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Beschluss des Gerichtes

Entscheidungsvorblatt

Aktenzeichen: LVG 7/99 Entscheidungsart: Beschluss Entscheidung vom: 07.12.1999
Verfahrensart Verfassungsbeschwerde
entscheidungserhebliche Vorschriften LSA-Verf Art. 8 Abs 1
LSA-Verf Art. 75 Nr 6
LSA-Verf Art. 89
LSA-Verf Art. 91
LSA-VerfGG § 21 Abs 1
LSA-VerfGG § 48
LSA-KommRÄG
LSA-KommMandFördG
LSA-GO § 36
LSA-GO § 40
LSA-GO § 57
LSA-GO § 58
LSA-GO § 59
LSA-GO § 62
LSA-GO § 63
Schlagworte Kommunalrechtsänderungsgesetz 1997 - Frist - Bürgermeisteramt - Wahl - Organ - Bürgermeister, ehrenamtlicher - Gesetz, Änderung - Unzulässigkeit - Wahlrecht, aktives - Wahlrecht, passives - Gemeinderat, Mitgliedschaft - Unvereinbarkeit - Wählbarkeit -Inkompatibilität - Beamter auf Zeit - Organtrennung
Stichworte Beschluss
Leitsatz Zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen das Kommunalrechtsänderungsgesetz nach Fristablauf. Zur Fristbestimmung bei Gesetzesänderungen.
Fundstellen LVerfGE 10, 471
Sonstiges Zulässigkeit
Zitiervorschlag VerfGSA, Beschluss vom 07.12.1999 - LVG 7/99 -,
www.verfassungsgericht-sachsen-anhalt.de

Beschluss

in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

LVG 7/99

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers wird verworfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

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(Die grauen Ziffern über den Absätzen sind durchlaufende Absatznummern [Randnummern].)
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Tatbestand:

{RN:1}
1.-->Die Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt vom 5.10.1993 (LSA-GVBl., S. 568) - LSA-GO - wurde wiederholt, wesentlich durch das "Kommunalrechtsänderungsgesetz" vom 31.7.1997 (LSA-GVBl., S.. 721) - KommRÄG -, geändert. Die Änderungen traten am Tag nach der Verkündung (Art. 6 Abs. 1 KommRÄG) in Kraft; das Gesetz ist im Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 33 des Jahrgangs 1997 veröffentlicht worden, das am 5.8.1997 ausgegeben worden ist. In der Fassung dieses Änderungsgesetzes lauten - auszugsweise - die Bestimmungen über die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat:

{RN:2}
§ 40: Hinderungsgründe
(1) Mitglieder des Gemeinderates können nicht sein:
1. a) hauptamtliche Beamte und Angestellte der Gemeinde, ausgenommen nicht-leitende
Bedienstete in Einrichtungen der Jugendhilfe und Jugendpflege, der Sozialhilfe, des
Bildungswesens und der Kulturpflege, des Gesundheitswesens, des Forst-, Gartenbau-
und Friedhofsdienstes, der Eigenbetriebe und ähnlicher Einrichtungen,
...;
2. ...
(2) ...
(3) Hinderungsgründe nach Absatz 1 stellt der Gemeinderat fest.

§ 57: Ehrenamtliche und hauptamtliche Bürgermeister, Rechtsstellung
(1) In Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften mit Ausnahme der Trägergemeinden ist der Bürgermeister Ehrenbeamter auf Zeit und Vorsitzender des Gemeinderates. In allen übrigen Gemeinden ist er hauptamtlicher Beamter auf Zeit und Leiter der Gemeindeverwaltung. ...
(2) - (4). ...

{RN:3}
§ 59: Ehrenamtliche und hauptamtliche Bürgermeister, Rechtsstellung
(1) - (2) ...
(3) Die in § 40 Abs. 1 Genannten können nicht gleichzeitig Bürgermeister sein. Eine Person darf nicht in mehreren Gemeinden Bürgermeister sein.

{RN:4}
Über das Verhältnis der Gemeindeorgane zueinander bestimmte die Gemeindeordnung in der Fassung durch das "Kommunalrechtsänderungsgesetz" u. a.:

§ 35: Benennung
Verwaltungsorgane der Gemeinde sind der Gemeinderat und der Bürgermeister.

