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Pressemitteilungen

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Landesverfassungsgericht Sachsen-​Anhalt
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Pressemitteilungen des Landesverfassungsgerichts

LVG 20/22

Entscheidung des Landesverfassungsgerichts vom 21. August 2023 in dem Organstreitverfahren LVG 20/22 (Ordnungsruf)

21.08.2023, Dessau-Roßlau – 006/2023

  • Landesverfassungsgericht

In dem Organstreitverfahren über einen Ordnungsruf im Landtag hat das Landesverfassungsgericht mit Urteil vom heutigen Tag den Antrag des Abgeordneten auf Feststellung einer Verletzung seines Rechts auf freie Mandatsausübung (hier: Redefreiheit) zurückgewiesen.

Der Abgeordnete hatte in einem Redebeitrag zu einer Aktion des Ministeriums für Bildung (Motto: „Wir ham ´nen Stich“, Kampagne zur Sensibilisierung insbesondere 12- bis 17-Jähriger für Corona-Schutzimpfungen) formuliert: „Wenn ich aber über die Initiatoren dieser Kampagne nachdenke, frage ich mich: Weshalb tut man das? Ist es ein Selbstläufer? Ist es Trägheit? Ist es Feigheit? Ist es Bosheit? Ist es die Banalität des Bösen?“ Der sitzungsleitende Vizepräsident des Landtags hatte ihm im Anschluss an die Sitzung bezugnehmend auf die Formulierung „Banalität des Bösen“ einen Ordnungsruf erteilt. Diesen hielt der Abgeordnete für verfassungswidrig, weil er sich in seiner Redefreiheit verletzt sah.

Das Landesverfassungsgericht hat seinen Antrag, soweit er gegen den Landtag selbst gerichtet war, als unzulässig verworfen, weil der Ordnungsruf nicht dem Landtag an sich, sondern nur dem Präsidenten des Landtags zuzurechnen sei.

Doch auch der Antrag gegen den Präsidenten des Landtags blieb erfolglos. Diesem werde der Ordnungsruf durch den Vizepräsidenten des Landtags zwar zugerechnet. In der Sache verletze der Ordnungsruf allerdings nicht die Redefreiheit des Abgeordneten. Denn die Formulierung des Antragstellers durfte als Verstoß gegen Ordnung, Würde und Ansehen des Landtags gewertet werden, der einen anschließenden Ordnungsruf rechtfertigt.

Die in Frageform gefasste Äußerung birgt, so das Landesverfassungsgericht, im konkreten Zusammenhang die Unterstellung, dass die „Initiatoren“ der Impfkampagne bei Kindern und Jugendlichen moralisch denen gleichzusetzen seien, die (wie Adolf Eichmann im Sinne des mit der „Banalität des Bösen“ zitierten Titels der Buchreportage Hannah Arendts) durch die scheinbar banale Erfüllung bürokratischer Aufgaben dem schlechthin Bösen, wie es im millionenfachen Mord an Juden zutage getreten ist, zur Verwirklichung verholfen haben.

Der Antragsteller hatte im Rahmen seines Redebeitrags weiter von „institutionalisierter Kindesmisshandlung“ und einem „schmutzigen Experiment“ gesprochen. Daher durfte seine Äußerung insgesamt als Herabwürdigung des politischen Gegners und nicht als Beitrag zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung verstanden werden. Dieses sei im Ergebnis nicht von der Redefreiheit des Abgeordneten gedeckt.

(vgl. auch Pressemitteilungen Nr. 004/23 vom 1. Juni 2023 mit weiteren Hintergrundinformationen und Nr. 005/23 vom 20. Juli 2023)

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Hintergrund:

Der Präsident des Landtags ruft ein Mitglied des Landtags „zur Ordnung“, wenn es die Ordnung, die Würde oder das Ansehen des Landtages verletzt.

Folge mehrerer Ordnungsrufe oder „gröblicher“ Verletzungen der Ordnung, der Würde oder des Ansehens des Landtages kann ein Ausschluss aus der Sitzung des Landtages sein.

Gegen einen Ordnungsruf kann der betroffene Abgeordnete Einspruch erheben, über den der Landtag beschließt. Besteht sodann noch immer Streit über den Ordnungsruf und fühlt sich der betroffene Abgeordnete in seinen von der Landesverfassung gewährten Rechten hierdurch verletzt, kann er einen Antrag im Organstreitverfahren vor dem Landesverfassungsgericht stellen. 

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Impressum:
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Tel: 0340 202-1482
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Mail: presse.lverfg@justiz.sachsen-anhalt.de
Web: www.verfassungsgericht.sachsen-anhalt.de

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Das Gericht

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