen der Kommunen angemessen ausgeglichen werden. Wie vergleichbare Bestimmungen anderer Landesverfassungen (vgl. zum Verhältnis der Art. 57 Abs. 4 und 58 der nieders. Verfassung: NdsStGH, Urt. v. 25.11.1997 - StGH 14/95 u.a. -. DÖV 1998, 382 ff = DVBl. 1998, 185 ff.; vgl. zu Art. 97 Abs. 3 der Verfassung des Landes Brandenburg: VfG Bbg., Urt. v. 18.12.1997, - VfG Bbg. 47/96 -, DÖV 1998, 336 ff.) verpflichtet die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt das Land, außer der durch Art. 88 LSA-Verf geregelten sog. "Grundausstattung" besondere Regelungen über die Kosten zu treffen, welche durch übertragene Aufgaben entstehen. Über die niedersächsische und auch die brandenburgische Verfassung hinaus gilt das nach Art. 87 Abs. 3 Satz 2, 1. Alt. LSA-Verf auch dann, wenn das Land den Kommunen "durch Gesetz Pflichtaufgaben in eigener Verantwortung" zuweist. Darunter fallen damit auch ehemals freiwillig wahrgenommene Selbstverwaltungsaufgaben, die das Land den Kommunen nunmehr zur Pflicht macht.
{RN:36}
Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf erfüllt eine Schutzfunktion für die Kommunen in der Weise, dass der Gesetzgeber bei jeder Aufgabenübertragung die damit verbundenen finanziellen Belastungen berücksichtigen muss. Der Gesetzgeber kann diesem Schutzgebot nur nachkommen, wenn die Regelung über die Kostendeckung für die Kommunen erkennbar und nachprüfbar ist. Dabei sind die Kosten nachvollziehbar zu ermitteln und für die Kommunen sichtbar zu machen, in welcher Höhe sie an der Deckung der Kosten beteiligt werden (s. o. NdsStGH, DÖV 1998, 382 [383]).
{RN:37}
Die Kostenregelung muss aus verfassungsrechtlicher Sicht Mindestanforderungen genügen. Hierzu gehören Angaben, die den Kommunen Berechnungsmöglichkeiten in die Hände geben. Bei der Regelung der Kostendeckung der Kommunen verfügt der Gesetzgeber über einen weiten Spielraum. Welche Methode er wählt, ist seiner pflichtgemäßen Entscheidung überlassen. Denkbar sind Festbeträge, Pauschalierungen, Quoten, Prozentsätze, Indizes, Kostenzuschüsse pro Personenkilometer u. ä.
{RN:38}
Die Kostenregelung in Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf umfasst weiterhin einen "angemessenen" Ausgleich. Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der im jeweiligen Kostenregelungsgesetz auszufüllen ist. "Angemessen" bedeutet jedenfalls nicht, dass den Kommunen voller Kostenersatz zu leisten ist (NdsStGH, DÖV 1998, 382 [383]). Es ist daher verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn den Kommunen eine "Interessenquote" bei der Kostendeckung verbleibt. Entscheidend ist die Eignung der Regelung zum Zweck der Berechnungssicherheit.
{RN:39}
2.1.2-->Diesen Mindestanforderungen des Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf wird § 15 LSA-ÖPNVG nicht gerecht.
{RN:40}
§§ 3; 15 LSA-ÖPNVG überträgt den Kommunen nicht nur neu die Aufgabe für den Schienenverkehr, sondern macht zugleich die schon bestehende freiwillige Aufgabe für den Straßenverkehr zur Pflichtaufgabe.
{RN:41}
Der Schienenpersonennahverkehr gehörte nicht zum Kanon kommunaler Aufgaben; er wurde den Kommunen vom Land als der nach dem Regionalisierungsgesetz zuständigen Stelle als zusätzliche neue Aufgabe übertragen. Der öffentliche Straßenpersonennahverkehr mit einer Entfernung von max. 50 km und der Fahrtdauer von einer Stunde gehörte als freiwillig übernommene Aufgabe zum herkömmlichen Wirkungskreis der Kommunen; für ihn ist neu eine Pflichtigkeit begründet worden.
{RN:42}
Die Deckungsregelung des § 15 Abs. 3, 4 LSA-ÖPNVG wird Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf nicht gerecht, weil sie den Anteil des Landes nicht vorhersehbar festlegt, sondern ihn dem jeweiligen "Ansatz im Landeshaushaltsplan" vorbehält.
{RN:43}
Die Kostenregelung in § 15 Abs. 3 und 4 LSA-ÖPNVG beschränkt sich auf eine listenmäßige Aufzählung von Kostenarten, für die Mittel des Landes für die Kommunen bereitgestellt werden. So enthält z. B. § 15 Abs. 3 Nr. 1 LSA-ÖPNVG die allgemeine Kostenzuweisung "Zur Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs (Vorhaltekosten des Öffentlichen Personennahverkehrs)". Ein Maßstab oder fixe Größen, die eine Berechnung oder eine Größenordnung der Kostenerstattung zuließen, fehlt. Die Erstattung kann alle Größenordnungen bis hin zu 100 % umfassen. Eine Berechnungssicherheit, die erst eine hinreichende Planungssicherheit ermöglicht, welche insbesondere die Finanzierungssicherheit einschließt, besteht daher für die Kommunen nicht.
{RN:44}
Insgesamt ist eine solche Kostenregelung mit den Vorgaben der Verfassung an die Berechnungssicherheit nicht vereinbar. § 15 Abs. 3 LSA-ÖPNVG entspricht im Hinblick auf die übertragenen Aufgaben nicht den Anforderungen, die an eine Kostendeckungsregelung zu stellen sind. § 15 Abs. 3 LSA-ÖPNVG ist somit verfassungswidrig, soweit diese Bestimmung auf den von den Kommunen zu übernehmenden Schienenpersonennahverkehr bezogen ist.
{RN:45}
Gemessen an diesen Grundsätzen entspricht auch § 15 Abs. 4 LSA-ÖPNVG diesen Anforderungen nicht, soweit das Land den Kommunen Zuweisungen nur abstrakt nach Kostenarten, etwa § 15 Abs. 4 Nr. 1 LSA-ÖPNVG "Mehrkosten für die Errichtung von Taktverkehren", gewährt und es an einer Trennung der Zuweisungen für den Schienen- und den Straßenpersonennahverkehr fehlt.
{RN:46}
2.1.3-->Die teilweise Unvereinbarkeit des § 15 Abs. 3, 4 LSA-ÖPNVG mit Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf führt nicht zur Nichtigkeit der übrigen Bestimmungen des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr, sondern verpflichtet den Landesgesetzgeber, die unvollkommene Regelung über Zuweisungen an die Kommunen zu vervollständigen. Dabei hat sich der Gesetzgeber an die vom Landesverfassungsgericht in diesem Urteil vorgegebenen Grundsätze zu richten.
{RN:47}
2.2-->§ 12 LSA-ÖPNVG ist mit der Landesverfassung vereinbar. Die Vorschrift verstößt nicht gegen die Garantie kommunaler Selbstverwaltung.
{RN:48}
Der Aufgabenträger i. S. des § 3 Abs. 1 LSA-ÖPNVG wird durch die "Bindung" (§ 12 Abs. 4 LSA-ÖPNVG) an den vom Land als besonderem Aufgabenträger aufzustellenden Plan des Schienenpersonennahverkehrs (§ 12 Abs. 1 LSA-ÖPNVG) nur vorläufig bis zum Übergang der Gewährleistungsaufgabe nach den Regeln der §§ 3, 12 LSA-ÖPNVG betroffen; denn sobald die "Nahverkehrsräume" organisiert sind, geht die Aufgabe auf die für sie zuständigen Stellen über (vgl. §§ 11 Abs. 1 S. 1; 12 Abs. 1, 5 S. 1 LSA-ÖPNVG). Der besondere Plan für den Schienenverkehr wird dann Teil des allgemeinen Nahverkehrsplans in der Verantwortung des örtlichen Trägers (§§ 6, 12 Abs. 5 LSA-ÖPNVG).
{RN:49}
Aber auch während dieser Übergangszeit wird Art. 87 Abs. 1 LSA-Verf ("in eigener Verantwortung") nicht verletzt. Es handelt sich um einen Fall abgestufter Planung, wie sie insbesondere für Fachplanungen typisch ist; das originäre Planungsrecht der Kommune für ihr Gebiet wird durch überörtliche Interessen überlagert (vgl. etwa die Verkehrswegeplanungen); die verfassungsrechtlich garantierte Planungshoheit der Kommune für ihr Gebiet, die sich auf "ihre Angelegenheiten" beschränkt (Art. 87 Abs. 1 LSA-Verf), reduziert sich auf ein Anhörungsrecht im Rahmen der überörtlichen Planung.