§ 36: Zusammensetzung
(1) Der Gemeinderat besteht aus den ehrenamtlichen Mitgliedern (Gemeinderäte) und dem Bürgermeister. ...
(2) Vorsitzender des Gemeinderates ist der ehrenamtliche Bürgermeister, im übrigen ein zu wählender Gemeinderat.
(3) - (4) ...
(5) Der Bürgermeister bleibt bei der Berechnung der Quoren ... unberücksichtigt.

§ 43: Fraktionen
Mitglieder des Gemeinderates, ..., können sich zu einer Fraktion zusammenschließen. ...

§ 44: Rechtsstellung und Aufgaben des Gemeinderates
(1) Der Gemeinderat ist die Vertretung der Einwohner und das Hauptorgan der Gemeinde.
(2) - (5) ...
(6) Jeder Gemeinderat kann an den Bürgermeister schriftlich oder in einer Sitzung des Gemeinderates mündliche Anfragen über einzelne Angelegenheiten der Gemeinde und ihrer Verwaltung richten, die binnen angemessener Frist zu beantworten sind. ....

§ 47: Beschließende Ausschüsse
(1) Der Gemeinderat kann bestimmte Angelegenheiten, ..., durch Hauptsatzung den Ausschüssen zur Beschlussfassung übertragen.
(2) Der Vorsitzende der beschließenden Ausschüsse ist in der Regel der Bürgermeister. ...
(3) - (4) ....

§ 48: Beratende Ausschüsse
(1) - (3) ...
(4) Der Vorsitzende der beratenden Ausschüsse ist in der Regel der Bürgermeister. ...

§ 49: Vertretung des Bürgermeisters im Gemeinderat und seinen Ausschüssen
(1) Ist der ehrenamtliche Bürgermeister an der Teilnahme der Sitzung des Gemeinderates verhindert, wird er durch einen Gemeinderat in der Sitzungsleitung vertreten. ...
(2) In den Ausschüssen kann der Bürgermeister einen Beigeordneten mit seiner Vertretung beauftragen. Gibt es keinen Beigeordneten oder ist der Beigeordnete verhindert, so bestimmt der Ausschuss aus dem Kreis seiner stimmberechtigten Mitglieder die Person, die den Bürgermeister im Vorsitz vertritt. Der Beigeordnete hat kein Stimmrecht.

§ 57: Ehrenamtliche und hauptamtliche Bürgermeister, Rechtsstellung
(1) ...
(2) Der Bürgermeister vertritt und repräsentiert die Gemeinde.
(3) - (4). ...

§ 58: Wahlgrundsätze, Amtszeit
(1) Der Bürgermeister wird ... von den ... Bürgern auf die Dauer von sieben Jahren gewählt.
(2) - (5) ...

§ 62: Rechtsstellung im Gemeinderat und in den Ausschüssen
(1) Der Bürgermeister ist für die Vorbereitung der Beschlüsse des Gemeinderates und seiner Ausschüsse sowie deren Vollzug verantwortlich.
(2) Der Bürgermeister hat den Gemeinderat über alle wichtigen die Gemeinde und ihre Verwaltung betreffenden Angelegenheiten zu unterrichten. ...
(3) Der Bürgermeister muss den Beschlüssen des Gemeinderates widersprechen, wenn er der Auffassung ist, dass diese gesetzeswidrig sind. ...
(4) In dringenden Angelegenheiten des Gemeinderates, ..., entscheidet der Bürgermeister anstelle des Gemeinderates. ...

§ 63: Aufgaben in der Gemeindeverwaltung
(1) Der Bürgermeister ist für die sachgemäße Erledigung der Aufgaben und den ordnungsgemäßen Gang der Verwaltung verantwortlich .... Er erledigt in eigener Verantwortung die Geschäfte der laufenden Verwaltung.
(2) - (5) ...

{RN:5}
Die Gemeindeordnung wurde nach dem "Kommunalrechtsänderungsgesetz" zweimal in nicht die Unvereinbarkeit oder die Gemeindeorgane als solche betreffenden Punkten geändert (Art. 1 des Gesetzes über die gleichzeitige Durchführung von Kommunalwahlen und staatlichen Wahlen vom 17.11.1998 [LSA-GVBl., S. 460]: nur § 148 LSA-GO; Art. 2 des Gesetzes zur Änderung der Landeshaushaltsordnung des Landes Sachsen-Anhalt und der Gemeindeordnung vom 21.12.1998 [LSA-GVBl., S. 499, 500]: nur § 129 LSA-GO).