{RN:50}
Der Schienenpersonennahverkehr hat überörtliche Bedeutung. Das ergibt sich daraus, dass die Schienentrassen, die "bestellbaren" Nahverkehr vermitteln, die Gebiete mehrerer Kommunen der Kreisebene i. S. des § 3 Abs. 1 LSA-ÖPNVG und sogar wahrscheinlich mehrere Nahverkehrsräume i. S. des § 2 Abs. 6 LSA-ÖPNVG durchziehen und dass ein Verkehr innerhalb der 50-km-Zone bzw. einer Stundenbegrenzung (§ 2 Abs. 2 S. 2 LSA-ÖPNVG) einer einheitlichen Vorgabe dann besonders bedarf, wenn die verschiedenen Verkehrslinien in den Knotenpunkten vertaktet werden sollen (§ 1 Abs. 6 S. 2 LSA-ÖPNVG). Es ist nicht willkürlich, diese Planungsaufgabe innerhalb desselben Zeitraums dem Land zu übertragen, in welchem es auch die Aufgaben eines Besonderen Aufgabenträgers (§ 11 LSA-ÖPNVG) erfüllt.
{RN:51}
Die aus dem Recht auf Selbstverwaltung fließenden Mitwirkungsrechte der Kommunen werden gewahrt: Das Land hat seine Planungsabsichten den übrigen Aufgabenträgern mitzuteilen (§ 12 Abs. 2 S. 1 LSA-ÖPNVG), die Träger zu eigenen Vorschlägen aufzufordern (§ 12 Abs. 2 S. 2 LSA-ÖPNVG), die eingehenden Vorschläge der übrigen Aufgabenträger "zu beachten" (§ 12 Abs. 2 S. 4 LSA-ÖPNVG) und notfalls den Entwurf des Plans zu erörtern, wenn von den Vorschlägen nicht nur unwesentlich abgewichen werden soll (§ 12 Abs. 2 S. 5 LSA-ÖPNVG).
{RN:52}
Bei diesem Hintergrund ist auch mit Art. 87 Abs. 1 LSA-Verf vereinbar, dass der so aufgestellte oder fortgeschriebene (§ 12 Abs. 3 LSA-ÖPNVG) Plan des Landes die Kommunen bindet, die nach seinen "verbindlichen Vorgaben" ihren (während der hier maßgeblichen Übergangszeit) auf den Straßenpersonennahverkehr beschränkten Nahverkehrsplan aufzustellen haben (§ 12 Abs. 4 LSA-ÖPNVG).
{RN:53}
"Verbindliche Vorgabe" i. S. des § 12 Abs. 4 S. 2 LSA-ÖPNVG bedeutet dabei nur, dass die Planung für die Schiene hinzunehmen und die Planung für die Straße wegen der Anschlüsse auf den Schienenplan abzustimmen ist. Auch die Zielsetzung des § 1 Abs. 6 S. 2 LSA-ÖPNVG verlangt nicht, dass zu jedem verkehrenden Schienenfahrzeug auch zu jedem Ort des Kreisgebiets jeweils ein "Taktanschluss" vorgehalten werden muss, sondern nur, dass die Fahrplanzeiten der in anderen Takten verkehrenden Busse auf die Zeiten der Züge abgestimmt werden müssen, um den Anschluss zu gewährleisten; denn § 1 Abs. 6 LSA-ÖPNVG stellt seine Forderung bereits selbst unter den Vorbehalt des Möglichen.
{RN:54}
Eine unmittelbare Verletzung des Art. 87 Abs. 1 LSA-Verf bereits durch die gesetzliche Regelung selbst kann der Beschwerdeführer schließlich nicht mit seiner Sorge begründen, das Land könne bis zum Jahr 2002 mit zahlreichen Entscheidungen ohne hinreichenden Einfluss der Kommune die Weichen stellen; denn insoweit handelt es sich lediglich um Einzelmaßnahmen, die das Gesetz ausfüllen und einer eigenständigen Kontrolle zugänglich sind, ohne dass die Gestaltungsmöglichkeiten des Landes über § 12 LSA-ÖPNVG bereits unumkehrbare Fakten schaffen; denn die Kommunen im "Nahverkehrsraum" sind nach Ende der Übergangszeit frei, auch den Schienenpersonennahverkehr nach ihren Vorstellungen zu organisieren (§§ 6, 7, 11 Abs. 2, 12 Abs. 1, 4 LSA-ÖPNVG). Sie sind lediglich durch interkommunale Abstimmungsgebote gebunden. Dass um dieser Abstimmungslast willen die vorhandene Gesellschaft nach § 10 Abs. 2 LSA-ÖPNVG die Aufgabe erhält zu koordinieren (§ 12 Abs. 5 LSA-ÖPNVG), verstößt um der überörtlichen Bedeutung des Schienenverkehrs willen nicht gegen die Selbstverwaltungsgarantie.
{RN:55}
An dieser Beurteilung der Vereinbarkeit des § 12 LSA-ÖPNVG mit dem kommunalen Planungsrecht ändert auch der Inhalt des ersten Planes des Schienenpersonennahverkehrs für das Land Sachsen-Anhalt (Bek. MW v. 9.01.1998 - 42 - 30600 -, LSA-MBl. 727) nichts.
{RN:56}
Den Kommunen werden bei der Ausgestaltung ihrer Aufgabe des Schienenpersonennahverkehrs seitens des Landes keine ihre Planungshoheit erdrosselnden und unzumutbaren Eingriffe auferlegt. Die Vorgaben des Plans enthalten allgemeine Direktiven eines effizienten Nahverkehrs und betonen besonders das Prinzip der Kooperation aller Beteiligten. Der Plan sieht wesentliche Verbesserungen für die Infrastruktur des Schienenpersonennahverkehrs im Land Sachsen-Anhalt vor. In Abschnitt I. werden die verkehrspolitischen Ziele genannt, u.a. eine Erhöhung des Angebotsstandards als einer möglichst vollwertigen Alternative zum motorisierten Individualverkehr sowie der Aufbau eines attraktiven Integralen Taktfahrplans. Die künftigen Angebote des Schienenpersonennahverkehrs sind bis zum Jahr 2002 bzw. 2010 an die Entwicklung der Siedlungs- und Wirtschaftsstrukturen anzupassen (III.). Dabei wird eine Abbestellung von Verkehrsleistungen von zu führenden Untersuchungen abhängig sein. Anzustreben ist eine erhebliche Steigerung des Verkehrsaufkommens im Schienennahverkehr (VI.), hierfür sieht der Plan eine ganze Reihe von Maßnahmen (VII.) vor, u.a. den Ausbau der Schieneninfrastruktur zum Erreichen attraktiver Reisegeschwindigkeiten, die Verbesserung der Ausstattung der Bahnhöfe, der Einsatz attraktiver Fahrzeuge mit hohen Reisegeschwindigkeiten, eine durchgehende, räumliche und zeitliche Vertretung aller Linien, ausreichende Bedienungsdichte oder die Verbesserung der Verknüpfung mit dem Straßenpersonennahverkehr durch Ausbau von Verkehrs- und Tarifkooperationen. Weitere Punkte des Plans befassen sich mit Standards und Anforderungen an den Schienenpersonennahverkehr (IX.), der Organisation der Gewährleistung des Verkehrsangebots durch Verkehrsverträge des Landes mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen im freien Wettbewerb (X.) sowie mit der Verkehrskooperation zwischen den Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen nach dem Prinzip "ein Netz - ein Fahrplan - ein Tarif" (XI.) Insgesamt enthält der Plan bei seinen weitgefassten Direktiven über einen allgemeinen Rahmen hinaus keine Vorgaben des Landes, die zu einer besonderen Beschränkung der Möglichkeiten der Kommunen bei ihrer Planung des öffentlichen Personennahverkehrs führen.
{RN:57}
Eine nach Grundsätzen des § 87 Abs. 3 LSA-Verf zu beurteilende besondere finanzielle Belastung, die nicht von der Prüfung erfasst wird, ob § 15 LSA-ÖPNVG verfassungsgemäß ist, wird allein für § 12 LSA-ÖPNVG nicht erkennbar.
{RN:58}
Diese Bestimmung verstößt auch im Übrigen nicht gegen die Verfassung. Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, mit der Übertragung des öffentlichen Schienenpersonennahverkehrs ohne gleichzeitige Übertragung der Bestellerfunktion gehe eine dysfunktionale Aufgabenübertragung einher, da § 3 RegG die Zusammenfassung von Planungs-, Organisations- und Finanzierungszuständigkeiten vorschreibe, handelt es sich hierbei um Bundesrecht, das vor dem Landesverfassungsgericht nicht gerügt werden kann.
{RN:59}
3.-->Die Kostenentscheidung beruht auf § 32 LSA-VerfGG.
« zurück1.-->§ 15 LSA-ÖPNVG ist insoweit mit Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf nicht vereinbar, als er für die Kostenfaktoren des § 15 Abs. 3 LSA-ÖPNVG kein Verfahren zur Bestimmung der Kostenhöhe enthält.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.
2.-->Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Die außergerichtlichen Kosten trägt das Land zu zwei Fünfteln, der Beschwerdeführer zu drei Fünfteln.
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------
(Die grauen Ziffern über den Absätzen sind durchlaufende Absatznummern [Randnummern].)