{RN:6}
Durch Art. 1 des Gesetzes zur Förderung der kommunalen Mandatstätigkeit vom 26.4.1999 (LSA-GVBl., S. 152) - LSA-KommMandFördG -, das am 1.5.1999 in Kraft trat (Art. 3 KommMandFördG: am Tag nach der Verkündung im Gesetzblatt Nr. 16 vom 30.4.1999), erhielt § 40 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a LSA-GO die Fassung (Änderung gesperrt):

(1) Mitglieder des Gemeinderates können nicht sein:
1. b) hauptamtliche Beamte und Angestellte einer Verwaltungsgemeinschaft, der die
Gemeinde angehört, ausgenommen nichtleitende Bedienstete in Einrichtungen der
Jugendhilfe und Jugendpflege, der Sozialhilfe, des Bildungswesens und der
Kulturpflege, des Gesundheitswesens, des Forst-, Gartenbau- und Friedhofsdienstes,
der Eigenbetriebe und ähnlicher Einrichtungen,

{RN:7}
2.-->Der Beschwerdeführer wurde bei der Kommunalwahl 1994 zum Bürgermeister der Gemeinde L. gewählt, die der Verwaltungsgemeinschaft "O." im Landkreis Merseburg-Querfurt angehört. Bei der Kommunalwahl 1999 kandidierte er für den Gemeinderat von L., wurde gewählt und nahm das Mandat an.

{RN:8}
3.-->Der Beschwerdeführer hat am 22.6.1999 das Verfassungsgericht angerufen und seinen Vortrag auf das Schreiben des Berichterstatters vom 26.7.1999 hin am 13.9.1999 wie folgt ergänzt: Er wolle Verfassungsbeschwerde erheben, die sich gegen § 40 der Gemeindeordnung richte. Die gesetzliche Regelung, die gegen den Gleichheitssatz des Art. 8 der Landesverfassung verstoße, sei in §§ 40 Abs. 1; 59 Abs. 3 der Gemeindeordnung enthalten. Er wolle zwar sein Mandat als Gemeinderat ruhen lassen, solange er als Bürgermeister tätig sei und wenn er in dieses Amt wiedergewählt werde; anderenfalls wolle er aber als Gemeinderat weiterarbeiten, was dem Wählerwillen entspreche, weil er bei der letzten Kommunalwahl mit Abstand die meisten Stimmen erhalten habe.

{RN:9}
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
§ 59 Abs. 3 Satz 1 der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 5.10.1993 (LSA-GVBl., S. 568) i. d. F. des Art. 1 Nr. 33 des Kommunalrechtsänderungsgesetzes vom 31.7. 1997 (LSA-GVBl., S.. 721) i. V. m. § 40 Abs. 1 Nr. 1 der Gemeindeordnung i. d. F. des Art. 1 des Gesetzes zur Förderung der kommunalen Mandatstätigkeit vom 26.4.1999 (LSA-GVBl., S. 152) als gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit (Art. 89; 8 der Landesverfassung) verstoßend für nichtig zu erklären.

{RN:10}
4.-->Der Landtag hat sich nicht geäußert. Die Landesregierung macht geltend:
Die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig, weil verfristet erhoben. Eingreifende Rechtsnormen seien nicht §§ 40 und 59 LSA-GO, sondern § 36 Abs. 1 LSA-GO, der eine Organtrennung zwischen dem Bürgermeister und dem Gemeinderat vornehme. § 36 LSA-GO sei zum letzten Mal 1997 geändert worden.

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Entscheidungsgründe

{RN:11}
Das Landesverfassungsgericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (§ 21 Abs. 1 des Gesetzes über das Landesverfassungsgericht - LSA-VerfGG - vom 23.8.1993 (LSA-GVBl., S. 441), geändert durch Gesetze vom 14.6.1994 [LSA-GVBl., S. 700] und vom 22.10.1996 [LSA-GVBl., S. 332]), weil es die Verfassungsbeschwerde einstimmig für unzulässig hält; der Beschwerdeführer ist von dieser Absicht durch Schreiben vom 25.10.1999 unterrichtet worden.