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Tatbestand:
{RN:1}
1.-->Die am 23. Dezember 1996 eingelegte Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen verschiedene Bestimmungen des Gesetzes zur Gestaltung des Öffentlichen Personennahverkehrs im Land Sachsen-Anhalt, das am 1. Januar 1996 in Kraft getreten ist. Die beschwerdeführende Kommune ist der Auffassung, durch diese Bestimmungen in ihrem durch Art. 2 Abs. 3 sowie 87 Landesverfassung von Sachsen-Anhalt verbürgten Recht auf kommunale Selbstverwaltung beeinträchtigt zu sein.
{RN:2}
Das genannte Gesetz wurde veranlasst durch die Eisenbahn-Struktur-Reform der deutschen Eisenbahnen, die wiederum auf dem Bundesgesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz - ENeuOG) vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378) beruht. Die bisherigen Staatsbetriebe Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn wurden in eine privatrechtliche Aktiengesellschaft - die Deutsche Bahn AG - umgestaltet. Ihre Aufgabe ist es, auf privatwirtschaftlicher Grundlage Schienenverkehrsleistungen im Personenfern- und -nahverkehr sowie im Güterverkehr anzubieten. Nach der Übertragung auch des Eigentums an den Schienenwegen gehört es ebenfalls zu den Aufgaben der Deutschen Bahn AG, diese Schienenwege zu unterhalten und auszubauen.
{RN:3}
Teil des Gesetzespakets zur Bahnreform ist ein Gesetz, das speziell den öffentlichen Personennahverkehr neugestaltet, nämlich das in Art. 4 des ENeuOG enthaltene Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (Regionalisierungsgesetz - RegG). § 1 RegG legt dabei fest, dass die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehrs eine Aufgabe der Daseinsvorsorge ist. Die Stellen, denen diese Aufgabe zukommt, sind vom Landesgesetzgeber erst zu bestimmen. In § 3 des RegG wird festgelegt, dass zur Stärkung der Wirtschaftlichkeit der Verkehrsbedienung im öffentlichen Personennahverkehr die Zuständigkeiten für Planung, Organisation und Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs möglichst zusammenzuführen sind. Die Länder haben auch insoweit das Nähere zu regeln. Sie können diese Aufgabe jedoch delegieren. § 4 RegG verknüpft die EG-Verordnung Nr. 1191/69 (ABl. EG Nr. 156 S. 1) in der Fassung der Verordnung Nr. 1893/91 (ABl. EG Nr. I. 169 S. 1) mit dem nationalen Recht. Danach können mit Verkehrsunternehmen Verträge über gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen abgeschlossen werden; des Weiteren können ihnen solche Leistungen gegen finanziellen Ausgleich auferlegt werden. Auch insoweit werden Finanzierungsregelungen mit der Aufgabenträgerschaft im öffentlichen Personennahverkehr verbunden, ebenso wird bestimmt, dass es Sache der Länder ist zu regeln, wer zuständige Behörde im Sinn der EG-Verordnung ist.
{RN:4}
Folge dieser bundes- wie EG-rechtlichen Vorgaben war der Erlass von Landesgesetzen zur Organisation und Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs. Das in Ausführung dieser Vorgaben vom Landtag von Sachsen-Anhalt verabschiedete Gesetz zur Gestaltung des Öffentlichen Personennahverkehrs im Land Sachsen-Anhalt vom 24.11.1995 (LSA-GVBl., S.., S. 339) - LSA-ÖPNVG - enthält als wesentliche Bestimmungen folgende Passagen:
"§ 1
Grundsätze des Öffentlichen Personennahverkehrs:
(1) Öffentlicher Personennahverkehr ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Die Sicherstellung einer dem öffentlichen Interesse entsprechenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen und Erschließung des Landes mit Anlagen des Öffentlichen Personennahverkehrs ist eine Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung. Die Kommunen werden bei der Wahrnehmung der Aufgabe vom Land Sachsen-Anhalt unterstützt.
..."
{RN:5}
weiter:
"§ 3
Aufgabenträger
(1) Die Landkreise und kreisfreien Städte gewährleisten in ihrem Gebiet eine dem öffentlichen Interesse entsprechende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen und Erschließung mit Anlagen des Öffentlichen Personennahverkehrs. Sie sind Aufgabenträger für den Öffentlichen Personennahverkehr im Sinne von § 8 Abs. 3 des Personenbeförderungsgesetzes und von § 1 Abs. 2 des Regionalisierungsgesetzes (Aufgabenträger). Sie sind zuständige Stelle im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 4 des Personenbeförderungsgesetzes."
{RN:6}
Für den Schienenpersonennahverkehr gelten die besonderen Regelungen des Teils 2 des LSA-ÖPNVG.
{RN:7}
Danach liegt die Organisation und Gewährleistung des Schienenpersonennahverkehrs im Lande Sachsen-Anhalt beim Land als dem "Besonderem Aufgabenträger":
"§ 10
Organisation und Gewährleistung des Schienenpersonennahverkehrs
(1) Das für Verkehr zuständige Ministerium ist zuständige Behörde im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes. Die Bestellung oder Vereinbarung der Verkehrsleistungen erfolgt nach Maßgabe von § 15 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes. Im Übrigen ist § 5 entsprechend anzuwenden.
(2) Das für Verkehr zuständige Ministerium bedient sich bei der Wahrnehmung der Aufgabe nach Absatz 1 der Nahverkehrsservice-Gesellschaft des Landes Sachsen-Anhalt, an der sich die Aufgabenträger beteiligen können. ..."
"§ 11
Besonderer Aufgabenträger
(1) Bis zur Gewährleistung des Schienenpersonennahverkehrs durch die Aufgabenträger nach § 3 wird diese Aufgabe von dem für Verkehr zuständigen Ministerium wahrgenommen (Besonderer Aufgabenträger). § 15 ist so lange entsprechend anzuwenden. ...
(2) Die Aufgabenträger und der Besondere Aufgabenträger haben zur Übernahme der Gewährleistung des Schienenpersonennahverkehrs eine einvernehmliche Lösung anzustreben. Soweit bis zum 31. Dezember 2002 keine einvernehmliche Lösung zustande gekommen ist, hat die Landesregierung die Fähigkeit der Zusammenschlüsse nach § 2 Abs. 2 beziehungsweise des Zweckverbandes nach § 3 Abs. 3 zur Gewährleistung des Schienenpersonennahverkehrs zu prüfen. Verfügen diese über die notwendige Leistungsfähigkeit, wird die Landesregierung ermächtigt, ihnen durch Verordnung die Gewährleistung des Schienenpersonennahverkehrs zu übertragen. Diese Verordnung hat gleichzeitig die Finanzierung der Aufgabe zu regeln."
{RN:8}
Schließlich:
"§ 12 Plan des Schienenpersonennahverkehrs
(1) Der Besondere Aufgabenträger entwickelt den Plan des Schienenpersonennahverkehrs, soweit die Gewährleistung des Schienenpersonennahverkehrs nicht nach § 11 Abs. 2 übergegangen ist. ...
(2) Der Besondere Aufgabenträger leitet das Aufstellungsverfahren ein, indem er seine Planungsabsicht den übrigen Aufgabenträgern mitteilt. Die Mitteilung ist mit der Aufforderung zu verbinden, Vorschläge für den Entwurf des Plans des Schienenpersonennahverkehrs zu unterbreiten. Die Aufgabenträger hören die in § 7 Abs. 1 Genannten vor Abgabe ihrer Vorschläge an. Der Plan des Schienenpersonennahverkehrs hat die Vorschläge der übrigen Aufgabenträger zu beachten. Sofern von den Vorschlägen nicht nur unwesentlich abgewichen werden soll, ist der Entwurf des Plans des Schienenpersonennahverkehrs mit den übrigen Aufgabenträgern zu erörtern.
(3) Der Plan des Schienenpersonennahverkehrs ist unverzüglich erstmals aufzustellen. Er ist in geeigneten Zeiträumen, mindestens alle fünf Jahre, fortzuschreiben. Für wesentliche Änderungen und Ergänzungen des Plans des Schienenpersonennahverkehrs gelten die Vorschriften über seine Aufstellung entsprechend.
(4) Solange der Plan des Schienenpersonennahverkehrs für den Planbereich eines Nahverkehrsplanes gemäß § 6 gültig ist, beschränkt sich dieser auf den Straßenpersonennahverkehr. Der Plan des Schienenpersonennahverkehrs ist für den Nahverkehrsplan verbindliche Vorgabe; seine Berücksichtigung ist in ihm darzulegen.
(5) Bei Übergang der Aufgabe nach § 11 Abs. 2 ist die Planung für den Schienenpersonennahverkehr in den Nahverkehrsplan einzubeziehen. ..."
{RN:9}
Teil 4 des ÖPNVG enthält die Regelungen über die Finanzierung des Personennahverkehrssystems:
"§ 15 Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs
(1) Die Finanzverantwortung für den Öffentlichen Personennahverkehr obliegt dem Aufgabenträger.
(2) Die dem Land aus dem Regionalisierungsgesetz zufließenden Mittel sind für den Öffentlichen Personennahverkehr, insbesondere für den Schienenpersonennahverkehr, zu verwenden. Sie werden im Hinblick auf die Gewährleistung einer dem öffentlichen Interesse entsprechenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im Öffentlichen Personennahverkehr durch landeseigene Mittel ergänzt. Die Mittel nach Satz 1 dürfen nicht zur Finanzierung bisher schon vom Land wahrgenommener Aufgaben verwendet werden. Das Land stellt aus den Mitteln nach § 8 Abs. 2 des Regionalisierungsgesetzes Mittel für Investitionen des Schienenpersonennahverkehrs in angemessenem Umfang nach Maßgabe des Ansatzes im Landeshaushaltsplan zur Verfügung.