{RN:12}
Die Verfassungsbeschwerde ist zwar an sich statthaft (1), aber wegen Versäumung der Jahresfrist unzulässig (2).

{RN:13}
1.-->Wie das Landesverfassungsgericht wiederholt entschieden hat (LVerfG LSA, Urt. v. 27.10.1994 - LVG 14, 17, 19/94 -, LVerfGE 2, 345 [357 ff]; Urt. v. 27.10.1994 - LVG 18/94 -, LVerfGE 2, 378 [387 ff]; Urt. v. 3.7.1997 - LVG 5, 6/97 -, LVerfGE 7, 261 [266 f]; Urt. v. 7.7.1998 - LVG 17/97 - [zur Veröffentlichung vorgesehen]), kann die Vereinbarkeit von landesgesetzlichen Regelungen mit den Wahlrechten nach Landesverfassungsrecht mittels der allgemeinen Verfassungsbeschwerde i. S. des Art. 75 Nr. 6 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt - LSA-Verf - vom 16.7.1992 (LSA-GVBl., S. 600) und der §§ 2 Nr. 7; 47 ff LSA-VerfGG geltend gemacht werden. Durch gesetzliche Bestimmungen, welche das aktive oder passive Wahlrecht einschränken, ist der Betroffene auch "unmittelbar" betroffen, wie für diese Verfassungsbeschwerde vorausgesetzt wird (LVerfGE 2, 345 [359 f]; 2, 378 [399]).
Der Beschwerdeführer stellt die statthafte Frage, ob eine einfachgesetzliche Regelung, welche ihn hindert, als gewählter Bürgermeister die Wahl zum Gemeinderat anzunehmen, mit dem sich aus Art. 89 LSA-Verf ergebenden "passiven" Wahlrecht vereinbar ist. Hierbei handelt es sich um ein "staatsbürgerliches" Recht i. S. des Art. 75 Nr. 6 LSA-Verf und des § 2 Nr. 7 LSA-VerfGG. Umfasst werden "politische Mitwirkungsrechte", insbes. die von der Volkssouveränität vorausgesetzten Wahlrechte (LVerfG LSA, Urt. v. 7.7.1998, a. a. O.; vgl. insoweit auch Art. 2 Abs. 2 und Art. 8 LSA-Verf; wie hier: Mahnke, LSA-Verf, Art. 8 RdNr. 3, Art. 75 RdNr. 19; vgl. für das Bundeswahlrecht z. B.: BVerfG, Beschl. v. 21.6.1988 - 2 BvR 638/84 -, BVerfGE 78, 350 [357]).

{RN:14}
Das staatsbürgerliche Recht auf Gleichbehandlung im aktiven und passiven Wahlrecht folgt landesverfassungsrechtlich für Kommunalwahlen aus Art. 89 LSA-Verf i. V. m. Art. 8 Abs. 1 LSA-Verf (LVerfGE 2, 345 [358]; 2, 378 [388]).

{RN:15}
2.-->Der Beschwerdeführer hat indessen die Frist des § 48 LSA-VerfGG versäumt.
Die Vorschriften, durch welche der Beschwerdeführer belastet sein könnte, sind bereits länger als ein Jahr lang in Kraft gewesen, bevor der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde erhoben hat (2.1). Die Frage, ob die Gemeindeordnung den Beschwerdeführer hindert, zu gleicher Zeit Bürgermeister und Gemeinderat zu sein, stellt sich nicht deshalb neu, weil der Gesetzgeber § 40 Abs. 1 Nr. 1 der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt vom 5.10.1993 (LSA-GVBl., S. 568), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.4.1999 (LSA-GVBl., S. 152) - LSA-GO - innerhalb der Jahresfrist des § 48 LSA-VerfGG geändert hat (2.2). Unerheblich für die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde ist, ob der Beschwerdeführer erst nach Ablauf der Jahresfrist in die Positionen gekommen ist, für welche die Gemeindeordnung bereits zuvor eine Regelung getroffen hatte (2.3).

{RN:16}
2.1-->Ob und in welchem Umfang ein Bürgermeister, sei er haupt- oder ehrenamtlich tätig, zugleich dem Gemeinderat angehören und dort nicht nur Sitz, sondern auch Stimme haben darf, eine Frage von "Unvereinbarkeitsregelungen" ist, zu welchen Art. 91 Abs. 2 LSA-Verf den Gesetzgeber für den dort genannten Personenkreis ermächtigt, oder eine solche der "Organisation" der Gemeinde und damit der "Kommunalverfassung", welche der Landesgesetzgeber in den durch Art. 28 des Grundgesetzes und durch Art. 2 Abs. 3; 87 Abs. 1 LSA-Verf gesetzten Grenzen bestimmen darf, kann im Ergebnis offen bleiben. Überwiegendes spricht indessen dafür, die Frage nicht nach § 40 der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt vom 5.10.1993 (LSA-GVBl., S. 568), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.4.1999 (LSA-GVBl., S. 152) - LSA-GO - zu beantworten, sondern auf der Grundlage der §§ 35, 36 LSA-GO (so auch Klang/Gundlach, LSA-GO, 2. Aufl., A § 40 RdNr. 2 [S. 135]; anders wohl: Wiegand/Grimberg, LSA-GO, § 40 RdNr. 2).

{RN:17}
§ 35 LSA-GO stellt gleichsam als "Grundnorm" die Gemeindeorgane, den (unmittelbar gewählten; vgl. § 58 Abs. 1 LSA-GO) Bürgermeister und die gewählte Volksvertretung (vgl. insoweit als Vorgabe: Art. 89 LSA-Verf), den Gemeinderat, einander gegenüber. Diese Organtrennung dürfte ausschließen, den gewählten Bürgermeister zugleich zum Mitglied der Vertretungskörperschaft zu wählen, oder anders betrachtet, den als solchen gewählten einzelnen Gemeinderat außerdem zugleich zum Bürgermeister zu wählen. § 36 Abs. 1 LSA-GO stellt diesen Grundsatz nur scheinbar in Frage, wenn bestimmt ist, dass der Bürgermeister dem Gemeinderat angehört; denn diese Mitgliedschaft dürfte wie der Ratsvorsitz des ehrenamtlichen Bürgermeisters nach § 36 Abs. 2 LSA-GO allein an die Funktion als (volksgewählter) Bürgermeister gebunden sein. Die "Bürgermeister-", nicht die "Gemeinderats-"Wahl ist dann Grundlage für die Mitgliedschaft im Gemeinderat. Mit § 36 Abs. 1 LSA-GO trägt die Kommunalverfassung einerseits dem Umstand Rechnung, dass der Bürgermeister nicht "aus der Mitte des Gemeinderates" gewählt wird, sondern unmittelbar durch das Volk, und berücksichtigt andererseits, dass der Bürgermeister damit die gleiche demokratische (unmittelbare) Legitimation besitzt wie jedes gewählte Ratsmitglied.

{RN:18}
Die Gemeindeordnung lässt aber an zahlreichen anderen Stellen erkennen, dass der Bürgermeister nur mit den ihm durch das Gesetz zugestandenen Rechten im Rat mitwirken soll: So kann er nicht Mitglied einer (Rats-)Fraktion werden (§ 43 LSA-GO); er bleibt folgerichtig auch bei der Bildung von Quoren unberücksichtigt, welche sicherstellen sollen, dass die politischen Kräfte im Rat insbesondere bei der Bildung von Ausschüssen angemessen beteiligt werden (§ 36 Abs. 5 LSA-GO). Nur ihm in Person und nicht einem ihn vertretenden Beigeordneten kommt Stimmrecht im Rat zu (vgl. § 49 Abs. 2 Satz 3 LSA-GO). Schließlich ist der Vorsitz im Gemeinderat (vgl. § 36 Abs. 2 LSA-GO: nur ehrenamtliche Bürgermeister) oder in den Ausschüssen (vgl. §§ 47 Abs. 2; 48 Abs. 4 LSA-GO) an sein Amt als Gemeindeorgan geknüpft (vgl. Klang/Gundlach, a. a. O., A § 36 RdNrn. 2, 3).