(3) Der Aufgabenträger erhält vom Land Zuweisungen nach Maßgabe des Ansatzes im Landeshaushaltsplan
{BS:}
1. Zur Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs (Vorhaltekosten des Öffentlichen Personennahverkehrs),
2. zur Lastentragung von Fehlbeträgen aus Verpflichtungen nach der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 oder für Zahlungen im Hinblick auf wirtschaftlich vergleichbare Verträge im Sinne des § 5 Abs. 1,
3. für Kooperationshilfen,
4. für die Aufstellung von Nahverkehrsplänen,
5. für Investitionen in Infrastruktur und Fahrzeuge.
{BE:}
(4) Der Aufgabenträger erhält vom Land Zuweisungen nach Maßgabe des Ansatzes im Landeshaushaltsplan für zusätzliche Kosten auf Basis der Nahverkehrspläne für
1. Mehrkosten für die Errichtung von Taktverkehren,
2. Information und Marketing zum gesamten Angebot des Öffentlichen Personennahverkehrs im Nahverkehrsraum und seinen Schnittstellen zu benachbarten Nahverkehrsräumen,
3. die qualitative Verbesserung des Öffentlichen Personennahverkehrs im Sinne einer für die Fahrgäste attraktiven, ökologischen Alternative zum motorisierten Individualverkehr.
(5) Das für Verkehr zuständige Ministerium wird ermächtigt, durch Verordnung die Aufteilung der Zuweisungen nach Absatz 3 Nrn. 1 bis 4 unter Beachtung des Grades der Wahrnehmung der Aufgabenträgerschaft und der Qualität der Gewährleistung zu regeln. Die Verordnung kann vorsehen, dass ein Teil der Mittel vom Land für spezielle Förderungen, wie Anlauffinanzierungen, Modellversuche und die Errichtung von Verkehrskooperationen, vergeben werden kann. Weiterhin kann sie Mittel für überregional durchgebundene Nahverkehre sowie für die Aufgabenwahrnehmung nach § 10 Abs. 2 Satz 1 und § 11 Abs. 1 Satz 5 vorsehen.
(6) Das für Verkehr zuständige Ministerium erstellt nach Maßgabe des jeweiligen Haushaltsansatzes und unter Berücksichtigung der Investitionspläne der Aufgabenträger ein Investitionsprogramm, das alle Investitionen des Landes sowie alle vom oder über das Land zu vergebenden Zuwendungen für Investitionen für den Öffentlichen Personennahverkehr von fünf Jahren umfasst und jährlich fortgeschrieben wird...
(7) Sonstige gesetzliche Ausgleichsleistungen bleiben unberührt. ..."
{RN:10}
2.-->Nach Ansicht des Beschwerdeführers verletzt das Gesetz in mehreren zentralen Bestimmungen sein Selbstverwaltungsrecht aus Art. 2 Abs. 3; 87 LSA-Verf:
{RN:11}
Die Kommunalverfassungsbeschwerde sei zulässig, da der Beschwerdeführer eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts aus Art. 2 Abs. 3, 87 LSA-Verf durch §§ 15, 12, 10 Abs. 1 S. 2 u. 1 LSA-ÖPNVG geltend mache. Die Finanzierungsregelung des § 15 LSA-ÖPNVG betreffe die Rechtsstellung des Antragstellers unmittelbar, ebenso die defizitäre Regelung der Mitwirkungsrechte in § 12 LSA-ÖPNVG, zudem verletze den Antragsteller die in § 10 Abs. 1 LSA-ÖPNVG geregelte Bestellerfunktion für den Schienenpersonennahverkehr. Diese Bestellerfunktion werde bereits mit Erlass des Gesetzes von vornherein und auf Dauer in die exklusive Zuständigkeit des zuständigen Ministeriums gelegt und damit dem Antragsteller vorenthalten. Ihm werde ohne Umsetzungsmaßnahme jede Einwirkung auf die Bestellerfunktion versagt. Die Verletzung sei auch gegenwärtig: §§ 15, 12 LSA-ÖPNVG hätten mit In-Kraft-Treten am 1.2.1996 Wirkung geäußert, auch bei §§ 10 Abs. 1, 2 S. 1, 11 LSA-ÖPNVG sei dies der Fall, da bereits mit dem Inkrafttreten dieser Vorschriften ein definitiver Ausschluss des Antragstellers erfolgt sei. Ein Verweis auf spätere Klagemöglichkeiten greife nicht, der Antragsteller sei auf die hier erstrebte Rechtsschutzmöglichkeit beschränkt. § 15 LSA-ÖPNVG verletze das Recht auf Selbstverwaltung in der besonderen Ausprägung des Rechts auf finanzielle Eigenverantwortung nach Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf. Das LSA-ÖPNVG weise den Landkreisen und kreisfreien Städten umfangreiche und detaillierte Pflichtaufgaben im Rahmen des öffentlichen Personennahverkehrs zu, ohne in § 15 LSA-ÖPNVG für eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 87 Abs. 3 S. 2 und 3 LSA-Verf entsprechende Kostenerstattung zu sorgen. § 12 LSA-ÖPNVG verletze das Selbstverwaltungsrecht aus Art. 87 Abs. 1 und 2 LSA-Verf. Die Bestimmung sehe vor, dass die Kreise ihre Planung für den öffentlichen Personennahverkehr nicht nach eigenem Ermessen gestalten können, sondern den Schienenpersonennahverkehrsplan, den der Besondere Aufgabenträger Land ausarbeite, als zwingende und detailgenaue Vorgabe für seine Nahverkehrsplanung gelten lassen müssen. Insoweit werde der Planungsspielraum des Antragstellers auf Null reduziert, ohne dass ihm ein hinreichend qualifiziertes Mitwirkungsrecht an der Schienenpersonennahverkehrsplanung eingeräumt würde. § 10 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 LSA-ÖPNVG verletzten das Selbstverwaltungsrecht aus Art. 87 Abs. 1 und 2 LSA-Verf. § 11 LSA-ÖPNVG sehe vor, dass spätestens nach Ablauf des Jahres 2002 die Kreise die Gewährleistung des Schienenpersonennahverkehrs als Selbstverwaltungsaufgabe übernähmen. Dabei behalte sich jedoch der Besondere Aufgabenträger Land gem. § 10 Abs. 1 LSA-ÖPNVG die Ausübung der wichtigen und finanziell überaus bedeutsamen Bestellerfunktion für Schienenverkehrsleistungen über diesen Zeitpunkt hinaus weiter vor.
{RN:12}
Die Kommunalverfassungsbeschwerde sei auch begründet.
{RN:13}
§ 15 LSA-ÖPNVG sei verfassungswidrig:
Die Finanzhoheit der Kommunen sei eine Ausprägung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, sie enthalte ein Recht auf angemessene, d.h. aufgabengerechte Finanzausstattung. Maßstab sei Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf. Voraussetzung der Kostendeckung sei das Bestehen von Pflichtaufgaben in eigener Verantwortung oder von staatlichen Aufgaben nach Weisung. Die Aufgabenzuweisung an die Kommunen erfolge durch Landesgesetz, hierbei komme dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zu, es seien Sachgründe nötig. Hier würden Teilaufgaben auferlegt, und zwar in der Form einer Zuweisung von Pflichtaufgaben in eigener Verantwortung als Selbstverwaltungsaufgabe i. S. v. Art. 87 Abs. 3 S. 1, 1. Alt. LSA-Verf. Es handle sich auch um die Zuweisung einer neuen Aufgabe, aus dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik lasse sich nichts anderes herleiten. Zumindest als Pflichtaufgabe sei die Aufgabe neu. Sie sei durch Gesetz auferlegt; Pflichtaufgaben seien immer enger reglementiert. Eine solche Detailregelung bedeute aber stets eine neue Aufgabe. Die Kostendeckungsregelung trenne zwischen Art. 87 Abs. 3 S. 2, 3 und Art. 88 LSA-Verf als einer zentralen, quantitativen Sicherung als Globalsicherung der Finanzen der Kommunen. Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf diene demgegenüber als zweiter Pfeiler der aufgabenorientierten Finanzausstattung nach dem Konnexitätsprinzip. Vorliegen müsse die Gleichzeitigkeit der Regelung einer Kostendeckung; Art. 87 LSA-Verf komme insoweit eine "Warnfunktion" zu. Formal sei im Gesetz die Finanzierung geregelt, fraglich sei aber, ob sie den Vorgaben des Art. 87 Abs. 3 S. 2, 3 LSA-Verf entspreche. Folge sei die Notwendigkeit eines angemessenen Ausgleichs für alle entstehenden Kosten ohne Rücksicht auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen. Es bestehe ein Ermessensspielraum für den Gesetzgeber bei der Art und Weise des Finanzausgleichs. Dieser müsse aber klar erkennbar sein. Die Anforderungen des Art. 87 LSA-Verf seien im Gesetz nicht erfüllt worden. Zum Beispiel genüge ein schlichter Haushaltsvorbehalt nicht. Folge sei, dass § 15 LSA-ÖPNVG und die Aufgabenübertragung nach dem LSA-ÖPNVG verfassungswidrig seien; das Junktim des Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf sei nicht erfüllt.