{RN:19}
Im Übrigen sind den beiden Gemeindeorganen unterschiedliche Kompetenzen zugewiesen: Der Bürgermeister ist der juristische und repräsentative Vertreter der Gemeinde (§ 57 Abs. 2 LSA-GO); der Gemeinderat wird als das Hauptorgan bezeichnet (§ 44 Abs. 1 LSA-GO), dessen Kompetenz der Bürgermeister nur in dringenden Fällen wahrnehmen darf (§ 62 Abs. 4 LSA-GO). Der Bürgermeister ist Zuarbeiter des Gemeinderats und vollzieht dessen Willen (§ 62 Abs. 1 LSA-GO); er kann sich über die Beschlüsse nur in einem förmlichen "Widerspruchsverfahren" hinwegsetzen (§ 62 Abs. 3 LSA-GO). Soweit er hauptamtlich tätig ist, untersteht ihm zugleich die Verwaltung (§ 63 Abs. 1 LSA-GO). Er ist auskunftspflichtig (vgl. §§ 44 Abs. 6; 62 Abs. 2 LSA-GO), damit das einzelne Mitglied im Gemeinderat und das Organ Gemeinderat ihre Aufgaben erfüllen können.

{RN:20}
Diese grundsätzliche Trennung des § 35 LSA-GO dürfte als allgemeiner Grundsatz - wie sich aus den Sonderregelungen für haupt- und ehrenamtlich tätige Bürgermeister entnehmen lässt (vgl. etwa: §§ 36 Abs. 2; 49 LSA-GO) - für beide gleichermaßen gelten (so zutreffend Klang/Gundlach, a. a. O., A § 40.RdNr. 2 [S. 135]).

{RN:21}
Das Landesverfassungsgericht hat deshalb gerade auch dem ehrenamtlichen Bürgermeister innerhalb einer Verwaltungsgemeinschaft (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 1 LSA-GO) grundsätzlich die gleichen Befugnisse gegenüber dem Gemeinderat zugestanden wie dem hauptamtlichen Bürgermeister einer "Trägergemeinde" (vgl. §§ 57 Abs. 1 Satz 2; 82 LSA-GO) oder einer Gemeinde außerhalb einer Verwaltungsgemeinschaft (vgl. § 57 Abs. 2 Satz 2 LSA-GO), soweit die Gemeindeordnung keine besonderen Regelungen getroffen hat (LVerfG LSA, Urt. v. 23.2.1999 - LVG 8/98 - [zur Veröffentlichung vorgesehen]); das gilt insbesondere für die Gemeindeverwaltung, die zwar dem hauptamtlichen Bürgermeister untersteht, bei Gemeinden mit ehrenamtlichen Gemeinden indessen als gleichsam "gemeinsame" Verwaltung in der Verwaltungsgemeinschaft organisiert ist.

{RN:22}
Wenn allein oder doch bevorzugt auf den Grundsatz der §§ 35, 36 LSA-GO ("Organtrennung") abzustellen ist, bleibt der Begriff der "Hauptamtlichkeit" in § 40 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a LSA-GO ohne Bedeutung (anders wohl: Wiegand/Grimberg, a. a. O., § 40 RdNr. 2). Jedenfalls wäre der Beschwerdeführer durch diese Bestimmung nicht betroffen; denn nur außerhalb einer Verwaltungsgemeinschaft oder Trägergemeinde wird der gewählte Bürgermeister zum "Beamten auf Zeit" ernannt (§ 57 Abs. 1 Satz 2 LSA-GO); das ließe schon mit Rücksicht auf die den § 40 LSA-GO rechtfertigende Verfassungsbestimmung des Art. 91 Abs. 2 LSA-Verf nur den Umkehrschluss zu, dass der ehrenamtliche Bürgermeister nicht nach § 40 Abs. 1 LSA-GO ausgeschlossen ist.

{RN:23}
Die Normen der Gemeindeordnung, welche hier zur Beurteilung stehen, sind innerhalb des Jahres vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde (§ 48 LSA-VerfGG) nicht geändert worden.

{RN:24}
Das Gesetz vom 26.4.1999, das allein die "Unvereinbarkeiten" i. S. des § 40 LSA-GO betraf, ließ die Bestimmungen über die Gemeindeorgane - insbesondere die §§ 35, 36 LSA-GO - unverändert. § 40 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a LSA-GO wurde durch dieses Gesetz nicht etwa zu Lasten der ehrenamtlichen Bürgermeister verschärft, sondern die Unvereinbarkeiten von Ämtern und Ratsmandat wurden gelockert.

{RN:25}
2.2-->Die Jahresfrist hat für den Beschwerdeführer auch nicht deshalb neu zu laufen begonnen, weil der Gesetzgeber durch die Änderungen im Jahr 1999 zu § 40 LSA-GO etwa die übrigen Regelungen "bestätigend in seinen Willen aufgenommen" hätte.