{RN:14}
Auch § 12 LSA-ÖPNVG sei verfassungswidrig:
Nach der Landesverfassung bestehe eine Vermutung für die Allzuständigkeit der Kreise (im Gegensatz zu Art. 28 Abs. 2 S. 2 GG). Die Planung nach § 12 LSA-ÖPNVG sei eine überörtliche Angelegenheit der Kreisebene und unterliege dem Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie. Das Land beschränke diese durch §§ 11, 6, 12 Abs. 4 LSA-ÖPNVG. Folge sei eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen und ein Eingriff in den Kernbereich. Eine historische Auslegung im Hinblick auf die Gesetzeslage der Deutschen Demokratischen Republik verbiete sich. Zwar liege - folge man der Subtraktionsmethode des Bundesverfassungsgerichts - kein Eingriff in den Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts vor, es liege jedoch ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot bei Wahrung des äußeren Bereichs des Selbstverwaltungsrechts vor. Eine Kompensation dieses Defizits der Kommunen an Kompetenz über Mitwirkungsrechte fehle.
{RN:15}
Schließlich sei auch § 10 Abs. 1 S. 2 LSA-ÖPNVG nicht mit der Landesverfassung vereinbar: § 10 LSA-ÖPNVG tangiere ebenfalls den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 3; 87 Abs. 1 und 2 LSA-Verf. Das Vorenthalten der Bestellerfunktion betreffe den Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie; denn auch der Schienenpersonennahverkehr falle in den geschützten Aufgabenbereich des Antragstellers. Die Nichtübertragung der Bestellerfunktion sei daher verfassungswidrig, es bleibe den Landkreisen nur eine Restkompetenz.
{RN:16}
3.-->Der Landtag hat keine Stellungnahme abgegeben.
{RN:17}
Die Landesregierung hält die Kommunalverfassungsbeschwerde hinsichtlich § 10 LSA-ÖPNVG für unzulässig, hinsichtlich der §§ 12 und 15 LSA-ÖPNVG für unbegründet. Die Landesregierung erachtet die Rüge der Verfassungswidrigkeit von § 10 LSA-ÖPNVG als unzulässig, da der Beschwerdeführer von der Regelung nicht in seinen Rechten berührt werde. Der Schienennahverkehr gehöre aktuell nicht zu den Aufgaben der Kreise. Zudem gelte § 11 Abs. 2 S. 1 LSA-ÖPNVG, wonach ein Einvernehmen anzustreben sei (s. auch § 11 Abs. 2 S. 2 u. 3 LSA-ÖPNVG). Adressat dieser Vorschrift sei nicht der Beschwerdeführer, sondern der Träger eines erst noch zu bildenden Nahverkehrsraums oder ein Zweckverband.
{RN:18}
Die übrigen Rügen seien unbegründet:
Eine institutionelle Schutzwirkung des Art. 2 Abs. 3; 87 Abs. 1 LSA-Verf sei erst bei Aushöhlung des kommunalen Finanzwesens gegeben. Eine Garantie der Finanzausstattung der Kommunen sei im Sinne einer Ausstattungsgarantie grundsätzlich zu bejahen. Diese werde durch Art. 88 Abs. 2 und 3 LSA-Verf operationalisiert, sei aber im Zusammenhang mit einer plural strukturierten Zusammensetzung kommunaler Einnahmen zu sehen; denn neben dem Bund hätten die Länder eine besondere Verantwortung für die Finanzausstattung. Das Land komme seiner Verpflichtung aus Art. 88 Abs. 1 S. 1 LSA-Verf mehrfach nach. Notwendig sei eine Gesamtrechnung aller Einnahmen und Ausgabenverpflichtungen aus übertragenen Hoheitsaufgaben, pflichtiger wie freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben. Folge sei, dass Art. 88 Abs. 1 LSA-Verf keine Garantie für die Deckung von Kosten aufgrund spezifischer Aufgaben enthalte. Das Konzept einheitlicher Finanzgarantie lasse grundsätzlich keinen Raum für Ansprüche von Kommunen auf Erstattung von Kosten für bestimmte Aufgaben. Es bestehe nur ein Anspruch auf eine allgemeine, aufgabenunabhängige Mindestausstattung. Die Verfassungspflicht aus Art. 88 Abs. 1 LSA-Verf aktualisiere sich erst dann als Anspruch der Kommunen, wenn die Untergrenze für eine funktionsfähige Finanzausstattung insgesamt unterschritten wäre und die Kommunen damit strukturell handlungsunfähig würden. § 15 LSA-ÖPNVG bleibe nicht hinter den rechtlichen Anforderungen des Art. 87 Abs. 3 S. 2, 3 LSA-Verf zurück: Art. 87 LSA-Verf biete eine über Art. 88 LSA-Verf hinausgehende Sicherheit für die Finanzausstattung der Kommunen. Danach sei Art. 87 Abs. 3 S. 2, 3 LSA-Verf aufgabenakzessorisch konzipiert, dies jedoch nur im Sinne einer Bewahrung der Kommunen vor Auszehrung durch die Übertragung von Aufgaben und einer Abwehr beliebiger Umlenkung von Aufgaben, so dass etwa für die freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben kein finanzieller Spielraum mehr bleibe. Ihm komme daher die Funktion zu, Aufgabenwanderungsprozesse, die aufgrund Art. 87 Abs. 3 S. 1 LSA-Verf grundsätzlich zulässig seien, von den dazu komplementären finanziellen Regelungen abhängig zu machen.
{RN:19}
Diese Vorgaben des Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf seien beim öffentlichen Personennahverkehr (im folgenden ÖPNV) zu beachten: Der ÖPNV sei eine Aufgabe im Rahmen der Selbstverwaltung (§ 1 Abs. 1 S. 2 LSA-ÖPNVG); er sei eine pflichtige Aufgabe (§ 6 LSA-ÖPNVG) mit planerischer Gestaltungsfreiheit sowie eine Gewährleistungsaufgabe (§ 3 Abs. 1 S. 2 LSA-ÖPNVG). Jedoch bestehe keine ins Detail gehende Regelung, es beständen für die Kommunen vielmehr Gestaltungsspielräume, welche nur einer Rechtsaufsicht unterlägen. Dabei sei kein Formenmissbrauch der Überbürdung von Aufgaben nach Weisung in Form nominell pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben zu beobachten. Zum Bestand der nach 1990 wieder eingeführten kommunalen Selbstverwaltung gehöre der ÖPNV in seiner Gänze nicht. Er sei allenfalls eine freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe. Die Aufgabendefinition des § 3 Abs. 1 LSA-ÖPNVG stehe dem Gesetzgeber nach Maßgabe des Art. 87 Abs. 1 LSA-Verf zu, eine Verletzung "geborener" Selbstverwaltungsaufgaben als Kernaufgaben komme daher nicht in Betracht. Erst durch das Gesetz sei der ÖPNV zu einer Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung geworden.
{RN:20}
Die Landesverfassung habe sich für ein dualistisches Aufgabenmodell entschieden, Art. 87 Abs. 3 S. 2 LSA-Verf beziehe sich sowohl auf pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben wie auf übertragene staatliche Aufgaben. Die Bestimmung trete nicht isoliert neben die Verpflichtung nach Art. 88 Abs. 1 LSA-Verf, vielmehr verleihe sie bei der Beteiligung an höherstufiger Planung materielle Rechte auf Berücksichtigung der Belange der Kommunen bei Entscheidungen. Es existiere keine Zwangsbindung an den Plan des Schienennahverkehrs, den Kommunen verblieben eigene Gestaltungsräume. Der Plan umfasse zwar verbindliche Vorgaben (§ 12 Abs. 4 S. 2 LSA-ÖPNVG), diese seien aber nur zu "berücksichtigen" (§ 12 Abs. 4, S. 2, 2. Hs. LSA-ÖPNVG). Es bestehe daher keine strikte Planungsleitlinie, sondern nur ein Optimierungsgebot. Damit sei eine Gefahr der Überformung eigener planerischer Gestaltungsvorstellungen der Kommunen gebannt. Die Funktion des Landes nach § 10 Abs. 1 LSA-ÖPNVG verstoße aktuell nicht materiell gegen das Recht der kommunalen Selbstverwaltung.
{RN:21}
Im Übrigen schränke die Regelung in § 10 LSA-ÖPNVG die Selbstverwaltungskompetenz auch nicht sachwidrig oder unverhältnismäßig ein: Der Schienenverkehr sei in die Nahverkehrsplanung einzubeziehen, § 12 Abs. 5 LSA-ÖPNVG. Damit könnten dessen Träger in erheblichem Umfang gestaltend auf dessen Qualität einwirken, somit konzeptionell und gestaltend mitentscheiden. Die Schwerpunkte lägen bei den Kommunen, dem Land als Besteller bleibe im wesentlichen eine Dienstleistungsfunktion. Der Verbleib gerade dieser Aufgabe beim Land sei sachgerecht: die Deutsche Bahn AG betreibe den Schienenpersonennahverkehr nahezu monopolartig. In ihrer Anbieterfunktion könne sie diese Macht gegenüber einer Vielzahl von Bestellern ausspielen. Daher sei eine Koordination durch das Land unumgänglich.
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Entscheidungsgründe:
{RN:22}
1.-->Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit sie sich gegen die Bestimmungen der §§ 12 und 15 des Gesetzes zur Gestaltung des Öffentlichen Personennahverkehrs im Lande Sachsen-Anhalt - LSA-ÖPNVG - vom 24.11.1995 (LSA-GVBl., S. 339) wendet (1.1). Im Übrigen ist sie unzulässig (1.2).
{RN:23}
1.1-->Der Landkreis Schönebeck ist beschwerdeberechtigt und hinsichtlich der Regelungen der §§ 12 und 15 LSA-ÖPNVG auch beschwerdebefugt.
{RN:24}
1.1.1-->Art. 75 Nr. 7 der Landesverfassung Sachsen-Anhalt - LSA-Verf - vom 16.7.1992 (LSA-GVBl., S.. 600) eröffnet den Kommunen und Gemeindeverbänden i. V. m.. §§ 2 Nr. 8, 5 des Gesetzes über das Landesverfassungsgericht - LSA-VerfGG - vom 23.8.1993 (LSA-GVBl., S.. 441), geändert durch Gesetz vom 14.6.1994 (LSA-GVBl., S.. 700) und vom 22.10.1996 (LSA-GVBl., S.. 332) im Falle einer Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 LSA-Verf durch Landesgesetz die Verfassungsbeschwerde. Der Landkreis Schönebeck ist nach Art. 87 Abs. 1 LSA-Verf eine Kommune I. S. d.. Art. 75 Nr. 7 LSA-Verf, §§ 2, 51 Abs. 1 LSA-VerfGG. Die Verfassungsbeschwerde hat einen zulässigen Beschwerdegegenstand, da sie sich als Rechtssatzverfassungsbeschwerde gegen einzelne Regelungen des LSA-ÖPNVG richtet.
{RN:25}
1.1.2-->Der Landkreis Schönebeck ist beschwerdebefugt, da er durch die Regelungen der §§ 12 und 15 LSA-ÖPNVG selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen sein kann. Nach § 12 Abs. 4 S. 2 LSA-ÖPNVG stellt der vom Land als vorläufiger Besonderer Aufgabenträger gemäß § 12 Abs. 1 LSA-ÖPNVG zu entwickelnde Schienenpersonennahverkehrsplan für die kommunale Planung eine verbindliche Vorgabe dar. Dieser Plan wurde inzwischen auch erlassen (s. die Bekanntmachung des Ministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr vom 9.1.1998 - 42 - 30600, LSA-MBl Nr. 21/1998 vom 22.4.1998 -, S. 727). Die Planungshoheit der Kommune in ihrem Wirkungskreis ist grundsätzlich ein integraler Bestandteil der Selbstverwaltung. Eine gesetzliche Einschränkung der Planungshoheit bedarf der aufgrund einer Güterabwägung zu treffenden Feststellung, dass schutzwürdige überörtliche Interessen diese Einschränkung erfordern (dazu BVerfG, Beschl. v. 7.10.1980 - 2 BvR 584, 598, 599, 604/76 - BVerfGE 56, 298 ff., 309 ff.). Es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Regelung des § 12 Abs. 4 S. 2 LSA-ÖPNVG die Planungshoheit der Kommunen unverhältnismäßig einschränkt.
{RN:26}
Gemäß Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf kann der Landesgesetzgeber den Kommunen Aufgaben übertragen, wenn ein angemessener Ausgleich für die finanzielle Mehrbelastung geschaffen wird. In § 15 LSA-ÖPNVG hat der Gesetzgeber für die Übertragung des Öffentlichen Personennahverkehrs als Pflichtaufgabe auf die Kommunen das Verfahren des Kostenausgleichs geregelt. Selbst wenn dem Gesetzgeber bei der Art und Weise der Kostenregelung ein Gestaltungsspielraum zusteht, so erscheint es vor dem Hintergrund der Finanzhoheit als wesentlicher Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung möglich, dass das Verfahren einen angemessenen Kostenausgleich nicht sicherstellt. Zum Selbstverwaltungsrecht gehört nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 15.10.1985 - 2 BvR 1808-1810/82 -, BVerfGE 71, 25, 36 m. w. N.) und der Verfassungsgerichte der Länder (VerfGH NW, Urt. v. 6.7.1993 - VfGH 9,22/92 -, DVBl. 1993, 1205; VerfGH RP, Urt. v. 18.3.1992 - VGH 2/91 -, DVBl. 1992, 981; StGH BW, Urt. v. 14.10.1993 - GR 2/92 -, VBlBW 1994, 15; NdsStGH, Beschl. v. 13.8.1995 - StGH 2,3,6-10/93 -, DVBl. 1995, 1175; BayVfGH, Entschdg. v. 27.2.1997 - Vf. 17-VII-94 -, BayVBl. 1997, 303) die Finanzhoheit der Kommunen. Basis dafür ist die Landesverfassung, die eine finanzielle Grundausstattung der Gemeinden vorsieht.
{RN:27}
Der Beschwerdeführer ist durch die Regelungen der §§ 12 und 15 LSA-ÖPNVG auch gegenwärtig und unmittelbar betroffen, da sich die Belastung unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und kein weiterer Vollzugsakt erforderlich ist.
{RN:28}
1.2-->Soweit der Beschwerdeführer mit seiner Kommunalverfassungsbeschwerde die Regelung des § 10 LSA-ÖPNVG angreift, ist die Beschwerde mangels Beschwerdebefugnis unzulässig. Der Landesgesetzgeber greift mit der Regelung nicht in den eigenen Wirkungskreis der Kommunen ein. Der schienengebundene Personennahverkehr ist seiner Natur nach überörtlich.
{RN:29}
Zwar hat der Landesgesetzgeber den Kommunen durch § 3 LSA-ÖPNVG die Aufgabe der Gewährleistung eines Öffentlichen Personennahverkehrs als Selbstverwaltungsaufgabe übertragen, allerdings hat er sich dabei in §§ 10 und 12 LSA-ÖPNVG die Bestellerfunktion und die Gewährleistungsfunktion vorbehalten. Da diese Funktionen nicht übertragen worden sind, sind sie, entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, auch nicht entzogen worden.
{RN:30}
Gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 LSA-ÖPNVG hat das Land als Besonderer Aufgabenträger mit den übrigen Aufgabenträgern des Öffentlichen Personennahverkehrs eine einvernehmliche Regelung anzustreben, die derzeit noch nicht erfolgt ist. Sollte das Einvernehmen bis zum 31.12.2002 scheitern, kommt eine Übertragung der besonderen Aufgaben auf die Zusammenschlüsse nach § 3 Abs. 2 LSA-ÖPNVG oder die Zweckverbände nach § 3 Abs. 3 LSA-ÖPNVG in Betracht. Der Beschwerdeführer wird also weder gegenwärtig noch unmittelbar durch die Regelung des § 10 LSA-ÖPNVG betroffen.
{RN:31}
1.3-->Diese landesrechtliche Verfassungsbeschwerde ist nicht durch die bundesrechtliche Rüge ausgeschlossen, Art. 28 Abs. 2 GG sei verletzt (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG); denn das Bundesverfassungsgericht kann gegen Landesgesetze subsidiär nur dann angerufen werden, wenn und soweit keine Verfassungsbeschwerde zu einem Landesverfassungsgericht erhoben werden kann (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG).
{RN:32}
Art. 28 Abs. 2 GG verdrängt auch nicht in Verbindung mit Art. 31 GG die Garantie aus Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 LSA-Verf, denn das Bundesrecht enthält nur die Mindestgarantie kommunaler Selbstverwaltung und schließt inhaltsgleiches oder weiter-gehendes Landesverfassungsrecht nicht aus (LVerfG LSA, Urt. v. 31.5.1994, - LVG 2/93 -, LVerfGE 2, 227; s. a. BVerfG, Beschl. v. 15.10.1997 - 2 BvN 1/95 -, NJW 1998, 1296 ff.).
{RN:33}
2.-->Die Verfassungsbeschwerde hat teilweise Erfolg, soweit sie sich gegen die Finanzierungsbestimmungen des § 15 Abs. 3 und 4 LSA-ÖPNVG richtet (2.1); soweit sie sich gegen § 12 LSA-ÖPNVG richtet, ist sie zurückzuweisen (2.2).
{RN:34}
2.1-->Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf enthält eine im Vergleich zu Art. 88 LSA-Verf besondere Finanzgarantie (2.1.1). § 15 LSA-ÖPNVG ist mit Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf unvereinbar, soweit durch das Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr "neue" Aufgaben übertragen werden (2.1.2). Die teilweise Unvereinbarkeit des § 15 Abs. 3, 4 LSA-ÖPNVG mit Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf führt nicht zur Nichtigkeit der übrigen Bestimmungen des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr, sondern verpflichtet den Landesgesetzgeber, die unvollkommene Regelung über Zuweisungen an die Kommunen zu vervollständigen (2.1.3).