{RN:26}
Mit § 48 LSA-VerfGG greift der Landesgesetzgeber auf das Vorbild der bundesrechtlichen Verfassungsbeschwerde zurück (vgl. etwa: BVerfG, Beschl. v. 11.10. 1988 - 1 BvR 777, 882, 1239/85 -, BVerfGE 79, 1 [14]). Die Jahresfrist beginnt nicht erneut zu laufen, weil der Gesetzgeber eine frühere Regelung (ohne Änderung lässt und sie damit) "bestätigt" (BVerfG, Beschl. v. 6.6.1989 - 1 BvR 921/85 -, BVerfGE 80, 137 [149], m. w. Nachw.); denn die Fristbegrenzung bei der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz soll den Betroffenen aus Gründen der Rechtssicherheit daran hindern, die Verfassungsrüge beliebig lange hinauszuschieben (BVerfG, Beschl. v. 5.7.1960 - 1 BvR 232/58 -, BVerfGE 11, 255 [260]; vgl. auch: BVerfG, Urt. v. 17.10.1968 - 2 BvE 2/67 -, BVerfGE 24, 252 [257] zu einer Organklage über Wahlkampfkosten). Das Landesverfassungsgericht hat diese Grundsätze auf die Auslegung des § 48 LSA-VerfGG übertragen (LVerfG LSA, Urt. v. 13.7.1999 - LVG 20/97 -; Urt. v. 13.7.1999 - LVG 21/97 -, beide zur Veröffentlichung vorgesehen).

{RN:27}
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat es als Ausnahme hiervon nur anerkannt (LVerfG LSA, Urt. v. 13.7.1999 - LVG 20/97 -), dass die Jahresfrist des § 48 LSA-VerfGG auf eine Gesetzesänderung hin neu zu laufen beginnt, wenn diese entweder sog. "Klarstellungen" oder "Zusätze" in der im Wesentlichen unverändert bleibenden bisherigen Bestimmung bringt oder aber durch Änderungen anderer Bestimmungen auf die selbst unverändert bleibende Norm "ausstrahlt" und deshalb deren Regelung beeinflusst (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 23.11.1976 - 1 BvR 150/75 -, BVerfGE 43, 108 [116]; BVerfG, Urt. v. 2.11.1960 - 2 BvR 504/60 -, BVerfGE 11, 351 [359 f]; BVerfG, Urt. v. 15.11.1960 - 2 BvR 536/60 -, BVerfGE 12, 10 [34]; BVerfG, Beschl. v. 11.10.1977 - 1 BvR 343/73, 83/74, 183,428/75 -, BVerfGE 47, 1 [7]).

{RN:28}
Die Änderung des § 40 Abs. 1 Nr. 1 LSA-GO durch das Gesetz vom 26.4.1999 hat allenfalls das "System" der Unvereinbarkeiten beeinflusst und gelockert, nicht aber auch dadurch die Fragen zur gleichzeitigen Wählbarkeit oder Amtsausübung als einerseits Bürgermeister und andererseits Gemeinderat neu aufgeworfen.

{RN:29}
2.3-->Die Jahresfrist des § 48 LSA-VerfGG läuft ab Verkündung der Norm, welche die "Beschwer" erzeugt; sie knüpft nicht daran an, wann der Betroffene durch die Normregelung zum ersten Mal belastet wird (BVerfG, Beschl. v. 6.3.1968 - 1 BvR 975/58 -, BVerfGE 23, 153 [164], sowie daran anschließend: LVerfG LSA, Urt. v. 13.7.1999 - LVG 20/97 -). Unerheblich ist auch, ob der Beschwerdeführer die künftige Belastung nach Ablauf des Jahres innerhalb der Jahresfrist bereits voraussehen konnte; denn die Grundsätze der "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" gelten nicht für die Versäumung der gesetzlichen Ausschlussfrist des § 48 LSA-VerfGG (LVerfG LSA, Urt. v. 13.7.1999 - LVG 20/97 -).

{RN:30}
3.-->Die Kostenentscheidung beruht auf § 32 Abs. 1, 3 LSA-VerfGG.
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Das Gericht

Der Sitz des Landesverfassungsgerichts ist Dessau-Roßlau.