{RN:35}
2.1.1-->Die systematische Stellung des Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf und der Wortlaut insbesondere des Satzes 2 dieser Bestimmung schließen es aus, diese Anordnung lediglich als Unterfall einer einheitlichen Finanzierung der Kommunen durch das Land nach Art. 88 LSA-Verf anzusehen. Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf gestattet es nur dann, den Kommunen neue Aufgaben aufzuerlegen, wenn für diese jeweils die Kostendeckung geregelt und Mehrbelastungen der Kommunen angemessen ausgeglichen werden. Wie vergleichbare Bestimmungen anderer Landesverfassungen (vgl. zum Verhältnis der Art. 57 Abs. 4 und 58 der nieders. Verfassung: NdsStGH, Urt. v. 25.11.1997 - StGH 14/95 u.a. -. DÖV 1998, 382 ff = DVBl. 1998, 185 ff.; vgl. zu Art. 97 Abs. 3 der Verfassung des Landes Brandenburg: VfG Bbg., Urt. v. 18.12.1997, - VfG Bbg. 47/96 -, DÖV 1998, 336 ff.) verpflichtet die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt das Land, außer der durch Art. 88 LSA-Verf geregelten sog. "Grundausstattung" besondere Regelungen über die Kosten zu treffen, welche durch übertragene Aufgaben entstehen. Über die niedersächsische und auch die brandenburgische Verfassung hinaus gilt das nach Art. 87 Abs. 3 Satz 2, 1. Alt. LSA-Verf auch dann, wenn das Land den Kommunen "durch Gesetz Pflichtaufgaben in eigener Verantwortung" zuweist. Darunter fallen damit auch ehemals freiwillig wahrgenommene Selbstverwaltungsaufgaben, die das Land den Kommunen nunmehr zur Pflicht macht.
{RN:36}
Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf erfüllt eine Schutzfunktion für die Kommunen in der Weise, dass der Gesetzgeber bei jeder Aufgabenübertragung die damit verbundenen finanziellen Belastungen berücksichtigen muss. Der Gesetzgeber kann diesem Schutzgebot nur nachkommen, wenn die Regelung über die Kostendeckung für die Kommunen erkennbar und nachprüfbar ist. Dabei sind die Kosten nachvollziehbar zu ermitteln und für die Kommunen sichtbar zu machen, in welcher Höhe sie an der Deckung der Kosten beteiligt werden (s. o. NdsStGH, DÖV 1998, 382 [383]).
{RN:37}
Die Kostenregelung muss aus verfassungsrechtlicher Sicht Mindestanforderungen genügen. Hierzu gehören Angaben, die den Kommunen Berechnungsmöglichkeiten in die Hände geben. Bei der Regelung der Kostendeckung der Kommunen verfügt der Gesetzgeber über einen weiten Spielraum. Welche Methode er wählt, ist seiner pflichtgemäßen Entscheidung überlassen. Denkbar sind Festbeträge, Pauschalierungen, Quoten, Prozentsätze, Indizes, Kostenzuschüsse pro Personenkilometer u. ä.
{RN:38}
Die Kostenregelung in Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf umfasst weiterhin einen "angemessenen" Ausgleich. Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der im jeweiligen Kostenregelungsgesetz auszufüllen ist. "Angemessen" bedeutet jedenfalls nicht, dass den Kommunen voller Kostenersatz zu leisten ist (NdsStGH, DÖV 1998, 382 [383]). Es ist daher verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn den Kommunen eine "Interessenquote" bei der Kostendeckung verbleibt. Entscheidend ist die Eignung der Regelung zum Zweck der Berechnungssicherheit.
{RN:39}
2.1.2-->Diesen Mindestanforderungen des Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf wird § 15 LSA-ÖPNVG nicht gerecht.
{RN:40}
§§ 3; 15 LSA-ÖPNVG überträgt den Kommunen nicht nur neu die Aufgabe für den Schienenverkehr, sondern macht zugleich die schon bestehende freiwillige Aufgabe für den Straßenverkehr zur Pflichtaufgabe.
{RN:41}
Der Schienenpersonennahverkehr gehörte nicht zum Kanon kommunaler Aufgaben; er wurde den Kommunen vom Land als der nach dem Regionalisierungsgesetz zuständigen Stelle als zusätzliche neue Aufgabe übertragen. Der öffentliche Straßenpersonennahverkehr mit einer Entfernung von max. 50 km und der Fahrtdauer von einer Stunde gehörte als freiwillig übernommene Aufgabe zum herkömmlichen Wirkungskreis der Kommunen; für ihn ist neu eine Pflichtigkeit begründet worden.
{RN:42}
Die Deckungsregelung des § 15 Abs. 3, 4 LSA-ÖPNVG wird Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf nicht gerecht, weil sie den Anteil des Landes nicht vorhersehbar festlegt, sondern ihn dem jeweiligen "Ansatz im Landeshaushaltsplan" vorbehält.
{RN:43}
Die Kostenregelung in § 15 Abs. 3 und 4 LSA-ÖPNVG beschränkt sich auf eine listenmäßige Aufzählung von Kostenarten, für die Mittel des Landes für die Kommunen bereitgestellt werden. So enthält z. B. § 15 Abs. 3 Nr. 1 LSA-ÖPNVG die allgemeine Kostenzuweisung "Zur Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs (Vorhaltekosten des Öffentlichen Personennahverkehrs)". Ein Maßstab oder fixe Größen, die eine Berechnung oder eine Größenordnung der Kostenerstattung zuließen, fehlt. Die Erstattung kann alle Größenordnungen bis hin zu 100 % umfassen. Eine Berechnungssicherheit, die erst eine hinreichende Planungssicherheit ermöglicht, welche insbesondere die Finanzierungssicherheit einschließt, besteht daher für die Kommunen nicht.
{RN:44}
Insgesamt ist eine solche Kostenregelung mit den Vorgaben der Verfassung an die Berechnungssicherheit nicht vereinbar. § 15 Abs. 3 LSA-ÖPNVG entspricht im Hinblick auf die übertragenen Aufgaben nicht den Anforderungen, die an eine Kostendeckungsregelung zu stellen sind. § 15 Abs. 3 LSA-ÖPNVG ist somit verfassungswidrig, soweit diese Bestimmung auf den von den Kommunen zu übernehmenden Schienenpersonennahverkehr bezogen ist.
{RN:45}
Gemessen an diesen Grundsätzen entspricht auch § 15 Abs. 4 LSA-ÖPNVG diesen Anforderungen nicht, soweit das Land den Kommunen Zuweisungen nur abstrakt nach Kostenarten, etwa § 15 Abs. 4 Nr. 1 LSA-ÖPNVG "Mehrkosten für die Errichtung von Taktverkehren", gewährt und es an einer Trennung der Zuweisungen für den Schienen- und den Straßenpersonennahverkehr fehlt.
{RN:46}
2.1.3-->Die teilweise Unvereinbarkeit des § 15 Abs. 3, 4 LSA-ÖPNVG mit Art. 87 Abs. 3 LSA-Verf führt nicht zur Nichtigkeit der übrigen Bestimmungen des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr, sondern verpflichtet den Landesgesetzgeber, die unvollkommene Regelung über Zuweisungen an die Kommunen zu vervollständigen. Dabei hat sich der Gesetzgeber an die vom Landesverfassungsgericht in diesem Urteil vorgegebenen Grundsätze zu richten.
{RN:47}
2.2-->§ 12 LSA-ÖPNVG ist mit der Landesverfassung vereinbar. Die Vorschrift verstößt nicht gegen die Garantie kommunaler Selbstverwaltung.
{RN:48}
Der Aufgabenträger i. S. des § 3 Abs. 1 LSA-ÖPNVG wird durch die "Bindung" (§ 12 Abs. 4 LSA-ÖPNVG) an den vom Land als besonderem Aufgabenträger aufzustellenden Plan des Schienenpersonennahverkehrs (§ 12 Abs. 1 LSA-ÖPNVG) nur vorläufig bis zum Übergang der Gewährleistungsaufgabe nach den Regeln der §§ 3, 12 LSA-ÖPNVG betroffen; denn sobald die "Nahverkehrsräume" organisiert sind, geht die Aufgabe auf die für sie zuständigen Stellen über (vgl. §§ 11 Abs. 1 S. 1; 12 Abs. 1, 5 S. 1 LSA-ÖPNVG). Der besondere Plan für den Schienenverkehr wird dann Teil des allgemeinen Nahverkehrsplans in der Verantwortung des örtlichen Trägers (§§ 6, 12 Abs. 5 LSA-ÖPNVG).
{RN:49}
Aber auch während dieser Übergangszeit wird Art. 87 Abs. 1 LSA-Verf ("in eigener Verantwortung") nicht verletzt. Es handelt sich um einen Fall abgestufter Planung, wie sie insbesondere für Fachplanungen typisch ist; das originäre Planungsrecht der Kommune für ihr Gebiet wird durch überörtliche Interessen überlagert (vgl. etwa die Verkehrswegeplanungen); die verfassungsrechtlich garantierte Planungshoheit der Kommune für ihr Gebiet, die sich auf "ihre Angelegenheiten" beschränkt (Art. 87 Abs. 1 LSA-Verf), reduziert sich auf ein Anhörungsrecht im Rahmen der überörtlichen Planung.
{RN:50}
Der Schienenpersonennahverkehr hat überörtliche Bedeutung. Das ergibt sich daraus, dass die Schienentrassen, die "bestellbaren" Nahverkehr vermitteln, die Gebiete mehrerer Kommunen der Kreisebene i. S. des § 3 Abs. 1 LSA-ÖPNVG und sogar wahrscheinlich mehrere Nahverkehrsräume i. S. des § 2 Abs. 6 LSA-ÖPNVG durchziehen und dass ein Verkehr innerhalb der 50-km-Zone bzw. einer Stundenbegrenzung (§ 2 Abs. 2 S. 2 LSA-ÖPNVG) einer einheitlichen Vorgabe dann besonders bedarf, wenn die verschiedenen Verkehrslinien in den Knotenpunkten vertaktet werden sollen (§ 1 Abs. 6 S. 2 LSA-ÖPNVG). Es ist nicht willkürlich, diese Planungsaufgabe innerhalb desselben Zeitraums dem Land zu übertragen, in welchem es auch die Aufgaben eines Besonderen Aufgabenträgers (§ 11 LSA-ÖPNVG) erfüllt.
{RN:51}
Die aus dem Recht auf Selbstverwaltung fließenden Mitwirkungsrechte der Kommunen werden gewahrt: Das Land hat seine Planungsabsichten den übrigen Aufgabenträgern mitzuteilen (§ 12 Abs. 2 S. 1 LSA-ÖPNVG), die Träger zu eigenen Vorschlägen aufzufordern (§ 12 Abs. 2 S. 2 LSA-ÖPNVG), die eingehenden Vorschläge der übrigen Aufgabenträger "zu beachten" (§ 12 Abs. 2 S. 4 LSA-ÖPNVG) und notfalls den Entwurf des Plans zu erörtern, wenn von den Vorschlägen nicht nur unwesentlich abgewichen werden soll (§ 12 Abs. 2 S. 5 LSA-ÖPNVG).
{RN:52}
Bei diesem Hintergrund ist auch mit Art. 87 Abs. 1 LSA-Verf vereinbar, dass der so aufgestellte oder fortgeschriebene (§ 12 Abs. 3 LSA-ÖPNVG) Plan des Landes die Kommunen bindet, die nach seinen "verbindlichen Vorgaben" ihren (während der hier maßgeblichen Übergangszeit) auf den Straßenpersonennahverkehr beschränkten Nahverkehrsplan aufzustellen haben (§ 12 Abs. 4 LSA-ÖPNVG).
{RN:53}
"Verbindliche Vorgabe" i. S. des § 12 Abs. 4 S. 2 LSA-ÖPNVG bedeutet dabei nur, dass die Planung für die Schiene hinzunehmen und die Planung für die Straße wegen der Anschlüsse auf den Schienenplan abzustimmen ist. Auch die Zielsetzung des § 1 Abs. 6 S. 2 LSA-ÖPNVG verlangt nicht, dass zu jedem verkehrenden Schienenfahrzeug auch zu jedem Ort des Kreisgebiets jeweils ein "Taktanschluss" vorgehalten werden muss, sondern nur, dass die Fahrplanzeiten der in anderen Takten verkehrenden Busse auf die Zeiten der Züge abgestimmt werden müssen, um den Anschluss zu gewährleisten; denn § 1 Abs. 6 LSA-ÖPNVG stellt seine Forderung bereits selbst unter den Vorbehalt des Möglichen.
{RN:54}
Eine unmittelbare Verletzung des Art. 87 Abs. 1 LSA-Verf bereits durch die gesetzliche Regelung selbst kann der Beschwerdeführer schließlich nicht mit seiner Sorge begründen, das Land könne bis zum Jahr 2002 mit zahlreichen Entscheidungen ohne hinreichenden Einfluss der Kommune die Weichen stellen; denn insoweit handelt es sich lediglich um Einzelmaßnahmen, die das Gesetz ausfüllen und einer eigenständigen Kontrolle zugänglich sind, ohne dass die Gestaltungsmöglichkeiten des Landes über § 12 LSA-ÖPNVG bereits unumkehrbare Fakten schaffen; denn die Kommunen im "Nahverkehrsraum" sind nach Ende der Übergangszeit frei, auch den Schienenpersonennahverkehr nach ihren Vorstellungen zu organisieren (§§ 6, 7, 11 Abs. 2, 12 Abs. 1, 4 LSA-ÖPNVG). Sie sind lediglich durch interkommunale Abstimmungsgebote gebunden. Dass um dieser Abstimmungslast willen die vorhandene Gesellschaft nach § 10 Abs. 2 LSA-ÖPNVG die Aufgabe erhält zu koordinieren (§ 12 Abs. 5 LSA-ÖPNVG), verstößt um der überörtlichen Bedeutung des Schienenverkehrs willen nicht gegen die Selbstverwaltungsgarantie.
{RN:55}
An dieser Beurteilung der Vereinbarkeit des § 12 LSA-ÖPNVG mit dem kommunalen Planungsrecht ändert auch der Inhalt des ersten Planes des Schienenpersonennahverkehrs für das Land Sachsen-Anhalt (Bek. MW v. 9.01.1998 - 42 - 30600 -, LSA-MBl. 727) nichts.
{RN:56}
Den Kommunen werden bei der Ausgestaltung ihrer Aufgabe des Schienenpersonennahverkehrs seitens des Landes keine ihre Planungshoheit erdrosselnden und unzumutbaren Eingriffe auferlegt. Die Vorgaben des Plans enthalten allgemeine Direktiven eines effizienten Nahverkehrs und betonen besonders das Prinzip der Kooperation aller Beteiligten. Der Plan sieht wesentliche Verbesserungen für die Infrastruktur des Schienenpersonennahverkehrs im Land Sachsen-Anhalt vor. In Abschnitt I. werden die verkehrspolitischen Ziele genannt, u.a. eine Erhöhung des Angebotsstandards als einer möglichst vollwertigen Alternative zum motorisierten Individualverkehr sowie der Aufbau eines attraktiven Integralen Taktfahrplans. Die künftigen Angebote des Schienenpersonennahverkehrs sind bis zum Jahr 2002 bzw. 2010 an die Entwicklung der Siedlungs- und Wirtschaftsstrukturen anzupassen (III.). Dabei wird eine Abbestellung von Verkehrsleistungen von zu führenden Untersuchungen abhängig sein. Anzustreben ist eine erhebliche Steigerung des Verkehrsaufkommens im Schienennahverkehr (VI.), hierfür sieht der Plan eine ganze Reihe von Maßnahmen (VII.) vor, u.a. den Ausbau der Schieneninfrastruktur zum Erreichen attraktiver Reisegeschwindigkeiten, die Verbesserung der Ausstattung der Bahnhöfe, der Einsatz attraktiver Fahrzeuge mit hohen Reisegeschwindigkeiten, eine durchgehende, räumliche und zeitliche Vertretung aller Linien, ausreichende Bedienungsdichte oder die Verbesserung der Verknüpfung mit dem Straßenpersonennahverkehr durch Ausbau von Verkehrs- und Tarifkooperationen. Weitere Punkte des Plans befassen sich mit Standards und Anforderungen an den Schienenpersonennahverkehr (IX.), der Organisation der Gewährleistung des Verkehrsangebots durch Verkehrsverträge des Landes mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen im freien Wettbewerb (X.) sowie mit der Verkehrskooperation zwischen den Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen nach dem Prinzip "ein Netz - ein Fahrplan - ein Tarif" (XI.) Insgesamt enthält der Plan bei seinen weitgefassten Direktiven über einen allgemeinen Rahmen hinaus keine Vorgaben des Landes, die zu einer besonderen Beschränkung der Möglichkeiten der Kommunen bei ihrer Planung des öffentlichen Personennahverkehrs führen.
{RN:57}
Eine nach Grundsätzen des § 87 Abs. 3 LSA-Verf zu beurteilende besondere finanzielle Belastung, die nicht von der Prüfung erfasst wird, ob § 15 LSA-ÖPNVG verfassungsgemäß ist, wird allein für § 12 LSA-ÖPNVG nicht erkennbar.
{RN:58}
Diese Bestimmung verstößt auch im Übrigen nicht gegen die Verfassung. Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, mit der Übertragung des öffentlichen Schienenpersonennahverkehrs ohne gleichzeitige Übertragung der Bestellerfunktion gehe eine dysfunktionale Aufgabenübertragung einher, da § 3 RegG die Zusammenfassung von Planungs-, Organisations- und Finanzierungszuständigkeiten vorschreibe, handelt es sich hierbei um Bundesrecht, das vor dem Landesverfassungsgericht nicht gerügt werden kann.
{RN:59}
3.-->Die Kostenentscheidung beruht auf § 32 LSA-VerfGG.